Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Tagesordnungspunkt 13. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Herr Abgeordneter Otto hat das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Berlin ist eine Stadt, die sich schnell verändert. Quartiere prosperieren heute und fallen vielleicht morgen in die Normalität zurück. Geschäftsviertel entstehen, Gewerbegebiete entstehen, und morgen ist vielleicht eine Branche in einem anderen Bezirk interessant, und es geht dort viel schneller weiter. Altersstrukturen verändern sich. Wo heute viele Kinder sind, sind vielleicht in wenigen Jahren mehrheitlich Jugendliche und übermorgen eher Ältere. Warum sage ich Ihnen das? – Die Stadt entwickelt sich weiter und oft so, wie es der Senat und wie es die Bezirke und wie es die Verwaltung insgesamt nicht erwartet haben.
Wie reagiert man dann eigentlich? Wie reagiert man auf Entwicklungen, die so schnell sind, dass unsere Planungsphasen, dass das Planungsrecht, dass die Investitionsplanung nicht hinterherkommt? – Da muss man sich über seine Liegenschaftspolitik Gedanken machen, eine Politik, die viel dichter an den Geschehnissen dran sein kann, viel dichter an Entwicklungen als die gemeinhin verwendeten Planungswerkzeuge.
Aktive Liegenschaftspolitik ist das Thema. Deshalb haben wir Ihnen schon vor einem Jahr die Drucksache 16/2500 – Landeseigene Immobilien für die Zukunft der Stadt nutzen – vorgelegt. Nutzen heißt, besser nutzen als bisher.
Wir haben Ihnen vorgeschlagen, Kategorien zu bilden. Wir haben Ihnen vorgeschlagen zu sagen: Es gibt neben dem Fachvermögen, neben den Immobilien, die die Verwaltung braucht, die die Schulen brauchen, andere Kategorien. – Ich würde das auch gern dem Senat erzählen. Er ist offenbar kollektiv zurückgetreten, muss ich konstatieren.
Das hat sich mit dieser Bemerkung erledigt. – Und Herr Meyer? – Er möchte jetzt auch nicht mehr. Das hat sich auch mit dieser Bemerkung erledigt. – Dann setzen Sie bitte fort, Herr Otto!
Sie möchten Frau Junge-Reyer herbeizitiert haben. Eigentlich ist der Finanzsenator zuständig. Möchten Sie einen Antrag stellen, Herrn Senator Nußbaum rufen zu lassen? – Das brauchen wir nicht, weil er schon da ist.
Der Senat ist aus der Versenkung aufgetaucht. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war dabei stehen geblieben, Ihnen unseren Vorschlag zu erklären. Unser Vorschlag ist, dass wir die Immobilien, die wir in den Fachvermögen haben, die wir im Finanzvermögen haben, anders beurteilen, anders vermarkten, und zwar, indem wir sagen: Wir brauchen Vermögen für Gestaltung. Wir brauchen für innovative Unternehmen, für Wohnprojekte, für Kultureinrichtungen Grundstücke, Immobilien, und diese müssen zielgerichtet vermarktet werden. Da ist die Finanzpolitik gar nicht außen vor. Wir wollen Erlöse für den Landeshaushalt mit Stadtentwicklungspolitik verbinden. Das ist bisher nicht geschehen.
Und wir wollen uns besser darauf einstellen, dass Nutzungen vielleicht temporär wegfallen. Wenn eine Schule nicht gebraucht wird, aber in drei, vier oder fünf Jahren der Bedarf wieder da ist, weil wieder mehr Kinder in dem Stadtviertel leben, dann ist es müßig, ein neues Grundstück zu suchen und eine neue Schule bauen zu wollen.
Bis die Schule fertig ist, sind die Kinder wieder aus dem Schulalter heraus. Nein, wenn sich solch ein Fall absehen lässt, dann muss man Gebäude in Reserve halten!
Der Liegenschaftsfonds muss besser für die Stadtentwicklung genutzt werden. Bei der ersten Lesung dieses Antrags hat die Koalition es noch ganz anders gesehen. Da hat der Kollege Schneider uns verkündet: Dieser Senat und diese Koalition brauchen nicht zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung aufgefordert zu werden. Wir verkörpern sie geradezu, und zwar seit Jahren.
Das hat uns der Kollege Schneider erzählt. Er hat sich dann aber offensichtlich eines Besseren belehren lassen, und die Koalition hat vor wenigen Wochen einen eigenen Antrag vorgelegt, der unsere Vorschläge zu einem gewissen Teil aufgreift und noch ein paar Punkte ergänzt, aber doch – lassen Sie mich das sagen, weil man das ja nebeneinander hält, wenn zwei Drucksachen zur Abstimmung stehen – ein gewisses Durcheinander veranstaltet. Die klare Struktur, die wir vorgeschlagen haben, nämlich Fachvermögen, Gestaltungsvermögen, Vorratsvermögen, bedingungsfrei zu veräußerndes Vermögen, ist verloren gegangen. Dafür haben Sie noch zwei Punkte hinzugefügt. Der Liegenschaftsfonds muss endlich für die Stadtentwicklung genutzt werden. Das hätte er mit unserem Antrag besser können, aber Ihrer ist auch nicht ganz schlecht, da Sie sich als lernfähig erwiesen haben.
Wir wollen – und der Liegenschaftsfonds ist dafür, glaube ich, die richtige Adresse –, dass Stadtentwicklung passiert. Mit dem Finanzwesen und den Einnahmen für den Landeshaushalt lässt sie sich ideal verbinden. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Otto! – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Haußdörfer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Meyer! Herr Wowereit ist sicher genauso dekorativ wie Herr Nußbaum und verkörpert seit Jahren die Stadtentwicklung in dieser Stadt, wie wir es auch tun.
Jetzt können Sie mal zuhören. Das gehört sich auch in diesem Parlament! – Am 6. Mai haben wir unseren Antrag im Plenum begründet und unsere grundlegenden Tendenzen und Auffassungen zur Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik dargestellt. Manchmal bin
ich sehr erstaunt, wie schnell doch eine Beratung gehen kann. Größtenteils waren wir in den verschiedenen Ausschüssen auch konsensual. Das mag sicherlich auch dazu beigetragen haben.
Wenn Herr Otto sich darüber mokiert, dass auch ich den Grünen-Antrag hätte begründen können – oder wenn man ihn danebenlegt –, dann sage ich: Freuen Sie sich doch, dass wir uns auch mit Ihren Positionen und Ihrem Antrag ernsthaft auseinandersetzen! Ich glaube, das gehört dazu, aber das passiert nicht so häufig.
Aber mein Vater hat mir beigebracht, dass man die Tochter ausreden lässt, dann ist es hilfreicher für die Diskussion. Das machen Sie leider nicht häufig.
Aber zumindest in der Liegenschaftspolitik hatten wir eine gemeinsame Wellenlänge. Das konnte ich auch bei CDU und FDP feststellen. Das zeigte sich zwar nicht immer am Stimmverhalten, aber zumindest in den Reden waren wir dicht beieinander.
Wir haben festgestellt, dass beim Verkauf von landeseigenen Immobilien nicht mehr automatisch der Bieter mit dem höchsten Gebot den Zuschlag bekommen soll, wenn es grundsätzlichen Vorstellungen der Stadtentwicklung im Sozial- und Wirtschaftsbereich sowie auch der Erfüllung klimatischer Ziele dient, die mitunter auch recht kleinteilig sein können. Allerdings ist das kein Freifahrtschein; Finanzpolitik wird auch in der Liegenschaftspolitik weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Wir reagieren damit, ganz ähnlich wie die Grünen, auf das veränderte strukturierte Portfolio des Liegenschaftsfonds, das wesentlich kleinteiliger und auch wesentlich spezieller wird. Wenn wir uns alle daran erinnern, wie wir letztes Jahr zu Weihnachten das ehemalige Krematorium im Wedding besucht haben, ist das sicherlich ein gutes Beispiel für eine sehr spezielle Immobilie. Wir reagieren natürlich auch auf verschiedene Lebensformen und auf die demografische Entwicklung in der Stadt.
Es ist mir sehr wichtig zu betonen, dass auch die Bezirke sich überlegen müssen, welche Grundstücke sie in ihren jeweiligen Bereichsplanungen mittelfristig brauchen. Dann kann es kein Horten der Grundstücke mehr geben, aber eben auch keinen Verkauf um jeden Preis, um dann festzustellen, dass man zwei Jahre später die Fläche für eine Schule braucht, mit dem Ergebnis, dass das Land mitunter teuer zukaufen muss. Das Portfolio muss dementsprechend regelmäßig analysiert, und auch die aktuellen Tendenzen müssen beobachtet werden. So wird das gemeinschaftliche, familiengerechte und generationsübergreifende Wohnen gefördert und als Beitrag verstanden werden, die Innenstadt in ihrer Wohn- und Lebensqualität
Insbesondere in den Innenstadtbezirken kann es sehr sinnvoll sein, auch einmal Flächen für soziale und klimatische Infrastruktur vorzuhalten, was auch – das wird manchmal unterschiedlich betrachtet, auch in der Bedeutung – mit der Lösung einer Zwischennutzung verbunden werden kann.
Das geht weit über die von Herrn Goetze ins Spiel gebrachten sogenannten Wahlkonzessionen hinaus. Es ist vielleicht die Denkweise der CDU, dass man knapp vor Wahlen meint, sich eine Gunst erkaufen zu müssen, aber das ist ehrlicherweise so krude, dass man es nur verneinen kann.