Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Nicht zuletzt aus diesen Gründen werden wir uns in der parlamentarischen Beratung dafür einsetzen, dass die verkaufsoffenen Sonntage in Berlin mit ausreichend viel Vorlauf festgesetzt werden. Auch hier muss Schluss sein mit mal Hü und mal Hott, mal jener Sonntag, mal dieses.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Reden Sie mal mit Ihren Bischöfen! – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Was sagen denn die Kirchen dazu?]

Planbarkeit und Verlässlichkeit müssen hier einziehen. Wir teilen die Position von IHK und Handelsverband, möglichst gleiche Voraussetzungen für viele Berliner Unternehmen zu schaffen. Deshalb werden wir in den einzelnen Ausschüssen auch über die Anzahl der per Allgemeinverfügung festzusetzenden verkaufsoffenen Sonntage sprechen. Wiesenhütter und Busch-Petersen haben doch recht, wenn sie mehr allgemein geöffnete Sonntage anmahnen und die nationale und internationale Vermarktungsmöglichkeit ins Spiel bringen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Was denn nun: Sonntagsschutz oder nicht?]

Wir wollen keinen Flickenteppich, Einzellösungen in allen Bezirken, in allen Straßenteilen und Ortsteilen.

[Martina Michels (Linksfraktion): Einzellösungen wollen Sie!]

Wir wollen ein Ladenöffnungsgesetz, das die Modernität dieser Stadt widerspiegelt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Natürlich, Herr Albers, ich komme zum Hauptbahnhof!

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Übel ist der Rede Sinn, Herr Melzer!]

Völlig klar und konträr zu Ihrer Position: Der Berliner Hauptbahnhof als zentraler Verkehrsknotenpunkt und Anlaufstelle für viele Touristen und Gäste in unserer Stadt gehört am Sonntag geöffnet. Das ist eine ganz klare Aussage.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Darüber diskutiert Berlin seit über einem Jahr. Seit über einem Jahr streitet sich die SPD mit der Linken, streitet sich die SPD intern.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Es geht um 20 Läden, eine zentrale Frage!]

Der „Tagesspiegel“ hatte vor einem Jahr getitelt: „Das Dorf lässt grüßen“, die „Morgenpost“ im September letzten Jahres gesagt: „Rückschritt auf Kleinstadtniveau“. Das ist die Senatspolitik in der Frage. Die „Welt“ stellte schon am 16. September fest, Herr Buchholz: „Verkaufsverbot am Hauptbahnhof spaltet die SPD“.

[Daniel Buchholz (SPD): Einstimmig! – Uwe Doering (Linksfraktion): Was?]

Um nur ein Beispiel zu geben: Der Regierende Bürgermeister Wowereit hat frühzeitig in einem Brief an Bahnchef Grube „unmissverständlich“, wie es hieß, geschrieben, dass an dem Gesetz nicht gerüttelt werde. Im Mai dieses Jahres beschließt die SPD-Fraktion plötzlich einstimmig – also auch mit der Stimme von Herrn Wowereit –, dass die Sonntagsöffnung am Hauptbahnhof umgesetzt wird. Nur ist das Ergebnis seit mehreren Monaten, dass man überhaupt nicht weiß, was gilt, weil die SPD zwar sagt, sie möchte die Öffnung am Hauptbahnhof, sie setzt das aber parlamentarisch nicht um. Von Senatorin Lompscher und der Linken kann sowieso keine Hilfe erwartet werden. Deswegen stellt sich für uns die Frage, wann endlich auch die SPD begreift, dass Joberhalt auch Arbeitnehmerschutz sein kann. Bisher hat die Blockadehaltung 60 bis 80 Arbeitsplätze gekostet.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Dafür wird der heilige Sonntag geopfert!]

Hier wurden Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit geschickt. Deswegen wollen wir endlich schnell eine klare Regelung. Die heißt Öffnung am Hauptbahnhof.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Die SPD fordern wir auf, Ihren großspurigen Ankündigungen endlich Taten folgen zu lassen. Die CDU-Fraktion erwartet gemeinsam mit den Gewerbetreibenden und den Arbeitnehmern am Hauptbahnhof endlich das parlamentarische Ja für die Öffnung am Hauptbahnhof. Am Ende muss die SPD beantworten, wie lange sie sich noch an der mittelstands- und wirtschaftsfeindlichen kurzen Leine des Koalitionspartners durch die Stadt ziehen lassen möchte.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Gelächter bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Wegen 20 Läden!]

Ein letztes Wort, meine Damen und Herren!

Herr Kollege!

Berlins Chefwerber Burkhard Kieker hat vor einiger Zeit formuliert:

Deutschland erwartet, dass wir für die ganze Nation eine Weltstadt sind.

Das ist nicht zu erreichen, indem die Bürgersteige hochgeklappt werden.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wo sind denn am Hauptbahnhof die Bürgersteige hochgeklappt? – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]

In diesem Sinn werden wir das Ladenöffnungsgesetz ändern. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Melzer! – Für die SPDFraktion hat Frau Monteiro das Wort. – Bitte, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute das Zweite Gesetz zur Änderung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes. Und es sei gestattet, noch einmal darauf hinzuweisen – Herr Melzer hat das bestimmt gerade vergessen –: Das Berliner Ladenöffnungsgesetz ist insgesamt eine Erfolgsgeschichte.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es führte zu mehr Umsatz und nicht nur zu einer Umsatzverlagerung, wodurch zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Die Attraktivität Berlins für die Touristen stieg deutlich an. Wir eilen von Erfolg zu Erfolg bei der Steigerung der Zahl der Berlinbesuche. Ich möchte nicht behaupten, dass dies allein dem Ladenöffnungsgesetz zu verdanken ist, aber ein gewisser Zusammenhang ist nicht zu bestreiten.

Der Berliner Senat brachte ein Bündel von Maßnahmen auf den Weg, welches zur Belebung der Stadt an den Abenden und Wochenenden beitrug und dadurch Handel, Wirtschaft und Tourismus beförderte. Dazu gehört auch die Möglichkeit des Einkaufens bis 24 Uhr an den Werktagen und an zehn Sonntagen im Jahr.

Es ist jetzt bei der Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes notwendig zu beachten, dass wir den Monat November haben, wenn sie vorliegt, und wie in jedem Jahr die Adventssonntage überraschend und unerwartet vor der Tür stehen. Wenn wir es also möglich machen wollen, dass auch in diesem Jahr an Adventssonntagen das Einkaufen möglich sein soll, müssen wir die parlamentarische Beratung zügig vornehmen und damit die notwendige Gesetzesklarheit noch vor der Adventszeit schaffen. Die Bereitschaft dazu sehe ich bei allen Fraktionen. Das finde ich sehr erfreulich.

Das Thema Ladenöffnung macht immer ganz besonders die Vielfalt der verschiedenen Interessen in der Stadt deutlich. Einzelhandel, IHK, Gewerkschaften, Kirchen, Beschäftigte, Touristen und Kunden, alle haben ihre berechtigten Interessen und vertreten diese. Es gab im Wirtschaftsausschuss dazu auch eine Anhörung. Die Lösungen sind immer ein Kompromiss, aber, Herr Melzer, man erreicht den Kompromiss manchmal nicht durch große Worte und Muskelspiel, sondern durch zähe Verhandlungen und durch Arbeit, auch manchmal im Internen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Ellen Haußdörfer (SPD): Welche Muskeln?]

Das Bundesverfassungsgericht hat den möglichen Rahmen vorgegeben. Ziel ist es, die Novelle noch in diesem Jahr vor dem Advent zu verabschieden. Die Evangelische Kirche hatte geklagt, und es musste festgestellt werden, ob tatsächlich die Berliner Regelung die besonders zu schützende Sonn- und Feiertagsruhe verletzt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist sehr differenziert. Es hat einerseits entschieden, dass die bisherige Adventssonntagsregelung nicht mit der Gewährleistung der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen in Einklang steht.

Zugleich hat es andererseits die Freigabe von acht flächendeckenden Ausnahmen unter dem gewählten Konzept nicht beanstandet. Der Senat hat sich nun mit dem Gerichtsurteil befasst, es geprüft und umgesetzt. Die beanstandete Regelung zu den Adventssonntagen wurde korrigiert. Gleichzeitig wurden mit der Novelle weitere nachgeordnete Regelungen, die sich aus dem Gesetzesvollzug als missverständlich oder ungünstig erwiesen hatten, korrigiert. Dies alles geschah mit dem klaren Willen, den möglichen Spielraum zur Belebung der Stadt und Förderung von Handel und Tourismus optimal zu nutzen und unter Abwägung der berechtigten Interessen.

Der Rat der Bürgermeister hat dieser Gesetzesnovelle auf seiner Sitzung am 24. Juni zugestimmt. Nur in der Frage des Verkaufs von Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs am Berliner Hauptbahnhof an Sonn- und Feiertagen vertrat der RdB eine vom Senat abweichende Position. Ich finde es bemerkenswert, dass die Bezirksvertreter, die sich verständlicherweise besonders für die Interessen der Einkaufsstraßen in ihren Bezirken einsetzen, für den Hauptbahnhof eine Lösung analog zum Flughafen Tegel unterstützen. Dies hat zweifellos mit der besonderen Bedeutung des Hauptbahnhofs für Berlin zu tun, mit der besonderen Lage direkt am Regierungsviertel, der architektonischen Attraktivität und seiner Anziehungskraft für viele Touristen.

Ich komme zu zwei Punkten, die meines Erachtens in der Gesetzesberatung eine besondere Rolle spielen werden. Erstens ist hinlänglich bekannt, dass die SPD-Fraktion sonntags keine Totenstille am Hauptbahnhof wünscht, sondern eine Belebung. Zum Zweiten geht es um die Frage, wie viele der zehn geöffneten Sonntage berlinweit einheitlich und wie viele dezentral festgelegt werden. Es spricht einiges dafür, im Sinn von gleichen Wettbewerbsbedingungen und einer optimalen Werbung, dass mög

lichst viele der Sonntage per Allgemeinverfügung wegen Vorliegens eines öffentlichen Interesses festgelegt werden. Wir brauchen hier eine langfristige Planung, damit die verkaufsoffenen Sonntage nicht ähnlich überraschend wie der Advent vor der Tür stehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Kollegin Monteiro! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Ratzmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Albers! Es kommt nicht oft vor, dass ich Ihnen zustimmen muss, aber ich glaube, Sie haben die Problemlage zutreffend beschrieben, die mit dem Ladenöffnungsgesetz einhergeht. Und ich finde, Sie haben deutlich gemacht, dass diese Stadt in der Tat eine veränderte Ladenöffnung braucht. Ich stimme Ihnen ausdrücklich darin zu, dass der Metropolencharakter Berlins sich wahrlich nicht daran festmachen wird, ob wir an vier, sechs acht oder zehn Sonntagen im Jahr aufhaben. Er wird sich überhaupt nicht daran festmachen, ob wir an Sonntagen aufmachen,

[Björn Jotzo (FDP): Dann können wir ja ganz zumachen!]

sondern er wird sich an ganz anderen Sachen festmachen, nämlich an der Kreativität dieser Stadt, an den Menschen, die hier leben, und an der Vielfalt, die wir hier in Berlin haben.

Ich denke dennoch, dass wir die nicht nur umfangreiche, sondern vor allen Dingen lange Vorgeschichte, die diese Diskussion hat, endlich zu einem Ende bringen sollten. Ich kann mich erinnern, wir reden über dieses Ladenöffnungsgesetz – soweit ich hier im Parlament bin – seit 2002. Das gehörte zu einer der ersten Debatten, die ich hier mitgemacht habe. Dass wir das jetzt endlich einmal zu Ende bringen müssen, ist, glaube ich, mehr als notwendig. Sie haben vorgeschlagen, dass wir eine Regelung treffen, die vorsieht, an sechs Sonntagen die Öffnung von Läden zu gestatten und darüber hinaus an vier weiteren Sonntagen regional oder sogar firmenbegrenzt eine Ladenöffnung ermöglichen.

Wir waren immer dafür, dass wir das Ganze auf nur vier Sonntage im Jahr beschränken. Ich denke aber, das christliche Abendland wird nicht untergehen, wenn Berlin die Läden tatsächlich an sechs Sonntagen allgemein aufmacht. Ich würde auch sagen, es geht nicht unter, wenn wir an acht Sonntagen allgemein aufmachen und die regionalen Öffnungsmöglichkeiten auf nur zwei begrenzen. Ich finde es in der jetzigen Situation, in der wir sind, einfach wichtig, dass die gesellschaftlichen Gruppen und die Interessenverbände, die sich an dieser Diskussion konstruktiv beteiligt haben, nach der Klage beim Bundesverfassungsgericht jetzt zu einem Kompromiss gekommen sind. Ich glaube, das ist das Ziel, das wir anstreben