Es sind wieder jeweils fünf Minuten pro Fraktion vorgesehen. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Thiel.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir legen Ihnen hier heute einen Antrag vor, mit dem wir gern in der Daseinsvorsorge oder der sogenannten Daseinsvorsorge mehr Wettbewerb haben wollen.
Warum? – Wir wollen Wettbewerb haben, weil uns die Anliegen der Bürger dabei am Meisten interessieren. Ich werde dies gleich noch einmal an ein paar Beispielen ausführen.
Der Begriff der Daseinsvorsorge ist ein sehr unbestimmter. In einem Diskussionspapier – allerdings aus dem Jahr 2005 – fand ich folgende Bereiche, die man der sogenannten Daseinsvorsorge zuordnen kann. Es sind die Bereiche Energie, Wasser, Abfall, Transport, Telekommunikation, Post, Medien, Kita, Schulen, Universitäten, Hochschulen, Krankenhäuser, Schwimmbäder und Friedhöfe. Die Liste ist nicht vollzählig; ich habe lediglich die wichtigsten Dinge herausgegriffen. Warum habe ich sie Ihnen eben zugemutet und vorgelesen? – Ich möchte eines deutlich machen: Es kommt darauf an, dass die Bürgerinnen und Bürger eine Verlässlichkeit in der Grundversorgung bekommen, und das zu einem angemessenen Preis. Das wollen wir erreichen.
Sie alle – ich auch – haben davon profitiert, dass ein Bereich, der hier noch zur Daseinsvorsorge gezählt wurde, Wettbewerb zugelassen hat. Es ist der Bereich der Telekommunikation. Wenn ich mich hier im Rund umschaue, sehe ich, dass Sie alle unterschiedliche Geräte benutzen; sie werden vermutlich auch alle unterschiedliche Anbieter oder Provider – wie es so schön heißt – haben, und Sie werden unterschiedliche Preise zahlen, je nachdem, wie Sie die einzelnen Bereiche nutzen.
Nur der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass einer der wesentlich Beteiligten, die dieses Postmonopol zu Fall gebracht haben, der uns sehr vertraute Günter Rexrodt gewesen ist.
Überall dort, wo die Politik glaubt, in den Markt eingreifen zu müssen, kommt es zu Marktverzerrungen und Marktverwerfungen. Ich gebe dazu ein tragisches Beispiel aus unserer Stadt: die Wohnungsbaugesellschaften. Sie schieben zweistellige Milliardenbeträge an Schulden vor sich her, wissend, dass sie sie auch in den nächsten dreißig, vierzig Jahren nie tilgen können, und tun so, als seien sie erfolgreiche Geschäftsleute. Das ist pervers.
Wir haben hier gerade vor 14 Tagen über die Privatisierung der Berliner Wasserwerke diskutiert. Ich hatte den Eindruck, als sagten alle, die Vertragsgestaltung sei mehr als dürftig gewesen. In der Tat. Das sehen wir auch so. Das heißt aber nicht, dass es grundsätzlich nicht nachdenkenswert ist, Private auch mit solchen Aufgaben zu betrauen, nur weil die Vertragsgestaltung schlecht war. Ich bin davon kein Gegner. Ich bin wohl aber ein Freund davon, vernünftige Verträge abzuschließen, die vor allem dazu beitragen, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Ich wurde sehr hellhörig, Herr Müller, als Sie bei Ihrem letzten Einlass sagten, es sei nicht zwangsläufig so, dass automatisch die Wasserpreise gesenkt würden, wenn sich Berlin an den Wasserbetrieben höher beteiligte. Das war sehr ehrlich und sehr richtig. Herrn Nußbaum wird es freuen, wenn er weiterhin die Gelder einstreichen kann, uns sicherlich auch – von der Haushaltsseite her gesehen. Es ist auch ehrlich zu sagen, dass sich nicht automatisch etwas an den Preisen ändern würde, wenn die Stadt dort hineingeht.
Wir wollen das aber. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht weiter solche hohen Gebühren zahlen müssen.
Deswegen fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, uns ein Konzept vorzulegen, in dem er ausführt, wie er langfristig bei der Erbringung der Leistungen der sogenannten Daseinsvorsorge gedenkt, sich zu positionieren, ob er unter Umständen Rückkäufe plant oder aber auch Einstiege erwägt – manche diskutieren, ohne das Geld zu haben, wir sollten bei der GASAG einsteigen –, welche Kosten entstehen. Wir wollen wirklich einmal wissen, welche Vorteile und welche Nachteile dies wieder für die Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt bringt.
Ein Punkt zum Schluss ist auch wesentlich: Welche Organisationsstruktur in der Senatsverwaltung wird mit der Umsetzung dieser Maßnahmen beauftragt? Eines soll
nicht noch einmal geschehen – was alle hier bedauern, aber nicht mehr ändern können –, dass schlicht und einfach Verträge zulasten des Landes Berlin geschlossen werden und die Bürgerinnen und Bürger und Steuerzahler dafür wieder aufkommen müssen. Das wollen wir nicht weiter haben. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Wunsch der FDP diskutieren wir hier nun über das drollige Thema „Wettbewerb in der sogenannten Daseinsvorsorge“. Allein diese Formulierung offenbart schon die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Inkompetenz der FDP.
In der Volkswirtschaftslehre gilt es als weithin unstrittig, dass es Fälle des Marktversagens gibt, wo nur der Staat dafür sorgen kann, überhaupt ein Angebot – oder ein für alle Bevölkerungsschichten bezahlbares Angebot – zu gewährleisten, auch, dass es Formen natürlicher Monopole gibt, die in privater Hand zu Monopolrenditen führen, die nicht im Gemeinwohlinteresse liegen. In der simplen Welt der FDP existiert dies alles natürlich nicht. Ihr Dogma lautet: Der Wettbewerb regelt alles, führt stets zu optimaler Versorgung bei günstigen Preisen für die Bürgerinnen und Bürger, ganz egal, ob bei der Gesundheitsversorgung, bei der Mobilität oder der Energie- und Wasserversorgung.
Ich nehme als Beispiel das Gesundheitssystem der USA. Dort heißt das Motto schön kapitalistisch: You get what you pay for – man bekommt, wofür man bezahlt, oder im Umkehrschluss: Man bekommt nichts, wenn man nicht bezahlen kann. Dies bedeutet in der letzten Konsequenz: Wer als mittelloser Kranker vor einer Apotheke steht und nicht zahlen kann, hat keine Chance, das lebensrettende Medikament zu erhalten. Immerhin gibt es in den USA in letzter Zeit Bestrebungen, dieses System in Richtung einer besseren Daseinsvorsorge zu verändern. In Deutschland steuert die FDP in die entgegengesetzte Richtung einer Gesundheitsversorgung ausschließlich nach dem Geldbeutel. Ihr Parteifreund Rösler schreitet auf Bundesebene voran, Ihr vorliegender Antrag geht in die gleiche Richtung.
[Henner Schmidt (FDP): Zum Thema! Reden Sie mal über Daseinsvorsorge und Berlin, nicht über irgendeinen Quatsch!]
Ich komme dazu. Sehr recht! – Hier in Berlin haben wir jedenfalls in der Gesundheitsversorgung einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge bewusst in öffentlicher Hand: Vivantes, Charité. Und daran halten wir fest. Es gibt durchaus private Mitbewerber, Helios ist Ihnen sicherlich ein Begriff. Auch in der Wohnungswirtschaft wird der Markt mit über 80 Prozent ganz überwiegend durch Private abgewickelt, aber wir haben städtische Wohnungsunternehmen, und Herr Thiel, die sind nicht pervers, die sind ein wichtiger Teil, um hier auch ein Regulativ zu schaffen, um als öffentliche Hand auf die Wohnungsversorgung und die Mieten Einfluss nehmen zu können.
Und wie immer eine künftige Landesregierung zusammengesetzt sein mag, eine Veräußerung oder Zerschlagung dieser Unternehmen der Daseinsvorsorge ist mit der SPD nicht zu machen.
Aber die FDP sorgt sich um das Thema Rekommunalisierung; Sie haben es hier angesprochen. Die Wasserversorgung ist genau solch ein natürliches Monopol, mit garantierten Renditen versehen, es ist ein Preisniveau vorgegeben.
das thematisieren Sie hier so stark, lenkt aber vom eigentlichen Problem ab, dem Kardinalfehler, ein natürliches Monopol der öffentlichen Daseinsvorsorge der privaten Renditenerzielung unterworfen zu haben.
Das Abgeordnetenhaus stellt fest, dass bei Fragen um den langfristigen Umgang mit der Erbringung von Leistungen der sogenannten Daseinsvorsorge, an erster Stelle die Anliegen der Bürger berücksichtigt werden müssen.
Der Senat hat einen fairen und transparenten Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Anbietern zu ermöglichen.