Rund 10 000 Menschen – eine breite, bunte Mischung aus Familien, aus Jung und Alt, Anwohnerinnen und Anwohnern, Berlinerinnen und Berlinern aus anderen Bezirken – zeigten entschlossen und ohne Gewalt: Wir wollen die Nazis nicht auf der Straße sehen, und wir werden ihnen auch diese Straße nicht überlassen!
Gewalt ging bei den rechten Aufmärschen am 1. Mai insbesondere von den ca. 300 Neonazis aus, die sich kurzerhand auf dem Ku’damm selbstständig gemacht hatten und die dafür auch wegen Landfriedensbruch verhaftet wurden. Die Gegenproteste waren bunt und gewaltfrei.
Angesichts dieser Tatsachen wirkt das Verhalten des Innensenators immer unverständlicher. Wegen 640 Nazis wird der halbe Prenzlauer Berg abgeriegelt. Es fahren keine U-Bahnen und Straßenbahnen. Gegenprotestlern wird teilweise der Weg zu angemeldeten Kundgebungen verweigert, geschweige denn, dass Kundgebungen in Hör- und Sichtweite zur rechtsextremen Demonstration zugelassen werden.
Herr Körting! Vor zwei Wochen haben Sie hier in der Plenarsitzung auf meine Frage noch geantwortet, dass es wichtig ist, Gegenproteste in Hör- und Sichtweite zuzulassen. Davon war am Samstag nichts zu sehen, im Gegenteil: kilometerweite Absperrungen.
Sie, Herr Körting, haben eine Geheimhaltungsstrategie bis zum Ende betrieben und die Route nie bekanntgegeben. Meinen Sie denn, damit deeskalierend zu handeln oder hemmen Sie nicht gerade dadurch die breite und bunte zivilgesellschaftlichen Proteste? Zum Glück haben sich die Zehntausende Menschen am Samstag davon nicht beirren lassen. Aber seien Sie sich sicher: Wir Grüne würden damit transparenter umgehen!
Die Doppelköpfigkeit des Innensenators wird auch hier wieder nur allzu deutlich. Der Berliner Bürger Körting, der diese friedlichen Proteste begrüßt, und der Innensenator Körting, der diesen friedlichen Widerstand in Hör- und Sichtweite den Berlinerinnen und Berlinern nicht zutraut und nicht ermöglichen will. Demokratiepolitisch sehr ärgerlich, Herr Körting, dass der Innensenator Körting sich am letzten Samstag über den Bürger Körting hinweggesetzt hat.
Die Demonstrationsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht. Und ob es uns passt oder nicht: Das gilt auch für Rechts
extremisten. Aber genauso wie es eine Demokratie zulassen muss, dass Feinde auf der Straße demonstrieren dürfen, muss auch Protest von der Gegenseite zugelassen werden.
Nicht zuletzt die Geschichte lehrt uns, dass Antidemokraten die Grundrechte schamlos nutzen, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten und im schlimmsten Fall die demokratischen Rechte abzuschaffen. Das darf eine aktive Zivilgesellschaft nie zulassen.
Dagegen muss sie sich mit aller Kraft stellen, auch mittels des zivilen Ungehorsams. Auch wenn das absurd klingen mag: Der gewaltfreie Widerstand und die Sitzblockade schützen bzw. sichern unsere Demokratie. Das sieht auch die katholische Kirche in Berlin so und hat das in einem offenen Brief deutlich gemacht. Sie hat auch mit der evangelischen Kirche gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde und den zwei großen muslimischen Dachverbänden zum Widerstand gegen die Neonazis aufgerufen. Daher zeichnet sich die Zivilcourage auch durch das friedliche Blockieren von Nazi-Aufmärschen aus.
Liebe Querulanten von der SPD! Sie haben die Debatte um die Sitzblockade von Herrn Thierse bislang sehr hochgespielt. – Scheinbar gibt es nichts anderes zu besprechen. – Vielleicht sollte man die Sache mal aus einem anderen Blickwinkel sehen: Wenn sich an einem langen und anstrengenden Tag für Demokraten einige ältere Herren zwischendurch einmal hinsetzen müssen, dann sollte man darum kein großes Aufhebens machen, sondern es ihnen aus Respekt vor dem Alter ermöglichen.
Die friedlichen und erfolgreichen Proteste am 1. Mai in Berlin – aber auch in anderen Städten, beispielsweise in Erfurt, oder im Februar in Dresden – sind ein enorm wichtiges Signal für unsere demokratische und pluralistische Gesellschaft. Hier haben die Menschen mit den richtigen Mitteln klargemacht, dass sie Nazis in der Mitte der Gesellschaft nicht dulden. Diese positive Stimmung und Atmosphäre sollten wir alle gemeinsam weitertragen. Am kommenden Samstag wird die NPD das historische Datum wieder missbrauchen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Wir rufen alle Berlinerinnen und Berliner auf, sich an den Gegenprotesten ab 11 Uhr in Neukölln zu beteiligen und erneut Gesicht gegen Rechts zu zeigen. Diese Stimmung sollten wir auch im Dezember nutzen bei der alljährlichen Demonstration, die die Rechten in Berlin veranstalten, um für ein nationales Jugendzentrum zu demonstrieren. Auch hier darf die Zivilgesellschaft den Neonazis nicht unwidersprochen die Straße überlassen.
Zum Schluss: Die zehntausend Leute, die stundenlang, von morgens bis abends ausgeharrt haben, ohne die Nazis überhaupt gesehen oder gehört zu haben, ohne zu wissen, ob ihr Engagement in diesem Moment funktioniert, sind die couragierten Heldinnen und Helden. Bei ihnen bedanken wir uns ganz herzlich. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vieles ist heute schon über den Erfolg dieses 1. Mais gesagt worden. Tausende Gegendemonstranten haben friedlich gegen Rechtsextremisten demonstriert. Auch der Abend ist verhältnismäßig glimpflich verlaufen – obwohl auch dieses Mal über 7 000 Beamtinnen und Beamte im Einsatz sein mussten
und obwohl es auch dieses Mal wieder viele verletzte Polizeibeamte gab, denen wir – neben allen anderen Einsatzkräften – ganz besondere Anerkennung zollen.
Es gibt aber einiges, das uns sehr widerstrebt. Das ist zum einen die PR-Sitzblockade – wie ich sie einmal nennen will –, an der unter anderem der innenpolitische Sprecher der Grünen, Herr Benedikt Lux, und Herr Thierse teilnahmen.
Aus unsere Sicht ist das weder lächerlich, meine lieben Grünen, noch eine Petitesse. Diese Aktion zeigt – das wurde gerade leider wieder deutlich – nichts weniger als das mangelnde Verfassungsverständnis der Grünen.
Herr Lux! Sie waren bei der Gegendemo – ebenso wie Herr Thierse – noch nicht einmal Demonstrant. Sie waren als parlamentarischer Beobachter vor Ort. Die Gegendemonstranten befanden sich vor den Absperrungen. Sie aber verschafften sich mit dem Abgeordnetenausweis Zutritt zum geräumten Sicherheitsbereich hinter den Einsatzkräften.
Als da auch noch Thierse, Kameras und Blitzlichtgewitter auftauchten, hielt Sie gar nichts mehr, lieber Herr Lux. Da wollten Sie unbedingt dabei sein, und Sie mussten sich gemeinsam mit 15 anderen hinsetzen.
Damit haben Sie nicht nur Ihre Stellung als Abgeordneter und Beobachter dieser Demonstration missbraucht, Sie haben nicht nur die Einsatzkräfte in eine schwierige Lage gebracht, sondern Sie haben vor allem als innenpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen gezeigt, dass Sie mit Sonderrechten nicht umgehen können, denn Sie haben diese Sonderrechte missbraucht, um andere Bürgerinnen und Bürger um ihre verfassungsmäßige Versammlungsfreiheit zu bringen.
Das lässt für uns nur einen Schluss zu: Offenbar scheren sich die Grünen nur dann um Grundrechte anderer, wenn diese anderen die gleiche Meinung vertreten wie sie selbst.
Für uns Liberale ist es gerade eine entscheidende Stärke unserer Gesellschaft und unserer Demokratie, dass jeder das Recht hat, selbst falsche und abwegige Meinungen zu äußern und diese im Rahmen von Demonstration und Gegendemonstration zum Ausdruck zu bringen. Es gab Zeiten in Deutschland, als das anders war.
Ich meine Zeiten, als der Staat und dessen Vertreter sich anmaßten, über die Validität von Meinungen und Demonstrationen willkürlich zu befinden und diese bei Nichtgefallen gewaltsam zu stören. Davon sind wir heute zum Glück entfernt. In diese Zeiten möchten wir, die Liberalen hier im Haus, nicht zurückkehren. Der Rechtsstaat muss die Grundrechtsausübung aller Menschen zulassen, und zwar ungeachtet von derer politischen Überzeugung. Man kann nicht glaubhaft für Demokratie und Rechtsstaat eintreten, indem man die Rechte anderer mit Füßen tritt, auch wenn deren Meinung einem nicht gefällt oder sie noch so abscheulich ist. Der Weg, den die Grünen hier eingeschlagen haben, führt letztlich in die Meinungsdiktatur.
Für uns Liberale steht fest: Freiheit in einer demokratischen Ordnung ist auch die Freiheit des Andersdenkenden.
Wer das nicht anerkennt, der sollte gegebenenfalls prüfen, ob er nicht auf der anderen Demo hätten mitmarschieren müssen.
Leider sind solche Tendenzen bei den Grünen klar zu erkennen. Als Linksextremisten in unserer Stadt Autos in Flammen steckten, vertraten die Grünen im Innenausschuss die Auffassung, es handele sich bei solchen Brandstiftungen gewissermaßen um ein – ich zitiere – „Konjunkturprogramm“. Für uns Liberale steht fest, dass Eigentumsrechte auch die Rechte derer sind, deren Autos der linken und grünen Klientel nicht gefallen. Wenn ein sogenannter Bonze seinen VW Passat in Kreuzberg ab
Wenn Menschen nach Kreuzberg ziehen, dort schöne Wohnungen bauen und Häuser renovieren, ist das deren gutes Recht. Das gilt auch für Gastronomen, die sogenannte Schickimicki-Restaurants im Prenzlauer Berg betreiben und dort Arbeitsplätze schaffen.
Es mag so manchen verwundern, dass Teile der Grünen, der Linken und selbst der SPD durchaus mit Organisationen sympathisieren, die all dies tatsächlich in Frage stellen. Aber bei kaum einer Fraktion liegen die Auffassungen des Fraktionsvorsitzenden und des verantwortlichen Fachsprechers für Innenpolitik zum Thema linke Gewalt so weit auseinander wie bei den Grünen. Kürzlich war der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Ratzmann, im Fernsehen zu sehen. Er sagte zur gewaltbereiten linksextremistischen Vereinigung „Antifaschistische Linke Berlin“ – ALB –, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird – ich zitiere –: