Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

[Volker Ratzmann (Grüne): Aber keine Killerspiele!]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage von Herrn Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema

Wie sieht Berlins zukünftige Energieversorgung aus?

Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Welche Informationen hat der Senat über das Konzept des Unternehmens Vattenfall Europe für ein neues Kohlekraftwerk in Berlin – insbesondere hinsichtlich des Energieträgers, der Leistung, des jährlichen Kohleverbrauchs, der Betriebsdauer in Jahren und des Zeitplans für Genehmigungsantrag, Genehmigungsbescheid, Baubeginn und Inbetriebnahme?

2. Welche der erforderlichen Genehmigungsverfahren beabsichtigt der Senat im Falle eines Genehmigungsantrags an sich zu ziehen?

Für den Senat antwortet der Wirtschaftssenator. – Bitte schön, Herr Wolf! Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Unternehmen Vattenfall plant in Berlin den Bau eines Kohlekraftwerks, das das Kraftwerk Klingenberg durch eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf Steinkohlebasis ersetzen soll. Die Anlage soll nach dem neusten Stand der Technik errichtet werden und erreicht höhere Wirkungsgrade als die Altanlage. Die Anlage ist für eine Leistung von bis zu 800 Megawatt elektrisch ausgelegt und erreicht eine Fernwärmeleistung von über 650 Megawatt thermisch. – Um einen Vergleichsmaßstab zu geben: Das Kraftwerk Reuter West hat 2 x 300 Megawatt. – Der jährliche Kohleeinsatz wird voraussichtlich ca. 2 Millionen Tonnen betragen.

Nach unserer Kenntnis plant Vattenfall die Inbetriebnahme ab 2012. Die Bauzeit wird ca. vier Jahre betragen. Zu einem Zeitplan für die Genehmigung können derzeit keine verbindlichen Aussagen erfolgen, da Vattenfall bisher noch keine Anträge gestellt hat und nach meiner Kenntnis im Konzernvorstand bislang auch noch keine endgültige Entscheidung über dieses Investitionsvorhaben getroffen wurde.

Ausschlaggebend für die Investitionsabsicht von Vattenfall sind aus unserer Sicht zwei Gründe: Zum einen besteht am Standort Klingenberg grundlegender technischer Erneuerungsbedarf. Das Kraftwerk Klingenberg, das in den 20er Jahren gebaut und letztmalig 1987 modernisiert wurde, soll nach dem Neubau stillgelegt werden. Zum anderen gehe ich davon aus, dass das Unternehmen mit dieser Investition und dem großen Volumen an Energieerzeugungskapazität, das damit verbunden würde, seine Marktposition im Energiesektor stärken möchte.

Zu Ihrer zweiten Frage: Das erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wird vom zuständigen Landesamt durchgeführt werden. Dafür hat Vattenfall Europe allerdings bislang noch keinen Antrag gestellt. Der Genehmigungsantrag – so unser Erkenntnisstand – wird möglicherweise im Frühjahr 2008 gestellt. Zuvor muss eine umfassende Umweltuntersuchung erfolgen, für deren Aufgabenstellung im März dieses Jahres eine Auftaktveranstaltung mit allen beteiligten Behörden stattfinden soll. Die Frage der Genehmigung kann erst nach der Beurteilung aller ökologischen, energiepolitischen und städtebaulichen Aspekte geklärt werden. Dabei stehen wir in diesem Prozess erst am Anfang. An der Auftaktveranstaltung im Genehmigungsverfahren wird auch die Öffentlichkeit beteiligt werden.

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage des Kollegen Schäfer, der auch das Wort hat. – Bitte!

Danke, Herr Präsident! – Herr Senator! Teilen Sie die Einschätzung, dass ein Steinkohleverbrauch von jährlich 2 Millionen Tonnen 20 % des in Berlin verursachten CO2Ausstoßes ausmacht, und hat der Senat dieses zum Anlass genommen, Vattenfall aufzufordern, auch klimafreundlichere Alternativen zu diesem Kraftwerkneubau zu prüfen?

Herr Senator Wolf – bitte!

Herr Abgeordneter! Ich kann jetzt ihre Zahl nicht im Detail nachprüfen, aber ich gehe davon aus, dass 2 Millionen

Tonnen Steinkohle einen erheblichen CO2-Ausstoß verursachen werden. Ich habe schon gesagt, das ist eine deutliche Kapazitätserweiterung am Standort.

Die Frage der CO2-Bilanz wird ein wichtiges Thema sein. Dabei wird es auch von Bedeutung sein, dass es eine positive Gesamtbilanz im Sinne des Klimaschutzes gibt, wenn das Vorhaben genehmigungsfähig sein soll. Die Frage der Immission – da gibt es auch das entsprechende immissionsrechtliche Genehmigungsverfahren – wird ein wichtiger Punkt der Diskussion mit dem Konzern sein.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Buchholz! – Bitte schön, Herr Buchholz!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Senator! Steht, wenn Sie sagen, es gebe weder bei Vattenfall noch beim Senat bisher irgendeine Vorentscheidung, ob dieses Kraftwerk gebaut wird oder nicht, für das Land Berlin auch die Option zur Verfügung zu sagen, wenn man kein neues Kraftwerk baut oder einen Ersatzbau vornimmt, wird eventuell so etwas wie ein virtuelles Energiesparkraftwerk für Berlin errichtet, das ein virtuelles wäre, weil es sich aus Energieeinsparungen speiste und vielleicht auch bei einer strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung des Landes deutliche Vorteile hätte?

[Beifall bei den Grünen]

Herr Senator Wolf – bitte!

Herr Buchholz! Als Mitglied der Koalition wissen Sie,

[Gelächter bei den Grünen]

dass wir jeder Maßnahme der Energieeinsparung sehr offen gegenüberstehen. Derartige Überlegungen sind sinnvoll und sollen vorangetrieben werden.

[Michael Schäfer (Grüne): Dann legen Sie das Gesetz vor!]

Im Übrigen müssen über die Kraftwerke hinaus, die wir brauchen, um den Energiebedarf zu decken, alle Anstrengungen unternommen werden, um Energieeinsparungen vorzunehmen, weil das die ökologisch verträglichste Variante ist.

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollegen Dr. Lindner von der Fraktion der FDP zu dem Thema

Staatliche Preisgenehmigung für Strom – was passiert nach dem 1. Juli 2007?

Bitte schön, Herr Dr. Lindner! Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie begegnet der Senat der Tatsache, dass die in der Bundestarifordnung Elektrizität – BTOElt – geregelte Genehmigungspflicht der Strompreise durch die Landesregierungen am 1. Juli 2007 außer Kraft tritt und damit der Senat ab diesem Zeitpunkt keinerlei Aufsicht über die Strompreisentwicklung mehr hat?

2. Welche konkreten Maßnahmen wie z. B. Bundesratsinitiativen hat der Senat bislang unternommen, um durch Wettbewerb günstige Strompreise für die Berliner zu ermöglichen?

Für den Senat antwortet der Wirtschaftssenator, Herr Wolf. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lindner! Es ist richtig, ab 1. Juli müssen keine Stromtarife mehr genehmigt werden. Bislang war es so, dass überhaupt nur ein Tarif genehmigungspflichtig war und eine Vielzahl anderer Tarife nicht der Genehmigungspflicht unterlagen. Ich appelliere an dieser Stelle an die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Möglichkeiten zu nutzen, sich über das Internet oder über die Verbraucherzentrale über den günstigsten Stromanbieter zu informieren. Ansonsten hat die letzte Preiserhöhungsrunde, die bundesweit vonseiten der Stromkonzerne durchgeführt wurde – zum 1. Januar dieses Jahres hat auch der Robin Hood der Verbraucher, der Kollege Wirtschaftsminister Alois Rhiel, in Hessen die Tariferhöhungen genehmigt –, deutlich gemacht, dass diese Preisgenehmigung ein leerlaufendes Instrument ist. Durch die Trennung von Stromerzeugung, Stromnetz und Stromvertrieb gab es keine Möglichkeit, wirkungsvoll über die Preisgenehmigung vorzugehen, weil das eigentliche Problem bei den Stromtarifen darin besteht, dass die Rendite bei der Stromerzeugung durch den Verkauf über die Strombörse in Leipzig auftritt, die nicht wirklich wettbewerblich funktioniert, sondern von einem Oligopol beherrscht wird, und wo mittlerweile auch Hedgefonds spekulieren – was die Preise zusätzlich nach oben treibt. Über diese hohen Preise kommen im Vertrieb Kosten an, die nach Recht und Gesetz genehmigungsfähig sind. Deshalb hat das Land Berlin gemeinsam mit anderen Bundesländern in den letzten beiden Sitzungen der Wirtschaftsministerkonferenz intensiv über den fehlenden Wettbe

werb auf den Energiemärkten, über deren oligopolistische Struktur diskutiert und darüber, wie wir zu Preissenkungspotenzialen kommen können.

Die letzte Wirtschaftsministerkonferenz hat dazu im Dezember eine ausführliche Erklärung verabschiedet. Neben der Erleichterung und Privilegierung von neuen Anbietern, um den Wettbewerb beim Netzzugang zu erhöhen, und Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz der Strombörse in Leipzig ist vor allen Dingen darüber diskutiert worden – und darüber besteht Einigkeit –, dass wir das Kartellrecht an dieser Stelle stärken müssen. Es soll eine Regelung im Gesetz gegen die Wettbewerbsverzerrung geben, nach der Stromkonzerne, die über den Strompreisen anderer Anbieter liegende Preise anbieten, die Preise durch kartellrechtlichen Eingriff abgesenkt bekommen können, es sei denn, sie weisen nach, dass dieser erhöhte Strompreis gerechtfertigt ist. Das ist eine Beweislastumkehr.

Es ist zweitens darüber diskutiert worden, ob eine gesetzliche Regelung geschaffen werden sollte, mit der die Stromerzeuger als Ultima Ratio dazu gezwungen werden können, Produktionskapazitäten abzugeben, zu veräußern bis hin zur Enteignung, um höheren Wettbewerb herzustellen und diese oligopolistische Struktur aufzubrechen. Die Länderwirtschaftsminister sind zu diesem Thema in enger Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Für einen Änderungsantrag zu einer kartellrechtlichen Novelle gibt es schon einen ersten Entwurf. Wir werden uns auf der nächsten Wirtschaftsministerkonferenz im Mai wiederum mit diesem Thema befassen. Ich hoffe, dass wir dann insgesamt so weit sind, dass entweder die Bundesregierung eine entsprechende Novelle in den Deutschen Bundestag einbringt oder eine Bundesratsinitiative über den Verbund der Länder ergriffen wird. Möglicherweise wird es auch beide Varianten geben.

Danke schön, Herr Senator! – Der Kollege Dr. Lindner hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie selbst noch nichts angeschoben. Könnten Sie sich vorstellen, dass das Land Berlin der Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen beitritt, das am 19. Oktober 2006 einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts eingebracht hat, der einen Forterhalt der Genehmigungspflicht zum Gegenstand hat?

Herr Senator Wolf – bitte!

Sie haben mich falsch verstanden, wenn Sie meine Ausführungen so auslegen, dass ich noch nichts unternommen habe. Das ist falsch. Wir sind im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz initiativ geworden. Wir haben dort selbst eigene Vorschläge für eine Gesetzesnovelle gemacht. Es wundert mich sehr, dass ausgerechnet die FDPFraktion die Initiative von Nordrhein-Westfalen so toll findet, weil sie darauf hinausläuft, dass ein Instrument staatlicher Genehmigung weiter aufrechterhalten wird. Das ist kein Instrument, mit dem mehr Wettbewerb geschaffen wird.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das ist richtig!]

Ich habe gerade erläutert, dass dieses Instrument der Genehmigung, so wie es bislang existiert hat, leerläuft, weil die marktbeherrschende Stellung und die oligopolistische Struktur im Bereich der Produktion und dem nicht funktionierenden Wettbewerb auf der Strombörse existiert und deshalb jeder Wirtschaftsminister – auch ihre verbliebenen FDP-Wirtschaftsminister, die mittlerweile immer weniger werden – alles genehmigen musste.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Es gibt immer noch mehr als grüne, nämlich drei!]

Ja, aber prozentual ist der Anteil unserer Wirtschaftsminister in den Länderregierungen, in denen wir vertreten sind, höher als der Ihre in den Länderregierungen. –

[Beifall und Heiterkeit bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Das stimmt, da ist was dran! – Dr. Martin Lindner (FDP): Okay! Nicht schlecht! Da hat er recht!]

Deshalb noch einmal, Herr Lindner: Das Problem bei der NRW-Initiative besteht darin, dass dieses Instrument nicht greift, weil es nicht an dem, wogegen die FDP sein müsste, der Abwesenheit von Wettbewerb, ansetzt. Deshalb ist das kartellrechtliche Instrument wesentlich besser. Aus diesem Grund gab es die Einigung, wonach NRW seine Initiative ruhen lässt, weil nach der Abstimmung mit allen anderen Länderwirtschaftsministern auch bei Frau Thoben Zweifel gekommen sind, ob dieses wirklich das angemessene Instrument ist. Wir werden sehen, dass wir einen möglichst großen Konsens unter den Länderwirtschaftsministern erreichen, um in Richtung mehr Wettbewerb und Aufbrechen von oligopolistischen Strukturen aktiv zu werden.

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Ratzmann, der dazu das Wort erhält. – Bitte!

Herr Wirtschaftssenator, da Sie sich jetzt als Apologet für mehr Wettbewerb geriert haben, frage ich Sie: Warum hat das Land Berlin nicht die Chance ergriffen, Oligopole