Protokoll der Sitzung vom 13.01.2011

Der Anlass für die Diskussion heute ist Frau Lötzsch, die eine Veranstaltung besuchen wollte und vorher etwas geschrieben hat. Der Kollege Henkel hat schon darauf hingewiesen, da haben Menschen protestiert, da waren Mitglieder der Vereinigung der Opfer des Stalinismus und sind tätlich angegriffen worden. Sie müssen sich das mal vorstellen! Wenn jemand in Hohenschönhausen oder Bautzen gesessen hat, weil er einfach den planmäßigen Aufbau des Kommunismus gestört hat, wenn dieser Mensch gegen eine solche Veranstaltung protestiert und dann verdroschen wird, das verurteilen wir.

[Allgemeiner Beifall]

Der Presse war zu entnehmen, dass der Entwurf des Artikels der Parteivorsitzenden der Linken aus dem Apparat der Linkspartei im Entwurf stammt, dass da sogar etwas dazu dringestanden hat, dass da drinstand, dass man sehr wohl berücksichtigen muss, welche Opfer der Kommunismus auf seinem Weg gefordert hat und was für Menschenrechtsverletzungen stattgefunden haben. Die Parteivorsitzende hat sich anders entschieden. Sie fand das nicht so wichtig. Sie sagt uns, während des Schreibens hätte sie daran gedacht. Ich finde, so geht es nicht. Das ist, denke ich, nicht nur die Vorsitzende. Wir sind hier,

glaube ich, auch in den letzten Jahren in diesem Parlament gelegentlich an merkwürdige Punkte gekommen. Ich erinnere mal, 2006 war es eine Debatte über eine Erklärung des EU-Parlaments zur Menschenrechtssituation auf Kuba. Die Linkspartei hat hier in der Debatte erklärt, das sei völlig unnötig, eine lokale Frage, darüber brauchte man sich hier gar nicht auseinanderzusetzen. Oder denken Sie daran: Vor zwei Jahren haben wir uns hier über das Gesetz zur Errichtung der Stiftung Berliner Mauer unterhalten. Linke und auch SPD wollten die Übersiedlung in die DDR in den Stiftungszweck schmuggeln. Wir reden über Mauertote, und Sie relativieren das mit ein paar Verirrten, die in den Osten wollten.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD]

Wir haben hier im letzten Jahr beantragt, den Berlin-Pass, eine soziale Maßnahme, auch für Opfer des SED-Regimes zur Anwendung kommen zu lassen. Sie haben gesagt, das ist unnötig. Sie haben sich Ausflüchte überlegt. Ein wenig Demut haben Sie auch an der Stelle einfach vermissen lassen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir haben hier heute einen Antragstext vorgeschlagen, von dem wir angenommen haben, dass er kompromissfähig ist und von allen im Hause geteilt werden kann.

Herr Abgeordneter Otto! Ihre Redezeit ist beendet.

Einen letzten Satz gestatten Sie mir bitte noch. – Jetzt haben die SPD und die Koalition insgesamt einen Änderungsvorschlag dazu gemacht. Wir hatten hier hineinformuliert:

Die Kommunismusdebatte ist sogar gefährlich, weil sie dazu dient, die Menschenrechtsverletzungen der Regime zu relativieren, die sich auf den Weg zum Kommunismus gemacht haben.

Es ist bedauerlich, dass Sie als SPD und die Koalition diese Wege nicht gefährlich finden. Wir müssen deshalb Ihren Änderungsantrag ablehnen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Otto! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Seelig das Wort.

[Zurufe von der CDU]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wäre ja schön, wenn die CDU mal mit Inhalten für die Berliner Politik auffallen würde, dann würden sich Bürgerinnen

und Bürger vielleicht auch an den Namen Ihres Spitzenkandidaten erinnern.

[Andreas Gram (CDU): Ist das peinlich, Frau Seelig!]

Aber der ganz tiefe Griff in die alte Mottenkiste der Drohung mit dem Kommunismus wird es nicht richten. Damit konnten Sie jahrzehntelang in Westberlin auf Stimmenfang gehen, was angesichts von Mauer, Stacheldraht und Systemauseinandersetzung nicht verwunderlich war. Aber nach mehr als 20 Jahren deutsche Einheit steht die Berliner Linke ist in ganz besonderer Weise für ein Zusammenwachsen der Stadt.

[Gelächter bei der CDU und den Grünen]

Wer soll Ihnen denn glauben, dass wir nach neun Jahren Regierungsbeteiligung morgen hier die bewaffnete Räterepublik ausrufen?

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von der CDU und den Grünen]

Auch zum Stil hätte ich noch eine Anmerkung: Seit wann ist es üblich, dass Landesparlamente Entschließungen gegen Bundesvorsitzende konkurrierender Parteien verabschieden?

[Andreas Gram (CDU): Wenn die so einen Unsinn verzapfen, ist es dringend notwendig!]

Da wäre uns im Laufe der Jahre sicher auch das eine oder andere eingefallen. Ich muss Ihnen allerdings klar sagen: Wenn mich jemand gefragt hätte, wo geht’s denn bitte hier zum Kommunismus, hätte ich geantwortet: Das weiß ich nicht, und das ist mir egal. Ich will da nicht hin. Ich bin demokratische Sozialistin. Und selbst wenn es da auch viele Wege geben mag, so sind sie alle, wie der Name schon sagt, demokratisch.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von der CDU]

Das ist auch der Anspruch der Partei Die Linke, wie es am Montag zum Jahresauftakt Gregor Gysi noch mal deutlich gemacht hat. Aber auch Gesine Lötzsch wollte im Übrigen selbst in ihrem kritisierten Text nicht der Demokratie abschwören.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Es steht ja noch etwas mehr drin als die auch hier zitierten Wege zum Kommunismus.

[Zurufe von den Grünen]

Denn es ist wohl wahr, dass im Verlauf der Geschichte alle Wege, die zum Kommunismus führen sollten, Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Millionen wurden unter Stalin ermordet und versklavt, auch Unzählige, die an den Kommunismus glaubten.

[Zuruf von der CDU]

Die Blutopfer unter Mao, der Steinzeitkommunismus der Roten Khmer in Kambodscha, aber auch eine Kominternpolitik, die die KPD am Vorabend der Machtergreifung

durch Hitler in die verheerende Sozialfaschismusthese manövrierte.

Die gewalttätigen Übergriffe auf Mitglieder des Vereins 17. Juni e. V. und auf Vera Lengsfeld werden von uns ohne Wenn und Aber verurteilt.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

Es ist perfide, Opfer des Stalinismus anzugreifen, die jedes Recht dieser Welt haben, gegen die Veranstaltung in der Urania zu protestieren. Es ist ein Angriff auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, die für uns konstituierend für Demokratie ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich hätte auch von den Veranstaltern der LuxemburgTagung zumindest eine Distanzierung oder ein Bedauern gerne gehört.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, den Grünen und der FDP – Christoph Meyer (FDP): Da können Sie lange warten!]

Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden, um hier ein Luxemburg-Zitat wiederzugeben, das in der friedlichen Revolution in der DDR eine große Rolle gespielt hat.

Die Debatte, die momentan geführt wird, hat sich aus meiner Sicht auch längst vom Anlass gelöst. Man hat den Eindruck, es geht vielen darum, das Ende der Geschichte herbeizureden, als wäre der momentane Zustand des Kapitalismus nicht überwindbar, als wäre es verboten, darüber hinauszudenken. Dabei gibt unser Grundgesetz dafür den Raum. Es ist moderner, als die CDU vermuten lässt. Aber die erinnert sich ja auch nicht mehr an ihr Ahlener Programm.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die Utopie von einer „Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die Entwicklung aller ist“, hieß auch Kommunismus, und Marx konnte nicht wissen, was Menschen für seine verheißungsvolle Zukunft anderen Menschen anzutun bereit waren.

Wie sind heute zu Recht allen Wahrheitsgewissheiten gegenüber skeptisch, weil sich die Gesellschaft so rasant entwickelt wie noch nie, weil wir uns verändern, weil neues und anderes ausprobiert werden muss. Deshalb sind mir die Gewissheiten einer Luxemburg-Tagung ebenso suspekt wie die derer, die immer noch glauben, in einer Frontstadt zu leben. Irgendwie dieselben alten Gegner!

[Zuruf von der CDU: Pfui!]

Meine Fraktion ist davon überzeugt, es gibt viel mehr und anderes für die Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt zu tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Seelig! – Für die FDPFraktion hat jetzt Herr Fraktionsvorsitzender Meyer das Wort.

[Zuruf von der CDU: Das war ja eine peinliche Rede!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann sicher bei dem vorliegenden Antrag der CDU über die eine oder andere Formulierung streiten. Aber ich habe bisher von keinem meiner drei Vorredner einen einzigen Grund gehört, weswegen man diesem Antrag nicht zustimmen kann.