Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

Hier sind Sie in der Pflicht, und es droht mal wieder schiefzugehen. Berlin droht in der Frage Jobcenter ein lustloses „Weiter so!“ des Senats, deswegen müssen wir heute auch darüber reden. Es geht um fast 580 000 Menschen, die in Berlin von den Jobcentern betreut werden, und diese fragen sich zu Recht: Wird die Neuordnung der Jobcenter mit echten Verbesserungen der Arbeit verbunden, so dass nicht Zehntausende weitere Klagen auf die Sozialgerichte zurollen? Wie bereiten sich die Jobcenter auf die neue und gewaltige Aufgabe vor – auf die Bildungskarte für Kinder? – Wir werden ab dem 1. Januar 2011 knapp 120 000 Kinder, die im ArbeitslosengeldII-Bezug leben, mit dem Bildungspaket versorgen müssen,

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

ganz gleich, was Sie davon halten, Frau Bluhm, darauf gibt es einen Rechtsanspruch. Wie organisieren Sie das eigentlich, wo bleibt Ihr Ausführungsgesetz, Frau Bluhm? Wir haben inzwischen Anfang Oktober und bald Ferien, wo bleibt das Gesetz?

[Christoph Meyer (FDP): Erzählen Sie mal, was Sie wollen!]

Haben Sie sich die ganze Zeit nur mit Ihrem Lieblingsprojekt ÖBS beschäftigt und nicht mit den Jobcentern, Frau Bluhm?

[Zurufe von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wie sollen wir dieses Gesetz bis zum 1. Januar anständig beraten, wenn es bis heute nicht eingebracht worden ist?

[Beifall bei den Grünen]

Gestern im Rat der Bürgermeister wurde der Gesetzentwurf abgelehnt, weil er den Bezirken nicht gerecht wird. Wie wollen Sie das bis Jahresende eintüten und unter Dach und Fach bringen? – Auch auf dieser Baustelle kommt Rot-Rot offensichtlich nicht voran – und das auf Kosten der Betroffenen und der Jobcenter. Wir werden es nicht zulassen, dass Rot-Rot das Regieren einstellt, dessen können Sie sich sicher sein!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege von Lüdeke das Wort. – Bitte schön, Herr von Lüdeke!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute werden wirklich brisante Themen aufgerufen. Man merkt an der Emotionalität im Saal, wie das alle mitnimmt. Leider müssen wir wohl erleben, dass heute das mit Abstand langweiligste Thema den Vorzug bekommt. Dagegen können wir wahrscheinlich wenig tun. Unser Thema ist für heute ist die anhaltende Schlechtleistung der Berliner S-Bahn. Wir wüssten gerne, ob das Bahnchaos auch im nächsten Winter anhält.

Wer am letzten Montag die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr erlebt hat, konnte feststellen, dass das beherrschende Thema die Situation der S-Bahn war. Das wurde von der Deutschen Bahn komplett ignoriert, was sich darin zeigte, dass sie nicht in der Lage war, einen kompetenten Vertreter zu schicken, der dazu Stellung hätte nehmen können. Das war eine Brüskierung der Abgeordneten. Wir sollten uns das von der Deutschen Bahn nicht bieten lassen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Beifall von Christian Gaebler (SPD)]

Es gab nicht einmal eine schriftliche Stellungnahme.

Die Leidtragenden sind die Fahrgäste der Berliner S-Bahn. Da kann die S-Bahnleitung – wie für heute Mittag angekündigt – so viele Konzepte vorstellen, wie sie will. Das ist alles nicht mehr glaubhaft.

[Beifall bei der FDP]

Die Tendenz ist ziemlich klar: Das Chaos der Berliner S-Bahn wird offenbar bis Ende des nächsten Jahres – wenn nicht darüber hinaus – anhalten. Das scheint unausweichlich.

Zum Glück war Hans-Werner Franz, der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, anwesend – ein unermüdlicher Kritiker und Aufklärer in Sachen S-Bahn. Er war bereit, Auskünfte über die tatsächlichen Probleme zu geben. Dabei musste der Ausschuss feststellen, dass die wesentlichen Probleme, die im letzten Winter eine Rolle gespielt haben, bis heute nicht behoben sind. Das Chaos, das im letzten Winter herrschte, droht für den kommenden Winter erneut. Die Zugausfälle sind nicht behoben. Im Gegenteil: Es gibt neue Probleme. Die Fahrgäste konnten in den letzten Tagen erleben, dass es Schwierigkeiten mit den Besandungsanlagen gibt. Das Eisenbahnbundesamt, das die Aufsicht über die S-Bahn hat, hat strengste Auflagen gemacht, so dass jeder Zug mittlerweile täglich auf das Vorhandensein von Sand kontrolliert werden muss. Das geschieht alles auf dem Rücken der Fahrgäste, die Umsteigesituationen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß ertragen müssen.

Das größte Problem ist aber, dass etwa 150 sogenannte Viertelzüge fehle. Die S-Bahn ist nur in der Lage, 74 Prozent ihrer Verkehrsleistung zu erbringen, und zwar dauerhaft bis Ende 2011und wahrscheinlich weit darüber hinaus. Bis heute ist nicht bekannt, ob die S-Bahn inzwischen entsprechende Zugkapazitäten bestellt hat bzw. wann diese geliefert werden. Wir würden gerne wissen, wie der Senat dieses Chaos der Berliner S-Bahn beenden will.

[Beifall bei der FDP]

Wann will der Senat die S-Bahn endlich dem Wettbewerb aussetzen? Der Forderung nach Ausschreibung von Teillosen – eine alte Forderung der FDP-Fraktion – hat sich inzwischen dankenswerterweise die Fraktion der Grünen angeschlossen.

[Beifall bei der FDP]

Wann will der Senat dazu Vorbereitungen treffen?

Die Linke setzt hingegen aus Sorge um die Mitarbeiter auf die Erhaltung des Chaos’. Ganz nebenbei: Bei Wettbewerbern erhalten wir genauso Arbeitsplätze wie bei der S-Bahn.

[Beifall bei der FDP]

Die Sorge um die Mitarbeiter ist demnach völlig unbegründet.

[Beifall bei der FDP]

Lokführer oder Wartungsmitarbeiter werden überall gebraucht.

Die CDU – ganz interessant – möchte das Gesamtnetz ausschreiben. Das ist besonders lustig. Wie wollen Sie das erreichen? Da kommen Sie vielleicht mit der SPD auf einen Nenner, wenn Sie die BVG ins Spiel bringen. Dann könnten die CDU und die SPD zusammen eine Art VEB Nahverkehr Berlin machen. Ein Großkombinat für den öffentlichen Nahverkehr hat uns gerade noch gefehlt.

[Beifall bei der FDP]

Und das soll – man muss sich das einmal vorstellen – unter dem maroden Dach der BVG geschehen. Ein Chaosbetrieb würde den anderen übernehmen. Auch dabei wären die Fahrgäste die Leidtragenden.

[Beifall bei der FDP]

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Das tue ich. – Darüber, wie wir dieses Problem endlich bewältigen können, wollen wir heute mit Ihnen reden. – Besten Dank!

Danke schön, Herr Kollege von Lüdeke! – Ich lasse abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, für den sich im Ältestenrat eine Mehrheit abgezeichnet hat. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Die Linke, die Grünen und die SPD. Die Gegenprobe! – Das sind FDP und CDU. Damit ist das Thema beschlossen. Es wird unter dem Tagesordnungspunkt 3 aufgerufen. Die anderen Themen haben ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Für den 7. Oktober 2010 ist die Senatorin Junge-Reyer entschuldigt, die bis circa 18 Uhr abwesend sein wird, weil sie an der Verkehrsministerkonferenz in Thüringen teilnimmt.

Damit rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Das Wort erhält der Kollege Dr. Thärichen von der SPD, und zwar zu dem Thema

Geplante Flugrouten BBI

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Welche Ergebnisse über potenzielle Fluglärmbelastungen für die südlichen Berliner Stadtgebiete hat das Gespräch mit der Deutschen Flugsicherung über die geplanten Flugrouten am künftigen Flughafen BBI in der vergangenen Woche gehabt?

Danke schön! – Bitte, Frau Staatssekretärin Krautzberger, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Thärichen! Ihre Anfrage beantworte ich folgendermaßen: Bekanntlich hat die Vorstellung des Entwurfs der neuen An- und Abflugverfahren für den Flughafen BBI durch die Deutsche Flugsicherung in der Sitzung der Fluglärmkommission am 6. September zu einer großen Beunruhigung geführt. Daher ergriffen die für den Verkehr zuständigen Ministerien in Brandenburg und Berlin die Initiative zu der Informationsveranstaltung am 27. September, bei der die Deutsche Flugsicherung um Erläuterung des Konzepts vor einem größeren Kreis betroffener Gemeinden und Berliner Bezirke gebeten wurde. Die Veranstaltung hat dann einen noch größeren Rahmen erfahren, da diverse Vertreter von Bürgerinitiativen und die Presse teilnahmen. Im Rahmen der Veranstaltung machte die Deutsche Flugsicherung deutlich, dass es sich bei dem vorgestellten Entwurf der An- und Abflugverfahren für den Flughafen BBI um den Beginn eines Arbeitsprozesses handele. Bei den Flugrouten bestehe auch aus ihrer Sicht – das hat der Vertreter der DFS deutlich gemacht – noch Optimierungspotenzial. Die Deutsche Flugsicherung zeigte sich auch offen für Alternativvorschläge und sagte zu, diese eingehend zu prüfen.

In der Präsentation der An- und Abflugverfahren betonte die Deutsche Flugsicherung erneut, dass die Divergenz der Abflugrouten nach dem Start um mindestens 15 Grad nach dem bekannten ICAO-Standard Voraussetzung für einen unabhängigen Parallelbetrieb sei.

Die Deutsche Flugsicherung machte während der Veranstaltung auch erstmals Angaben zu den möglichen Überflughöhen. Danach würde zum Beispiel bei Westabflügen mit Ziel Nord und Ost der Bereich Wannsee in einer Höhe von 2 400 Metern überflogen. Die Deutsche Flugsicherung wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass in Tegel abfliegende Flugzeuge mit Kursrichtung Osten den Bereich Wannsee bereits heute in rund 2 000 Metern Höhe überfliegen. Bei Abflügen Richtung Osten würde nach dem vorgestellten ersten Konzept das Berliner Stadtgebiet nicht mehr in einer lärmrelevanten Höhe von

über 3 600 Metern überflogen. Der Vertreter der Deutschen Flugsicherung machte aber deutlich, dass sich die Anzahl der Überflüge über das Berliner Stadtgebiet im Vergleich zur heutigen Situation halbieren würde. Zu Aussagen hinsichtlich der zu erwartenden Schallpegel sah er sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage.

Herr Staatssekretär Bretschneider als Vertreter des Landes Brandenburg sicherte insbesondere auch auf Bitte Berlins zu, Vertreter der südlichen Berliner Bezirke, aber auch neu betroffene Gemeinden in Brandenburg in die Fluglärmkommission aufzunehmen. Für den Berliner Senat habe ich mich besonders für ein schnelleres Verfahren eingesetzt und darum gebeten, die weiteren Planungs- und Verfahrensschritte möglichst transparent zu gestalten, um eine optimale Aufklärung der Bevölkerung in Berlin und Brandenburg zu ermöglichen.

Der von der Deutschen Flugsicherung bisher vorgesehene Zeitplan der Inkraftsetzung der Flugrouten mit Inbetriebnahme des Flughafens ist – so waren alle Beteiligten der Auffassung – für die Bevölkerung, aber auch den Flughafen selbst, deutlich zu spät. Die Deutsche Flugsicherung sagte ferner zu, alle Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung zu prüfen.