Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Herr Jotzo! Wenn es noch eines Beweises dafür bedarf, dass es Ihnen und der FDP keineswegs um eine sachliche Debatte zum Thema linksextremistische Gewalt, sondern ausschließlich um Schuldzuweisungen und Selbstdarstellung geht, dann liefern Sie ihn mit diesem völlig sinnentleerten Maßnahmenkatalog, den Sie uns hier vorgelegt haben. Hinzu kommt die Tatsache, dass Sie aus den Verhandlungen der Fraktionen ausgestiegen sind, hier in letzter Minute mit einer Frühfassung auftauchen und falsche Behauptungen zum Inhalt der gemeinsamen Erklärungen aufstellen.

In Ihrem Maßnahmenkatalog haben Sie unter der Überschrift „Polizeiliche Ausstattung verbessern“ zusammengefasst, was die Koalitionsfraktionen immer wieder deutlich gemacht haben. Natürlich ist es wichtig, dass wir uns den 16 160 Stellen als sogenannten Vollzeitäquivalenten annähern müssen.

[Björn Jotzo (FDP): Machen Sie aber nicht!]

Dafür sind die Ausbildungsplätze erhöht worden. Fallen bei Ihnen ausgebildete Polizisten vom Himmel? Dann fordern Sie, dass die Polizeipräsenz vor allem in den Brennpunkten Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg erhöht werden soll, um im gleichen Absatz eine überall gleichbleibend hohe Sicherheitsqualität zu gewährleisten. Was denn nun, Konzentration oder Fläche?

Sie behaupten, bei Großlagen gäbe es nicht ausreichend beweissichere Festnahmen. Damit widersprechen Sie jeder Statistik. Sie können vielleicht die nach dem letzten 1. Mai nachlesen.

Dann haben Sie die schöne Überschrift gewählt: Image der Berliner Polizei verbessern – Prävention gegen linke Gewalt stärken. – Wenn Sie finden, dass die Berliner Polizei ein so schlechtes Image hat, sollten Sie präzisieren, worin das besteht. Denken Sie darüber noch einmal nach!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wenn Sie keine Ahnung von den Präventionsmaßnahmen der Berliner Polizei haben, sollten Sie sich an die Präventionsbeauftragten wenden, die jeder Abschnitt hat. Es gibt keine sicherheitsrelevante Initiative, in der die Polizei nicht als Gesprächspartner zur Verfügung steht. Es werden unzählige Schulbesuche veranstaltet, das Gespräch mit relevanten Gruppen gesucht und Projekte begleitet. Ein Beispiel dafür sind die Kiezläufer.

Und was bitte ist eine „soziale Infrastruktur gegen linke Gewalt“? Wie wäre es mit einer sozialen Infrastruktur gegen Wirtschaftskriminalität? Das Anzünden von Autos ist eine Straftat, der man selbstverständlich mit Repression begegnen muss.

„Entschiedenes Vorgehen gegen Extremismus und Gewalt“ lautet die nächste Überschrift. Woher wissen Sie eigentlich, wie viele V-Leute und verdeckte Ermittler in den entsprechenden extremistischen Milieus eingesetzt werden? Wenn Sie das nicht wissen, warum fordern Sie dann Verstärkung? – Ich stelle mir das so vor, Herr Jotzo: Sie lesen in einer Studie über linksextremistische Gewalt, dass insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr so gut wie nichts vorkommt, und schlussfolgern dann messerscharf, dass die Sicherheitspartnerschaften gegen linke Gewalt im ÖPNV her müssen. – Das ist ein Stück aus dem Tollhaus.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zu Ihrer letzen Überschrift: „Strafverfolgung professionell und rechtsstaatlich durchführen“. – Das ist ein starkes Stück. Da sind Sie übrigens nah bei den Vorwürfen aus der linksextremistischen Szene. Darauf kommen Sie auch in der Begründung zurück, indem Sie behaupten, Strafverfahren seien ohne hinreichende Beweise durch die Staatsanwaltschaft vorangetrieben worden. Vielen Dank für Ihr Demokratieverständnis! Die Begründung macht

zudem noch einmal die Stoßrichtung deutlich und zeigt, dass es Ihnen nicht um ernsthafte Debatten geht. Das haben Sie auch heute bewiesen. Es geht Ihnen darum, uns die Richtung vorzugeben. Wir sollen uns nicht darum kümmern, dass die Mieten in Innenstadtgebieten stabil bleiben, dass es zu einer Durchmischung von Kiezen kommt, dass wir gegen Vertreibungen vorgehen. Dass Sie von der FDP Gentrifizierung positiv besetzen, verwundert uns nicht, aber Sie werden uns mit dem Linksextremismusvorwurf nicht von den wichtigen Aufgaben in der Stadt abbringen. Das sage ich Ihnen ganz klar.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Der Kollege Lux hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte!

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP enthält einen Maßnahmenkatalog mit einer Reihe selbstverständlicher Forderungen: Die Ausstattung der Berliner Polizei soll belastungsorientiert erfolgen. Das Image der Berliner Polizei soll verbessert werden. Gegen Extremismus und Gewalt soll entschieden vorgegangen werden. Die Strafverfolgung soll professionell und rechtsstaatlich durchgeführt werden. – Das sind Ziele, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, aber auch alle anderen Fraktionen hier im Haus immer wieder eingefordert haben und die wir auch in Zukunft unterstützen werden,

[Beifall bei der FDP]

gerade wenn die linke Gewalt steigt, wie es sich in den letzten Tagen abzeichnete. Wir sind besorgt, dass die linke Gewalt vor dem 1. Mai noch zunimmt. Sie sollten aber auch ein redliches Spiel spielen. Jeder hier im Haus lehnt Gewalt jeglicher Motivation ab. Da sollten Sie nicht mit falschen Vorwürfen arbeiten, da wir uns sonst selbst verlegen, während die Gewalt draußen weitergeht. Vielleicht findet sie sogar einen weiteren Nährboden, wenn Demokraten im entscheidenden Moment nicht zusammenhalten.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben sich bereits in den letzten Wochen verabschiedet. Sie waren nicht mit einer gemeinsamen Erklärung einverstanden. Dazu muss man nicht viel sagen.

Was war Ihr Interesse, als Sie da nicht mitgegangen sind? – Das können Sie nicht erklären, Herr Jotzo. Das konnten Sie auch eben nicht. Deshalb sollten wir die Sachdebatte fortführen. Die Maßnahmen, die Sie in Ihrem Antrag wollen, sind keine, die sich speziell gegen linke Gewalt richten. Natürlich brauchen wir eine gut ausgestattete und ausgebildete Polizei in Sollstärke, ein gutes Image der Berliner Polizei und eine gute Strafverfolgung, aber doch nicht allein gegen linke Gewalt. Sie verabsolutieren aber

die linke Gewalt und verdecken damit – und das ist unredlich – auf der anderen Seite die Aufgaben der Berliner Polizei bei der Überwachung von Sexualstraftätern, beim Kampf gegen Jugendgewalt, Homophobie, Datenkriminalität und Korruption, bei Banden- und Rockerdelikten und Alltagsdelikten wie Fahrraddiebstahl, Wohnungseinbrüche, Verkehrsüberwachung und Prävention. Davon hören wir von Ihnen kein Wort. Dennoch sind all Ihre Maßnahmen geeignet, um auch die Alltagskriminalität besser in den Griff zu bekommen.

Damit setze ich nicht gleich, Herr Kollege Gram. Vielmehr will ich diese Maßnahmen, die die FDP vorschlägt, aber um die öffentliche Sicherheit in dieser Stadt insgesamt zu erhöhen. Auch darin sollten wir uns einig sein. Wir müssen uns hier auch hinter die Berliner Polizei stellen, die in dieser gesamten Stadt eine schwere Aufgabe hat.

[Beifall bei den Grünen]

Die Antwort, weshalb Sie sich dem Prozess der vier Fraktionsvorsitzenden entziehen, liegt auch in der Begründung Ihres Antrags. Unter dem Deckmantel der anständigen Forderung beschimpfen Sie wahllos demokratische Parteien aufs Unredlichste und versuchen noch, fern jeder Wahrheit – Herr Jotzo, es wird Ihnen nicht gelingen – die Verantwortung für die zunehmende linksextreme Gewalt den demokratischen Parteien zuzuschieben, die sich in der Mitte oder links der Mitte befinden. Das wird Ihnen nicht gelingen, so sehr Sie das betonen.

Ihre Begründung des Antrags ist einem höchsten Maß unredlich, dass man sich eigentlich fragt, mit welchen Mitteln Politik gemacht wird. Ich fordere ausdrücklich alle Angehörigen der FDP-Fraktion auf – nicht nur die Innenpolitiker, teilweise kennt man die Worte auch schon von anderen Kollegen –, sich diese Begründung einmal durchzulesen. Ihnen wird es ähnlich gehen wie mir. Sie lesen diese Begründung als reine Polemik. In jeder Zeile ist eigentlich der Hass, die Verachtung und die Ausgrenzung von anderen Parteien zu spüren. Diese machen Sie sich zueigen. Herr Meyer! Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt, Sie würden zurück zur Sacharbeit kommen. Das Gegenteil tun Sie hier. Damit werden Sie keine politischen Partner finden, außer denen, die sich vielleicht einmal sicher sein können. Sie tun genau das Gegenteil. Dagegen war Ihr Vorgänger ein Ausmaß an Seriosität, jedenfalls Verbindlichkeit.

[Zurufe von der FDP]

Was Sie hier tun, ist eine Politikunfähigkeit, die ich lange nicht mehr bei den Liberalen festgestellt habe. AltLiberale wie Frau Hamm-Brücher und wie Herr Hirsch würden sich schämen, insbesondere auch was unscharfe Formulierungen angeht. „Der Senat soll dafür sorgen“, so heißt es in Ihrem Antrag „in der Beweisverwertung zu sichern“. Das kann man auch verstehen, als wäre es in Ordnung zu foltern, und der Senat soll dafür sorgen, dass die Beweisverwertung stattfindet. Das steht wörtlich in Ihrem Antrag drin.

[Björn Jotzo (FDP): Da steht nichts von Folter!]

Herr Jotzo! Sie können das gern geradestellen. Der Senat soll eine Beweisverwertung sicherstellen. Darunter kann man eine Menge verstehen. Ich glaube wirklich, dass Sie sich von Ihrem liberalen Antlitz verabschiedet haben. Ich erwarte Besserung. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Kluckert von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Lux erfordert es, noch einmal einige Dinge richtigzustellen. Erst einmal, lieber Herr Lux, stelle ich fest, dass Ihr schlimmstes Wort, das Sie verwendet haben, Hass war. Das haben Sie in Bezug auf die FDP benutzt. Gegenüber Linksextremisten habe ich dieses Wort noch gar nicht gehört. Es ist schon bemerkenswert, gegen wen Sie hier das schlimmste und stärkste Wort aussprechen.

[Beifall bei der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Das interessiert niemanden!]

Schauen wir doch einmal an, was Sie, Herr Lux, teilweise von sich geben, wovon Sie sich auch nicht distanzieren und wofür Sie sich nicht entschuldigen: Sie sagen bei einer Podiumsveranstaltung der „taz“: „Gewalt ist nicht gleich Gewalt“. Das ist eine ganz gezielte Spartenadressierung an ein bestimmtes Spektrum, um zu zeigen, dass es Differenzierungen zwischen Gewalt gibt: Es gibt eine bessere Gewalt; es gibt eine schlechtere Gewalt. Das bringen Sie dann in einer Sekunde, in der Sie vielleicht nicht ganz darüber nachgedacht haben, zum Ausdruck, indem Sie im Innenausschuss plötzlich auch noch sagen, die Brandanschläge, die Ihr Fraktionsvorsitzender in der gemeinsamen Erklärung hier verurteilt, wären eigentlich nur ein „Konjunkturprogramm für die Automobilwirtschaft“. Es ist genau das ambivalente Spiel, das Sie betreiben – hier süffisant die Dinge ins Lächerliche zu ziehen und damit schon das Signal zu geben, dass Sie hier mit der linken Gewalt eigentlich anders umgehen wollen als mit anderen Gewalttaten. Es ist eben doch nicht ganz so, wie Sie dargestellt haben, dass es nur Gewalttaten sind, so, wie bei jedem anderen.

Herr Lux! Sie werfen uns vor, dass wir nicht bei der gemeinsamen Erklärung mit dabei sind. Das kann ich Ihnen, lieber Herr Ratzmann, ganz einfach sagen. Für die FDP gab es für eine solche Erklärung mehrere Dinge, die für uns wichtig waren. Die erste Voraussetzung war, keine Anbiederung an Links vorzunehmen.

[Beifall bei der FDP]

Deswegen haben wir uns nicht auf Brandanschläge reduzieren lassen. Deswegen wollen wir auch, dass Gewalt gegenüber Polizisten, dass Landfriedensbruch und all das,

was am 1. Mai abgeht, auch mit darunter gefasst wird. Das ist in dieser Erklärung nicht enthalten.

Zweitens, lieber Herr Lux, wollten wir keine Erklärung von ein paar Fraktionsvorsitzenden, die jeder einzelne von Ihnen oder von der SPD oder der Linkspartei zerredet. Wir wollen eine im Plenum verabschiedete Erklärung aller Abgeordneten. Hinter dieser Erklärung soll jeder Abgeordnete auch in namentlicher Abstimmung stehen. Das wäre ein Erfolg, aber nicht, wenn Sie oder irgendwer sonst danach diese Erklärung in seinen Ortsverbänden, Kreisen und Spektren, wo er sonst noch agiert, wieder zerredet. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Lux!

Danke, Herr Präsident! – Anscheinend, Herr Dr. Kluckert, ist das Wort Ihres Fraktionsvorsitzenden nichts wert, wenn hier keine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden soll.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie trauen Ihrem Fraktionsvorsitzenden nicht. Das ist doch die Antwort, die Sie hier geben.

Zum zweiten Punkt: Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Es ist völlig richtig, das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Deswegen ist es auch richtig, Linksextremen bei Veranstaltungen zu sagen, dass es eine andere Gewalt ist. Wenn der Staat Gewalt anwendet, tut er das auf bestimmten Rechtsgrundlagen. In den meisten Fälle ist die Gewalt gerechtfertigt. Auch das ist eine Errungenschaft unserer zivilen Gesellschaft. Das sollten Sie auch intellektuell begreifen können. Darum ging es genau.

[Beifall bei den Grünen]

Nächster Punkt: Wir haben auch immer wieder versucht, die Ziele von Linksextremen zu analysieren und ihnen zu sagen, dass Gewalt dort kein Mittel ist. Das werden wir auch weiterhin tun. Nicht anders ist meine Aussage zu verstehen, die Sie hier zitieren. Das ist doch aber nicht das Problem von linksextremer Gewalt. Die Probleme liegen doch ganz woanders. Sie versuchen doch, sich einer Debatte anzuschließen, die wirklich unredlich ist. Ich muss mir das auch nicht von jemandem sagen lassen, Herr Dr. Kluckert, der wie Sie dagegen ist, dass der Schutz der sexuellen Identität und der Schutz der sexuellen Orientierung in das Grundgesetz oder die Berliner Landesverfassung aufgenommen wird, weil damit auch Sodomisten und Pädophile geschützt werden. Das ist die Art, wie Sie reden. Das ist deutlich unmissverständlich. Hier eine Entschuldigung von jemandem zu fordern, der so etwas erzählt, der die Menschen so verächtlich macht und damit

menschenunwürdig hier redet, von dem muss ich mir das nicht erzählen lassen.

[Beifall bei den Grünen– Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]