Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wurde darüber geredet, ob man nun wieder zu Tempelhof sprechen muss oder nicht. Wir sind der Meinung, dass man darüber reden muss. Man kann gar nicht oft genug zu Tempelhof reden. Dieses Thema ist bei uns noch lange nicht vom Tisch. Das bleibt festzuhalten.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Die Nachnutzung von Tempelhof wird uns noch lange beschäftigten.

Wir haben es mit zwei Anträgen zu tun. Der Antrag von den Grünen ist schon etwas in die Jahre gekommen. Er datiert vom November 2008. Da er eben schon etwas älter ist, haben wir natürlich auch die Situation, dass er von bestimmten Erwartungen ausgeht. Wir müssen sehen, was ihm bevorstand. Davor stand die Schließung von Tempelhof, sodass sich die Grünen zeitnah Gedanken darüber gemacht haben, was man mit dem Flugfeld anfangen könnte. Das war zunächst von den Ankündigungen des Regierenden Bürgermeisters geprägt. Zunächst hatte Herr Wowereit großartig verkündet, dass er kurzfristig das Feld für die Bürger öffnen würde. Wie kurzfristig das war, sehen wir heute. Auch bis heute ist das Feld geschlossen.

Die Überlegung der Grünen war auch geprägt von dem „Call for Ideas“, der ausgerufen wurde. Frau Lüscher hat sich große Mühe gegeben, Fachgremien zusammenzustellen, die sich Gedanken darüber machten, was mit dem Feld geschehen sollte. Es gab die Idee von den Filmstu

dios, Babelsberg wollte dorthin gehen. Es gab die Idee der Energieuniversität. All diese Ideen waren letztlich für den Papierkorb. Dann kam der Regierende Bürgermeister und schuf einfach schon einmal das Gebäude betreffend Fakten.

Die Fakten bestanden darin, dass er einen Vertrag über viele Jahre mit „Bread and Butter“ schloss. Damit hatte er die Nutzung des Gesamtgebäudes bereits langfristig geprägt. All diese Pläne waren also letztlich Makulatur. Das zum Thema und zum Antrag der Grünen.

[Beifall von Björn Jotzo (FDP)]

Wir haben Sie Anfang des Jahres aufgefordert, das Parlament stärker in den Entwicklungsprozess für Tempelhof einzubeziehen. Wir haben gefordert, Konzepte vor der Auslobung des landesplanerischen Wettbewerbs vorzulegen. Damit hatten wir bestimmte Erwartungen mit verbunden, langfristige stadtentwicklungspolitische Ziele, die sich aus dem enorm großen Areal ergeben, insbesondere durch die von Ihnen gewünschte Einbeziehung der IGA und der IBA. Wir wollten eine Integration der umliegenden Stadtquartiere. Wir wollten sozial durchmischte Quartiere schaffen. Wir wollten von Ihnen ein Freiraumkonzept für Sport- und Aufenthaltsflächen. Wir wollten die Integration des Flughafengebäudes. Wir wollten ein Gewerbeansiedlungskonzept. Sicherlich könnte man damit auch ein integriertes Tourismus- und Marketingkonzept verbinden. – Jetzt kommt gerade die Senatorin, rechtzeitig. – All das hatten wir uns von Ihnen gewünscht.

Inzwischen wurde nun aber der landschaftsplanerische Wettbewerb gestartet. Alle interessierten Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner kennen Ihre Planungsabsichten. Aber das Parlament, Frau Senatorin, haben Sie lieber erst gar nicht darüber informiert. Das ist eine Sache, die sehr zu beklagen ist. Wir haben keine Information oder nur sehr dürftige Informationen zur IBA. Uns fehlt das Gesamtkonzept zur IGA, die finanziellen Verpflichtungen, die sich möglicherweise daraus ergeben. Wir zahlen für einen Namen und wissen nicht, ob der Name das wert ist, oder ob wir vielleicht etwas Eigenes hätten gestalten können. All die Informationen fehlen uns. Das ist zu bemängeln, deshalb rufen wir das Thema noch einmal auf. Alle Forderungen, die sich mit unserem Antrag verbinden, sind nicht erfüllt worden. Das ist die Situation, in der wir uns zurzeit befinden.

[Beifall bei der FDP]

Der Senat agiert wieder einmal mehr an den Bedürfnissen der Anwohner und Betroffenen vorbei. Das wird auch deutlich daran, dass die Bezirke Ihr Vorgehen ohnehin ablehnen. Friedrichshain-Kreuzberg ist mit Ihrem Wettbewerb Columbia-Quartier alles andere als zufrieden. Wie immer grenzen Sie die Betroffenen und das Parlament schlicht aus. Das ist keine hinzunehmende Situation. Wir sind gespannt, wie es mit Tempelhof weitergehen wird. Aber wir werden sicherlich noch häufiger darüber zu reden haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter von Lüdeke! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Hildebrandt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPDFraktion ist nach der letzten Ausschusssitzung und nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass die einzig sinnvolle Nutzung des Tempelhofer Flughafens natürlich nur in der Wiederaufnahme des Flugbetriebes stehen kann.

[Mieke Senftleben (FDP): Sagen Sie!]

Nein, natürlich nicht. Ich wollte nur einmal hören, ob noch jemand nach dieser aufrührerischen Rede des Kollegen Lüdeke aufpasst. Aber ich sehe, dass zumindest nach einer kleinen Denkminute hier und da doch etwas ankam. Zumindest der Eine oder Andere hört noch zu. Bei dem Aufruf eines Themas, das staubiger nicht kann, Herr Lüdeke, wollen wir auf dem Niveau nicht weiter über Tempelhof reden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das wollen wir nicht, weil wir nicht über Anträge reden wollen, die noch nicht einmal ein Vierteljahr alt sind und Forderungen erheben, die schon längst alle erfüllt sind. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was Sie alles nicht gelesen, auf welchen Diskussionsforen Sie nicht, auf welchen Ideenwettbewerben Sie nicht waren, welche Veröffentlichungen Sie nicht gelesen und dass Sie auch nicht bemerkt haben, dass wir schon bei der zweiten Auslegung bzw. Bürgerbeteilung des FNP sind.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Ich weiß nicht, wo Sie überall nicht waren. Aber ersparen Sie uns doch bitte, dass wir es Ihnen erzählen müssen.

[Lars Oberg (SPD): Das war ein intellektueller Sinkflug der FDP mit einer Bruchlandung!]

Wir haben diese beiden Anträge abgelenkt. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied, weshalb wir beide abgelehnt haben. Der Antrag der Grünen hat sich mit grundsätzlichen Anforderungen an die Entwicklung des Tempelhofer Feldes befasst. Richtig! Aber er war von Ende 2008. Das ist etwas anderes, als wenn man allgemeine Plattitüden in einen Antrag von Anfang 2010 schreibt, tut mir leid! Ich fände es schön, wenn wir einen konstruktiven Diskurs, einen Wettbewerb um die besten Ideen starteten, gerne, Herr von Lüdeke! Aber ich kann bei Formulierungen, die da heißen: „Entwicklung eines Freiraumkonzeptes“ oder „Entwicklung eines Gewerbeansiedlungskonzeptes basierend auf den Standortgegebenheiten“, ehrlich gesagt, nichts finden, was sich um einen Wettbewerb um die besten Ideen rankt. Das steht nicht drin. Da müssen Sie ein bisschen mehr bringen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Da müsste man ja kreativ sein]

Insofern freue ich mich auf weitere Diskussionen, aber ich hätte die Bitte, dass sie etwas inhaltsvoller kommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hildebrandt! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Bung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Allein der rot-rote Senat ist für die unbefriedigende Situation um den Flughafen Tempelhof verantwortlich. Er hat den Flughafen weit vor der Eröffnung des neuen Großflughafens BBI geschlossen, ohne ein tragfähiges Nachnutzungskonzept vorlegen zu können.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Für die CDU-Fraktion stellt die Schließung des Flughafens nach wie vor eine eklatante Fehlentscheidung dar.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der Flughafen Tempelhof darf nach dem großen Fehler der Einstellung des Flugbetriebs mitsamt den damit verbundenen Chancen nicht langfristig zum Millionengrab für Berlin werden. Mit dem Ende des Flugbetriebs am 30. Oktober 2008 fiel die Zuständigkeit für die Bewirtschaftung sowohl der Immobilie als auch des Flughafengeländes dem Land Berlin zu. Bis heute sind mit der Schließung bereits Kosten in zweistelliger Millionenhöhe für den Steuerzahler verursacht worden, die nach Auskunft des Senats nicht entstanden wären, wenn der Flughafen bis zur Eröffnung des neuen Großflughafens offengehalten worden wäre. Obwohl seit der Schließung bereits Beträge in dreistelliger Millionenhöhe im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des Areals geflossen sind, existiert nach wie vor kein schlüssiges und zukunftsorientiertes Gesamtkonzept. Selbst innerhalb des Senats ist in dieser Frage kein abgestimmtes Vorgehen erkennbar. So wurde die Stadtentwicklungssenatorin mehrfach von Herrn Wowereit vor vollendete Tatsachen gestellt.

Die gegenwärtige Situation im Hinblick auf das Gebäude und die Freiflächen ist dadurch gekennzeichnet, dass es ein Konglomerat von verschiedenen kurzfristigen Nutzungen gibt, ein bisschen Pyromusikale, „Bread and Butter“, Freestyle Berlin usw. Diese kurzfristigen Nutzungen behindern sich gegenseitig und verhindern eine langfristige und wirtschaftliche Nutzung und Auslastung. Es entstehen unnötige finanzielle Belastungen für alle Beteiligten.

Der Senat war und ist in der Pflicht, ein tragfähiges Konzept vorzulegen, das die Sicherung des gesamten Gebäudebestands und des gesamten Freigeländes vorsieht. Die geplante IGA 2017 ist grundsätzlich zu begrüßen, jedoch

ist die Frage der Gründung einer neuen Betreibergesellschaft und die gesamte Finanzierung der Maßnahme nicht transparent genug dargestellt. Auch sind noch viele Fragen im Zusammenhang mit der Änderung der Flächennutzungsplanung und des Landschaftsprogramms zu klären. Es kann nicht angehen, dass bei der Größe dieses Areals Kleingartenflächen geopfert werden, um Teilbereiche dieses Areals neu zu erschließen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Für die CDU-Fraktion ist auch klar, dass die Freifläche mit ihrer stadtklimatischen Bedeutung in dieser Funktion erhalten bleiben muss. Neben der klimatischen Bedeutung gilt es vor allem, dem Belang des Naturschutzes Rechnung zu tragen. Die bisherigen Nutzungen, insbesondere auf dem Freigelände, haben die Tier- und Pflanzenwelt bereits in erheblichem Ausmaß beschädigt.

An diesem Standort brauchen wir nur dann zusätzliche Wohnungen, wenn ein Bedarf auf dem Wohnungsmarkt besteht und dafür Investoren bereitstehen, die dies auch finanzieren. Für eins der größten zusammenhängenden Gebäude der Welt gilt es, mit großer Sorgfalt durch Modernisierung und Investitionen in die technische Infrastruktur die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Nutzung zu schaffen und gleichzeitig dem Denkmalschutz gerecht zu werden. Der jahrelange Verfall muss gestoppt werden, das Potenzial der Immobilie muss professionell und vorurteilsfrei vermarktet werden. Dabei ist selbstverständlich auch die öffentliche Nutzung, wie zum Beispiel die Konzentration der Zentral- und Landesbibliothek oder das Alliiertenmuseum, in dem Bestandsgebäude denkbar und wünschenswert. Die vorhandenen Kapazitäten bergen genügend Entwicklungspotenzial auch für andere Nutzungen, sodass auf die Schaffung von Neubauten für den öffentlichen Bereich vorerst verzichtet werden kann. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bung! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Flierl das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allen Ernstes – was macht es denn für einen Sinn, bei diesen Anträgen und diesen Reden heute über den Gegenstand zu reden –

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

zumal wir beim letzten Mal im Ausschuss eine ausführliche Darstellung der Staatssekretärin über den Planungsstand erhalten haben, worin das Verfahren, das uns bevorsteht, erläutert wurde? Wir werden ja demnächst über das

Leitbild, das uns der Senat als Vorlage unterbreiten wird, diskutieren können, wir werden uns über die konkrete FNP-Änderung unterhalten können. Mir ist völlig unklar, was diese retrospektiven Debatten sollen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Und, lieber Herr von Lüdeke, zu erklären, dass man immer mal wieder darüber reden kann und dass damals der Sinn bestand, diese Anträge so zu stellen – es ist eine enorme Belastung und Zumutung für uns alle und für unsere Kraft, sich auf diese Weise damit auseinanderzusetzen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Richtig! von der SPD]

Das nächste Mal, wenn der Senat uns die beiden relevanten Vorlagen unterbreitet, werden wir die Gelegenheit haben, uns dazu zu verhalten.

Natürlich haben wir uns in der Vergangenheit auch damit beschäftigt. Zum Beispiel steht die Frage im Raum, wie das vorzulegende Leitbild mit der FNP-Änderung verbunden wird. Wer sich genauer mit der Sache auseinandergesetzt hat, wird sehen, dass die schnelle Änderung des FNP zurzeit nicht mehr verfolgt wird, sondern dass man das Leitbild entwickelt, um dann ein abgestimmtes – nach dem nun gefundenen Abstimmungsmechanismus mit dem Entwicklungsträger auch bei Berücksichtigung von Einwänden der Bezirke – Vorlegen der FNPÄnderung vorzunehmen. Deswegen ist völlig unverständlich, Frau Eichstädt-Bohlig – ich werde das gleich erläutern –, warum Sie vor einiger Zeit im Ausschuss sagten: Beschließen wir doch einfach die FNP-Änderung so, wie sie vorgelegt wurde, statt uns mit den Inhalten zu beschäftigen. – Wir fallen also in ein totales parlamentarisches Loch, um auch diesen Tagesordnungspunkt abzuhandeln.

Und, Frau Bung, wenn Sie noch nicht einmal mehr vom Tempelhofer Feld, sondern vom Flughafen Tempelhof reden wollen, dann ist das tatsächlich die Einladung, die Geschichten von gestern zu erzählen.

Wenn wir uns schon mit den Anträgen auseinandersetzen, meine Frage an die FDP: Was ist denn das „Einheimischenmodell“? Haben sie den Antrag eigentlich mal durchgelesen? – Es geht darum, dass die FDP allen Ernstes vorschlägt, dass beim Neubau von Wohnungen Einheimische – – Was sind denn in der Zuwanderungsstadt Berlin die Einheimischen? Haben Sie sich mal mit der Berliner Geschichte und der Zuwanderung auseinandergesetzt? Natürlich müssen wir den Wohnungsbau so integrieren, dass er sozial integrativ wirkt, gerade in den Problembereichen. Der Bau von Townhouses und Geschossluxuswohnungen an der Schillerpromenade wird nicht sinnvoll sein, völlig klar! Und dass nun die FDP den genossenschaftlichen Gedanken unterstützt – dabei haben Sie unsere volle Unterstützung, ganz wunderbar! – Es sind doch im Wesentlichen Allgemeinplätze.