Aber natürlich wissen wir – wir sagen das auch –, dass wir erhebliche Probleme dabei haben, Bildungserfolge und Arbeitsmarktchancen für Kinder und Menschen mit Migrationshintergrund zu realisieren. Wir wissen um die zentrale Rolle der Bildung für die Integration. Wir wissen um den Handlungsbedarf, den wir haben. Deswegen geben wir hierfür trotz angespannter Haushaltslage im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht weniger, sondern Jahr für Jahr mehr aus.
Integration durch Bildung heißt vor allem, schlechtere Startchancen von Kindern auszugleichen. Weil das so ist, setzen wir in der Bildungspolitik auf individuelle Förderung statt auf Gleichschritt und Auslese. Das ist der Kern der Veränderungen, die wir im Bildungsbereich vornehmen. Wir setzen auf individuelle Förderung in der Grundschule und vor allem mit der Schulstrukturreform. Wir schaffen die integrierte Sekundarschule ja genau deswegen, weil wir wissen, dass das gegliederte Schulsystem eben nicht die Integration befördert und nicht die Bildungschancen für Kinder mit Migrationshintergrund erhöht. Insofern ist das Ergebnis der Hamburger Volksabstimmung auch eine Niederlage für die Integrationspolitik dort.
Wenn Sie hier, sehr geehrte Frau Pop, so vehement beklagen, dass hier eine Bildungsreform vonstatten geht, die keine Akzeptanz hätte, ist das angesichts der Hamburger Erfahrungen nicht nur einigermaßen selbstvergessen, sondern zeigt, dass Ihnen ein wenig die Maßstäbe abhanden gekommen sind.
Wir setzen auf Sprachförderung und verbindliche Sprachstandsfeststellung ein Jahr vor der Schule mit anschließender verpflichtender Sprachförderung. Wir beziehen die Eltern mit den bundesweit beispielhaften Elternkursen mit ein, die wir noch einmal verstärkt haben. Dabei erhalten die Eltern, meistens sind es Mütter, in der Schule oder der Kita ihrer Kinder ein Angebot, die deutsche Sprache zu erlernen. Wir setzen auf die Ganztagsschule. Wir setzen auf die frühkindliche Förderung in der Kita.
An dieser Stelle möchte auch noch ein paar Worte in der Debatte um die Kitapflicht verlieren. Wir sind uns einig darin, dass es gerade für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern wichtig ist, die Kita zu besuchen. Deshalb ist es wichtig, dass wir in Berlin eine so gute Versorgung haben. Das ist beispielhaft. Deshalb ist wichtig, dass wir mit dem Bildungsprogramm auf Qualität setzen. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Personalausstattung hier erheblich verbessert haben. Ob aber eine Kitapflicht mit dem Grundgesetz vereinbar und politisch umsetzbar ist,
ist ungewiss bis unwahrscheinlich. Ihr Nutzen ist demgegenüber angesichts eines Versorgungsgrades von über 92 Prozent in den nächsten Jahren für Drei- bis Sechsjährige eher gering.
Wir sollten uns darauf konzentrieren, das zu tun, was wir hier zu tun haben. Wir sollten die Hürden, die wir mit der Bedarfsprüfung selbst in Berlin für einen Kitabesuch errichtet haben und erst schrittweise abbauen, ganz abschaffen.
Allerdings müssen wir uns mit dem Bund darüber auseinandersetzen, dass wir hier eine Systemwende bei der Finanzierung von Bildungsausgaben brauchen. Unsere Bildungsinstitutionen in der Bundesrepublik sind unterfinanziert. Das ist so. Das trifft auch auf Berlin trotz unserer Anstrengungen zu. Deswegen ist es richtig, dass wir künftig nicht in Kinderfreibeträge investieren, sondern dass der Bund in Bildungseinrichtungen investiert. Das würde auch der Integrationspolitik in Berlin zugute kommen.
Sehr geehrte Frau Pop! Was Sie hier gemacht haben, ein Integrations- und Partizipationsgesetz in den Gegensatz zu Integrationsbemühungen beispielsweise in der Bildungspolitik zu bringen, ist absurd. Mit dem Partizipationsgesetz geht es darum, einen Standard von Partizipation bei Entscheidungsprozessen einzuziehen. Es geht darum, Diskriminierungen abzubauen. Es steht in keinem Stück in Konkurrenz zu Integrationsbemühungen im Bildungsbereich. Wir brauchen beides. Wir brauchen das Eine und das Andere. Wir machen beides.
Ich bin überzeugt davon, dass wir in der Bildungspolitik die richtigen Weichen für eine bessere Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund gestellt haben. Natürlich gibt es an einigen Stellen Nachholbedarf, beispielsweise beim Zugang zum offenen Ganztagsbetrieb in der Grundschule. Aber wir stehen vor der Herausforderung, die durchaus hohen Ansprüche an die Förderung in den Bildungseinrichtungen Wirklichkeit werden zu lassen. Wir brauchen vor allem die gezielte Unterstützung der Schulen bei der Entwicklung, wenn Defizite festgestellt werden. Hierfür hat der Senat eine Qualitätsoffensive angekündigt. Das begrüßen wir. Davon erwarten wir auch einiges.
Integrationspolitik ist immer konkret. Integrationspolitik wird von ganz vielen und nicht nur in der Politik geleistet, von Lehrerinnen und Lehrern, von Menschen, die als Migranten aktiv sind, von Erzieherinnen und Erziehern.
Ich komme zum Schluss. – Dieser Weg ist vielleicht nicht so effekthascherisch und nicht so laut wie der, den die Populisten gehen. Es ist aber der einzige Weg, auf dem wir erfolgreich sein werden. – Danke schön!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Frau Pop! Ja, Integration ist ein ausgesprochen wichtiges Thema. Ich gestehe aber, dass ich die Aktuelle Stunde eigentlich anders verstanden habe.
Frau Dr. Tesch! Ich danke Ihnen ganz besonders für diesen Beifall. – Aber, liebe Frau Pop, wenn Sie es schon ansprechen: Die Probleme sind bekannt, lange bevor Herr Sarrazin sie ausgesprochen hat. Aber, ich frage jetzt einmal die Grünen: Was haben Sie denn dazu beigetragen, diese Probleme zu lösen?
ganz ruhig bleiben, Herr Mutlu –? Wer sprach von Zwangsgermanisierung, wenn es darum ging, dass die deutsche Sprache in der Schule Priorität haben muss und nicht der muttersprachliche Unterricht? Und, lieber Kollege Mutlu, wenn Sie schon so nett dazwischenreden, erinnern wir uns nicht an die hysterische Situation, als Sie das Thema Hoover-Realschule zur Sprache brachten, als sich die Schule geeinigt hatte, Deutsch auf dem Schulhof zu sprechen? Sie haben hier einen absoluten Wirbel veranstaltet und haben das kritisiert. Das war kein konstruktiver Beitrag zur Lösung dieses Problems. Das will ich hier klar sagen.
Ich gebe den Grünen einen guten Rat: Bleiben auch Sie sachlich, und versteigen Sie sich nicht erneut in Sozialromantik! Das passt nicht mehr.
In der Tat: Bildung ist Voraussetzung für Integration, das ist völlig unbestritten. Deshalb komme ich jetzt zum Thema Bildung. Herr Zillich! Ich gebe Ihnen selten recht, aber auch mir fiel das auf: Herr Mutlu hat noch am Don
Was, Herr Ratzmann, da sind Sie erstaunt, aber es ist so. Nun kommt die 180-Grad-Kehre, nun wird der mangelhafte Start der Sekundarschule thematisiert.
Ihre Fraktion, Frau Pop, Herr Mutlu, hat die Strukturreform immer gestützt. Sie haben auch auf eine schnelle Umsetzung gedrängt.
Sie haben gemeinsam mit Rot-Rot die einseitig verwendeten Mittel aus dem Konjunkturprogramm II für Investitionen in die Strukturreform immer begrüßt, und Sie haben dabei die offensichtliche Benachteiligung der Gymnasien in Kauf genommen.
Sie, Herr Mutlu, haben dabei auch immer zum Ausdruck gebracht, dass diese Schulform, das Gymnasium, eigentlich eher als bürgerliches Relikt zu betrachten ist und abgeschafft gehört.
Die Grünen reden vom mangelhaften Start der Sekundarschule. Das ist falsch. Lassen Sie uns lieber vom miserablen Start in das Schuljahr 2010/2011 reden.
Wie beim Kollegen Steuer setzt auch meine Kritik beim Thema Lehrerversorgung und beim Personalmanagement generell an. Dieser Start musste misslingen, weil zwei Bedingungen nicht gegeben waren: zum einen die ordentliche, verlässliche und rechtzeitige Versorgung der Schulen mit Personal – das ist eine Grundvoraussetzung für einen vernünftigen Schulbetrieb –, zum anderen das zentral beziehungsweise halb zentral gesteuerte Personalmanagement. Herr Senator Zöllner! Sie haben versäumt, rechtzeitig neue Verträge abzuschließen. Die gut ausgebildeten Pädagogen haben Berlin den Rücken gekehrt. Ich kann dazu nur sagen, dass meine Fraktion Ihnen bereits vor drei Jahren in das Stammbuch geschrieben hat, rechtzeitig Verträge abzuschließen, bevor es zu spät ist. Herr Senator! Das war und ist Ihr entscheidender Fehler. Sich jetzt damit zu brüsten, im nächsten Jahr werde alles besser, ist zu spät.
Herr Senator! Sie können es nicht. Sie schaffen es nicht, eine ordentliche Lehrkräfteversorgung an allen Schulen zu organisieren. Das jedoch ist das Mindeste, was ich von einem Schulsenator erwarte. Als Mr. Excel-Tabelle rechnen Sie den Schulen vor, es sei genügend Personal vorhanden, vielleicht hätten sie sich verrechnet oder vielleicht auch beides. Sie jonglieren in den Medien mit Zah
len, sprechen von einer Lehrerversorgung von 99 Komma irgendetwas Prozent. Dazu sage ich: Alles graue Theorie! Die Wirklichkeit sieht anders aus. An vielen, zu vielen Schulen fehlt Personal. Andere haben zu viele Lehrer. Am Beethoven-Gymnasium findet in der 10. Klasse gar kein Englischunterricht statt, in Gymnasialklassen sitzen schon einmal 38 statt 32 Schüler, in den Sekundarschulen 30, andere Sekundarschulen wiederum erfreuen sich an 19 Schülern pro Klasse. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der Markt ist leergefegt und anderes mehr. Ich habe noch mehr Beispiele, die ich Ihnen nicht vorenthalten will. An einer staatlichen Europaschule müssen alle Eltern ein Paket Kopierpapier mitbringen, weil davon nicht genügend vorhanden ist. 1400 langzeiterkrankte Lehrkräfte, Bauchaos an vielen Schulen, fehlende Mensen. Doch wir können beruhigt sein, es gibt Luxustoiletten. Acht Toilettenräume für 340 000 Euro in SteglitzZehlendorf, da müssen uns die Haare zu Berge stehen. Dafür könnte man ein richtig schönes Haus bauen. Wissen wir eigentlich, worüber wir in dieser Stadt reden?
Die Aufregung ist vorbei. Ich bleibe bei dem Thema Bauarbeiten. Die sind zum Teil nicht begleitet worden, so beispielsweise in Kreuzberg. Dort hat die grüne Stadträtin Ferien gemacht.