Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Eine große Herausforderung sehen wir noch in der Erarbeitung von Verwaltungsvorschriften zu dem Gesetz. Wir hoffen, dass der Senat verschiedene Fachbereiche außerhalb der Verwaltung im Vorfeld beteiligt, denn da wird es sehr wichtig sein, dass die Besonderheiten verschiedener Einrichtungsarten berücksichtigt werden.

Berlin wird also trotz verschiedener Kritikpunkte ein im Verhältnis zu anderen Ländern modernes Wohnteilhabegesetz bekommen.

Als Letztes noch einen Satz zum Antrag der CDUFraktion: Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben sich mit Ihrem Antrag entschieden, konservativ zu bleiben und den großen Trägern der Pflege möglichst wenig Umstände zu machen.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Das ist nicht im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Nutzerinnen und Nutzer. Diesen Weg wollen wir nicht unterstützen. Wir stimmen konkret Ihrem Antrag nicht zu.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Villbrandt! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Dott das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute in Zweiter Lesung mit dem Wohnteilhabegesetz, das das bisherige Bundesheimgesetz ablösen soll. Dazu wurde heute schon einiges gesagt. Wir hatten nach dem Inkrafttreten der Föderalismusreform die

Aufgabe, das Heimordnungsrecht auf die Länder anzuwenden. Ein anderes Gesetz wurde auch aus inhaltlichen Gründen notwendig, denn bei älteren, pflegebedürftigen oder behinderten Menschen hat sich ein Bewusstseinswandel vollzogen: Besonders der Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung prägt die Erwartungen bei der Planung des eigenen Lebens, auch und gerade dann, wenn Einschränkungen und Abhängigkeiten vorhanden sind.

Es sollte nach Auffassung der Linksfraktion vor allem aber auch ein Verbraucherschutzgesetz werden. Große Erwartungen sind mit der Einführung dieses Gesetzes verbunden, aber eins ist anzumerken: Die Bundesgesetzgebung mit dem Sozialgesetzbuch XI, der Pflegeversicherung, und dem Sozialgesetzbuch XII, der Sozialhilfe, setzen die Rahmenbedingungen, die uns insbesondere im Pflegebereich einen Flickenteppich bescheren, weil eine an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtete Pflegereform immer noch ausgeblieben ist. Es darf bezweifelt werden, dass hier unter Schwarz-Gelb der große Wurf gelingt. Im Rahmen der im Jahr 2009 eingeleiteten schriftlichen Anhörung hat es eine Vielzahl von Zuschriften gegeben, die verarbeitet worden sind.

Herr Hoffmann! Ich glaube, Sie haben in der Ausschusssitzung geschlafen. Ich weiß auch nicht, wer bei der Anhörung düpiert worden sein soll. Vielleicht haben Sie auch an der Debatte überhaupt nicht teilgenommen. Schon allein der Titel zeigt, wie das Gesetz bearbeitet worden ist. Es hieß erst „über Selbstbestimmung und Teilhabe in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen“ und jetzt heißt es „zur Stärkung der Selbstbestimmung und der Teilhabe sowie zum Schutz von Menschen in gemeinschaftlichen betreuten Wohnformen.“ Da sind wesentliche Aspekte dazugekommen.

[Gregor Hoffmann (CDU): Da sind Sie einer Ideologie verfallen!]

Ich möchte einige wesentliche Aspekte hervorheben: Das neue Gesetz bezieht neben stationären Einrichtungen wie das alte Heimgesetz nun auch Wohngemeinschaften für volljährige pflegebedürftige und behinderte Menschen ein. Das ist übrigens gerade der Hinderungsgrund dafür, dass es mit Brandenburg leider keine gemeinsame Gesetzlichkeit geben konnte. Gerade die Fachöffentlichkeit hat verlangt, dass die gemeinschaftlichen Wohnformen, die anders als Heime gestrickt sind, einbezogen werden. Das wird dieses Gesetz leisten.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Ich bedaure, wie gesagt, dass wir kein gemeinsames Gesetz haben. Das wird in späterer Zeit noch zu leisten sein.

Zweiter Gedanke: § 8 bietet jetzt einen neuen Ansatz für ein Konzept der Evaluation von Dienstleistungen. Dazu gab es übrigens gestern eine interessante Konferenz zur Präsentation des Nueva-Konzepts. Leider ist außer unserer Fraktion niemand anwesend gewesen. Dort hätten Sie erfahren können, was dieses Gesetz für Möglichkeiten bietet, gerade auch im Behindertenbereich, aber auch im

Seniorenbereich. Bei Nueva nehmen Menschen mit Behinderungen Rollen und Plätze ein, die eine Aufwertung ihres sozialen Images bewirken. Ihre Kompetenzen und Fähigkeiten werden erweitert und aufgewertet. Es ist uns ganz wichtig gewesen, dass das Gesetz hier eine Andockmöglichkeit bietet.

[Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Es waren die ausgebildeten Peers, die gestern darüber berichtet haben. Das war Fachöffentlichkeit, Herr Hoffmann, aber Sie haben es nicht gehört. Übrigens hat auch das Sozialwerk ein ähnliches Projekt für Senioren entwickelt und wird es durchführen.

In § 10 heißt es jetzt, dass die Einrichtungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unter Einbeziehung lokal bestehender Angebote zu gewährleisten haben. Sie haben kulturelle und religiöse Belange zu berücksichtigen und – was Sie kritisiert haben – für notwendige Begleitung nach draußen zu sorgen. Dabei müssen sie dafür nicht unbedingt neues Personal einsetzen, sondern da geht es auch um die Vernetzung im Wohngebiet oder um den Einsatz von Ehrenamtlichen. Es gibt große Einrichtungen, die das schon vorbildlich tun.

[Beifall bei der Linksfraktion]

In § 29 wird erfasst, welche Rechtsverordnungen bis zu welchem Datum zu erlassen sind, und es werden Optionen für weitere Möglichkeiten genannt. Damit werden verbindliche Regelungen getroffen, diese werden das Gesetz weiter stärken. Natürlich werden die Standards, die wir jetzt haben, gehalten. Das betrifft zum Beispiel den Anteil von Fachpersonal in Einrichtungen. Diese Diskussion war besonders kompliziert, und ich bin sehr zufrieden, dass wir hier zu einem guten Ergebnis gekommen sind.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ich möchte abschließend auf § 32 verweisen, der das Land verpflichtet, geeignete und unabhängige Ansprech- und Anlaufstellen für Not- und Krisensituationen sowie für Beschwerden vorzuhalten. Hier hat wieder die Fachöffentlichkeit darauf hingewirkt, dass das so formuliert wird – Frau Radziwill hat das schon ausgeführt. Im Gesetz gibt es nun eine Meldepflicht, und wir hoffen, dass hier über die Transparenz weitere Verbesserungen möglich werden. Das dient dem Verbraucherschutz, und es erhöht die Transparenz. Es gibt hier ein neues, modernes Gesetz. Ich werbe nach der zweijährigen Debatte, in die sich wirklich jeder einbringen konnte, um Ihre Zustimmung. Das Gesetz soll jetzt verabschiedet werden und sich in der Praxis bewähren. Dann werden wir wieder darüber reden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dott! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Abgeordnete Gersch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vorgelegte Gesetz ist nicht unbedingt innovativ zu nennen. Es ist auch noch nicht der große Wurf. Aber es ist zumindest der erste Schritt dorthin.

[Martina Michels (Linksfraktion): Na bitte!]

Wir haben es im Zuge der Föderalismusreform leider erleben müssen, dass wir ab sofort 16 unterschiedliche Gesetze haben. Das haben wir damals als FDP auch kritisiert, denn eigentlich wäre es gerade in diesem Bereich wichtig, eine bundesweite Einheitlichkeit herzustellen.

Besonders bedauerlich finden wir es auch, dass es nicht einmal mit Brandenburg gelungen ist, eine einheitliche Regelung zu finden. Ich hoffe, dass wir das in der Zukunft noch in irgendeiner Form ändern können. Ansonsten bleibt festzuhalten: Was vom Senat vorgelegt worden ist, zielt in die richtige Richtung. Wir haben nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Zukunft mit vielen verschiedenen Wohn- und Lebensformen zu tun. Dem muss Rechnung getragen werden.

[Beifall bei der FDP]

Die Definition – das muss man ehrlicherweise sagen – ist ziemlich schwierig. Wir sind der Meinung, dass das Gesetz dies nicht abdeckt und für die Zukunft eher Unsicherheiten schafft. Deshalb üben wir an dieser Stelle eine gewisse Kritik. Wir benötigen in der Pflege viel mehr Transparenz, was auch die entsprechenden Informationen voraussetzt. Was dazu im Gesetz steht, wird unserer Ansicht nach allerdings zu großem Aufwand führen. Die Menschen werden eher damit „erschlagen“, als dass es ihnen nützt. Weiterhin wollen wir es nicht unterstützen, dass die Leistungsrechte, die Anbietern auferlegt werden, so dargelegt werden müssen, zumal die Finanzierung hier komplett ungeklärt ist. Das ist einer unserer zentralen Kritikpunkte. Auch ist hier – meines Wissens hat das nicht der Senat zu verantworten, aber es hätte dennoch ins Gesetz gehört – nicht gegeben, dass die Kontrollen durch Heimaufsicht und MDK koordiniert sind. Es wird weiterhin ein Nebeneinander geben.

Angesichts dessen, dass meine Vorredner die Redezeit bereits ausgereizt haben, möchte ich nur noch zwei Punkte anmerken: Wir sind sehr froh darüber, dass die Änderungsanträge der Grünen nicht angenommen worden sind,

[Beifall bei der FDP]

weil man tatsächlich jede Zweier-WG älterer Menschen unter staatliche Aufsicht stellen wollte. Ich weiß nicht, was die Grünen geritten hat, so etwas zu fordern. Auf jeden Fall gibt es keine Unterstützung von uns.

Auch mit der CDU-Vorlage haben wir unsere Probleme gehabt, denn die Formulierungen sind sehr einseitig im Interesse der Anbieter gewesen. Deshalb werden wir auch diesen Antrag ablehnen.

[Beifall bei der FDP]

Seien Sie uns nicht böse, dass wir insgesamt nicht zustimmen werden. Eine Enthaltung nutzt allen. – Danke!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gersch!

Zum Gesetzesantrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachennummer 16/2489 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU bei Enthaltung der FDP – im Fachausschuss zusätzlich bei Enthaltung der Grünen – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Die Gegenprobe! Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Gesetzesantrag mit der Drucksachennummer 16/2489 abgelehnt.

Zur Gesetzesvorlage mit der Drucksachennummer 16/2705 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die CDU und bei Enthaltung der FDP die Annahme mit Änderungen. Wer dem Gesetz mit den Änderungen der Beschlussempfehlung mit der Drucksachennummer 16/3190 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die Mehrheit. Die Gegenprobe! – Das ist die Fraktion der CDU. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion der FDP. Damit ist das Gesetz über Selbstbestimmung und Teilhabe in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen so angenommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Gleichberechtigten Zugang für wehrdienstkritische Verbände in Schulen schaffen – keine einseitige Werbung für die Bundeswehr in Schulen!

Antrag der Grünen Drs 16/3198

Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Tagesordnungspunkt 25. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Mutlu hat das Wort. – Bitte sehr!

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das ist ein Thema, wo die Grünen reden und wir handeln!]

Die Koalition handelt? Ich sehe nur keine Taten von Ihnen bei dieser Frage. Sie reden nur und schreiben Presseerklärungen, dass Sie einen Antrag einbringen wollen. Wir beraten heute einen Grünen-Antrag, lieber Kollege!