Protokoll der Sitzung vom 23.09.2010

Sicherheit und Schutz der Menschen vor Fluglärm haben immer den Vorrang.

[Beifall bei den Grünen]

In München und in Frankfurt am Main ist es gelungen, dass die Flieger die Siedlungsgebiete umfliegen, und das muss in Berlin auch möglich sein. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hämmerling! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Matuschek das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, die Debatte hier ist eine hervorragende Gelegenheit, um Sachaufklärung statt Panikmache voranzutreiben. Sachaufklärung tut not. Die Bürgerinnen und Bürger sind durch die Berichterstattung in der Presse aufgeschreckt worden und erwarten eine Sachaufklärung, eine Aufklärung über die tatsächlichen Rechtsverhältnisse und die Einwirkungsmöglichkeiten. Sie erwarten keine Panikmache. Dazu gehört dann eben auch, Herr Friederici, deutlich zu sagen, dass die internationalen Flugkorridore eine internationale Angelegenheit sind. Die Festlegung von Flugrouten ist eine Bundesangelegenheit, und die Planfeststellung und das Betreiben des Flughafens sind eine Landesangelegenheit.

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Aber was Sie machen, ist, alles in einen Topf zu werfen und alles in jedem Fall dem Regierenden Bürgermeister ans Revers zu heften. Sie vergessen aber – und darüber haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon gesprochen –, dass die Lärmbelastung der Berlinerinnen und

Berliner rings um Tempelhof Sie überhaupt nicht geschert hat. Die Schließung von Tempelhof war für Sie sogar gleichbedeutend mit dem Untergang des Abendlandes.

[Beifall bei der Linksfraktion – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Ja, genau!]

Sie haben bis heute keine klare Position zur Schließung von Tegel bezogen. Auch da geht es um Lärmbelastung und Entlastung von Flugrisiken für Tausende Anwohnerinnen und Anwohner. Das hat Sie nicht geschert. Erst wenn in der Presse steht: Oh, es könnte über Wannsee und Zehlendorf lauter werden –, gerieren Sie sich plötzlich als Anführer eines Bürgerprotestes und sind doch nur ein armseliger Bürgerschreck in Anzug und Krawatte.

[Heiterkeit bei der Linksfraktion und den Grünen]

Wir brauchen Öffentlichkeit, Aufklärung über die Flugrouten, Transparenz der Prozesse, wie solche Flugrouten festgelegt werden, und wir brauchen gemeinsames, koordiniertes Vorgehen mit allen beteiligten Akteuren, vor allem ein gemeinsames Vorgehen der Länder Berlin und Brandenburg und der Gemeinden, denn es geht nicht darum: Die Bürger sind gut. Die können ruhig von Fluglärm entlastet werden. Und die sind böse, die können mehr vertragen. – Nein, darum geht es nicht. Es geht um ein gemeinsames Agieren zur generellen Senkung der Fluglärmbelastung und des Flugrisikos für die Bürgerinnen und Bürger der Region Berlin-Brandenburg.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Da gibt es eine Prämisse, die festgelegt ist und an der lassen wir nicht rühren. Die ist festgelegt im Planfeststellungsbeschluss, der zu Recht gesagt hat, dass dieses überkommene Flughafensystem mit den drei Standorten und sechs Landebahnen nicht zeitgemäß ist und auch hinsichtlich der Lärmimmissionsbelastung und der Flugrisiken nicht den normalen, zeitgemäßen Standards entspricht. Und da steht eine Zahl: 200 000 Bürgerinnen und Bürger müssen von diesen Risiken und Immissionsbelastungen entlastet werden. Das ist Dreh- und Angelpunkt des Planfeststellungsbeschlusses, und das muss sich natürlich auch in der Festlegung der Flugrouten niederschlagen. Davon gehen wir nicht herunter, das muss durchgesetzt werden.

Was wir aber in den letzten Tagen leider erleben mussten, grenzt tatsächlich an den Eindruck einer gewissen Behördenwillkür. Schauen wir uns doch mal an, welche Akteure da überhaupt beteiligt sind: Da haben wir das Bundesamt für Flugsicherung. Das ist ein Bundesamt. Das hat sich bisher bei uns noch nie gemeldet. Wir haben jetzt zur Kenntnis genommen, dass es das seit einiger Zeit gibt. Es ist relativ neu. Dann haben wir eine Luftfahrtbehörde, übrigens eine gemeinsame für Berlin und Brandenburg. Wir sind stolz darauf, dass wir eine gemeinsame Luftfahrtbehörde haben. Die ist allerdings auch beteiligt. Dann haben wir die Deutsche Flugsicherung, die in einer mehr oder weniger öffentlichen Sitzung ihre Vorstellungen von den Flugrouten in die Öffentlichkeit gepustet hat. Übrigens darf ich daran erinnern: Die Deutsche Flugsicherung sollte privatisiert werden. Das wurde durch den damaligen Bundespräsidenten, Herrn Köhler, verhindert.

Auch darüber muss man noch mal nachdenken: Kann man so eine Behörde tatsächlich ernsthaft privatisieren, wenn es doch um hoheitliche Aufgaben geht? – Dann haben wir natürlich den Flughafenbetreiber, und wir haben auch das Bundesjustizministerium

[Christoph Meyer (FDP): Ah!]

und das Umweltbundesamt. Beide sind nämlich einzubeziehen, wenn das Bundesamt für Flugsicherung, das wiederum dem Bundesverkehrsministerium untersteht, die Flugrouten festlegt. Wir haben also mehrere Bundesbehörden, und ich fordere alle sich angesprochen fühlenden Personen auf, sich auch jeweils an alle drei Bundesbehörden zu wenden. Auch die Kollegen von der FDP können sich gern mal an Frau Leutheusser-Schnarrenberger wenden, denn sie muss letztendlich diese Flugrouten dann genehmigen.

[Oliver Scholz (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Da sollten wir also gemeinsam agieren.

Entschuldigung, Frau Matuschek! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Scholz?

Nein, danke – seine Fragen kenne ich! – Dann haben wir noch die Fluglärmkommission. Das ist ein ganz wichtiges Gremium, hat allerdings in seinen Kompetenzen die geringsten Einwirkungsmöglichkeiten. Dessen müssen wir auch gewahr sein. In der Fluglärmkommission allerdings – und das ist wiederum ihr Vorteil – sind die unmittelbar betroffenen Gemeinden vertreten. Deswegen möchten wir, dass die unmittelbar betroffenen Gemeinden und Bezirke auch weiterhin in der Fluglärmkommission arbeiten und auch neue dazukommen, wenn durch neue Flugrouten andere Lärmbetroffenheiten entstehen.

Die Fluglärmkommission hat allerdings – wie gesagt – wenig Kompetenzen. Sie macht Vorschläge, und die Deutsche Flugsicherung und das Bundesamt für Flugsicherung genehmigen. Da gibt es offensichtlich eine Gesetzeslücke, die verhindert, dass man das stringenter und vor allem bürgerfreundlicher handhabt. Es kann doch nicht sein, dass eine kleine Behörde – vielleicht ist sie auch ein bisschen größer – ein jahrelang in aller Öffentlichkeit geführtes Planfeststellungsverfahren quasi ad absurdum führt und Flugrouten festlegt, die das Ziel – ich sagte es vorhin schon – der Entlastung von 200 000 Bürgerinnen und Bürgern dann konterkarieren. Das kann doch nicht sein, und das nenne ich dann Behördenwillkür.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Insofern haben wir jetzt auch die Gelegenheit und die Chance, noch mal zu schauen, welche Akteure mit welchen Kompetenzen agieren. Natürlich muss es nachvollziehbare Kriterien für die Festlegung von Flugrouten geben, und das allererste Kriterium ist die Sicherheit –

Sicherheit vor Flugrisiken im weitesten Sinne, aber auch Sicherheit und Entlastung in Bezug auf Lärm. Auch die Wirtschaftlichkeit ist ein Kriterium, aber es ist absurd, Wirtschaftlichkeit gegen Lärm ausspielen zu wollen. Natürlich muss der Immissionsschutz ein höherrangiges Ziel als die Wirtschaftlichkeit einzelner Fluggesellschaften sein.

Dass es bei der Festlegung von Flugrouten Ausnahmen gibt, beweist der Flughafen München. Da ist sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen. Am kommenden Montag – so ist mir bekannt geworden – gibt es eine größere Veranstaltung aller beteiligten Gemeinden. Das finde ich richtig. Ich finde es aber wichtig – und sage es noch mal –, dass das Land Berlin mit allen Akteuren gegenüber den jeweiligen Ansprechpartnern gemeinsam agiert – zur Verminderung der Fluglärmbelastung durch den neuen Flughafen.

Damit komme ich zum Schluss und sage kurz, mit welchen Forderungen wir gemeinsam agieren sollten. Die erste Forderung lautet: keine Panik, sondern Öffentlichkeit im weitesten Sinne! – Wir wollen Klarheit über die Entscheidungskriterien und die Alternativprüfungen, die die Flugsicherung zur Festlegung der Flugrouten angelegt hat. Wir wollen eine Lärmentlastung für die Region Berlin-Brandenburg. Wir wollen die Festlegung der Flugrouten nicht erst zwei Tage vor dem Eröffnungstermin des neuen Flughafens, sondern möglichst schnell, damit sich alle darauf einstellen können. Schnelle Festlegung der Flugrouten nach detaillierter Prüfung von Alternativen und natürlich nach Auswahl der besten Flugrouten! Wir brauchen eine Transparenz der Entscheidung und eine Einbeziehung möglichst vieler Betroffener. Das kann nur zur Verbesserung der Entscheidungen beitragen.

Und wir brauchen – wenn wir darüber hinaus denken – auch mal einen Blick darauf, wie wir mit Fluglärmbeschwerden umgehen. Fluglärmbeschwerden werden bei der Fluglärmkommission behandelt. Das ist ein ewiges Ärgernis, dass es dabei dann Ausnahmen gibt. Da sollten wir den Sprung wagen und mal darüber nachdenken, dass wir mit Fluglärmbeschwerden vielleicht auch anders umgehen können – in späterer oder in jetziger Zeit. Nehmen wir die jetzige Gelegenheit als Chance, Ordnung in dieses Behördenwirrwarr zu bringen! Nehmen wir die jetzige Gelegenheit als Chance, für diesen Flughafen einzutreten mit dem Ziel der Entlastung für Bürgerinnen und Bürger in Berlin und Brandenburg! – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete von Lüdeke das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ein Thema, das voller Emotionalität steckt, aber sicherlich

auch ein Thema, das sich für Populisten vom Schlage eines Michael Braun nicht eignet.

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Im Gegensatz beispielsweise zur Diskussion um die A 100 oder um Stuttgart 21 haben wir es hier mit einem klaren Unterschied zu tun: Der Flughafen Berlin Brandenburg International wird in wenigen Monaten fertig sein. Das noch in Frage zu stellen, halte ich für gefährlich.

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Deshalb möchte ich auch mit der Feststellung für meine Fraktion beginnen, dass wir hundertprozentig zu BBI stehen – zu BBI als Wirtschaftsstandort und als Standort für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wir müssten ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein! Die Air Berlin kündigt gerade an, künftig Direktflüge nach New York von BBI aus zu machen, und wir stellen dies in Frage. Herr Braun! Ich glaube, Sie sind in der Beziehung auf dem falschen Dampfer.

[Beifall bei der FDP]

Zu Herrn Gaebler folgender Hinweis: Sie haben uns noch mal in diese Verbindung mit dem Flughafen Tempelhof gebracht. Ich hatte eigentlich keine Lust, heute noch mal darüber zu reden. Ich kann Ihnen klar sagen, dass Sie uns insofern an Ihrer Seite haben, als für uns das Thema Flughafen Tempelhof und auch Flughafen Tegel erledigt ist. Von uns werden Sie Derartiges nicht mehr hören – auch nicht die Frage, inwieweit wir den Flughafen Tegel noch offenhalten können.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Nehmen Sie das zur Kenntnis! Vielleicht können Sie das bei zukünftigen Reden herauslassen. Wir sind nicht diejenigen, die das immer wieder vorkramen.

Im Übrigen würde ich das, was ich hier bezüglich der wirtschaftlichen Seite von BBI sage, selbstverständlich auch auf jeder Bürgerversammlung sagen. Ich halte nichts davon, dass man hier etwas anderes erzählt, als man dann in Bürgerversammlungen sagt. Ich meine, wir sollten uns da alle vornehmen, dass wir zu BBI stehen.

[Beifall bei der FDP]

Wichtig ist die Einhaltung des Eröffnungstermins, und deshalb der Appell an den Regierenden Bürgermeister, alles dafür zu tun, dass der auch eingehalten wird. Und wir brauchen einen wirtschaftlich arbeitenden Betrieb BBI. Das haben wir in der Vergangenheit immer betont, aber leider gibt es inzwischen viel zu viele Themen, bei denen wir Gefahr laufen, dass der wirtschaftliche Erfolg von BBI in Frage gestellt wird. Wir sollten immer klar herausstellen, dass uns das wichtig ist, damit die Unternehmen, die BBI bedienen, Planungssicherheit haben und nicht mit übermäßigen Gebühren, die dabei durchaus auch thematisiert werden, möglicherweise vom Standort BBI verschreckt werden.

[Beifall bei der FDP]

Nun zu der Frage der Bürgerinitiativen: Wir haben für jede dieser Bürgerinitiativen Verständnis, und ich werde im Folgenden auch sagen, warum. Aber wir möchten uns von den alten BBI-Gegnern klar absetzen. Leider musste man auch bei den Bürgerinitiativen sehen, dass sich diese alten BBI-Gegner wieder locker daruntermischen. Wenn wir Pappschilder mit der Aufschrift „Baustopp für BBI“ lesen, dann sagen wir: Von diesen Leuten halten wir uns fern, mit denen haben wir nichts zu tun.

[Beifall bei der FDP]

Zu tun haben wir es aber in der Tat – und das nehmen wir an – mit den Informationsdefiziten, die die betroffenen Bürger haben. Eines ist klar: Der Widerstand und die Panik werden umso größer, je höher das Informationsdefizit ist. – Wie hier gegenüber den betroffenen Bürgern verfahren wird, das ist kein Ruhmesblatt. Diese Bürger haben einen Anspruch auf Aufklärung, und das bedeutet nicht, dass sie per Zeitung erfahren, was ihnen droht. Das gilt zumindest für diejenigen, die bisher von dieser Sache nichts wussten. Es gibt ja Stadtgebiete, die frühzeitig eingebunden waren und Bescheid wussten. Aber inzwischen haben auch Stadtgebiete erstmals aus der Presse davon erfahren, dass sie ebenfalls betroffen sind.

Wenn die heute leider nicht anwesende Senatorin selbst sagt, sie sei erst am 7. September, glaube ich, davon informiert worden,