Protokoll der Sitzung vom 25.11.2010

[Andreas Gram (CDU): Das haben wir doch alle zusammen gemacht!]

Okay, die FDP stimmt auch zu. Damit ist das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin mit den vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungen angenommen.

Es folgt

lfd. Nr. 5 A:

Dringliche zweite Lesung

Erstes Gesetz zur Änderung des Korruptionsregistergesetzes

Beschlussempfehlung Recht Drs 16/3659 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3401

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, Drucksache 16/3401-1. – Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksachennummer 16/3401. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Herr Kollege Dr. Kluckert hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die wirksame Bekämpfung von Korruption in der und in Bezug auf die Berliner Verwaltung ist der FDP-Fraktion ein besonderes Anliegen.

[Beifall bei der FDP]

Dies zeigt sich nicht zuletzt in unserer Initiative zur Einführung eines Sponsoringberichts für die Berliner Verwaltung, welche hier mit Ihrer Unterstützung zum Erfolg geführt worden ist.

[Beifall bei der FDP]

Jedoch ist der FDP-Fraktion auch die Einhaltung von rechtstaatlichen Rahmenbedingungen ein besonderes Anliegen, auch und gerade, wenn es um die Bekämpfung besonderer Gefahren geht. Wir stehen deshalb zu einem Korruptionsregister, in dem Unternehmen erfasst werden, denen korruptes Verhalten nachgewiesen wurde. Wir stehen auch dazu, wenn dieser Eintrag das wirtschaftliche Aus für diese Unternehmen bedeuten kann und Arbeitsplätze dort verloren gehen. Denn Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung, Bestechlichkeit und Bestechung unterspülen die Grundwerte, auf denen unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung beruht. Diese Straftaten verhindern Chancengleichheit, negieren das Leistungsprinzip und kosten den Steuerzahler Millionen oder gar Milliarden Euro.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben Ihnen jedoch zu drei einzelnen Punkten des Korruptionsregistergesetzes einen Änderungsantrag vorgelegt. Erstens: Bisher und weiterhin sollen in das Korruptionsregister auch Unternehmen und Personen eingetragen werden, denen ein korruptes Verhalten nicht nachgewiesen worden ist, sondern bei denen ein Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden ist. Damit sind wir nicht einverstanden. Eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO kann nicht einfach mit einer gerichtlichen Verurteilung gleichgesetzt werden, wenn so ernsthafte Konsequenzen bis hin zur Existenzvernichtung daran geknüpft werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann derjenige, dessen Verfahren gemäß § 153a StPO eingestellt wurde, sich weiterhin als unschuldig bezeichnen. Es erfolgt daher auch keine Eintragung im Bundeszentralregister. Wir halten es für rechtstaatlich höchst bedenklich, an eine Verfahrenseinstellung anzuknüpfen, um Unternehmen und die

dort vorhandenen Arbeitsplätze durch eine Eintragung in das Korruptionsregister zu ruinieren.

[Beifall bei der FDP]

Zweiter Kritikpunkt: Das Korruptionsregistergesetz sieht vor, dass eine Eintragung vorzeitig getilgt werden kann, wenn ein auffällig gewordenes Unternehmen nachweist, dass seine Zuverlässigkeit wiederhergestellt worden ist. Allerdings muss eine Eintragung zunächst immer erfolgen. Wegen langer Verfahrenszeiten kann es auf diese Weise passieren, dass auch ein Unternehmen eingetragen wird, das zum Zeitpunkt der Eintragung bereits nachweisen kann, seine Zuverlässigkeit durch Selbstreinigungsmaßnahmen wiederhergestellt zu haben. Wir halten das für unverhältnismäßig. Die FDP-Fraktion fordert daher mit ihrem Änderungsantrag, dass eine Eintragung im Register immer dann nicht erfolgt, wenn die Zuverlässigkeit bereits zum Eintragungszeitpunkt nachweislich wiederhergestellt worden ist.

[Beifall bei der FDP]

Alles andere ist mit dem Gesetzeszweck, der nicht darin besteht, ein Ersatzwirtschaftsstrafrecht zu schaffen, nicht zu vereinbaren.

Drittens: Wir setzen uns generell dafür ein, dass die Geltung von Gesetzen zeitlich begrenzt wird. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, dass dieses Korruptionsregistergesetz weiterhin zeitlich begrenzt wird und wir uns nach einem gewissen Zeitablauf als Parlament wieder zusammensetzen, um zu überprüfen, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Kluckert! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dörstelmann das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition hat 2006 mit dem Register und seiner Einrichtung einen wichtigen Baustein in der gesamten Korruptionsabwehr für das Land Berlin gelegt, und auf diesen Baustein kann man jetzt mit der Änderung, die heute vorgelegt wurde, weiter aufbauen. Dieser Baustein war ein klares Bekenntnis dafür, dass dieser sensible Bereich der Korruption in dieser Form bekämpft werden muss, dass er ernst genommen wird und dass er umfassende Maßnahmen erfordert, wenn man ihn ernsthaft bekämpfen will. Es ist sehr erfreulich, dass inzwischen eine breite Zustimmung zu diesen Maßnahmen besteht. Allerdings haben die Ausführungen des Kollegen Dr. Kluckert klargemacht, dass der Unterschied nicht nur im Detail liegt. Darauf werde ich gleich eingehen.

Dieses Gesetz ist außerordentlich erfolgreich, und das Register, das auf ihm fußt, hat sich in jeder Hinsicht be

währt. Die Zahlen belegen das. Wir haben allein 2 611 registrierte natürliche Personen und 360 registrierte juristische Personen in diesem Register, auf das 351 Institutionen mit 25 000 Anfragen im Jahr zugreifen. Das sind die Zahlen, die man sich vor Augen halten muss, wenn man über dieses Register und auch über die Frage spricht, ob es Sinn macht oder vielleicht zeitlich begrenzt werden muss – was eben schon angeklungen ist. Ich nehme es vorweg: Die zeitliche Begrenzung ist vor dem Hintergrund dieser bewährten Einrichtung völlig unsinnig.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Die Anhörung im Rechtsausschuss hat ebenfalls eine sehr eindeutige Tendenz ergeben, jedenfalls aus Sicht unserer Fraktion. Der Leiter der Zentralstelle Korruptionsabwehr und auch der Vertreter von Transparency International haben sich eindeutig geäußert: Es ist erforderlich und richtig, in diesem Bereich überhaupt keine Toleranz zu zeigen und auch keine Grauzone entstehen zu lassen. Das ist der grundlegende Erfolg dieses Registers. Davon bin ich überzeugt.

Das setzt klare Regeln voraus, und die eingesetzten Instrumente müssen natürlich Wirkung entfalten. Das ist hier geschehen. Niemand will in dieses Register – aus gutem Grund. Es hat weitreichende Folgen, und die soll es auch haben. Die Instrumente müssen auch wehtun, wenn man sie benutzt.

[Beifall bei der SPD]

Gleichzeitig ist dieses Register mit Sicherheit auch ein Vorbild, das auf Bundesebene irgendwann einmal übernommen werden sollte und das viele Dinge erleichtern würde. Aber so lange das noch nicht ist, kommt eine zeitliche Befristung dieses erfolgreichen Instruments auch nicht mehr infrage. Das sagen wir hier.

[Beifall bei der SPD]

Die einzelnen Regelungen tragen den Umständen Rechnung, die dieses Register erforderlich gemacht haben. Die Neuregelungen verschärfen es zum Teil, aber das auch ganz bewusst und ganz gezielt, und zwar nach den Erfahrungen, die gemacht wurden. Die Aufnahme der Betrugstatbestände in die relevanten Tatbestände nach § 3 ist sinnvoll und dient auch der Vereinheitlichung mit anderen Gesetzen aus diesem Bereich.

Ferner haben wir in diesem Gesetz auch differenziert dargelegt, dass nicht jeder, der handelt, automatisch beispielsweise für eine juristische Person mithandelt und das differenziert zu betrachten ist. Wer sich korrupt verhält, kann dies in einem großen Unternehmen – und dem trägt diese Regelung Rechnung – durchaus ausschließlich zum eigenen Zweck tun, ohne dass das im Unternehmen selbst bekannt wird. Hier ist Schutzvorkehrung für das Unternehmen getroffen, dass es sich nicht jedes Handeln zurechnen lassen muss.

Jetzt kurz zu Ihrem Änderungsantrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion: Aus meiner

Sicht stellen Sie mit Ihrem Antrag einen wichtigen Grundsatz, auf dem dieses Gesetz und auch seine Wirksamkeit fußen, infrage. Sie argumentieren mit der Unschuldsvermutung und der Einstellung nach § 153a StPO, dabei bezieht sich diese in erster Linie auf eine Situation, in der ein Tatverdacht von den Verfolgungsbehörden durchaus angenommen wird und bei dem die Verfolgungsbehörden auch sagen, dass sie diesen Tatverdacht belegen werden, wenn sie weiter ermitteln, und aus ganz anderen Gründen, nämlich der Praktikabilität, eine Einstellung anbieten, die niemand nehmen muss. Das haben Sie hier verschwiegen.

Wenn Sie der Meinung sind, die Unschuldsvermutung müsse an dieser Stelle durchgreifen und habe die entscheidende Bedeutung, dann müssen Sie auch dazu sagen: Wer das durchziehen will, wer sagt: Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen! –, der kann das tun und der wird, wenn er recht hat, eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO wegen mangelnden Tatverdachts bekommen oder er wird in einem Verfahren freigesprochen. Aber er muss es darauf ankommen lassen.

[Beifall bei der SPD]

Auch Ihre zweite Änderung lädt leider förmlich dazu ein, dass Unternehmen erst einmal ganz niederschwellige Einrichtungen zur Korruptionsprävention schaffen. Das ist ein Freischuss, den Sie in § 8 Abs. 4 fordern und nach dem jedes Unternehmen frei sein soll, danach mit Maßnahmen eine Eintragung ins Register zu verhindern. Das kann nicht sein!

[Beifall bei der SPD]

Herr Dörstelmann! Ihre Redezeit von fünf Minuten ist beendet.

Dann komme ich zum Schluss. – Ich glaube, dass Sie mit diesem Vorschlag eher wettbewerbsfeindlich handeln als der Wirtschaft helfen!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Rissmann das Wort.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Dr. Kluckert! Herr Kollege Dörstelmann! Meine Damen und Herren! Korruption berührt die Grundlage des Staates, nämlich das Vertrauen seiner Bürger im Allgemeinen und in die Unbestechlichkeit seiner Beamten und Entscheidungsträger im Besonderen. Die Bedeutung dieser immateriellen Rechtsgüter kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es ist eine

Errungenschaft unserer Gesellschaft, dass Zuwendungen zur Erreichung von Entscheidungen, wie es früher in höfischen Gesellschaften und wohl auch heute noch mancherorts in unserer Welt üblich war und ist, der Vergangenheit angehören, besser gesagt: nach einem Grundkonsens, den ich auch hier sehe, anzugehören haben.

Aber es ist nicht nur das Vertrauen der Bürger in den Staat, seine Einrichtungen und Amtswalter tangiert und unterminiert, sondern auch unsere Wirtschaftsordnung mit nahezu unabsehbaren Folgen. Preise sollen – vereinfacht gesagt – durch Angebot und Nachfrage am Markt frei gebildet werden. Diese Regelungsmechanismen des Marktes werden aber durch Korruption ausgehöhlt. Es kommt zu einer im vorgenannten Sinne fehlerhaften Preisbildung am Markt, was die sogenannte Sog- und Spiralwirkung der Wirtschaftskriminalität nach sich zieht. Das bedeutet verkürzt, dass auch Konkurrenten, wollen sie denn am Markt bestehen, zu gleichen Methoden greifen müssen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir in Berlin im Jahr 2006 versucht haben, dem durch die Schaffung des Korruptionsregistergesetzes einen weiteren Riegel vorzuschieben.

Dieses Instrument hat viel Beachtung gefunden. Beispielsweise ist unsere Beratung über dieses Gesetz der Anlass für einen Aufsatz in der heute erschienenen Ausgabe der „Zeitschrift für Rechtspolitik“ auf den Seiten 256 ff., auch mit dem Hinweis, wie andere Bundesländer es zu regeln gedenken. Im Übrigen finden sich da auch die Argumente und Sorgen des Kollegen Kluckert, auf die ich gleich noch einmal zurückkomme.

Dieses Instrument hat viel Beachtung gefunden. Wir reden heute auch nur über das Gesetz, weil wir einst die Geltungsdauer begrenzten, um ganz im Sinn einer guten Gesetzgebungskultur das Gesetz nach einer Zeit auf seine Wirkungskraft und Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Das hat der Rechtsausschuss in guter sachlicher Atmosphäre getan, und man kann zusammenfassend festhalten: 1. Das Gesetz hat sich grundsätzlich bewährt. Das haben alle Sachverständigen im Rahmen der Anhörung zum Ausdruck gebracht. 2. Alle Fraktionen tragen den Grundgedanken und die wesentlichen Regelungen mit – wenn ich das richtig sehe, tut das auch der Kollege Kluckert – und sprechen sich dem Grunde nach für den Fortbestand dieser Regelung aus. 3. Allein im Wesentlichen streitig geblieben ist die Frage der Aufnahme von Verfahrenseinstellungen nach § 153a StPO in § 3 Abs. 2 dieses Gesetzes, der den für die Eintragung erforderlichen Nachweis regelt.