Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Wir haben in Berlin im Bereich der Bildung die Schulstrukturreform eingeführt, was in meinen Augen die größte Integrationsleistung im letzten Jahrzehnt war. In Berlin wird kein Kind mehr im Alter von elf Jahren nach „gut“, „mittel“ und „schlecht“ eingeteilt. In Berlin haben wir eine Menge im Bereich der frühkindlichen Förderung getan. Im Bereich der Kita gab es viele richtiggehend revolutionäre Maßnahmen. Darauf kann Berlin stolz sein.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Mit dem Programm „Soziale Stadt“ haben wir versucht, die Beteiligung der Menschen in den Quartiermanagementgebieten vor Ort zu erhöhen. Darauf kann Berlin ebenfalls stolz sein. Und Berlin kann stolz darauf sein – das sage ich mit aller Klarheit –, dass wir eine Kampagne wie „Berlin braucht dich!“ organisiert haben. Wir haben gesagt: Liebe junge Menschen mit Migrationshintergrund, beteiligt euch am staatlichen Leben! Geht in die Berufe, die für alle wichtig sind! Bewerbt euch im öffentlichen Dienst!

Das, was ich gerade genannt habe, steht nicht im Widerspruch zum Integrationsgesetz. Ganz im Gegenteil: Das Integrationsgesetz ist ein weiterer, wichtiger Schritt in einer Reihe von Maßnahmen, die wir bereits getroffen haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das noch mal als Erklärung für FDP und CDU, denn ich habe den Eindruck, das Thema Integration ist bei Ihnen vollkommen ausgeblendet.

[Michael Dietmann (CDU): Ah!]

Ja, beweisen Sie mir das Gegenteil! Kommen Sie nach vorn, und beweisen Sie das Gegenteil! Das, was vorhin gesagt wurde, geht in die Richtung.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie wollen es nicht!]

Nur ganz wenig von dem, was Sie gesagt haben, deutet darauf hin, dass Sie das Thema überhaupt verstanden haben.

[Michael Dietmann (CDU): Ja, ja! Blabla!]

Wenn wir heute gemeinsam das Gesetz verabschieden, dann bitte ich Sie um eines: Versuchen Sie, wenn Sie unterwegs sind, das Gesetz auch nach außen zu kommunizieren, indem Sie sagen: Wir wollen nicht Menschen unnötig bevorzugen, sondern es geht darum, in der Stadt bestehende Benachteiligungen abzubauen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Bayram das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! In die Richtung der FDP-Fraktion will ich kurz zitieren, was Volker Beck heute gesagt hat:

Brennende Gotteshäuser, egal welcher Religion, sind die Quittung für rassistische Rechnungen über Intelligenzquotienten und angeblich fehlenden Integrationswillen von Migrantinnen und Migranten.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Damit wird deutlich, dass das, was Sie mit Ihren Anträgen und Ihrer GO-Debatte versuchen, in eine Richtung geht, die man nicht verantworten kann und die Sie, solange Sie noch in diesem Haus sitzen, nicht verantworten sollten.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Nun zum Antrag, zu diesem Integrationsgesetz, das wir heute besprechen. Es ist leider so, dass wir dem nicht zustimmen können, dass wir uns enthalten müssen.

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Der Grund dafür besteht darin, dass uns heute leider ein Gesetz vorgelegt wurde, das nicht zustimmungsfähig ist, denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot haben in Ihr Gesetz auch hineingeschrieben, dass der mangelnde Integrationswille dafür verantwortlich ist, dass Integration nicht funktioniert. Lesen Sie sich das doch einfach noch mal durch! Das ist eine einseitige Schuldzuweisung und wird so von uns nicht getragen.

[Beifall bei den Grünen]

Echte Partizipation geht weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da hätten wir uns auch mehr vorstellen können. Da hätten wir auch gern mit Ihnen mehr diskutiert und gesprochen. Aber was stimmt und was Sie nicht leugnen können, ist, dass Sie eine Initiative aus der Mitte der Gesellschaft – die dort oben vertreten ist, die ich auch ganz herzlich begrüße und für deren Arbeit ich mich bedanke – benutzt haben, um über Ihre Mängel, Fehler und Versäumnisse hinwegzutäuschen. Das ist etwas, was wir nicht richtig finden.

Strukturelle Benachteiligung wird hier immer aufgeführt. Das haben Sie auch, lieber Herr Kollege Wolf, in Ihrer Rede ausgeführt. Die gibt es, die ist festgestellt worden. Aber dieses Gesetz, das Sie hier einbringen, ist nicht geeignet, das in irgendeiner Art und Weise aufzuheben oder zu beseitigen. Wären Sie in dieser Innenausschusssitzung gewesen, aus der Sie einen der Anzuhörenden zitiert haben, dann hätten Sie auch mitbekommen, dass da andere Anzuhörende waren, und die haben gesagt: Dieser Senat hat Gutachten und Positivmaßnahmen, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgeschlagen wurden, was gemacht werden müsste, um genau das zu beseitigen. Hochschulabsolventen kriegen in Deutschland, in Berlin keine Arbeitsplätze. Da geht es nicht um das typische Klientel von Herrn Buschkowsky.

[Udo Wolf (Linksfraktion): Ja, eben!]

Dagegen machen Sie nichts, da sieht Ihr Gesetz nichts vor. Da brauchen Sie sich auch nicht hier hinzustellen und so zu tun, als wenn das anders wäre.

[Beifall bei den Grünen]

Das wirklich Interessante an dieser Ausschusssitzung war, dass dann auch noch der Integrationsbeauftragte Herr Piening sagte, die Benachteiligung/Antidiskriminierung wolle er mit diesem Gesetz gar nicht regeln. – Das gehört zur Wahrheit, und insoweit müssen Sie sich an dem messen lassen, was Sie hier vorgelegt haben. Ich unterstelle Ihnen ja gar nicht, dass Sie all das Gute, das Sie in Ihrer Rede genannt haben, nicht irgendwann vielleicht sogar mal machen wollen.

Frau Bayram! Entschuldigung, dass ich Sie störe! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Braun?

Im Moment nicht, danke! – Insoweit haben wir uns die Entscheidung auch nicht leicht gemacht. Aus Respekt vor denjenigen aus der Mitte der Gesellschaft, die an diesem Gesetz mitgearbeitet und ihre ehrenamtliche Freizeit zur Verfügung gestellt haben, enthalten wir uns.

Denn ansonsten muss man wirklich sagen: Dieses Gesetz ist leider sowohl handwerklich als auch in seiner Intention in eine falsche Richtung gehend. Immer noch wird „die“ und „wir“ unterschieden. Kein bisschen Diversity ist da drin. Es wird so vieles von dem, was wissenschaftlicher Stand ist, wozu Sie ständig Anhörungen machen und sich beraten lassen, nicht reingenommen. Ich frage mich: Ja, warum denn? Wollen Sie es nicht, oder können Sie es nicht?

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bayram! – Das Wort für eine Kurzintervention hat jetzt der Herr Abgeordnete Wolf.

Sehr geehrte Frau Bayram! Die Anhörung war übrigens im Integrationsausschuss, nicht im Innenausschuss, aber im Unterschied zu einer gewissen Kandidatin informiere ich mich auch über Veranstaltungen, die hier im Land stattfinden und wichtige politische Themen beinhalten, bei meinen Fachpolitikerinnen und -politikern.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Es gibt ein Antidiskriminierungsgesetz, das müssen wir nicht noch mal machen. Herr Wansner hat es auch nicht verstanden, genauso wenig wie Sie: Wir haben ein Integrationskonzept 1 und ein Integrationskonzept 2. – Herr Wansner! Sie waren übrigens 2005 strikt dagegen und haben gesagt: Das ist überflüssig wie ein Kropf und überhaupt! – Ja, ja, Sie erinnern sich nur nicht! Das macht viele Menschen politikverdrossen, was Sie hier so hin- und hererzählen. Mich nicht, weil ich Sie kenne!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Frau Bayram! Was Sie jetzt machen, ist doch nichts anderes, als eine Ausflucht dafür zu finden, dass Sie noch mal ein Alleinstellungsmerkmal haben wollen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Selbstverständlich kann man noch viel mehr regeln. Aber wir haben uns in der Koalition entschieden: Wir bringen dieses Gesetz auf den Weg.

[Özcan Mutlu (Grüne): Das ist ein zahnloser Tiger, der nichts nützt!]

Wir gehen den ersten Schritt, und Sie müssen sich entscheiden: Gehen Sie diesen ersten Schritt mit dem Landesbeirat und mit uns in die gleiche Richtung, oder gehen Sie in die andere Richtung? Fangen Sie an, Integrations

politik auf der Grundlage der Integrationskonzepte 1 und 2 weiterzugestalten, wo wir Vorreiter in Berlin sind und mit dem Gesetzesvorhaben, was den Teilbereich der Partizipation angeht, Vorreiter in Deutschland wären und damit einen wichtigen Punkt gegen die Stigmatisierungsdebatten und den Alltagsrassismus in der Gesellschaft setzen würden!

[Özcan Mutlu (Grüne): Jetzt sind wir wieder schuld!]

Ringen Sie sich durch! Gehen Sie an unserer Seite diesen Weg! Wenn nicht, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Auf jeden Fall bin ich mir ziemlich sicher, dass der Landesbeirat bei aller Kritik, die er im Einzelnen an den Sachen hat, sehr froh darüber ist, wenn wir heute dieses Gesetz verabschieden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Frau Bayram! Sie möchten erwidern. Dann haben Sie jetzt die Gelegenheit. Bitte sehr!

Lieber Herr Kollege! Wenn Sie schon so kleinlich sind, dann lesen Sie doch zumindest! Das war ebenfalls der Innenausschuss. Das war eine Anhörung für beide Ausschüsse.

[Ah! von der Linksfraktion]

Aber der Punkt ist: Selbst die Leute aus der migrantischen Landschaft in Berlin, die Sie bis Dienstag noch eingesammelt haben und die unterschrieben haben, dass man diesem Gesetz zustimmen soll, sagen: Integration lässt sich gesetzlich gestalten, und das, was Sie hier machen, könnte ein Schritt sein. – Ja, reicht Ihnen das?