Danke schön, Herr Senator! – Für die Fraktion der CDU hat nun Frau Demirbüken-Wegner das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Zöllner! „Tagesgroßpflegestellen in Berlin erhalten und ausbauen“ war das Thema unseres Antrags und unserer Frage an Sie. Ihre Antwort war leider wie immer in den letzten Monaten für mich trocken, technokratisch, irreführend und realitätsfremd.
Sie haben keine exakten Zahlen und Daten über die qualitative und quantitative Entwicklung vorlegen können oder wollen. Sie versuchen, dieses Thema kleinzureden, und
Im Land Berlin gibt es zurzeit 165 Tagesgroßpflegestellen, die mit einer Obergrenze von acht Kinder pro Tagesgroßpflegestelle seit Jahren erfolgreich arbeiten. Doch durch die Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch noch unter der rot-grünen Bundesregierung wurde in § 43 festgelegt, dass die Erlaubnis zur Betreuung fremder Kinder in Tagespflegeeinrichtungen nunmehr auf fünf Kinder begrenzt ist. Diese Regelung bringt viele Probleme für die langjährige Berliner Praxis mit ihren bewährten Tagesgroßpflegestellen mit bis zu acht Kindern und insbesondere für die Tagespflegepersonen mit sich, die dieses Tagesgroßpflegestellen betrieben haben und weiterhin betreiben wollen. Sie sagen dazu eigentlich nichts. Ich bedauere außerordentlich Ihre Lustlosigkeit und vermisse unter anderem Ihren kämpferischen Geist für die Stadt oder für das Land Berlin eine Ausnahmeregelung zu erkämpfen. Sie hätten uns auf diesem Weg dabeigehabt.
Eine Übergangslösung, also den Auslauf eines hervorragenden Modells, das sich in Berlin seit 25 Jahren bewährt hat, stellen Sie als politische Leistung von Rot-Rot dar. Abbau statt Aufbau von individueller Kinderbetreuung ist Ihr Zukunftskonzept.
Sie unterlassen es, ein positives Signal in Bezug auf familiengerechte, kindergerechte Politikgestaltung zu geben.
[Christian Gaebler (SPD): Diese Rede haben Sie geschrieben, bevor Sie die Antwort von Prof. Zöllner gehört haben!]
Sie spielen lieber die erzeugten Missstände Ihres Vorgängers herunter, ohne auch nur einen Satz auf die immer deutlich werdende Verwerfung in den Sozialräumen einzugehen.
Kinderpolitik, Familienpolitik, Integrationspolitik – kurz Politikgestaltung mit Zukunftsperspektive für die Stadt, für die Menschen in unserer Stadt – blenden Sie aus.
Sie sind in Berlin als neuer Senator mit viel Wohlwollen empfangen worden. Ich kann am heutigen Tag leider nicht feststellen, dass es zu diesem Thema Ihrerseits wirklich neue Impulse gegeben hat.
Konsequenterweise beziehen Sie deshalb auch keine Stellung zu den vorliegenden Anträgen, aber dafür haben Sie ja die PDS mit ihrer Vergangenheit.
Sie erklären nicht, wie das Prinzip Bildung den Kindern von Anfang an in allen Betreuungsformen zugänglich gemacht werden soll, wie der Reformprozess der flexiblen Schulanfangsphase von Anfang an wissenschaftlich begleitet werden kann und warum die derzeitige Sprach
standsfeststellung eine Schulreifeprüfung nicht ersetzt. Nette Worte über soziale Gerechtigkeit gleichen falscher sozialistischer Gleichmacherei mit bereits gescheiterten Modellen. Sie können so keine Probleme lösen und damit Zukunftsperspektiven für die Familien und die Kinder dieser Stadt entwickeln. Überall in Deutschland ist in der Familienpolitik Aufbruchsstimmung und der Ausbau der Kinderbetreuung in vollem Gange.
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung kommt nach Auswertung verschiedener Umfragen und Studien zu dem Schluss, dass weniger Deutsche denn je überhaupt noch Lust auf Kinder haben. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie ihre Gedanken darstellen, wie man in der Verantwortung einer Landesregierung diesem Trend entgegenwirken kann. Die Statistik zeigt auch, dass zwar die Mehrheit in Deutschland immer noch zwei oder mehr Kinder haben will, ein wachsender Teil aber auch keine mehr.
16,6 % der Frauen zwischen 18 und 34 Jahren geben inzwischen als Ideal die Kinderlosigkeit an, während der europäische Durchschnitt in dieser Kategorie bei 5,5 % liegt.
Wir schließen uns an dieser Stelle den nationalen und europäischen Erkenntnissen an, die zu dem Schluss kommen, dass eine Wertediskussion über Kinder und Familie in Gang gesetzt werden muss, die dann aber auch durch zielgerichtete Maßnahmen zu unterlegen ist. Die Familienpolitik ist nicht ins Abseits zu stellen, sondern als Chance für Gesellschaftsbildung, Wirtschafts- und Integrationspolitik zu nutzen. Die vielen Kinder mit Migrationshintergrund, die zahlreichen Einzelkinder und die Tatsache, dass sich 40 % der Akademikerinnen für Kinderlosigkeit entscheiden, warten darauf, dass wir dem die politisch richtigen Antworten entgegensetzen.
Bundesfamilienministerin von der Leyen ist mit ihren Vorstellungen der Schrittmacher in der Republik geworden. Wir haben nicht den Eindruck, dass die angewandte Politik des Berliner Senats diesem Tempo folgt.
„Höhere Investitionen in frühkindliche Bildung zahlen sich für Staat, Gesellschaft und Unternehmen aus“, heißt es in einer Studie des Instituts für Deutsche Wirtschaft. – Exemplarisch für die deutsche Wirtschaft will ich den Vorstandsvorsitzenden der Badischen Anilin- und Sodafabrik AG, Jürgen Hambrecht, zitieren:
Wer Familienmodelle mit berufstätigen Müttern für falsch hält, der wird Deutschlands Problemen nicht gerecht.
Die Verbesserung der Lebensbedingungen für Familien, Kinder und Jugendliche muss für Berlin ein strategisches Schwerpunktthema sein. Familien- und Jugendpolitik sichert die Zukunft der Stadt. Deshalb müssen Familien mit Kindern von uns das deutliche Signal erhalten: Sie sind erwünscht.
Berufliche Chancengleichheit für Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind als zentrale Bestandteile der landesverantworteten Familienförderung zu behandeln. Dabei kommt einer bedarfsgerecht und qualitativ guten Kinderbetreuung eine Schlüsselrolle zu. Die Schwelle zur Nutzung der Kitas muss möglichst niedrig gehalten sein. Die CDU strebt daher schrittweise die völlige Kostenfreiheit der Kinderbetreuung an. Gemeinsam mit der Bundesregierung und den anderen Ländern wollen wir ein Finanzierungskonzept erarbeiten, um zukünftig den kostenlosen Besuch einer Kita zu ermöglichen. Qualität muss vor der Kostenentlastung stehen.
Angesichts der schlechten Wirtschaftslage und der geringen Zahl von neu angesiedelten Firmen in Berlin hat der rot-rote Senat bisher den Standortfaktor Familienfreundlichkeit sträflich vernachlässigt. Rein statistisch gibt es zwar für 90 bis 100 % der Drei- bis Sechsjährigen einen Kindergartenplatz, doch immer mehr Kinder werden nur noch zeitweise betreut. Das Betreuungsangebot für die Unterdreijährigen sieht immer noch sehr dünn aus. Und glauben Sie mir, Herr Senator, hier weiß ich sehr gut, wovon ich rede. Ein Betreuungsangebot dieser Art spiegelt das wirkliche Verständnis und Rollenbild der rot-roten Politik wider. Wenige Betreuungsplätze vermitteln die Botschaft an die Mütter: Ihr gehört an den Herd!
Wie es geschehen ist, dass Kinder keine selbstverständliche, natürliche Sache mehr sind, das müssen wir uns fragen. Ist hier ein Kulturbruch entstanden? – Ich meine, ja. Es ist eine bewusste Entwertung von allem, was mit Familie verbunden ist. Bildung und Familie – wir müssen die Familie stärken, ideell, materiell und institutionell. Daher müssen wir querdenken. Warum führen wir kein Familienwahlrecht ein? Die Eltern erhalten das Stimmrecht ihrer noch nicht wahlberechtigten Kinder. Bei der Besetzung von Stellen könnten wir bei gleicher Qualifikation Müttern Vorrang vor den Frauen geben, die keine Kinder haben.
Warum führt man das nicht zumindest im öffentlichen Dienst ein? – Ich wünsche mir, dass wir aus Respekt vor den Kindern, die wir haben oder bald haben werden, gemeinsam denken, gemeinsam entwickeln und gemeinsam handeln. Ich wünsche mir, dass die rot-rote Regierungskoalition ihre Arroganz aufgibt, allein im Besitz des Steins der Weisen zu sein und gemeinschaftlich mit der Opposition in einen Diskurs darüber eintritt,
Ich wünsche mir, dass nicht Ideologie, sondern Kindeswohl im Vordergrund steht. Und ich wünsche mir – jetzt kommt ein Aufschrei –, dass das teilweise flegelhafte Verhalten mancher Koalitionäre im zuständigen Ausschuss einer adäquaten Demut vor dem Gestaltungserfordernis einer zukunftsfähigen Kinder- und Familienfreundlichkeit in unserer Stadt weicht.
Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr Frau Scheeres das Wort. – Bitte schön, Frau Scheeres!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute entschlossen, in einer gemeinsamen Debatte über verschiedene Anträge zu reden. Das Motto der Debatte ist in meinen Augen: „Vielfalt sichern, Qualität erhöhen, Übergänge sinnvoll gestalten!“ – Unter diesem Motto werden wir heute über die Infrastruktur für Kinder in Berlin beraten.
Bevor ich auf einzelne Details eingehe, möchte ich an dieser Stelle gern den guten Willen der CDU loben, sich endlich einem modernen Familienbild zu öffnen. Lange genug hat dies ja gedauert.
Ich freue mich, dass die Bundesministerin, Frau von der Leyen, die CDU in eine zwar sehr mühsame Debatte um die Anerkennung der Realitäten zwingt. Ich finde es sehr lobenswert, Herr Pflüger, dass Sie sich auch für den Wandel der Familienpolitik innerhalb der Union einsetzen. Ich hoffe, dass Sie das ernst meinen. Die aktuellen Äußerungen der Union haben bei vielen Menschen auch in dieser Stadt Hoffnung geweckt.
Umso erstaunter bin ich, wie sehr Sie bei Ihren konkreten Ansätzen in Berlin im Gestern verharren. Sie orientieren sich immer noch an der Vergangenheit, statt eigene konstruktive Ansätze zu entwickeln. Ich hatte gerade das Gefühl, dass meine Vorrednerin in einer anderen Stadt lebt. Sie versuchen, den Menschen weiszumachen, dass Berlin bei der frühkindlichen Erziehung, Bildung und Betreuung schlecht dasteht. Sie ignorieren die guten Ansätze, die nicht nur von den Regierungsfraktionen und dem Senat verantwortet werden. Sie sind schließlich auch das Ergebnis vielfältiger Ansätze von freien Trägern, von engagierten Erzieherinnen und Erziehern und vielen anderen Menschen in dieser Stadt, denen ich an dieser Stelle recht herzlich danken möchte.