Gleichzeitig sage ich, dass wir auch denen entgegentreten – das haben Sie uns ja eben vorgeworfen –, die das angekündigte Moratorium für eine generelle Verhinderung des Projekts Humboldt-Forum nutzen wollen, denn das wollen wir nicht. Wir wollen die gewonnene Zeit für die inhaltliche Qualifizierung des Humboldt-Forums nutzen und für das wirklich grundsätzliche Hinterfragen des baulichen Konzepts – da unterscheiden wir uns sehr deutlich von Ihnen. Inhaltlich muss aus unserer Sicht endlich geklärt werden, ob es nur um die Verlagerung der Dahlemer Museen gehen soll, weil der Senat seinen Beitrag am Konzept auf eine kleine symbolische Brosche reduziert hat, oder ob das Humboldt-Forum wirklich das Zentrum für den Dialog der Kulturen der Welt werden soll und werden kann. Dazu gehört auch die Frage, wie das Konzept für die Agora entwickelt wird – auch hier ist grundlegende Arbeit dringend erforderlich, bevor einfach gebaut wird.
Das Entscheidende, was wir an dem Projekt bemängeln, ist, dass vom ersten Tag an die Form nicht zum Inhalt passt. Das, Herr Kollege Lehmann-Brauns und jetzt auch Frau Kollegin Haußdörfer, müssen Sie sich nach wie vor vorhalten lassen. Dieses Projekt hat einen ziemlich zynischen Beigeschmack. Die Vielfalt der Kulturen der Welt soll ausgerechnet in ein gefälschtes DisneylandBarockschloss eingezwängt werden, und das ist ein grundlegender Fehler an diesem Projekt, der aus unserer Sicht dringend geheilt und geändert werden muss.
Das ist auch eine falsche Botschaft an die Kulturen der Wellt und an die internationale Gesellschaft, denn eigentlich lautet die Botschaft in dieser Kombination: Was immer ihr in den anderen Erdteilen an Kultur habt, an Kultur neu schafft, an Kultur historisch geschaffen habt, das wird bei uns in unsere Barockfassaden gezwängt. Dieses Symbol, diese Botschaft ist schlicht falsch und kontraproduktiv.
Allerdings muss ich auch sagen, es fängt an, pikant zu werden, dass sich Interessen abzeichnen, die zwar das Schloss wollen, aber das Humboldt-Forum nicht mehr wollen, um es durch andere Nutzungsinhalte zu ersetzen. Hier werden wir zumindest besonders wachsam sein, denn unser Ziel ist das Humboldt-Forum, unser Problem ist die bauliche Gestalt, die dem gegeben werden soll.
Lassen Sie mich eins noch sagen zu unserer eigenen Denkmalschutzkultur, darüber ist bisher zu wenig gesprochen worden. Mit dieser neuen Form von Rekonstruktion – wir können uns ja computergesteuert jedes historische Gebäude, das längst untergegangen ist, eigentlich neu bauen, egal, ob man das dann Disneyland nennt oder Rekonstruktion oder ob man, wie in Braunschweig, ein Kaufhaus hineinbaut – diskreditieren wir den uns sehr
wichtigen und bisher auch parteienübergreifend gewünschten Denkmalschutz, der gerade in der erhaltenden Pflege der Bausubstanz und der Denkmalqualität besteht und eben nicht in dem beliebigen „wir können uns das ja heute als Computer-aided design alles einfach neu bauen“. Das wollen wir nicht!
Ein Satz ist mir noch wichtig: Wir sprechen uns für das Moratorium aus und fordern Sie hier um Unterstützung. Was wir aber nicht wollen, das ist, dass die Dahlemer Museen und ihre Instandsetzungs- und Instandhaltungsprobleme darunter leiden. Insofern fordern wir vom Bund auch, dass er wirklich die nötigen Mittel bereitstellt, damit dort in der Zwischenzeit vernünftig weitergearbeitet und die Museumsarbeit geleistet werden kann.
Aus all diesen Gründen fordern wir einerseits den Bundestag auf, der Planung und dem Bau eines in sich stimmigen und gesellschaftlich anerkannten HumboldtForums auf dem Schlossplatz die notwendige Zeit und den Raum zu geben. Gleichzeitig bitten wir dieses Haus um Unterstützung für unseren Antrag.
Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Linksfraktion hat nunmehr der Kollege Brauer das Wort. – Bitte schön, Herr Brauer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorhin zitierten Widerspruch im Verhalten der CDU hat Kollegin Eichstädt-Bohlig natürlich recht. Es ist einigermaßen absurd: Sie haben seinerzeit heftig dem Sparprogramm der Bundesregierung applaudiert und legen uns nun einen Antrag vor, wo Sie möglichst schnell und unverzüglich, aber spätestens ab 2011, eine dreiviertel Milliarde Euro aus dem Paket herausbrechen wollen. Ich weiß nicht, wie ernstzunehmend solche Anträge sind, auf jeden Fall bezeugen Sie damit nur, dass Sie auch nach zwei Wahlperioden Opposition nach wie vor nicht regierungsfähig sind, jedenfalls nicht in Berlin.
Jetzt legen wir Ihre hochtönenden Phrasen vom nationalen Schaufenster der weltoffenen Kulturnation einfach mal zur Seite. Sie wollen die Wiedererrichtung des Schlosses, nichts anderes. Sie wollen die Rekonstruktion der historischen Fassaden, und das ist ziemlicher Blödsinn, Sie kennen die Fassadengestaltung des Schlosses nicht. Das, was bislang dort geplant war, ist alles andere, aber nicht die Rekonstruktion der Fassaden.
Einerseits wollen Sie die außereuropäischen Sammlungen in die Mitte der Stadt holen – mein Gott, Herr LehmannBrauns, wesentliche Teile der außereuropäischen Sammlungen sind bereits in der Mitte der Stadt, oder rechnen
Sie neuerdings das Zweistromland, den Bereich des fruchtbaren Halbmondes, Ägypten, Kleinasien und den islamischen Raum zu Europa? – Na gut, o. k., kann man machen, aber dann sagen Sie es nicht laut. Andererseits beklagen Sie den Bedeutungsverlust Dahlems durch den Abzug eben dieser Sammlungen. Ja, was denn nun? – Die Sammlungen sollten in Dahlem bleiben, und das sollte auch saniert werden, möglichst rasch und bitte schön unverzüglich.
Den Ansatz der Grünen, wie er uns vorliegt, halten wir für realistischer, auch wenn Sie, ich darf zitieren, die Idee des Humboldt-Forums nur weiter konkretisieren wollen. Ich glaube, das reicht nicht, Frau Kollegin, einen Homunkulus kann man nicht qualifizieren – Pfusch bleibt Pfusch. Hier muss von Anfang an der Gedanke des HumboldtForums neu gedacht werden, da sind wir sehr an Ihrer Seite.
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat gestern selbst eingeräumt, dass es um alles andere geht, aber nicht um diese Idee des Humboldt-Forums. Er sagte, ich zitiere: Das Humboldtforum ist natürlich nicht nur ein Ort für Veranstaltungen. Wir wollen vor allem unsere einzigartigen Sammlungen zeigen. Na, das war doch mal eine deutliche Ansage von Herrn Parzinger, so war es gemeint, nicht anders. Ein Museumsschloss mit angeschlossenem kleineren Bibliothekstrakt und noch irgendwie angedockten Universitätssammlungen. Seit Jahren strebt die Stiftung mit ihren Standorten und Instituten in die Mitte der Stadt, anderes ist für sie nicht denkbar. Hier wird Standortpolitik betrieben wie in einem Pommesbuden-Konsortium, aber doch nicht wie in einer modernen Museumsstiftung.
Im vergangenen Jahr gab es im Alten Museum eine Art Vorgeschmack auf das, was nach den bisherigen Planungen Berlin und die Welt erwartet – nämlich ein Konglomerat. Da versuchte man u. a. eine Rekonstruktion der seinerzeitigen kurfürstlichen Kunst- und Wunderkammer des Schlosses. Genau das wird es werden, eine Kunst- und Wunderkammer, die Berlin und dem Bund viel Geld kosten wird, zunächst hauptsächlich dem Bund, aber irgendwann sind wir wieder mit dabei, und die Stadt Hohn und Spott auszusetzen droht – das wollen wir nicht!
Der Baustopp ist haushaltspolitisch sinnvoll, und inhaltlich war er zwingend. Er gibt uns Gelegenheit, nachzudenken – wie nun weiter?– Auf dem Schlossplatz könnte sich ein wirkliches Zentrum der außereuropäischen, ein multifunktionelles Zentrum der Weltkulturen etablieren. In der Mitte Berlins sollen sich die lebendigen Kulturen dieses Erdballs widerspiegeln – und nicht als Salatbeilage zu irgendeinem anderen Hauptgericht. Ein Zentrum, in dem Theater, Musik, bildende Künste, Film, Performance, Architektur und Volkskunst aller Kontinente einen Ort des fruchtbaren Austausches finden, ein Ort, der allen sozialen Schichten ohne finanzielle, akademische oder bauliche Barrieren leicht zugänglich ist, ein Ort, an dem studiert, produziert und gelebt wird. Kern eines solchen
Ortes könnte auch eine Bibliothek sein. Wenn schon eine Kunsthalle, bitte schön, dann gehört sie da eingebunden und hat außereuropäische aktuelle Kunst zu zeigen. Alles andere haben wir schon in der Stadt. Die Sammlungen der Humboldt-Universität gehören da übrigens nicht hinein. Weshalb eigentlich nur die der Humboldt-Universität? Was Berlin vollkommen fehlt, ist ein Wissenschaftsmuseum. Wir hätten jetzt die großartige Chance, eine Art Berliner Centre Pompidou zu entwickeln. Das jetzige Konzept ist allenfalls ein goldener Sargnagel für weitere innovative Ideen in diesem Bereich. Den wollen wir nicht.
Bevor wieder über die bauliche Hülle gesprochen wird, muss der Inhalt klar sein, sonst sollte man gar nicht erst anfangen zu bauen. Das hat meine Fraktion immer gefordert und dabei bleiben wir auch. Wie absurd ein Bauvorhaben ist, dessen Nutzer sich der Architektur unterzuordnen haben, zeigte übrigens das Schicksal des ZumthorEntwurfs für die Topografie des Terrors. Erinnern Sie sich? Zumindest unsere eigenen Fehler sollten uns Anlass zum Lernen geben.
Den Antrag der Grünen möchten wir gern in den Ausschüssen diskutieren. Den CDU-Antrag hingegen kann man nur ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Geduld!
Danke schön, Herr Kollege Brauer! – Für die FDPFraktion hat nunmehr der Kollege von Lüdeke das Wort. – Bitte schön, Herr von Lüdeke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hört hier im Haus überwiegend Gutes über die Entscheidung der Bundesregierung. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat entschieden, dass das Humboldt-Forum in Form der Schlosshülle vorerst nicht gebaut wird. Der Grundstein für den Bau soll aber noch im Jahr 2013 gelegt werden, also noch innerhalb der Legislaturperiode. Übrigens, weil Sie das so schön betont haben, Frau Haußdörfer, auch Sie hatten den Plan, mit dem Bau von BBI vor der nächsten Wahl fertig zu sein. Was daraus geworden ist, haben wir gesehen.
Aber mehr als 2013 ist nicht drin. Der Bundesbauminister, Peter Ramsauer von der CSU, hat sich dazu sehr deutlich geäußert. Offenbar schert es jedoch die CDU in diesem Haus wenig, was die Partei im Bund beschließt und der Bundesbauminister wortreich verkündet. Mit diesem Antrag fordern Sie genau das Gegenteil, die sofortige Realisierung des Humboldt-Forums auf dem Schlossplatzareal noch im Jahr 2011. Auf welcher Basis denn eigentlich, und vor allem mit welchem Geld, Herr Lehmann-Brauns? Fakt ist, das Haushaltsdefizit des Bundes
ist zu groß, um Großprojekte, wie den Schlossbau nebst Humboldt-Forum jetzt zu verwirklichen. Daran ändert auch die Diskussion über vermeintliche Einsparungen bei Bau oder Nichtbau nichts. Die Bausumme läge deutlich höher als ursprünglich vorgesehen. Die laut Parlamentsbeschluss einzuwerbenden 80 Millionen Euro blieben aus und werden wohl auch in Kürze nicht fließen. Daran ändert auch die Stiftungsform nichts.
Die Dahlemer Gebäude müssen in jedem Fall saniert werden – das zu diesem Argument –, unabhängig davon, ob ein Umzug zeitnah erfolgt oder nicht. Kurz: Die hier stattfindende Diskussion ist pure Augenwischerei.
Der erfolgte Beschluss, jegliche Bautätigkeit auf dem Schlossplatz bis zum Jahr 2013 zu unterlassen, ist mitnichten symbolisch zu begreifen, kündet auch nicht von stiefmütterlicher Behandlung, sondern ist eine reale Notwendigkeit, die sich aus den leeren Taschen der Beteiligten ergibt. Eine reale Notwendigkeit ist auch die Überarbeitung des Konzepts. Wir Liberalen unterstützen die Idee eines Humboldt-Forums als einen Ort der Weltkultur. Wir unterstützen aber nicht die Realisierung eines unausgereiften Programmkonzepts.
Das Geraune um Agoren und das Schwelgen in verspäteter Centre-Pompidou-Seligkeit bringt uns hier nicht weiter. Ebenso wenig hilfreich ist das Beschwören der deutschen Identität, wie es in Ihrem Antrag durchschimmert, die nur mit einer zügigen Bebauung des Areals Gestalt gewinnt. Zur Identität der Deutschen, meine Damen und Herren von der CDU, tragen vielleicht Spiele der Fußballnationalmannschaft bei, aber kaum ein Kulturraum namens Humboldt-Forum, der gerade keine vaterländische Sinnstiftung sein soll, sondern ein Ort, der Blicke über den nationalen Tellerrand erlaubt und einfordert.
Lassen Sie uns den Aufschub als gewonnene Zeit betrachten, um ein würdiges und zukunftweisendes Nutzungskonzept für dieses Weltkulturenpanorama auf dem Stand der heutigen Wissensgesellschaft zu erarbeiten. Meine Divise hierbei: Nicht die bloße Füllung einer baulichen Vorgabe, wie Ihr Antrag nahe legt, sondern die gelungene Präsentation kultureller Werte. Entscheidend ist nicht der Wideraufbau des Schlosses, sondern zunächst einmal die kulturelle Programmatik, die sich an dem Ort entfaltet. Wir betrachten den Aufschub nicht nur finanziell als geboten, sondern inhaltlich als Chance. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag auf eine sofortige Realisierung des Humboldt-Forums mit Nachdruck ab.
Die Konzeption zu überdenken ist richtig, aber nicht basisdemokratisch als öffentlicher Ideenfindungsprozess. Qualität in Form und Inhalt ist so nicht zu erreichen. Des
Es wird die Überweisung der beiden Anträge federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten vorgeschlagen. Widerspruch höre ich nicht. Dann wird so verfahren.