Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Wenn wir uns schon mit den Anträgen auseinandersetzen, meine Frage an die FDP: Was ist denn das „Einheimischenmodell“? Haben sie den Antrag eigentlich mal durchgelesen? – Es geht darum, dass die FDP allen Ernstes vorschlägt, dass beim Neubau von Wohnungen Einheimische – – Was sind denn in der Zuwanderungsstadt Berlin die Einheimischen? Haben Sie sich mal mit der Berliner Geschichte und der Zuwanderung auseinandergesetzt? Natürlich müssen wir den Wohnungsbau so integrieren, dass er sozial integrativ wirkt, gerade in den Problembereichen. Der Bau von Townhouses und Geschossluxuswohnungen an der Schillerpromenade wird nicht sinnvoll sein, völlig klar! Und dass nun die FDP den genossenschaftlichen Gedanken unterstützt – dabei haben Sie unsere volle Unterstützung, ganz wunderbar! – Es sind doch im Wesentlichen Allgemeinplätze.

Vielleicht kann ich hier noch anmerken, dass sehr wohl auch in der Koalition über diese Inhalte gesprochen wird.

Sie wissen erstens, dass wir sehr darauf drängen, dass geprüft wird, dass das Flughafengebäude auch für die ZLB genutzt werden könnte. Das soll das Alliiertenmuseum nicht ausschließen, sondern das soll die ZLB mit beinhalten. Zweitens geht es vor allem darum, ein Zwischennutzungskonzept zu entwickeln. Die IGA muss so funktionieren, dass vor ihrem Beginn auf dem Gelände etwas stattfindet und dass auch den Erkundungsnutzungen, die für die weitere Präzisierung des Nutzungskonzepts sinnvoll sind, Möglichkeiten geboten werden. Schließlich muss auch ein Nachnutzungskonzept da sein, und auch für den südlichen Bereich, der nicht von der IGA erfasst wird, müssen Nutzungsvorschläge entwickelt werden.

Schließlich gibt es schon markante Änderungen, die gerade auch die richtige Verzögerung und Präzisierung des FNP notwendig machen, etwa die Frage, wie denn nun – was hier angesprochen wurde – die Frischluftfunktion erreicht werden soll. Wie sollen die Durchlüftungsschneiden am Tempelhofer Damm sein, um das dahinterliegende Quartier zu belüften? Auch die Frage, wo auf der Südseite der S-Bahnhof angeordnet wird, ist zu klären. Von all diesen konkreten praktischen Problemen wird hier überhaupt nichts erörtert. Stattdessen tragen Sie Ihre Versagensarie und ihre große Erzählung vom Scheitern des Senats vor.

Inzwischen zeichnet sich auch ab – insofern gibt es durchaus einen Prozess, der von den Regierungsfraktionen begleitet wird –, dass die bezirklichen Einwendungen auch eine Rolle spielen. Die Koalitionsfraktionen sind gemeinsam zu der Überzeugung gelangt, sich ernsthaft zu fragen, was es soll, nördlich des Columbiadamms Bebauung vorzusehen.

Wir teilen die Auffassung, dass der Erhalt der Kleingärten und die langfristige Sanierung des Wasserspeicherbeckens angegangen werden sollten. Im südlichen Bereich des Columbiadamms werden derzeit städtebauliche Varianten untersucht. Es gibt also sehr konkrete Prozesse, die bekannt sind, auf die man sich beziehen kann und die dann vielleicht auch eine parlamentarische Debatte sinnvoll machen. Ich empfehle, dass wir uns mit dem Thema erneut beschäftigen, wenn das Leitbild vorliegt und die FNP-Änderung zur Abstimmung steht. Denn dann kann man sich nicht mehr mit Allgemeinplätzen über die Zeit retten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Flierl! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Punkt gebe ich dem Kollegen Flierl recht: Auch

wir sind der Meinung, dass zurzeit nicht der Punkt gegeben ist, erneut über Tempelhof zu sprechen, weil sich zu wenig Neues ergeben hat.

Trotzdem will ich die Gelegenheit nutzen, um auf einige Punkte hinzuweisen, weil es wirklich wunde Punkte sind. Das Erste ist die Flächennutzungsplanänderung, die die Kleingärten nördlich des Columbiadamms, also die an der Lilienthalstraße, betrifft. Der werden wir nicht zustimmen, weil wir sie für falsch erachten, auch wenn wir ansonsten die Grundstruktur mit dem großen Park im inneren und dem Bauen im äußeren Ring bislang unterstützt haben.

Der zweite Punkt – der ist mir besonders wichtig –, es wird Zeit, dass für die Nutzung dieses denkmalwerten ExFlughafengebäudes ein neues Verfahren eröffnet wird. Es kann nicht sein, dass dieses wertvolle, riesige, denkmalgeschützte Gebäude nichts anderes als ein durch Zufallsevents genutztes Gebäude bleibt und hier mal eine Messe, dort ein Event oder eine Pyronale stattfinden. Das ist erstens unter dem Wert dieses Gebäudes und zweitens vor allem auch für Berlin kostenmäßig auf Dauer nicht tragbar. Denn dies lässt sich nur handhaben, wenn das Gebäude permanent unterbewirtschaftet ist und nicht instandgehalten und gepflegt wird. Deshalb fordern wir den Senat auf, endlich ein neues Such- und Prüfverfahren für das Gebäude einzuleiten für die Zeit ab 2015-2017 und eine stabilere Nachnutzung als die heutige zu erreichen. Es müssen dann Ideen wie die ZLB, Bundesministerien, Luftfahrtmuseum oder Filmstandort sorgfältig geprüft werden. Deshalb fordere ich nach wie vor: Docken Sie endlich bei dem „Call for Ideas“ an und verfolgen Sie nicht weiter den Weg, wie der Regierende Bürgermeister meinte, eine einsame Entscheidung treffen zu können, die dann für die nächsten zehn Jahre gelten soll.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Zum anderen ist es mir genauso wichtig zu sagen: Hören Sie endlich auf, Tempelhof als Raumschiff zu planen. Dieses „Sie“ meint die Koalition, die Senatsverwaltung und die Frau Senatorin. Es ist wirklich wichtig, dass endlich die Bebauung von den Rändern her gedacht wird. Man muss aus dem missglückten Wettbewerb Columbiaquartier lernen, dass es nichts bringt, Schickimickiinseln auf das Flugfeld zu setzen, sondern dass es wichtig ist, insbesondere im Neuköllner Bereich, also vom Osten her den Wohn-, den Infrastruktur- und Freiflächenbedarf des angrenzenden Stadtteils, der wirklich Probleme genug hat, zu eruieren und anschließend die Planung darauf auszurichten, anstatt einfach etwas daneben zu setzen und so zu tun, als habe der Bereich Tempelhof nichts mit den angrenzenden Stadtteilen zu tun. Deshalb noch einmal: Tempelhof darf kein Fremdkörper in der Stadt werden. Fangen Sie deshalb endlich an, das Geschenk dieser großen Freifläche von den vorhandenen Stadtteilen aus zu entwickeln! Dann haben wir eine Chance, wirklich ein Vorbild zu gestalten, sodass Tempelhof mit einer Kombination aus großer Freifläche, großem neuen Park mit punktueller Bebauung zu einem Geschenk für Berlin und vor allem die Nachbarbezirke werden kann. Nur so herum

wird ein Schuh daraus und nicht dann, wenn Sie ständig weiter an diesem Raumschiff planen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig! – Zum Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachennummer 16/2897 – Stichworte: Tempelhofer Feld – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen die Ablehnung auch mit Änderung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? – Die sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachennummer 16/1926 – Stichwort: Tempelhofareal – empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von CDU und FDP die Ablehnung auch mit Änderungen. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. So einige davon. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? – Das sind die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 11:

Beschlussempfehlung

Bundesratsinitiative zur verbraucherfreundlichen Lebensmittelkennzeichnung

Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/2998 Antrag der Grünen Drs 16/2337

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. Frau Schneider hat das Wort.

Danke schön, Frau Präsidentin! – Wir Grüne haben einen Antrag eingebracht, dass wir uns wünschen, dass Berlin sich im Bundesrat für eine Lebensmittelampel stark macht, für eine klare Kennzeichnung der Lebensmittel. Wir Grüne setzen uns für eine Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln ein, mit deren Hilfe Verbraucher auf einen Blick erkennen können, wie viel Zucker, Fett, gehärtete Fette und Salz in einem Lebensmittel stecken. Wir Grüne fordern, Frau Lompscher, den Berliner Senat auf, sich mit einer erneuten Initiative im Bundesrat und in Brüssel für die Lebensmittelampel stark zu machen. 90 Prozent der britischen Bevölkerung, bei denen eine Ampel bereits

eingeführt ist, bezeichnen sie als positiv und sagen, dass die Bewertung von Lebensmitteln jetzt sehr viel einfacher ist als vorher. Wir sind der Meinung, dass wir eine solche Lebensmittelampel auch in Deutschland brauchen.

[Beifall bei den Grünen]

Am 16. März hat der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europaparlament die verpflichtende Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln durch ein Abstimmungspatt abgelehnt. Die Abstimmung war denkbar knapp, es gab zwei Enthaltungen bei gleicher Stimmenanzahl Pro und Contra. Gleichzeitig hat der Ausschuss den Mitgliedsstaaten die Freiheit gelassen, die Ampelkennzeichnung jeweils national einzuführen, ebenso wie weitere Kennzeichnungen. Im Mai nun geht diese Vorlage zur Abstimmung in das Europaparlament.

Frau Lompscher! Wir sind der Meinung, dass es jetzt Zeit ist zu handeln,

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Jetzt? Es ist 21 Uhr!]

dass jetzt die Zeit für eine erneute Initiative in dieser Angelegenheit ist.

[Beifall bei den Grünen]

Der rot-rote Senat darf jetzt nicht schlafen. Der rot-rote Senat muss diesen Zeitpunkt nutzen und sich hinter die 69 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher stellen, die sich eine Ampel wünschen, statt den Lobbyisten der Lebensmittelkonzerne freien Lauf zu lassen.

[Beifall bei den Grünen]

Die Lebensmittelindustrie möchte keine roten Punkte auf ihren ungesunden Produkten. Wir wissen aber, was für ein Skandal es ist, wenn Snacks

[Kai Gersch (FDP): Sie lesen nur die Pressemitteilung vor! Das hätten wir uns ersparen können!]

und Fitnessriegel so verkauft werden, als erhöhten sie die Fitness der Konsumenten, in Wirklichkeit aber zu 50 Prozent aus Zucker bestehen. Foodwatch hat untersucht, dass 80 Prozent der geprüften Lebensmittel für Kinder zu viel Zucker enthalten und einen roten Punkt bekommen hätten.

[Kai Gersch (FDP): Das werden die besonders spannend finden!]

Eltern geben aber diese Lebensmittel– zum Beispiel Müsli – Kindern in der Annahme, dass sie für Kinder gesund wären. Die Kennzeichnung dieser Lebensmittel ist irreführend. Wir fordern eine klare, deutliche Kennzeichnung durch den roten Punkt.

[Beifall bei den Grünen]

Wir fühlen uns dabei mit Ärzten, Patientenverbänden, Krankenkassen einig, die ebenfalls eine solche Kennzeichnung fordern, denn heute haben bereits Vorschulkinder Diabetis und Herzerkrankungen durch falsche Er

nährung und Überernährung. Jeder zweite Deutsche ist bereits übergewichtig. Herzkrankheiten, die die Folge sind, und Kreislaufkrankheiten sind die zweitgrößte Volkskrankheit. Wir geben heute bereits 70 Milliarden Euro für diese Krankheiten aus. Das kann nicht sein. Wir müssen uns dagegen aktivieren und dagegen kämpfen.

[Beifall bei den Grünen]

Der rot-rote Senat hat jedoch unseren Antrag, eine erneute Bundesratsinitiative zu starten, im Ausschuss mit dem scheinheiligen Argument abgelehnt, keine Mehrheiten dafür zu finden. Das Patt im Umweltausschuss des Europaparlaments zeigt aber: The window of opportunitiy ist jetzt offen. Eine Lebensmittelampel ist durchsetzbar. Und es lohnt sich, für diese zu kämpfen, denn die politischen Verhältnisse stehen fifty-fifty für und gegen eine solche Ampel. Auch die Wahl in Nordrhein-Westfalen, Frau Lompscher, könnte die Mehrheit im Bundesrat schneller als erwartet, ändern, sodass eine Berliner Initiative dann Erfolg haben kann.

Schließlich kämpfen wir Grünen für eine Mehrheit auch in Nordrhein-Westfalen, für politische Mehrheiten, um unsere Ziele durchzusetzen.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Die Umweltsenatorin gehört einer Partei an, die in ihrer Präambel stehen hat: Wir sind und werden nicht wie jene Parteien, die sich devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen.

[Dr. Margrit Barth (Linksfraktion): Was ist denn das?]

Frau Lompscher! Wir sind der Meinung, dass nirgendwo das Profitinteresse der Konzerne stärker dem Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger, der Konsumenten, entgegensteht, als gerade im Fall der großen internationalen Lebensmittelkonzerne. Wir fordern Sie daher auf: Kämpfen Sie für das Ziel einer klaren Lebensmittelkennzeichnung, für das Ziel einer Ampel!

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Frau Lompscher! Kämpfen!]

Frau Schneider! Ihre Redezeit ist beendet.