Protokoll der Sitzung vom 22.04.2010

Insofern müssen Sie ganz anders rangehen an das Thema.

[Beifall bei den Grünen]

Das Zweite ist: Wir brauchen Aufwertung, da sind wir vielleicht sogar einig, über Bauen für gute Bildung und Raum für Kinder und Jugend, und zwar brauchen wir das, um da die Abwanderung von jungen Familien zu verhindern. Also auch da geht es wieder darum, soziale Ziele mit dem Bauen und der Stadterneuerung zu verknüpfen.

Ich möchte noch ein Drittes erwähnen. Ich glaube, das sage ich mehr in Richtung von Herrn Wowereit und Frau Junge-Reyer. Wenn wir Aufwertung ohne Verdrängung brauchen – ich hoffe, dass wir uns da zumindest mit der rot-roten Regierung tendenziell einig sind –, dann brauchen wir auch wieder eine aktiv gestaltende Wohnungspolitik. Wir sind an einer Schwelle, wo man sich nicht mehr hinter dem Leerstand verstecken kann. Wir haben deutlich mehr Haushalte als Wohnungsangebote. Wir haben wieder mehr Zuzüge in die Stadt, wir haben wachsende Haushaltszahlen. Insofern sind wir an der Schwelle, wo wir eine aktiv gestaltende Wohnungspolitik, gegebenenfalls auch wieder mit Wohnungsbauförderung, bitte anders als die frühere, dringend brauchen. Daher ist richtig: Wir haben an dem Thema sehr viel zu diskutieren. Aber bitte, diese Anträge dürfen auch bei der FDP nicht das letzte Wort sein.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Eichstädt-Bohlig! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete von Lüdeke.

Frau Eichstädt-Bohlig! Das war ja nun lustig, Ihr Einwand, Investitionen ohne zu verdrängen. Vielleicht können Sie darüber noch etwas sagen, wie Sie sich das vorstellen. Wie soll denn das gehen? Welcher Investor soll denn in diese Dinge investieren, ohne daraus dann tatsächlich über die Miete, jedenfalls langfristig, auch wieder gewisse Einnahmen zu haben? Das geht doch nicht.

[Beifall bei der FDP]

Das können Sie natürlich zwangsweise machen. Sie können Gesetze schaffen, die die Leute zwingen, das zu tun, ohne es auf die Miete umzulegen. Das ist Ihr Straßenausbaubeitragsgesetz, das hatten wir doch gerade, die Geschichte, dass man die Anrainer zahlen lässt. Eine Umlage auf die Miete ist nicht möglich. So geht es natürlich nicht. Das können Sie weiterhin machen, aber das wird zur Folge haben, dass die Gebiete noch weiter verfallen, als sie jetzt schon verfallen sind. Das nur dazu.

[Beifall bei der FDP]

Die Frage der aktiven Wohnungspolitik: Es ist interessant, dass Sie auf mein Beispiel Chamissoplatz nicht eingegangen sind, wo es tatsächlich diese Entwicklung gegeben hat, die ich vorhin beschrieben habe. Sie können das ja mal nachlesen bei TOPOS. Aber ich kann Ihnen auch noch eine zweite Zahl aus der TOPOS-Studie zum Chamissoplatz nennen. Nachdem diese Bindungen alle weg

Franziska Eichstädt-Bohlig

gefallen sind, ist das ja erst passiert. Jetzt raten Sie mal, wie viele Leute bei der Befragung angeben, dass die Auszugsgründe darin bestanden, dass die Mieten zu hoch waren? Es waren gerade mal 10 Prozent! Das ist ein völlig normaler Vorgang. 10 Prozent der Leute empfanden die Miete als zu hoch und sind deshalb weggezogen. Andere haben angegeben, dass ihnen die Gegend nicht mehr gefallen hat, und das ist das nächste Thema. Das ist das Thema öffentlicher Raum. Die Leute haben doch in erster Linie nicht Angst um die Wohnung oder sonst was, die haben Angst, aus ihren angestammten Bereichen durch andere verdrängt zu werden. Und diese Ängste schüren Sie noch mit diesen Aussagen. Das wollen wir nicht!

[Beifall bei der FDP]

Wir wollen die Leute daran gewöhnen. Wir sind eine tolerante Stadt und keine intolerante Stadt, die Ängste schürt.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr von Lüdeke! – Frau Eichstädt-Bohlig hat die Gelegenheit zu antworten. – Bitte sehr!

Entschuldigung, Kollege Lüdeke, aber genau Sie mit dem, was Sie mit diesem Antrag sagen, schüren Sie diese Ängste. Und Sie wollen sie nicht nur schüren, sondern Sie wollen sie auch in die Praxis umsetzen.

[Beifall bei den Grünen]

Deswegen habe ich gerade Ihr Beispiel von dem Incumbent Upgrading angeführt. Das ist genau das Problem, dass Sie das sogar aktiv wollen. Richtig ist, dass das beim Chamissoplatz so passiert ist. Aber die Frage ist doch: Wie gehen wir damit um? Wenn das heißt, dass die Hälfte der Bewohner inzwischen Akademikerhaushalte sind und die dann höchstwahrscheinlich auch höhere Mieten bezahlen können, dann heißt das, dass die Hälfte der ursprünglichen Mieter inzwischen verdrängt worden ist

[Björn Jotzo (FDP): Das heißt, dass sie ausgezogen sind!]

und eventuell im Märkischen Viertel oder in Marzahn oder in Nordneukölln oder sonstwo gelandet ist, weil sie diese Mieten und Wohnkosten jetzt nicht mehr bezahlen können. Das habe Sie eben sogar als Beispiel dazu gebracht. Insofern fordere ich, dass wir uns Gedanken machen, was aus denen wird, die von Modernisierungs- und Erneuerungsmaßnahmen verdrängt werden. Das ist das Eine.

Das Zweite ist, dass wir uns Gedanken machen, wie Modernisierungs- und Erneuerungsprozesse, die wir durchaus für richtig und notwendig halten, so sozialverträglich gestaltet werden können, dass die Leute sie auch nach der Erneuerung noch bezahlen können und in ihren Wohnungen entweder bleiben können oder in vergleichbaren

Wohnungen. Um all diese Punkte machen Sie sich keine Gedanken, weder um die damit verbundenen Mieterhöhungen noch um die räumliche Verdrängung in andere Stadtquartiere, die dann die ganzen sozialen Probleme auffangen sollen.

Ich fordere Sie auf, darüber mit nachzudenken, und dann werden Sie merken, was Sie an Ihrem Antrag doch alles ändern könnten. Es wäre gut, wenn Sie das „F“, wie es Herr Westerwelle interpretiert, auch mal etwas infrage stellen würden.

[Beifall bei den Grünen – Heiterkeit bei Ellen Haußdörfer (SPD)]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung beider Anträge der FDPFraktion an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe die Priorität der Fraktion der SPD auf

lfd. Nr. 4.4:

I. Lesung

Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin und des Berliner Denkmalschutzgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3125

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 7. – Ich eröffne I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die Fraktion der SPD. – Frau Haußdörfer, Sie haben das Wort!

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich versuche, mich kürzer zu fassen, als die fünf Minuten, denn die Vorlage – zur Beschlussfassung – über das Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin und des Berliner Denkmalschutzgesetzes ist nicht nur lang, sondern auch an den Einzelbeispielen in der Stadt heiß diskutiert. Es freut mich, dass wir nun eine rechtliche Grundlage zum Verhindern von Verunstaltungen in der Stadt vorliegen haben.

Viele Bürgerinnen und Bürger fühlten und fühlen sich durch ein Zuviel an großflächiger Werbung an zentralen Orten der Stadt gestört. Dem haben wir Rechnung getragen. Ja, auch wir haben aus Erfahrung gelernt. Ein grundsätzliches Verbot von Werbung bringt die Gesetzesnovellierung aber nicht. Wer Plakate aufhängen will, benötigt dafür aber eine Genehmigung der Bezirksämter, die einer entsprechenden Ausführung bedarf. Zudem muss die großflächige Werbung auch an Baugerüsten stadtverträglich sein, und selbst, wenn dies sichergestellt werden kann, werden die Genehmigungen bis maximal sechs Monate zeitlich begrenzt. Das – denke ich – kann ein

Klaus-Peter von Lüdeke

Zeitraum sein, über den wir diskutieren können. Ich hoffe, dass dann Diskussionen wie z. B. um die Verhüllung des Charlottenburger Tores oder auch zuzeiten des Bebelplatzes sowie die Kritik des Landesrechnungshofes in dem Maße nicht mehr notwendig sind bzw. aufgegriffen werden, auch wenn weiterhin Investitionen ermöglicht werden können zugunsten der Sanierung von Denkmälern.

Die Novellierung der Bauordnung erleichtert aber auch Investitionen in den Klimaschutz. So können wärmedämmende Platten bei Gebäuden bis zu 22 Metern an die Außenwand gebracht werden, ohne umständliche Absprachen mit der Bauaufsicht. Weiterhin werden wir uns im Bauausschuss mit der Änderung der Bauordnung für die Müllschlucker in Wohnhäusern beschäftigen.

[Daniel Buchholz (SPD): So ist es, Kollegin!]

Wenn sie keine Mülltrennung ermöglichen, müssen sie bis 2013 stillgelegt werden, und wie ich weiß, ist das auch eine Forderung fast aller Umweltpolitiker in diesem Haus, und ich hoffe, wir können die CDU auch noch zu einer positiven Zusage bewegen.

[Daniel Buchholz (SPD): Alle anderen sind schon dafür!]

Genau! – Mit der Änderung der Bauordnung werden wir also nicht nur Investitionen für den Klimaschutz ermöglichen, sondern auch die Anzahl der Megaposter begrenzen sowie der Verunstaltung durch Riesenplakate entgegenwirken. Neben der pädagogischen Vorbildwirkung für Kinder und Jugendliche – ich denke da an frivoltriviale Sprüche und nackig räkelnde Bikinischönheiten – wirken wir doch der dominanten, provokanten und auch stadtbildverunstaltenden Wirkung von Werbung entgegen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion)]

Da klatschen natürlich die Männer. Bei euch hat die Pädagogik schon funktioniert! – Die Details möchten wir mit Ihnen und entsprechenden Experten gerne im Bauausschuss, und zwar zeitnah im Rahmen einer Anhörung, besprechen. Das ist ein Verfahren, das sich bewährt hat und produktiv für Berlin sein wird. In diesem Rahmen freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Udo Wolf (Linksfraktion) und Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion)]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Haußdörfer! – Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Bung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die uns heute vorliegende Novellierung der Berliner Bauordnung ist grundsätzlich zu begrüßen.

Immerhin ist der Senat fünf Jahre nach Inkrafttreten der Berliner Bauordnung endlich zu der Einsicht gelangt, dass eine Korrektur der gegenwärtigen Regelung dringend erforderlich ist. Die CDU-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses hat sich bereits damals kritisch mit der jetzt zu korrigierenden Fassung auseinandergesetzt. Schon damals haben wir darauf hingewiesen, dass die Genehmigung von Gewerbeflächen stringenter hätte geregelt werden müssen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Thomas Birk (Grüne): Auch für CDU-Plakate?]

Die Erfahrung der jüngeren Vergangenheit zeigt, welche negativen Auswirkungen großflächige Werbung an einigen Stellen im Stadtbild verursachen kann. Daher befürworten wir die geplante Wiedereinführung eines Genehmigungsverfahrens für Werbeanlagen sowie die grundsätzliche Anwendung des Verunstaltungsverbotes auf Werbeanlagen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]