Ich hatte gehofft, dass Sie es uns ersparen würden, eine so zentrale und wichtige Herausforderung wie die Integration auf diese Gesetzeskarikatur reduziert hier im Plenum diskutieren zu müssen.
Aber nein, diesen Gefallen haben Sie weder uns noch der Stadt getan. Sie haben sich weder von öffentlicher Kritik noch von Expertenmeinungen abbringen lassen, nicht einmal vom Aufstand der SPD-Vertreter im Rat der Bürgermeister. Es wäre schön, wenn Sie auch bei anderen politischen Projekten, lieber Herr Wowereit, eine solche Sturheit an den Tag legen würden, nämlich dort, wo es hilfreich ist, wo es den Menschen und unserer Stadt nutzt.
Das, was uns heute vorliegt, ist ein Gesetz, das handwerklich schlecht gemacht ist und so niemandem hilft, weder Einheimischen noch Zuwanderern, und das so keinesfalls unsere Zustimmung finden wird.
Ich darf Sie daran erinnern, dass dieses Gesetz nicht nur von Ihren eigenen Bezirksbürgermeistern zerpflückt worden ist. Nein, auch Ihre eigenen Hausjuristen haben dieses Gesetz verrissen.
Ich lese Ihnen gern vor, Herr Wolf, zu welcher Einschätzung die Normprüfstelle des Senats gekommen ist. Da heißt es:
Herr Wowereit, diese Einschätzung der eigenen Leute, ist eine schallende Ohrfeige für Sie, die Sie deutlicher und ernster hätten nehmen sollen, als Sie es bislang getan haben.
Herr Wolf! Ich habe das Gesetz gelesen. Die Frage ist, ob Sie es gelesen haben. Denn wenn man sich das Gesetz anschaut, kann man dieser schallenden Ohrfeige der Hausjuristen nur zustimmen. Es sind ein paar Lippenbekenntnisse zur interkulturellen Kompetenz enthalten, die Sie irgendwann einmal definieren wollen. Es enthält eine Neuregelung zum Bestattungswesen, ein paar neue Beauftragte, es soll ein paar neue Gremien geben, zudem ist eine redaktionelle Änderung bei kirchlichen Feiertagen vorgesehen. Ich frage Sie aufrichtig, Herr Wowereit, ob es wirklich ernst gemeint ist. Ist das tatsächlich Ihr Angebot an die Stadt? Ist das Ihr Integrationsbeitrag? Ist es das, was dabei herauskommt, wenn Sie, Herr Wowereit, etwas zur Chefsache machen?
Ich wäre wirklich dankbar, wenn dieser Mann aus Neukölln seinen markigen Sprüchen auch einmal Taten in seinem Bezirk folgen lassen würde. Aber wo er recht hat, hat er recht, Herr Wowereit.
Für die wahren Probleme haben Sie nichts anzubieten. Es gibt keine Angebote für mehr Arbeit, nichts für Aufstieg durch Bildung, keine Ansätze, was wir Migranten eigentlich abverlangen. Stattdessen gibt es viele zusammenhanglose Einzelmaßnahmen.
Was ist denn mit dem wichtigen Thema Bildung? Sie glauben doch nicht im Ernst, Herr Saleh, dass durch die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen zu Sekundarschulen die Integrationsprobleme verschwinden. Haben Sie eigentlich alle Rütli vergessen? Haben Sie den Brandbrief der 68 Lehrer aus Mitte vergessen? Sie haben millionenschwere Notreparaturen an einer Schule durchgeführt. Es gibt aber viele Rütli-Schulen in unserer Stadt. Die lassen Sie im wahrsten Sinne des Wortes links liegen.
Herr Wowereit! Es stellt sich die Frage, wie Sie mit Ihrem Gesetz etwas für die Integration tun wollen. Wie wollen Sie Menschen für unsere Gesellschaft und unsere christlich-jüdisch-abendländische Wertordnung begeistern?
Sie haben zu Anfang des Jahres erklärt, Sie wollten den Integrationsbegriff weiter fassen, es ginge Ihnen um soziale Integration. Aber das, was Sie jetzt vorgelegt haben, ist doch wieder nur ein Ausgrenzungsgesetz, ein Gesetz, das sich wieder nur an die Migranten richtet. Unser Ge
setzentwurf liegt auf dem Tisch des Hauses. Wir haben als Union bereits im Frühjahr ein umfassendes Integrationskonzept aufgestellt. Wir haben eben einen ganz anderen Ansatz. Wir haben als Union einen ganzheitlichen Ansatz formuliert, kein schlankes Gesetz – wie es Frau Bluhm formuliert hat –, man könnte es auch dürr nennen, sondern es enthält ein ganzes Integrationsprogramm.
Es ist ein Programm, das Angebote enthält, das klar formuliert, dass Integration in deutschem Interesse ist, das Einheimische und Zuwanderer ernst nimmt. Vor allem aber haben wir herausgearbeitet, warum es so wichtig ist, an Gemeinsinn und Leistung zu appellieren, und wie wir Aufstiegswillen fördern wollen.
Zentrale Forderungen haben wir Ihnen heute in einem Antrag vorgelegt, den wir jedenfalls zum Maßstab in den parlamentarischen Beratungen über Ihr Integrationsgesetz machen werden. Ich hoffe, dass es in Ihren Reihen noch mehr vernünftige Politiker gibt wie einige Ihrer Bezirksvertreter und dass wir etwas Anderes hinbekommen, das wirklich etwas mit gelungener Integration in unserer Stadt zu tun hat. – Herzlichen Dank!
Integration ist ein Prozess, in dem unterschiedliche Menschen bereit sind, sich zu verändern und zu einem vielfältigen Ganzen zusammenwachsen. Integration funktioniert nicht über Bevormundung, sondern über Partizipation. Ja, Herr Henkel, wir verfolgen grundsätzlich unterschiedliche Ansätze. Darüber bin ich froh.
Die Gründe, die ich eben genannt haben, sind die Hintergründe für das Ihnen vorliegende Partizipations- und Integrationsgesetz. Wir wollen Integration durch Partizipation. In der Integrationsdebatte werden Migranten immer wieder als Problem dargestellt, als Menschen, die sich nicht integrieren wollen, die ihre eigenen Welten in Parallelgesellschaften führen. Wir konnten es in dem Antrag von Ihnen lesen.
Auch wir haben in Berlin ein Problem mit gesellschaftlicher Ausgrenzung von Berlinerinnen und Berlinern mit und ohne Migrationshintergrund. Deshalb haben wir die Kitas zu frühkindlichen Bildungseinrichtungen umgebaut, die ab dem dritten Jahr gebührenfrei sind. Wir haben das gegliederte Schulsystem weitgehend abgeschafft. Deshalb haben wir viele Maßnahmen in der Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik, die Migrantinnen und Migranten neue Wege in die Erwerbsarbeit eröffnen sollen. Das Land Berlin geht mit gutem Beispiel voran.
Wir haben mit der Kampagne „Berlin braucht dich“ den Anteil von Auszubildenden mit Migrationshintergrund binnen vier Jahren auf fast 20 Prozent annähernd verdreifacht.
Die Realität ist nicht allein problembeladen. Dies wird nur leider nicht wahrgenommen. Fast 40 Prozent der Berliner mit Migrationshintergrund zwischen 18 und 65 Jahren haben die Hochschulreife. Gleichzeitig aber ist der Anteil von Migranten in wichtigen Positionen wie Medien, Politik oder Wirtschaft viel zu gering; er steigt auch zu langsam. Und auch deshalb wollen wir ein Partizipations- und Integrationsgesetz, das den Schwerpunkt auf die Partizipation legt, das bestehende Strukturen öffnet, Teilhabe fördert und erleichtert.
Wir wollen mit dem Gesetz die Beteiligungsgremien, die es bereits gibt – nicht neue schaffen, Herr Henkel! –, gesetzlich festschreiben. Dazu gehört der Integrationsbeirat, die Beiräte in den BVVen, Integrationsbeauftragte auf Landes- und Bezirksebene, dazu gehören aber auch die vielen Beteiligungs- und Beratungsgremien in dieser Stadt. Wir wollen die interkulturelle Öffnung der Verwaltung. Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenz müssen endlich als Qualifikation von Beschäftigten bei Einstellung und Beförderung anerkannt werden. Wir wollen auch, dass alle Maßnahmen überprüft werden, ob sie diskriminierend sind oder partizipations- und integrationsfördernd wirken.
Wir definieren „Migrationshintergrund“, um Daten erheben zu können. Wir wollen messen können, inwieweit es uns tatsächlich gelingt, diese Stadt auch interkulturell weiter zu öffnen. Der Vorschlag für das Partizipations- und Integrationsgesetz kam aus den Reihen der migrantischen Selbstorganisation im Integrationsbeirat, der seit sieben Jahren mit seiner meist ehrenamtlichen Arbeit die Integrationspolitik in dieser Stadt geprägt hat und prägt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken!
Mein letzter Satz: Integration lässt sich nicht über Gesetze verordnen, aber Gesetze können Integrationsprozesse und
damit auch Teilhabe von vielen befördern. Das möchten wir mit unserem Partizipations- und Integrationsgesetz erreichen. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Integration und Partizipation von Migrantinnen und Migranten, das wir heute hier behandeln, leistet leider weder einen Beitrag zur Integration noch zur Partizipation. Vielmehr wäre es richtig gewesen, den Titel des Gesetzes „Gesetz zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung und zur Bestattung von Migrantinnen und Migranten muslimischen Glaubens“ zu benennen,