Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

Nach fünf Jahren in der Obhut von Frau Knake-Werner ist der Verbraucherschutz in Berlin am Ende. Wir verstehen, dass Frau Knake-Werner die Verbraucherpolitik entzogen wurde.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Quatsch!]

Wir verstehen aber nicht, warum sie sich jetzt an der Arbeitsmarktpolitik vergreifen darf.

[Beifall bei den Grünen und der FDP– Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das sollte uns Herr Wowereit einmal erklären! Aber Herr Wowereit ist gar nicht mehr da. Er musste zu einer staatspolitisch wichtigen Preisverleihung. Vielleicht sollten wir in den Sitzungen auch Preise verleihen, damit der Bürgermeister einmal dem Parlament die Ehre gibt.

[Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Zurufe von der Linkspartei]

Einen Preis für die geringste Anzahl parlamentarischer Initiativen etwa, den würde dann die SPD-Fraktion bekommen. Oder einen Preis für die aufsehenerregendste Mitwirkung an einem Pornofilm, der ginge an die CDUMittelstandsvereinigung in Kreuzberg. Und Frau KnakeWerner hat definitiv einen Preis für ihr Nichtstun beim Verbraucherschutz verdient.

Umso mehr waren wir im Ausschuss positiv überrascht von der Reaktion von Senatorin Lompscher, als sie von den Problemen gehört hat. Eine PDS-Senatorin, die nicht für alles Schlechte im Land die Bundesregierung verantwortlich macht, das war neu.

[Beifall von Ramona Pop (Grüne)]

Frau Lompscher hat stattdessen auf die Verantwortung der Bezirke verwiesen, auf die Verantwortung des Rats der Bürgermeister, außerdem auf die Verantwortung einer Mentorengruppe, die allgemeinen Beschäftigungsbedin

gungen im öffentlichen Dienst und natürlich auf den Finanzsenator. Der ist auch schuld.

[Unruhe]

Natürlich wieder der Finanzsenator! Wenn man die PDS manchmal hört, fragt man sich: Ist das eine Regierungspartei hier in Berlin, oder ist es die Opposition zum alleinregierenden Finanzsenator?

[Beifall bei den Grünen]

Frau Lompscher! Sie haben neben diesem SchwarzerPeter-Spiel auch deutlich gemacht, dass Sie einen Beitrag leisten wollen, um die Probleme zu lösen. Das erkennen wir an. Aber Sie sind in Ihrem neuen Amt oberste Verbraucherschützerin Berlins. Es ist Ihre Aufgabe, die gravierenden Probleme in der Berliner Lebensmittelkontrolle zu beheben. Es liegt an Ihnen, die anderen Akteure zu überzeugen und sich notfalls gegen diese durchzusetzen, um die nötigen Änderungen zu erreichen. Daran messen wir Sie. Daran werden Sie auch die Verbraucherinnen und Verbraucher messen, spätestens beim nächsten Gammelfleischskandal. Und der wird kommen, wenn Sie die gravierenden Probleme der Berliner Lebensmittelkontrolle nicht beheben.

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Nein! Peinlich ist, wenn Sie hier immer von Aufklärung reden, wenn Sie eine Aufklärungsshow veranstalten und dann die eigentliche Aufklärung nicht leisten, indem Sie dem Parlament den Untersuchungsbericht vorenthalten.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wenn es in Ihren Reihen aufrechte Leute gibt, dann stimmen Sie einfach zu! Eine Stimme aus Ihren Reihen reicht, um dem Parlament die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Schäfer! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr Frau Monteiro das Wort. – Bitte schön, Frau Monteiro!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was kann, was muss man zu dieser Drucksache zum „Gammelfleischskandal“ – so genannt in der Drucksache der Grünen – noch sagen? Werfen wir mithilfe des Internets gemeinsam einen Blick auf die neusten Entwicklungen! Da zeigt die Homepage der Bündnisgrünen-Fraktion unter dem Thema „Umwelt und Verbraucherschutz“ als Haupt- und Startmeldung spektakulär „Kofi Annan kritisiert Wowereit“ – allerdings, Sie ahnen es, nicht wegen des „Gammelfleisch“-Skandals. Und Kofi Annan kritisiert auch nicht Klaus Wowereit, sondern er beklagt allgemein das unzureichende Engagement vieler Politiker in Sachen

Klimaschutz. Aber egal! So genau nehmen es die Grünen nicht!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

CDU und FDP sehen einen enormen Handlungsbedarf seitens der Senatsverwaltung. Sie verzichten aber vorsichtshalber auf einen eigenen Antrag. Auf der Homepage der FDP-Fraktion findet man zum Thema „Gesundheit und Verbraucherschutz“ einen einzigen Beitrag, und zwar einen überaus spannenden des Abgeordneten Lehmann zum Thema „Mensch und Hund in Berlin“

[Beifall bei der SPD – Heiterkeit]

allerdings vom Juli 2005. Herr Mario Czaja kommt auf der Homepage der CDU-Fraktion dem Thema schon näher, indem er von einem Kommunikationsdesaster redet und Aufklärung fordert.

[Mario Czaja (CDU): Wir sind wenigstens aktuell!]

Genau diese geforderte Aufklärung ist inzwischen erfolgt. Ein Bericht zum chronologischen Ablauf der Geschehnisse wurde am 14. Dezember vorgelegt.

[Mario Czaja (CDU): Der Bericht wurde doch unterdrückt!]

Es gab eine öffentliche Anhörung. Der Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz widmete sich am 18. Dezember 2006 und am 22. Januar 2007 ausführlich dieser Problematik. Parallel zu all dem schrieb der fleißige Herr Schäfer von den Grünen 23 Fragen auf, die die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz nicht minder fleißig beantwortete.

Die Presseberichterstattung hat inzwischen einen neuen Schuldigen entdeckt – die Kosten- und Leistungsrechnung. Sie sei schuld daran, dass bei den Kontrollen Quantität vor Qualität gehe. Hoffentlich wissen wir alle, wovon wir reden.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Die Grünen nicht!]

Die Hauptleistung der Produktgruppe Lebensmittelüberwachung ist in zwei Produkten abgebildet, erstens in der Kontrollmaßnahme im Rahmen der Lebensmittelaufsicht – das ist das Produkt 790 95 – und zweitens in der Entnahme und Analyse der Lebensmittelprobe – Produkt 790 93. Bei beiden Produkten erfolgt die Zählung über die Anzahl der Maßnahmen bzw. der Proben, aber in der Kosten- und Leistungsrechnung sind die durchschnittlichen Kosten pro Probe bzw. pro Maßnahme dargestellt. Dies ist unbedenklich, da die Rechnungslegung zum Beispiel für die Lebensmittelproben seitens des ILAT auf einer Mischkalkulation beruht.

Gehen wir einen Moment davon aus, dass das Problem tatsächlich die Produktdefinition sei, wie es einer der Hauptkronzeugen,

[Heiterkeit bei der Linksfraktion]

ein leitender Mitarbeiter eines Bezirksamtes im Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz

und auch gegenüber der Presse ausführlich darstellte. Dazu sei Folgendes bemerkt: Für die Produktüberarbeitung ist zwischen dem Rat der Bürgermeister und der Senatsverwaltung für Finanzen ein Produktänderungsverfahren abgestimmt worden. Der grobe Ablauf lautet wie folgt: Die Produktmentorengruppe, sie hat derzeit sechs Mitglieder, alle sechs sind Vertreter der Bezirksämter, erarbeiten einen Vorschlag. Dieser Vorschlag wird nach Abstimmung in der Produktkonferenz der Senatsfinanzverwaltung vorgelegt und muss dann vom Rat der Bürgermeister endgültig beschlossen werden. Nun dürfen wir raten, wer der Leiter der Mentorengruppe ist. Es ist jener bereits erwähnte Kronzeuge. Hier sind wir wieder beim Thema „mangelnde Kommunikation“: Die vorgetragene Kritik ist bislang im Rahmen des Produktänderungsverfahrens nicht geäußert worden und daher seitens der Senatsverwaltung für Finanzen nicht nachvollziehbar.

Neben der Umsetzung der bundeseinheitlich und auch in Berlin laufenden Maßnahmen zu Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurden inzwischen seitens der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz folgende Maßnahmen ergriffen: In der zuständigen Senatsverwaltung wurde eine Stabsstelle Verbraucherschutz eingerichtet. Die organisatorischen Abläufe wurden durchleuchtet, gestrafft und verbessert. Es wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Senatsverwaltung, der VetLeb und des ILAT gegründet. Diese hat bereits im Dezember und am 17. Januar getagt. Sie wird bis Anfang März ein Memorandum zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit vorlegen. Wichtige Weichenstellungen wurden bereits getroffen, so auch die Definition des Begriffs „besonderes Vorkommnis“.

[Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Dann ist ja alles in Ordnung!]

Unerlässlich ist ebenfalls eine schnelle und unkomplizierte Nachbesetzung der Altersteilzeitabgänge bei den amtlichen Tierärzten und Lebensmittelkontrolleuren.

Alle diese wichtigen Schritte entbinden aber die Wirtschaft nicht davon, die Eigenkontrollen zu verbessern. Die SPD-Fraktion wird die weitere Verbesserung des Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit konstruktiv und nicht skandalisierend begleiten und lehnt deshalb den Antrag der Fraktion der Grünen ab.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Monteiro! – Zu einer Kurzintervention hat Herr Schäfer sich gemeldet. Er hat dazu das Wort.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Sag mal was zur Kosten- und Leistungsrechnung!]

Sehr gehrte Frau Monteiro! Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte falsche Angaben gemacht

[Allerdings! von der Linksfraktion]

durch die Pressemitteilungsüberschrift: „Kofi Annan kritisiert Wowereit“.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Ich habe in der Presseerklärung dann auch dargelegt, dass Kofi Annan allgemein das mangelnde Engagement von Politikern beim Klimaschutz beklagt hat, und begründet, warum Herr Wowereit sich angesprochen fühlen darf. Die Damen und Herren der Regierungskoalition verstehen keine sprachlichen Bilder.