Also lassen Sie uns über das sprechen, was wichtig für die Zukunft unserer Stadt ist, für Forschende, Studierende, Patienten und Beschäftigte, was wichtig ist für die Entwicklung des Wissenschafts- und des Wirtschaftsstandorts! Lassen Sie uns über das sprechen, was Berlin stark macht!
Danke schön, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat nunmehr der Kollege Czaja das Wort. – Bitte schön, Herr Czaja!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Fugmann-Heesing! Es ist schon beachtlich, dass der Senat nach und nach seine eigenen Fehler zu Prioritäten und Aktuellen Stunden macht, und Sie tun das hier auch. Das hätten wir nicht geglaubt.
Vor ziemlich genau zwei Monaten war es das unsägliche Straßenausbaubeitragsgesetz; danach kamen die nächsten Prioritäten und Aktuellen Stunden zur Schulstrukturreform, zum Versagen beim Flughafenbau, zu brennenden Autos und Angriffen auf die Polizei. Dass die Gesundheitspolitik nicht dabei war, das hätte ich mir auch nicht denken können; dass der rot-rote Senat und Sie, Frau Fugmann-Heesing, die Chuzpe besitzen, hier im Abgeordnetenhaus auch noch von Erfolg zu sprechen, obwohl zu Charité und Vivantes überhaupt nichts entschieden wurde, das finde ich schon ziemlich vermessen.
Kaum ein Applaus, nur noch Abarbeiten an Schwarz-Gelb im Bund – das war die einzige Möglichkeit, überhaupt Applaus in diesem Raum zu bekommen. Für Ihre eigene Politik, für Ihre eigene Aktuelle Stunde haben Sie keinen bekommen.
In bemerkenswerter Dialektik wollen Sie uns also das Gehänge und Gewürge des Senats bei den Themen Charité und Vivantes nun als Beitrag zu einer – ich zitiere – „zukunftsfähigen Gesundheitspolitik“ verkaufen.
Da schlägt ja eher Korea Argentinien mit 12:0, als dass Sie mit diesem Senatsbeschluss „Spitzenforschung, gute Ausbildung und exzellente Krankenhausversorgung für Berlin“ ermöglichen.
Herr Mutlu, wir übertreiben da nicht, keine Sorge! – Ja, Gesundheit und Wissenschaft sind wichtige Themen, zweifelsohne. Frau Fugmann-Heesing! Ich teile Ihre Auffassung, dass die Stadt sich hier entwickeln könnte. Die McKinsey-Studie hat die Wachstumskerne der Stadt deutlich herausgearbeitet. Die Gesundheitswirtschaft könnte zu den drei wesentlichen Zukunftsmärkten unserer Stadt gehören. Berlin ist noch ein attraktiver Standort, und Berlin entwickelt sich trotz Rot-Rot.
Mit der Charité und Bayer-Schering ist ein großer Medizincluster vorhanden, mit Health Capital und Personen wie Prof. Stock gibt es auch Leitfiguren und einen Masterplan für die Gesundheitsstadt. Aber ein Quantensprung für hochinnovative Arbeitsplätze ist in diesem Markt nur möglich, wenn der Senat sich auch bewegt. Wie Physiker wissen, werden Quantensprünge nun einmal durch Energie ausgelöst. Diese Energie fehlt dem Senat seit fünf Jahren. Es wird viel geredet, aber nichts getan.
Die Wichtigkeit der Gesundheitswirtschaft wächst von Jahr zu Jahr. Die demographische Entwicklung wird dazu
wesentlich beitragen. Die Präventivmedizin gewinnt an Bedeutung. Naturheilverfahren, gesunde Ernährung, Wellness, Fitness – alles Stichworte des 21. Jahrhunderts, und es sind auch Stichworte für die Gesundheitsstadt Berlin. Vivantes und Charité könnten und müssten dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Der Senat bindet ihnen aber die Hände und verspielt damit die Chancen für die Zukunftsstadt Berlin.
Deshalb ist jeder weitere Tag Stillstand auf diesem Gebiet schädlich. Die Konkurrenz schläft nicht. Sie wissen, Frau Fugmann-Heesing, dass München, Heidelberg und Hannover an uns vorbeiziehen. Diese Städte ergreifen die Chancen, die Berlin versäumt. Sie nutzen die Möglichkeiten, die Berlin gut ausbauen könnte.
Letzte Woche nun konnte sich der Senat endlich zu einem Beschluss durchringen. Man möchte fast mit Goethe sagen: „Halb zog es ihn, halb sank er hin“. Die Fachleute von Charité und IHK zogen den Senat zu dieser Entscheidung. Nach den ermüdenden Streitereien der Troika Lompscher, Nußbaum und Zöllner sanken die drei förmlich zusammen. Denn: Lieber dann doch eine gesundheitspolitische schwarze Wildsau als drei rote Wühlmäuse, die sich gegenseitig eingraben wollen.
Was der Senatsbeschluss aber im Einzelnen bedeutet, Frau Senatorin, haben Sie eben nicht gesagt. Sie wollen 500 Betten abbauen, sagen aber nicht plausibel, wie die Gesundheitsversorgung der Stadt noch gewährleistet werden kann. Sie wollen die zugesagten Investitionsmittel auf drei Standorte verteilen, sagen aber nicht, welche Prioritäten gesetzt werden müssen. Sie wollen die Universitätsmedizin in Berlin stärken, binden ihr aber die Hände.
Das Kompetenzgerangel bei Rot-Rot ist wirklich schwer erträglich. Das hier als Erfolg zu verkaufen, ist lächerlich. Gesundheitspolitik macht man nicht mit links. Darauf werden wir in der Aktuellen Stunde hinweisen. Wir finden auch, es ist ein wichtiges Thema – aber nicht zum Jubeln für Rot-Rot.
Danke schön, Herr Kollege Czaja! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Esser das Wort. – Bitte schön, Herr Esser!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition will heute in der Aktuellen Stunde über die Zukunft der Charité reden. Das ist ein wichtiges Thema und würde auf unsere begeisterte Zustimmung treffen, wenn Sie irgendetwas Neues zu bieten hätten. Das haben Sie aber nicht.
Anders als Sie, Herr Czaja, denken wir, dass die Handlungsunfähigkeit des Senats in der ganzen Stadt bekannt und keine Aktuelle Stunde mehr wert ist. Es macht keinen Sinn, auf jeder Sitzung darüber zu diskutieren, dass RotRot nach neun Jahren Regierungszeit müde, ausgelaugt und ohne zündende Ideen ist, und so zu tun, als sei das etwas Neues.
Was haben die verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition nach monatelanger Streiterei im Senat zustande gebracht? – Die nötige Strukturreform bei Charité und Vivantes jedenfalls nicht. Zu mehr als einem Investitionszuschuss für die Charité – das ist der Kern – hat es nicht gelangt.
hat der Senat dazu wörtlich erklärt. Vorrangig! – Das ist Satire, oder? Jeder hier im Saal weiß doch, dass 300 Millionen Euro nicht einmal für das Bettenhaus in Mitte reichen.
Und was ist mit dem Klinikum Steglitz, um das sich der Streit seit Monaten dreht? – Dazu schreibt der Senat wörtlich:
Über Umfang und Zeitpunkt weiterer notwendiger Investitionen wird spätestens zur Aufstellung des Haushaltsplans 2014/2015 entschieden.
Na toll! Der Kern des Problems wird in vier, fünf Jahren angegangen, soll aber heute schon für eine angeblich hochaktuelle Stunde im Parlament herhalten. Sie kippen das Problem einer guten Krankenversorgung der nächsten Regierung vor die Füße und tun auch noch so, als sei das Teil einer planvollen Strategie für die nächsten fünf Jahre. Dabei haben Sie gar keinen Plan, sonst hätten Sie ihn ja beschlossen. Nein, Ihre Aktuelle Stunde unterstützen wir Grüne nicht!
Da finden wir es interessanter, über ein Feld zu reden, auf dem Rot-Rot noch erstaunlich handlungsfähig und aktiv ist, nämlich darüber, welche Energie Sie noch entwickeln können, wenn es darum geht, öffentliche Aufträge an Genossen zu verschieben. Welch ein Kontrast – nicht wahr, Herr Graf`? – tut sich zur Ideenlosigkeit und Untätigkeit im Senat auf, wenn man den Abschlussbericht der Wirtschaftsprüfer zum Vergabeskandal bei der HOWOGE liest! Ich kann allen Kolleginnen und Kollegen diese Lektüre nur empfehlen.
Die HOWOGE hat ihre Aufträge über Jahre gezielt, systematisch und bewusst rechtswidrig vergeben. Mindestens zwei Hinweise, mit denen Mitarbeiter angemahnt hatten, die rechtswidrige Vergabepraxis zu beenden, lagen dem Vorstand vor und wurden bewusst unterdrückt. Schon die
Richtlinien der HOWOGE wimmeln von Ausnahmetatbeständen, die erkennbar darauf zielten, eine rechtswidrige Praxis zu ermöglichen. Wie blind muss ein Aufsichtsrat eigentlich sein, das nicht schon im Ansatz zu erkennen?
Die Finanzverwaltung hat wenigsten ihre Vertreter im Aufsichtsrat der HOWOGE ausgewechselt. Wollen Sie, Frau Junge-Reyer, das nicht allmählich mit Ihrem Abgesandten Herrn Schulgen tun, der bei der HOWOGE eine bedeutend wichtigere Rolle spielt als der Vertreter von Finanzen?
Hochmerkwürdig ist auch Folgendes: Es gibt keine einzige Beschwerde von Konkurrenten des Herrn Hillenberg bei der EU-Kommission, die ein Verfahren gegen die HOWOGE in Gang gebracht hätte. Auch fehlen die ansonsten allfälligen Briefe an Abgeordnete von Konkurrenzunternehmen, die sich von diesem closed shop benachteiligt fühlten. Merkwürdig, nicht? Da drängt sich dem gesunden Menschenverstand doch die Frage auf, ob hier ein stadtweites Kartell am Werk ist,
in dem Auftraggeber und Auftragnehmer die Claims abgesteckt haben und sich nicht gegenseitig in die Suppe spucken. Der Fall HOWOGE ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft und die Kartellbehörde – Frau von der Aue, und vor allem Herr Wolf, der Sie der oberste Kartellwächter in Berlin sind und für fairen Wettbewerb zu sorgen haben. Bis jetzt kann ich nur erkennen: still ruht der rotrote See – oder vielleicht besser: der langsam versumpfende Tümpel.