Mit gerichtlichen Entscheidungen muss man nicht einverstanden sein. Man kann sie kritisieren, man kann dagegen protestieren, man kann dagegen friedlich und ohne Waffen demonstrieren, oder man kann sich dafür einsetzen, dass im Rahmen eines parlamentarischen Verfahrens, ggfs. durch ein Volksbegehren, Gesetze für die Zukunft geändert werden. Unzulässig und für uns niemals akzeptabel ist es jedoch, mit Gewalt und Erpressung einen Bürger oder den Staat dazu zu bringen, auf die Durchsetzung titulierter Ansprüche zu verzichten.
Nichts anderes als Gewaltandrohung und Erpressung enthält der von der Abgeordneten Bayram im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses verteilte Flyer „Liebig 14 – eine gewollte Eskalation“. Wer erstens einen solchen linksextremistischen Flyer unkommentiert im Innenausschuss verbreitet, zweitens danach versucht, mit abenteuerlichen Argumenten den Polizeipräsidenten und den Innensenator davon zu überzeugen, keine polizeiliche Amtshilfe für den Gerichtsvollzieher und die Eigentümer zu leisten, und drittens dann noch verlangt, dass der Polizeipräsident alle Einzelheiten des geplanten Einsatzes zur Räumung des Hauses preisgibt, setzt sich dem Verdacht aus, der parlamentarische Handlanger gewaltbereiter Extremisten zu sein.
Und wer es – wenn Passagen aus dem Flyer vorgelesen werden – auf ausdrückliche Aufforderung nicht schafft, sich im Innenausschuss von diesem eindeutig extremistischen Gedankengut zu distanzieren, der darf sich auch nicht wundern, dass die heute erklärte Distanzierung nur als wenig glaubhaftes Lippenbekenntnis gewertet wird, das der politischen Zweckmäßigkeit geschuldet ist.
Das Gewaltmonopol des Staates ist kein bloßes Vorrecht, das er nur dann auszuüben braucht, wenn es ihm politisch opportun erscheint. Das Gewaltmonopol des Staates geht vielmehr mit der unabdingbaren Verpflichtung einher, die Rechte der Bürger zu verteidigen. In einem Staatswesen haben die Bürger zum Zwecke eines gedeihlichen Miteinanders auf ihr eigenes Gewaltrecht verzichtet. Darauf haben sie nur deshalb verzichtet, weil sie darauf vertrauen, dass der Staat sie vor rechtswidrigen Angriffen schützt. Wer zulässt oder fordert, dass der Staat dem Bürger bei der Verteidigung seiner Rechte nicht zur Seite steht, insbesondere aus politischen Gründen, der legt die Axt an diesen gesellschaftlichen Vertrag, ja, er stellt das Gewaltmonopol insgesamt in Frage.
Die Grünen haben am Beispiel Liebig 14 ein weiteres Mal deutlich gemacht, dass sie keine Bürgerrechtspartei sind, für die sie sich immer ausgeben und für die sie von vielen gehalten werden. Bei den Grünen gibt es einige, die glauben, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und der Schutz des Eigentums gelten nur für Bürger mit linker Gesinnung und sind Mittel, um ausschließlich die Verbreitung linken Gedankenguts zu fördern.
Bei den Grünen gibt es einige, die glauben, man könne Rechtsbruch und Straftaten verniedlichen oder tolerieren,
wenn der Rechtsbruch nur mit linker Gesinnung verübt wird. Beispielhaft sei hier nur erwähnt, dass das Anzünden von Kraftfahrzeugen als Konjunkturprogramm für die Versicherungswirtschaft bezeichnet und zum Hausfriedensbruch am Flughafen Tempelhof durch das Übersteigen der Zäune aufgerufen wurde.
Das ist unsere Überzeugung, und das ist – damit keine Missverständnisse auftreten – die tiefe Überzeugung der allermeisten Grünen, insbesondere derjenigen, die aus der Bürgerrechtsbewegung der ehemaligen DDR stammen.
Wir fordern alle Beteiligten auf, auf dem Boden der Rechtsordnung und unter Achtung der bestehenden Rechtspositionen an einer gewaltfreien Konfliktlösung zu arbeiten. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Kluckert! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die antragstellenden Fraktionen haben um sofortige Abstimmung gebeten. Wer dem Antrag auf Drucksache 16/3809 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die Fraktion der FDP. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich frage auch nach dem Abstimmungsverhalten der Fraktionslosen. – Herr Hillenberg, Sie gehören zu dem Block, der zugestimmt hat. Das wird jetzt festgestellt.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und Frau EichstädtBohlig hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen heute wieder einmal schauen, wie der Stand der Planungen und Konkretisierungen für das Tempelhofer Feld ist. Dafür haben wir einen Antrag gestellt, und zwar ganz schlicht deshalb, weil wir sehr unzufrieden damit sind, dass wir nach wie vor von der Senatsver
Seit über einem Jahr gibt es das Bild, dass eine große Parklandschaft in der Mitte innerhalb des Taxiways und außen herum Segmente für die Randbebauung sein sollen. Für die Parklandschaft erfahren wir, dass da die IGAPlanung kommt und Wettbewerbe und Bürgerbeteiligungen gemacht werden. Aber über die Randbebauung hören wir nur, dass irgendetwas im Geheimen geplant wird und dass das Wettbewerbsverfahren für das Columbiaquartier in der Schublade landete. Mehr ist bis heute nicht zu sehen. Das ist unbefriedigend, Frau Senatorin!
Darum haben wir in unserem Antrag heute dargelegt, wie sich aus unserer Sicht das Tempelhofer Feld zu einem Modellprojekt für Klimaschutz und ökologische Innovationen entwickeln könnte und was dafür zu tun ist. Ich muss dabei schon ein paar Kritikpunkte erwähnen, die uns wichtig sind: Der erste ist – und er ist auch im Hauptausschuss schon diskutiert worden –: Bevor es überhaupt ein Gesamtkonzept gibt, das auch hier im Abgeordnetenhaus und öffentlich wirklich diskutiert und abgestimmt wird, wurde wieder einmal vom Senat ein Trägervertrag über zehn Jahre mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass Berlin zwar kein Konzept für Tempelhof hat, aber drei Tempelhofträger: die Grün Berlin GmbH, die IGA-Planungsgesellschaft und die Tempelhofprojekt GmbH. Herzlichen Glückwunsch! Sie haben viel Geld für Träger versenkt, aber keine Planung und schon gar keine öffentliche Diskussion darüber.
Wir meinen, dass es umgekehrt laufen müsste: erst die Planung, dann die Entscheidung über die Managementstrukturen. Das wäre sehr viel richtiger gewesen, und wir halten das, was jetzt läuft, für entschieden falsch.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte: Sie hatten uns in den Haushaltsberatungen für 2009/10 Pläne für eine internationale Bauausstellung auf dem Tempelhofer Feld angekündigt. Wir haben darauf mit der Forderung reagiert, Nordneukölln zum Zentrum solch einer IBA zu machen. Gestern haben wir nun gelernt, dass es so eine Art Event-IBA für die ganze Stadt geben soll, es aber kein klares Bild darüber gibt, was nun in Tempelhof weiter entwickelt werden soll. Da fragen wir Sie: Was für Ziele sind das? Wie verhält sich das alles zueinander? – Auch hier sind Sie dem Parlament Rechenschaft schuldig. Der nächste Punkt ist das Flughafengebäude. Berlin braucht hier endlich eine tragfähige Zukunftsplanung. Oder soll zweimal im Jahr „Bread and Butter“ mit etwas Event drumherum ein Konzept sein? – Das ist kein Messe- und Eventstandort. Wenn Sie das einfach so laufen lassen wie bisher: Wie soll es weitergehen mit der Messe und dem ICC am Funkturm, mit dem ILA-Standort und mit Tempelhof? Seit neuestem wird ja auch in der Tegeldebatte dargestellt, dass auch das ein Messestandort werden könnte. Also, was ist hier eigentlich geplant; was soll in Zukunft in Berlin zu Messe- und Kongressstandorten
werden? Ich weiß nicht, ob Herr Mappus alles das finanzieren will, was Sie da als Spielball in die Luft werfen.
Als letzten Punkt, den ich hier in der kurzen Zeit sagen kann, will ich die künftige Randbebauung erwähnen. Hier hört man eigenartige Gerüchte aus Ihrem Haus: Die Parklandschaft soll verkleinert werden; die vermarktbaren Immobilien sollen nach innen auf Kosten der Parklandschaft vergrößert werden. Frau Senatorin, ich frage Sie: Trifft das zu? – Geben Sie uns hier bitte endlich klare Auskunft! Sie haben doch gerade erst das Klimakonzept vorgestellt und dabei hervorgehoben, wie wichtig Kaltluftflächen für Berlins Klimaentwicklung seien. Auch das passt nicht zusammen.
Deshalb fordern wir mit unserem Antrag das Parlament zur Diskussion auf. Wir fordern aber auch den Senat auf, endlich Rede und Antwort zu stehen, was mit Tempelhof in Zukunft werden soll.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig! – Für die SPD hat jetzt Frau Abgeordnete Haußdörfer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Grünen nötigte mich, zwei Dinge zu tun: nämlich erstens eine große Übereinstimmung mit den Inhalten festzustellen und zweitens eine differenzierte Meinung zu äußern. Nach der Rede kann ich aber nur feststellen: Das war wieder nur Meckern, geradezu paradox, weil es eben so viele Informationen und Bilder gibt. Ich glaube aber, dass Visionen Leitbilder, Kontinuität und Stringenz brauchen.
Es liegen, gerade im Bereich des Tempelhofquartiers, der Gedenkstättenintegration sowie der Vermeidung der Inanspruchnahme von Kleingärten Übereinstimmungen vor. Ich möchte auch ausdrücklich loben, dass Sie sich in Ihrer Meinungsfindung außerordentlich viel Mühe gegeben haben. Natürlich gibt es auch hinsichtlich der Verfahrensweisen Übereinstimmungen. So ist klar, dass eine Entwicklung nur in Abstimmung mit den Bezirken erfolgen kann, wie sie schon in Versammlungen, Arbeitsgruppen und den jeweiligen Strukturen praktiziert wird. Diskussions- und Entscheidungsforen wie Befragungen, Internetdialoge und natürlich Stadtforen wird es auch künftig geben, und das steht auch völlig außer Frage.
Eine Entwicklung kann nur langsam und behutsam mit den Bürgerinnen und Bürgern verwirklicht werden. Gerade im Bereich des Neuköllner Quartiers an der Oderstraße kann das Tempelhofer Feld eine Schlüsselfunktion für die infrastrukturelle Verbesserung übernehmen. Auch – und das ist ziemlich wichtig – kann es eine ergänzende Unterstützung des künftigen lokalen Wohnungsangebots sein.
Es besteht aber erheblicher Diskussions- und Definitionsbedarf bei den Fragen des autofreien Wohnens bis hin zur Organisation eines spezifischen Wohnungsbaumodells.
Allerdings gibt es auch von meiner Seite Abweichungen, nämlich zum Beispiel die von Ihrer Meinung abweichende Haltung, dass ich die Notwendigkeit eines Moratoriums für das Columbiaquartier nicht teile. Das Schlüsselwort für die Nutzung des Columbiaquartiers heißt nicht Wohnen. Vielmehr ist es ein Gesundheits- und Rehabilitationsquartier im Sinne von ambulanten Angeboten. Gerade dann, wenn wir uns diese Strukturen und Bilder verdeutlichen, weiß man, dass die bisherige Auslagerung solcher Funktionen an den Stadtrand oder ins Umland umgekehrt werden kann und gerade an dieser Stelle, in direkter Nachbarschaft zu einem künftigen, attraktiven Park als Sport- und Rehabilitationsort in zentraler Stadtlage verwirklicht werden kann.
Aber frappierender ist für mich doch, dass die Grünen viele Handlungsfelder nicht erwähnen. So vergessen Sie den Sport, der schließlich mit sechs großen Sportfeldern bedacht werden soll. Ich weiß, die Grünen mögen den organisierten Sport nicht unbedingt, aber er ist ebenso wichtig wie der unorganisierte Sport und beide gehören auf das Tempelhofer Feld. Ebenso scheint Ihnen Tempelhof als interreligiöses Handlungsfeld nicht der Rede wert, ebenso wenig als Teil einer urbanen, zukunftsorientierten Wirtschaft oder der ZLB, von den Pioniernutzungen mal ganz zu schweigen. Ich glaube, es gehört an vielen Orten in der Stadt auf die Tagesordnung: das informelle, spontane Zwischennutzen einerseits und andererseits eine langfristige Realisierung von Ideen. Das ist das, womit nachhaltige Stadtentwicklung ein Gesicht bekommt. Tempelhof muss als Zentrum der Zusammenführung von Wohnen, Arbeit, Leben, Sport, Gedenken, Kunst und Wirtschaft gesehen werden. Wie immer, wenn es ums Planen und Bauen geht, gibt es leider keine Aussagen zur Finanzierung, und da bin ich gespannt, welche Ideen die Grünen zur Umsetzung beisteuern können.
Das Tempelhofer Feld hat nicht nur eine Servicefunktion für Neukölln, die Sie sehr stark betonen, sondern auch eine große Bedeutung für die beiden anderen angrenzenden Bezirke, aber vor allem auch und erst recht für die ganze Stadt. Ohne die Parklandschaft sind die geplanten neuen Stadtquartiere mit ihren thematischen Schwerpunkten Bildung, Integration, Zukunftstechnologien, Gesundheit und urbanes Wohnen nicht denkbar. Sie ziehen ihre Nähr- und Mehrwerte aus der spektakulären großen inneren Freifläche, die wir erhalten wollen.