Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

Berlinerinnen und Berliner sind auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II angewiesen.

Der rot-rote Senat wird mit dieser Bilanz in die Geschichte der Stadt als der Senat eingehen, der das Armutsrisiko wie kein anderer vor ihm vergrößert hat. In den letzten sieben Jahren sind fast 140 000 Berlinerinnen und Berliner unter die Armutsgrenze gerutscht.

Ob nun in der Vergangenheit unter der Vielzahl von Maßnahmen einzelne einen tatsächlichen Erfolg generierten, d. h. geeignet waren, diesen negativen Trend aufzuhalten , das wissen wir einfach nicht. Woran liegt das? Das liegt daran, dass es gar keine konkreten, messbaren Ziele gibt, die dann mit entsprechenden Maßnahmen hinterlegt sind. Das liegt in der Folge am Fehlen einer entsprechenden Evaluation. Ein fester Bestandteil für Evaluation der einzelnen Programme und ihrer Wirkungsweisen ist im Haushaltsplan nicht ablesbar.

Es gibt einen Kostenansatz von rund 30 000 Euro p. a. für Gutachten. Die Ausgaben sind insbesondere für projektübergreifende Analysen und Maßnahmen zur Umsetzung der veränderten wohnungsbau- und stadtentwicklungspolitischen Zielsetzungen Berlins vorgesehen, aber auch für projektbegleitende juristische Beratung und die Herstellung von Planungsunterlagen. Dem gegenüber steht ein Programmvolumen von 120 Millionen Euro p. a. im Bereich der Städtebauförderung mit zahlreichen Einzelmaßnahmen und Modellprojekten. Leider finden sich keine Hinweise in den Haushaltsplänen zu Studien etc., die untersuchen, welche Ziele wie erreicht worden sind. Aber wahrscheinlich ist es das Hauptproblem, dass sie keine messbaren Ziele vorgeben. Und wahrscheinlich tun Sie dies auch ganz bewusst.

Herr Häußermann, aber auch Herr Mahnke haben in unserer Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss bestätigt, dass wir eine Evaluation messbarer Ziele brauchen. Solange wir nicht wissen, welche Maßnahmen funktionieren, welche besonders erfolgreich sind, welche nur unter bestimmten Rahmenbedingungen funktionieren, aber auch, welche Maßnahmen keine erkennbaren Effekte haben, ist doch alles, was wir machen, reines Ausprobieren, ein Rumstochern im Nebel. Dafür haben wir schlicht nicht das Geld.

Die FDP-Fraktion fordert deshalb den Senat auf: Formulieren sie endlich messbare Ziele, und evaluieren sie diese, damit wir auch ein Best Practice einführen können. So können erfolgreiche Projekte mit einer Evaluation identifiziert und in anderen Stadtbereichen implementiert werden. Durch die Evaluation liegen auch sofort klare Erkenntnisse auf der Hand, warum diese oder jene Maßnahme sofort eingeführt werden müsste. Berlin kann es sich nicht leisten, nach über zehn Jahren des Ausprobierens jetzt die nächsten „Aktionismusräume“ zu bilden, und, wie es der vorliegende Entwurf belegt, wieder keine klaren Ziele zu benennen. Wir werden wieder viel Geld

ausgeben, ohne zu wissen, ob es irgendwo weiterhelfen wird.

Daher geht der Antrag der Grünen grundsätzlich in die richtige Richtung. Wir sind aber der Meinung, dass zunächst die bestehenden Programme zu untersuchen wären, damit wir Erkenntnisse darüber erhalten, was tatsächlich geeignet ist, bei den Aktionsräumen berücksichtigt zu werden, bzw. was grundsätzlich geändert werden sollte.

Bis dahin stehen zum Monitoring Soziale Stadtentwicklung zwei Aussagen von Prof. Häußermann im Raum, die ich abschließend zitieren möchte. Zur Frage, ob sich die Lage verschärft habe, antwortet er: Dort, wo die Probleme groß sind, da wachsen sie weiter. – Und die Frage, wie es dazu kommen konnte, beantwortet er mit der Aussage: Hier werden die Verlierer und die Unterschicht von morgen produziert. – Immerhin ist der Antrag der Grünen geeignet, eine interessante Diskussion auszulösen, die wir mit Spannung erwarten.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/3178 an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr sowie an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Die lfd. Nr. 5 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

Jahresbericht 2009

16. Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

Drs 16/3117

Für die Besprechung des von ihm vorgelegten 16. Tätigkeitsberichts des Berliner Landesbeauftragten begrüße ich in unserer Mitte sehr herzlich Herrn Martin Gutzeit. Für die Besprechung jeweils fünf Minuten! Es beginnt für die SPD-Fraktion der Kollege Hilse.

[Zuruf]

Wir haben wohl zunächst den Jahresbericht. Wie ist das hier vorgesehen?

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Die Fraktionen fangen an. Gut! – Bitte schön, Herr Kollege Hilse, dann sind Sie dran!

[Zuruf]

Okay! Meine Damen und Herren! Wir rufen dann für die CDU-Fraktion den Kollegen Scholz auf.

[Uwe Goetze (CDU): Er ist da!]

Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Nur wenige Meter von hier entfernt wurde heute die Topografie des Terrors eröffnet, eine Stätte des Gedenkens und der Mahnung. Diese Mahnung soll aber zugleich Botschaft sein, auch für die unbelasteten und nicht mehr direkt betroffenen Generationen. Und diese Botschaft heißt: Nie wieder Krieg, Terror oder Gewaltherrschaft!

[Beifall bei der CDU]

Uns lehren die grausamen Momente des vorigen Jahrhunderts: Man darf die Aufarbeitung geschichtlicher Ereignisse und Zusammenhänge nicht wegen Zeitablaufs ausblenden oder gar beenden. Deshalb hält die CDU nach wie vor daran fest: Die Arbeit des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ist nach wie vor unverzichtbar.

[Beifall bei der CDU]

Gerade in einer Zeit, in der Ewiggestrige, gestützt von der Linken, die DDR-Diktatur verharmlosen, in der man oft das Argument, es war doch nicht alles schlecht, hört, gerade in dieser Zeit müssen im Rahmen politischer Bildung Information via Medien und an den Schulen die Aufklärung und Aufarbeitung fortgesetzt werden. Auch und gerade an Berliner Schulen gibt es in dieser Frage erheblichen Nachholbedarf. Die hohe Zahl von Unterrichtsausfällen macht auch vor dem Geschichtsunterricht nicht halt. Und so kommt die deutsche Nachkriegsgeschichte am Ende des geschichtlichen Kalenders oft zu kurz oder fällt ganz ins Wasser. Nun ist Herr Gutzeit nicht der Vorgesetzte von Herrn Zöllner. Wir fordern aber den Bildungssenator auf – und ich hoffe, dass ihm jetzt die Ohren klingen –, die Potenziale der Gutzeit-Behörde besser zu nutzen.

[Beifall bei der CDU]

Die Debatte über die Aufarbeitung des SEDUnrechtssystems wirft natürlich noch weitere Fragen auf, z. B. die Rolle der Linken. Die PDS – Pardon, Linke! Wie oft haben Sie sich eigentlich umbenannt? Ist egal! –

[Zurufe von der Linksfraktion]

trägt seit 20 Jahren die Mär ihrer Erneuerung wie eine Monstranz vor sich her.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Unerhört!]

Indem sie gewiefte Entertainer in Parteispitzenämter gehievt hat, ist es der Linken zeitweilig gelungen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Lassen Sie Ihre Blödeleien! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]

Doch man muss nicht ins Land Brandenburg schauen, um festzustellen, dass nun immer mehr Ratten aus den Löchern kommen.

[Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Jetzt reicht es! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]

Im 20. Jahr der deutschen Einheit ist es jedoch angezeigt, unser Augenmerk auf die Opfer des SED-Regimes zu richten. Tausende Menschen, die auf vielfältige Weise ihre Ablehnung gegen SED und Stasi artikuliert haben, Menschen, die dafür jahrelang hinter Kerkermauern unterdrückt und gefoltert wurden, dem Schicksal und der Rehabilitierung dieser mutigen Mitbürger widmet sich auch der uns vorliegende Bericht.

Besonders möchte ich auf den Punkt 2.2 hinweisen. Auf Seite 11 des Berichts wird der Umgang des Landesamtes für Gesundheit und Soziales mit betroffenen Antragstellern geschildert. Ich sage es etwas undiplomatischer, als der Landesbeauftragte es tun muss: Es ist ein Unding, mit welch fehlender Sensibilität in dieser Behörde Opferschicksale – in Anführungsstrichen – verwaltet werden. Frau Bluhm – sie ist gerade nicht da –, ich fordere Sie als Sozialsenatorin auf, unabhängig von Ihrer persönlichen Einstellung gegen dieses unsoziale Verhalten Ihrer Behörde einzuschreiten!

[Beifall bei der CDU]

Die heutige Debatte ist Anlass genug, aller Opfer zu gedenken, Menschen, die noch heute mit schweren gesundheitlichen Schäden zu kämpfen haben, Schäden als Ergebnis von Haft, Psychoterror und Folter in DDRGefängnissen, Menschen, denen es in den vergangenen 20 Jahren anders als ihren Peinigern nicht vergönnt war, SED-Gelder und alte Netzwerke zu nutzen, um es sich in der neuen Ordnung bequem zu machen.

[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ostvermögen der CDU sage ich nur!]

Gut, dass sich die Beratungsstelle des Landesbeauftragten dieser Schicksale annimmt.

Eine größere Strahlkraft der Anti-Stasi-Behörde würden wir uns jedoch wünschen. Dieser Wunsch wird aber wohl unter Rot-Rot unerfüllt bleiben. Ich möchte schon heute den Senat daran erinnern, dass er spätestens in gut einem Jahr eine Vorstellung darüber entwickelt haben muss, wie die Aufgaben des Landesbeauftragten auch über 2012 hinaus erfüllt werden. Die Diskussion über das Für und Wider wird wohl dank der Linken in der Koalition sicherlich recht lebhaft werden. Ich kann an dieser Stelle nur an die aufrechten Sozialdemokraten – ich weiß, es gibt noch ein paar davon – appellieren, –

Herr Kollege! Bitte kommen Sie zum Schluss!

sich nicht von den Postkommunisten in die DDRVerharmlosungsrolle locken zu lassen.

[Beifall von Uwe Goetze (CDU)]

Zum Schluss aber noch ein Dank an den Landesbeauftragten und sein Team für die engagierte Arbeit! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]