Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

sollten, endlich Ruhe in diese Debatte zu kriegen, um die Möglichkeit zu geben, dass diese Verbände dann mit den Gegebenheiten wirklich konstruktiv umgehen können. Das müssen wir im Wirtschaftsausschuss noch mal debattieren. Ich weiß, dass es vonseiten des Einzelhandelsverbandes in Übereinstimmung mit den Kirchen, die geklagt haben, eine Initiative geben wird, nicht sechs Sonntage allgemein aufzumachen, sondern acht und nur an zwei Sonntagen regional begrenzt die Ladenöffnung zu ermöglichen. Ich finde, das ist ein guter Kompromiss. Dem sollten wir uns anschließen und die Debatte dann möglichst schnell beenden, und zwar für lange Zeit.

Ich denke weiter, dass wir uns dem Problem des Hauptbahnhofs stellen müssen. Da muss man sich einfach mal angucken, was da im Moment läuft. Es ist eine kaum handhabbare Regelung, die im Gesetz steht: Geschäfte, die in ihren Sortimenten am Sonntag bestimmte Waren und Gegenstände abtrennen müssen, weil sie mit dem Gesetzeswortlaut nicht übereinstimmen – das ist keine akzeptable Situation für einen Hauptbahnhof in der Hauptstadt Berlin. Wir werden deshalb dafür plädieren – ähnlich wie die FDP –, zu sagen: Wenn, dann bitte schön nicht nur den Hauptbahnhof, sondern alle Fernbahnhöfe, um da auch Gleichheit zu ermöglichen, und dann bitte die Regelung, nicht nur wie Niedersachsen sie hat, sondern wie sie auch Bremen hat, wo nämlich die Waren des alltäglichen Gebrauchs mit verkauft werden können.

[Beifall bei der FDP]

Ich glaube, das würde eine Regelung ermöglichen, die für die Stadt und die Fernbahnhöfe zumindest eine Situation schafft, wie sie an jeder Tankstelle heute schon gang und gäbe ist. Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir den Bahnverkehr gegenüber dem individuellen motorisierten Verkehr hier auch noch benachteiligen würden. Das kann jedenfalls nicht in unserem Sinn sein. Deswegen werden wir im Ausschuss eine entsprechende Regelung in diese Richtung einbringen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Ratzmann! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Thiel.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ratzmann, wo Sie recht haben, haben Sie recht. Ich werde darauf noch gleich eingehen. Ich bin erfreut über das, was Sie gesagt haben. – Endlich nach einem Jahr haben wir also die große erwartete Novelle zum Ladenöffnungsgesetz. Positiv ist das, Herr Albers, was Sie dargestellt haben, und wir unterstützen das, dass Sie bei zehn verkaufsoffenen Sonntagen bleiben; ob das sechs zu vier oder acht zu zwei am Ende des Tages ist, halten wir auch für nicht so entscheidend. Aber wir freuen uns darüber, dass die zehn Sonntage auch mit der – wie ich finde –

sehr geschickten Regelung, nie an zwei Sonntagen hintereinander die Öffnung zu erlauben, so im Gesetz steht. Das finden wir unterstützenswert und gut.

[Beifall bei der FDP]

Aber was wir nicht akzeptieren können, ist, dass Sie trotz jahrelanger Duldung des Verkaufs nicht nur am Hauptbahnhof, auch in anderen Bahnhöfen mit überregionaler Bedeutung – Sie hatten ausgezählt, dass es derer elf sind – plötzlich meinen, nicht nur diese Hauptbahnhofsregelung, sondern grundsätzlich alle Bahnhofsregelungen gar nicht mehr berücksichtigen zu sollen. Sie waren nicht berücksichtigt, Tegel war die einzige Ausnahme, aber sie könnten berücksichtigt sein. Andere Bundesländer machen uns das vor. Herr Ratzmann hat das dargestellt. Sie haben spezielle Regelungen für ihre Fernbahnhöfe. Interessant ist auch, dass der IHK-Handelsausschuss in Zusammenarbeit mit dem Berliner Einzelhandelsverband und unter Einbeziehung der beiden großen christlichen Kirchen hier in Berlin eine Regelung gefunden zu haben scheint, die er uns mitteilte, dass neben den zehn Öffnungstagen auch der Verkauf von Waren an Bahnhöfen mit überregionaler Bedeutung möglich sein soll.

[Beifall bei der FDP]

Aber was machen Sie? – Sie bringen den Begriff Reisebedarf ein in die Debatte, der meines Wissens aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts stammt. Da konnte man vielleicht noch definieren: Eine einzelne Rasierklinge gehört zum Reisebedarf, ein Fünferpack Rasierklingen ist für die Woche, da müssen Sie schon lange verreisen, das ist zu viel. Da ist vielleicht der Montag dabei, dann können Sie es woanders einkaufen. Eine kleine Flasche Wasser ist Reisebedarf, aber ist auch die Flasche Bier Reisebedarf, oder ist das nicht zu verbieten? – Wissen Sie, diese Diskussion sollten wir nicht mehr führen. Wir leben doch in einer anderen Zeit. Wir sollten doch schlicht und einfach nach vorne schauen.

[Beifall bei der FDP]

Lassen Sie mich drei Argumente anführen, die ich entscheidend finde: Erstens, die Nichtregelung, den Hauptbahnhof und die anderen Bahnhöfe mit überregionaler Bedeutung auszulassen, hat bereits Arbeitsplätze vernichtet. Sie vernichten Arbeitsplätze! Und Sie werden weitere Arbeitsplätze vernichten – alle, die diesem Gesetz so zustimmen –, wenn Sie keine anderen Regelungen treffen werden. Das wollen wir nicht, denn diese Arbeitsplätze werden vor allen Dingen, wie so oft, von denjenigen wahrgenommen, die die geringste Lobby haben. Damit meine ich, es sind vor allem Frauen, Alleinerziehende und Studierende. In der Tat, reden Sie mit diesen Menschen. Es gibt Menschen, die freiwillig und – oh Schreck! – sogar gern am Sonntag arbeiten.

[Beifall bei der FDP]

Ein zweiter Punkt, auch wenn Sie ihn nicht so wichtig finden, ich finde ihn doch erheblich: Es wurde darauf hingewiesen, dass Berlin im internationalen Geschäft, zumindest in Europa, die dritte Stelle in der Tourismusnachfrage belegt. Das finden wir gut, und das finden wir

immer wieder an allen Stellen unterstützenswert. Aber man muss gar nicht international gucken. Steigen Sie am Sonntagnachmittag in dem wunderschönen Hauptbahnhof von Leipzig in einen Zug! Sie haben da ein quirliges Leben, Sie haben auf zwei Etagen unterschiedlich geöffnete Geschäfte, es ist ein tolles Leben. Sie sind kurze Zeit später in Berlin und steigen am Südkreuz oder gar am Hauptbahnhof aus, und was erleben Sie? Graue, piefige Tristesse. Das ist das, was uns am Sonntag z. B. von Leipzig unterscheidet.

[Beifall bei der FDP]

Ein ganz wesentlicher Punkt, auch den will ich Ihnen nicht ersparen: Diese Entscheidung, sich um den Hauptbahnhof und die anderen Bahnhöfe mit überregionaler Bedeutung herum einen schlanken Fuß zu machen, werte ich als wirtschaftsfeindlich.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben Ihnen eine ganz einfache und sehr praktikable gesetzliche Regelung in unserem Änderungsantrag vorgeschlagen. Es geht erstens darum, die Arbeitsplätze, die vorhanden sind, zu sichern, zweitens den Einzelhandel auch gerade an diesen Verkaufsstellen zu stärken und drittens die Werbung für unsere schöne, weltoffene Stadt zu unterstützen. Wir bitten Sie um Unterstützung für unseren Änderungsantrag!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Drucksache 16/3383 und des Änderungsantrags der FDP-Fraktion Drucksache 16/3383-1 federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, wozu ich keinen Widerspruch höre. Ich hatte die Gesetzesvorlage bereits vorab zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen überwiesen. Ich darf auch hierzu Ihre Zustimmung feststellen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Antrag

Wertstoffsammlung ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich gestalten

Antrag der FDP Drs 16/3423

Beratung jeweils wieder fünf Minuten! Das Wort hat die antragstellende Fraktion der FDP, der Kollege Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle haben über die Medien den sogenannten Müllkrieg um die Wertstofftonne verfolgt, den Kampf der orangenen Truppen gegen die gelben Truppen. Wir als FDP wollen in dieser

Frage keinen Krieg, wir wollen endlich eine rationale, vernünftige Diskussion zu diesem Thema.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Carsten Wilke (CDU)]

Deshalb müssen wir heute über ökologische und wirtschaftliche Anforderungen an die künftige Wertstofftonne reden. Die über die Medien inszenierte Auseinandersetzung tut bisher so, als ginge es darum, sich bei der künftigen Lösung zwischen ALBA und BSR zu entscheiden. Darum geht es der FDP-Fraktion nicht. Wir nehmen nicht Partei für einzelne Akteure im Markt.

[Beifall bei der FDP]

Denn erstens gibt es noch andere Wettbewerber im Markt, und zweitens, auch die bisher angebotenen Lösungen von BSR und ALBA sind natürlich verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig. Es ist unsere Aufgabe hier im Abgeordnetenhaus, nicht auf Angebote einzelner Unternehmen aufzuspringen, sondern es ist unsere Aufgabe, selbst den Rahmen zu gestalten, in dem die Abfallwirtschaft in dieser Stadt agieren soll.

[Beifall bei der FDP]

Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass eine Wertstofftonne ökologisch optimiert und wirtschaftlich tragbar ist. Dazu braucht man Zeit. Der künstliche Zeitdruck, den jetzt die BSR durch die geplante Ausweitung ihres Orange-Tonne-Projekts erzeugt, ist überhaupt nicht nachzuvollziehen.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Es gibt, im Gegenteil, allen Grund abzuwarten. Die Rechtslage wird gerade auf Bundesebene durch den Bundesgesetzgeber geändert. Es wird ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz geben. Darin wird auch die Wertstofftonne geregelt werden. Deshalb ist auch das von Herrn Buchholz öfter zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht entscheidend, dass Wertstoffe kommunal entsorgt werden müssten. Dieses Urteil beruht auf einer Rechtslage, die es in einem Jahr nicht mehr geben wird. Damit ist dann auch diese Argumentation gegenstandslos.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Carsten Wilke (CDU)]

Es sind eine ganze Menge ökologische und wirtschaftliche Fragen offen. Die Zusammensetzung des Pilotprojekts Orange Tonne war recht seltsam. Da war viel Holz drin, Textilien. Es ist zu klären, was überhaupt da in der Wertstofftonne landet. Wir haben den Eindruck, da ist Sperrmüll dabei und andere Dinge, die da nicht reingehören. Zweitens: Die BSR hat bisher keine Entsorgungswege beschrieben, auch auf meine Kleine Anfrage nicht. Sie war noch nicht mal bereit, die Entsorgungswege des Pilotprojekts zu erläutern. Wir als FDP haben immer noch die Befürchtung, dass erhebliche Teile der Orangenen Tonne in der Müllverbrennung landen würden. Wir wollen aber eine weitestgehende stoffliche Verwertung der Wertstoffe.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Carsten Wilke (CDU)]

Das wegfallende Volumen der Restmülltonne muss natürlich zur Entlastung bei den Bürgern führen. Es ist aber bisher nicht abzusehen, ob es kleinere Restmülltonnen geben wird. Es besteht deshalb bei uns die Befürchtung, dass dann einfach nur alles teurer wird und eine zusätzliche Tonne dasteht, die dann neben der halb leeren, aber voll bezahlten Restmülltonne steht. Diese und viele andere offene Fragen erzwingen aus Sicht der FDP-Fraktion eine breite Konzeptdiskussion im Wettbewerb der Konzepte. Sie wissen, wir legen sehr viel Wert auf Wettbewerb. Um hohe ökologische Ansprüche zu erfüllen und das für die Verbraucher günstigste System zu wählen, muss ein Wettbewerb um die besten Konzepte stattfinden. Nur Wettbewerb fördert die Entwicklung der besten Ideen und sorgt für günstige Preise.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Carsten Wilke (CDU)]

Wir wollen auch nicht zwischen einem privaten und einem kommunalen Monopol wählen, das ist eine Scheinalternative zwischen Pest und Cholera. Nein! Wir denken, dass man die Wertstofftonne genauso wie Papier und Glas regional auf Zeit ausschreiben kann. Das wäre dann wirklich ein fairer Wettbewerb.

[Beifall bei der FDP]

Unsere Vorgaben für ein Konzept sind in unserem Antrag klar formuliert: Wir wollen eine weitgehende Erfassung der Wertstoffe, flächendeckend. Wir wollen einen hohen Anteil stofflicher Verwertung. Wir wollen eine regionale Verwertung. Und wir wollen zumutbare Kosten für die Bürgerinnen und Bürger. Das müsste in diesem Haus eigentlich Konsens sein. Deshalb bitte ich Sie, stimmen Sie unserem Antrag zu, nehmen wir uns die Zeit, Alternativen zu betrachten, warten wir auf die neue Rechtslage, prüfen wir die ökologischen und wirtschaftlichen Konsequenzen der einzelnen Konzepte! Das sind wir nämlich auch unserem Selbstverständnis als verantwortliche Abgeordnete schuldig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Felicitas Kubala (Grüne)]

Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt! – Für die SPDFraktion hat der Kollege Buchholz das Wort.

Meine Damen, meine Herren! Herr Präsident! Lieber Kollege Schmidt! Wir können eine gewisse Einigkeit feststellen, was die Ziele der Abfallpolitik darstellt. Da können wir wirklich, glaube ich, ganz zufrieden sein, dass wir im Parlament von links bis rechts, von blau bis dunkelrot, wenn man die Farben noch so benutzen darf und soll, die Ziele teilen.