Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Es gibt auch etwas Positives: Wir brauchen dieses Gesetz, weil die Frauen ohne quotierte Unterstützung in technischen oder naturwissenschaftlichen Berufen in Führungspositionen oder in der Bezahlung benachteiligt werden. Das ist leider so, aber das liegt am System dieser Gesellschaft, an den Rahmenbedingungen, die die Politik geschaffen hat, auch nach neunjähriger Regierungszeit, an

der Männerdominanz, die daraus erwächst und zum Teil liegt es auch an uns Frauen selbst.

[Jutta Leder (SPD): Ja, das sieht man an der CDU]

Ohne Zweifel hat sich im geschützten Raum des öffentlichen Dienstes viel für die Frauen getan. Aber anstatt klare Konsequenzen bei öffentlichen Stellenausschreibungen festzuschreiben, dabei auch auf überregionalen Bekanntmachungen zu bestehen, lassen viele Bestimmungen mit ihren Modalitäten und der Berichterstattung das Monster der Bürokratie wachsen, das sich durch Dokumentationen frisst und sich dabei an der Plazenta der Berliner Verwaltung über Steuergelder gut ernährt.

Wenn schon Rechte vergeben werden, dann sollten sie auf Wichtiges begrenzt werden. Dem Gesetz fehlt die Bestimmung nach überregionaler Bekanntmachung, unabhängig davon, ob Frauen unterrepräsentiert sind oder nicht, denn es geht nicht nur um die 50-prozentige Frauenquote, sondern auch um die Möglichkeit, viele Bewerbungen zu haben. Dass die Ausbildungsplätze unmittelbar nach Bewerberlage vergeben werden und wenn sich nicht genug Mädchen beworben haben, eine zweite Bewerberrunde nötig ist, ergibt große Nachteile gegenüber der Privatwirtschaft. Dass die Frauenvertreterinnen zwingend gewählt werden müssen – Bestellung durch den Arbeitsgeber –, ist nicht nur sehr fragwürdig, es wird Abhängigkeiten schaffen, die den Frauen die Arbeit unnütz erschweren. Dann der Unsinn mit den Wahlen:

[Udo Wolf (Linksfraktion): Unsinn mit Wahlen?]

Wahl der Frauenvertreterin und eine Extrawahl einer Stellvertreterin. Weshalb bleiben wir nicht bei der alten Fassung? – Die hat sich doch bewährt.

Das Gesetz scheut sich nicht, zu unsinnigen Mitteln zu greifen. Dazu gehört die Verpflichtung jeglicher Bauunternehmen zur Zwangsförderung von Frauen und die Absenkung der Wertgrenzen, der fehlende Sinn für die Realität in manchen Branchen – Unterrepräsentanzen wird es immer geben, wenn Frauen nicht Betonbauer oder Zimmermann

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Zimmerfrau!]

werden möchten, dann sind auch Quotierungen keine Hilfe. Da lässt sich auch nicht im Gegenzug jegliche Chance für die Männer regeln, die in manchen Frauenberufen einfach fehlen.

In § 7 Abs. 4 LGG nicht mehr nach der Qualifikation zu fragen, bedeutet, dass jede Frau nach diesem Wortlaut beschäftigt werden muss, sobald sie irgendwie ausgelernt hat, nur weil der Frauenanteil immer über 20 Prozent steigen muss. Das sind weltfremde Forderungen.

Zur Teilzeit möchte ich nichts sagen, denn meine Redezeit ist ziemlich kurz.

Wir dürfen Frauen nicht entmündigen. Meine Damen und Herren! Vergessen Sie niemals, dass die Gelder, die auch

dafür ausgegeben werden, in der Mehrheit von Steuern ins System gespült werden, die auch die Arbeitnehmerinnen und Unternehmerinnen zahlen – nicht nur die Herren –, deren Leistungsfähigkeit jeden Tag neu unter Beweis gestellt wird und die dafür Fortbildungen und Fernlerngänge besuchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die vorhandenen Unpräzisierungen können wieder 100prozentig männerfreundlich ausgelegt werden. Das Gesetz stellt bei verschiedenen gleichstellungsrechtlichen Belangen eine Verschlechterung für die Frauen dar. Der Entwurf der Koalitionsfraktionen wird von mir, von uns aus der CDU-Fraktion keine Zustimmung erfahren.

[Beifall bei der CDU – Gernot Klemm (Linksfraktion): Weil er nicht verstanden wird!]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Baba-Sommer das Wort. Es ist aber Winter. – Bitte, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer wieder wird behauptet, Gesetze zur Frauenförderung seien wirtschaftsfeindlich – von der CDU insbesondere. Immer wieder wird argumentiert, dass durch Appelle an die Unternehmen Frauen zeitnah in die Führungsetagen aufsteigen werden, sofern sie über eine ausreichende Qualifikation verfügen. Immer wieder müssen wir aber feststellen, dass genau dies nicht passiert. Wie kann es sein, dass in einem hochentwickelten Land wie Deutschland 51 Prozent der Bevölkerung Frauen sind, aber nur ein Prozent Frauen in Aufsichtsräten der führenden 100 deutschen Topp-Unternehmen sitzen? Ein erhöhter Frauenanteil in Führungsetagen, welcher laut entsprechender Studien die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens verbessert, setzt sich leider nur schleppend durch. Bei der Geschlechtergerechtigkeit auf Führungsebene besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Es muss verbindliche, gesetzliche Vorgaben geben.

Bereits seit 20 Jahren gibt es in Berlin ein Landesgleichstellungsgesetz, welches in den letzten Jahren immer wieder an die entsprechenden Gegebenheiten der Zeit angepasst wurde. Dieses Gesetz hat die Situation für Frauen in den Einrichtungen des öffentlichen Dienstes etwa in Bezug auf Einstellung sowie Beförderung und Vertretung ihrer Belange sehr zum Positiven verändert.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Aber nach wie vor sind Frauen in Führungspositionen im Bereich der öffentlichen Hand sowie der Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Landes gravierend unterrepräsentiert. In den Chefetagen der Unternehmen mit Landesbeteiligung lag die Frauenquote 2008 gerade einmal bei zehn Prozent. Durch die Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes wollen wir die Chancen von Frauen zur Übernahme von Führungspositionen im Bereich der öf

fentlichen Hand und der Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Landes stärken.

[Margit Görsch (CDU): Fragen Sie mal Ihre Senatoren!]

Hören Sie zu! – Unser Änderungsantrag greift Forderungen aus dem Kreis der Frauenvertreterinnen auf. Die wichtigsten Änderungen betreffen Klarstellungen im Geltungsbereich, der – nebenbei gesagt – der weitgehendste Geltungsbereich aller bundesdeutschen Gleichstellungsgesetze ist, sowie die Besetzung von Führungspositionen, den gesetzlichen Gestaltungsspielraum bei den Vorschriften zur öffentlichen Auftragsvergabe sowie die Ausgestaltung der Rechte der Frauenvertreterinnen. Hier haben wir die Frauenvertreterinnen mit weitergehenden Beteiligungs- und Klagerechten ausgestattet.

Das novellierte Landesgleichstellungsgesetz ist im Vergleich mit Gleichstellungsgesetzen anderer Bundesländer besonders fortschrittlich. Wieder einmal nimmt Berlin eine Vorreiterrolle ein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich möchte an dieser Stelle noch einige Worte über die Polemik der Opposition – der CDU und der Grünen – verlieren. Liebe Damen und Herren von der CDU! Sie kritisieren unsere Änderungsanträge und behaupten, dass eine überdeutliche Anzahl von Stellen bereits heute nach Kriterien der Qualifikation und Eignung und nicht nach Geschlecht vergeben werden. Frau Görsch! Eine solche Aussage zeugt einmal mehr von Ihrer eigenen Realitätsferne.

[Beifall bei der Linksfraktion – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Genau!]

Vielleicht wissen Sie es noch nicht, aber wir beobachten gerade eine Generation, in der Frauen hochqualifiziert sind, es jedoch nicht in die Führungsetagen schaffen. Die gläserne Decke ist mittlerweile zu Panzerglas geworden.

[Margit Görsch (CDU): Sie regieren doch!]

Auch Ihre Meinung, dass unsere Verpflichtung für den Bausektor eine Zwangsförderung sei, weil die Beschäftigungsquote von Frauen in diesem Bereich nur bei 0,27 Prozent liegt, zeigt, dass Sie sich nicht wirklich mit den Gegebenheiten des Baugewerbes auseinandergesetzt haben. Sie vergessen, dass ein besonderer Bereich des Bausektors der kaufmännische Bereich ist. Frau Görsch! Nicht jeder Bauarbeiter schiebt eine Schubkarre.

[Beifall bei der Linksfraktion – Heiterkeit bei der Linksfraktion]

Liebe Frau Kofbinger! Sie unterstellen uns in bester Wahlkampfpolemik, wir hätten ein Gesetz geschaffen, das einem zahnlosen Tiger gleicht, und fordern die Implementierung eines Verbandsklagerechts, wie es im Umwelt- und Tierschutz bereits existiert. Was für ein Vergleich, Frau Kofbinger! Vielleicht sollte ich es Ihnen noch einmal erklären. Frauen sind keine Tiere. Tiere und Bäume können sich nicht selbst vertreten, Frauen schon.

[Beifall bei der Linksfraktion – Martina Michels (Linksfraktion): Jawohl! – Heiterkeit]

Frau Görsch und Frau Kofbinger! Wir haben die Beteiligungs- und Klagerechte der Frauenvertreterinnen und -beauftragten im Landesgleichstellungsgesetz erweitert. Deswegen erachten wir es nicht als dringend, das Verbandsklagerecht in das Gesetz aufzunehmen. Für die Zukunft behalten wir uns jedoch vor, die Verhängung spezifischer Sanktionen im Rahmen der Haushaltsberatungen zu regeln.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Worte von Senator Wolf verweisen, der sagte: Das Land braucht noch mehr Frau. – Ich meine, wir brauchen mehr Frauen in Spitzenpositionen. Deshalb bitte ich Sie, unseren Änderungsanträgen zuzustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Baba!

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Baba-Sommer! So viel Zeit muss sein!]

Frau Baba-Sommer! Das nächste Mal dann auch.

Für die Fraktion der Grünen hat nun Frau Kofbinger das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich heute zur zweiten Lesung des LGG erst einmal meinen Dank sagen! Ich weiß, dass da oben Leute aus der Verwaltung sitzen. Ich bedanke mich deshalb auch ganz herzlich bei der mit der Aufgabe betrauten Senatsverwaltung für Frauen. Sie haben einen schwierigen Job, der durch das ständige Hin und Her auch nicht gerade leichter wurde und viele Nerven gekostet hat, erfolgreich abgeschlossen. Da dürfen Sie sich ruhig noch ein paar Mal auf die Schultern klopfen. Meinen allerherzlichsten Dank – auch im Namen meiner Fraktion! Das war eine gute Leistung.

Außerdem beglückwünsche ich die Koalition zu dem nun vorgelegten Neunten Gesetz zur Änderung des LGG. Ihr Entwurf ist um Klassen besser als das, was Sie uns vor der Sommerpause in der ersten Lesung vorgelegt haben. Das freut uns natürlich, weil auch die These von Herrn Müntefering: „Opposition ist Mist!“ widerlegt wurde. Wie wir an diesem Beispiel sehen können, war grüne Opposition sehr notwendig, und meine Fraktion und ich konnten mit Freude konstatieren, dass viele unserer Änderungswünsche von Ihnen übernommen wurden. Dafür an dieser Stelle auch meinen herzlichen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Aber warum Sie dafür nun sage und schreibe anderthalb Jahre gebraucht haben, ist nicht nachvollziehbar – auch nicht nach Ihren Redebeiträgen. Wir hatten im Mai letzten Jahres den ersten Aufschlag gemacht, und wenn man sich die konkreten Änderungen in diesem Gesetz anschaut, ist Ihr Zeitmanagement wirklich sehr traurig. Außerdem krankt es nach wie vor an einem entscheidenden Manko – Frau Baba hat es schon benannt –: Sie haben es wohl wieder des lieben Friedens willen versäumt, in diesem Gleichstellungsgesetz wirksame Instrumente zu verankern und Sanktionen festzuschreiben.

Damit komme ich auch schon auf unseren eigenen Antrag vom Mai letzten Jahres zu sprechen. Hier haben wir einen guten Vorschlag zur Implementierung eines Instrumentes gemacht, nämlich unseren Vorschlag zu § 17 LGG, ein Verbandsklagerecht einzuführen. Dies hätte den Vorteil gehabt, dass Frauen, die rechtswidrig benachteiligt wurden, sich an einen Verein oder Verband wenden könnten, der sie bei ihrer Klage gegen den Arbeitgeber unterstützt. Das ist alles. Damit hätte man die bestehende strukturelle Benachteiligung, die Sie gar nicht bestreiten, wenigstens abmildern können. Darum ging es in diesem Punkt.

Wir haben auch gute Beispiele für positive Auswirkungen beispielsweise im Umweltschutz und in drei Bundesländern mittlerweile – auch unter Beteiligung der Linken – im Tierschutz. Was uns die Tiere wert sind, sollte uns die Gleichberechtigung allemal wert sein. Das ist unser Argument. Deshalb verstehen wir auch diese Blockade gar nicht. Ihr Argument, die Frauenvertreterinnen werden das schon richten, lehnen wir ab. Sie festigen glücklicherweise hier die Position der Frauenvertreterin, behandeln das Ganze aber intern. Das ist – offen gesagt – keine sehr gute Idee. Unser Argument ist, dass man besser von außen draufguckt, weil man so dem internen Druck nicht ausgesetzt ist. Das ist der Kern unserer Idee von einem Verbandsklagerecht gewesen. Der Antrag steht heute auch zur Abstimmung. Wir hoffen, dass Sie sich jetzt doch noch eines Besseren besinnen und dem zustimmen.

Zum 20. Jahrestag des LGG, der am 29. November zu begehen sein wird, machen Sie viele, leider nur kleinere Geschenke. Das ist schade. Wir haben gehofft, dass Sie sich zu einem runden Geburtstag etwas spendabler zeigen würden. Ich bin sicher, dass sich auch das LGG etwas anderes gewünscht hätte. Es hätte auf seinem Wunschzettel bestimmt noch eine Sanktion oder ein wirksames Instrument stehen gehabt. Aber da müssen wir noch in die nächste Runde gehen – vielleicht in der nächsten Legislaturperiode. Nun machen Sie wenigstens eines, das wir hier nicht abstimmen müssen: Setzen Sie sich endlich für eine flächendeckende Gleichstellung ein! Dafür braucht man kein Gesetz und keine Ausführungsverordnungen, dafür braucht man nur das schlichte Interesse an Fairness und Gerechtigkeit. Setzen Sie dieses Neunte Gesetz zur Änderung des LGG jetzt auch wirklich durch! Unsere Unterstützung wird Ihnen dabei sicher sein.

[Beifall bei den Grünen– Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Kofbinger! – Herr Thiel hat jetzt für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte schön, Herr Thiel!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mehr Frauen in Führungspositionen – volle Unterstützung von uns! Ich würde es noch erweitern: Mehr Frauen in die Aufsichtsräte – auch da volle Unterstützung von uns! Die Frage bleibt – die habe ich im Ausschuss gestellt, ich stelle sie hier auch noch mal –: Was trägt die Novelle dazu bei, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen?

[Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]