Sie schrecken aber auch – um einen weiteren Punkt zu nennen – nicht davor zurück, diesen Gesetzentwurf zum Anlass zu nehmen, um eine ideologische Prägung vorzunehmen. Warum sonst erheben Sie in § 2 des Gesetzentwurfs das Weglassen der religiösen Beteuerung beim Richtereid zur Regel? – Dies ist im Übrigen nicht nur entgegen der bisherigen Regelung, sondern auch entgegen aller Vorschriften, die eine Eidesformel kennen. Z. B. § 48 Landesbeamtengesetz, das haben Sie zuletzt erst 2009 durch das Dienstrechtsänderungsgesetz geändert. Dort haben Sie sich diese Provokation offenbar noch nicht getraut.
Weiteres landesrechtliches Beispiel: § 4 Senatorengesetz, da könnte man Frau von der Aue daran erinnern, das Bundesbeamtengesetz, die Strafprozessordnung, jeweils § 64 hat diese Regelung. Entscheidend scheint mir aber auch § 38 Deutsches Richtergesetz zu sein. Auch dieser widerspricht Ihrer Fassung.
Drittens: Auch die den Staatsanwälten zugedachte Rolle, die Beteiligungsrechte, die Richterdienstgerichte, die Rahmenbedingungen für Proberichter usw. sind nicht ausgereift und werden im Rechtsausschuss nachzuarbeiten sein. So geht es nicht, Kollegen der SPD, so geht es nicht, Frau von der Aue!
Danke! – Der Kollege Lederer hat nun das Wort für die Linksfraktion. – Bitte schön, Herr Dr. Lederer, Sie haben das Wort!
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich habe mich gefragt, warum wir das hier heute bereden müssen. Jetzt weiß ich, warum wir es hier bereden müssen: Weil offenbar an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen „Posing“ nötig war. Wir hatten ja letzte Woche eine gemeinsame Rechtsausschusssitzung mit Brandenburg. Da war es schon einmal Thema. Da hat man auch Positionen austauschen können. Ich wäre jetzt mit großer Gelassenheit in die gemeinsam verabredete Anhörung gegangen. Ich hätte mir die Argumente der beteiligten Seiten angehört und hätte gesagt, danach diskutieren wir darüber, was wir an dem Entwurf so belassen wollen, was ändern wir gegebenenfalls auch. Aber bevor wir überhaupt so weit sind, scheint es für Herrn Behrendt und Herrn Rissmann notwendig zu sein, hier an dieser Stelle schon die ganz großen Keulen herauszuholen. Mich erstaunt das einigermaßen.
Hier liegt ein Gesetzentwurf zur Angleichung des Richterrechts der Länder Berlin und Brandenburg vor. Ich finde es gut, dass es gelungen ist, eine gemeinsame Beratungsgrundlage für die beiden Landtage zu erarbeiten. Wir haben inzwischen tatsächlich ein gewisses Maß an Kooperation der Justiz beider Länder erreicht: über die gemeinsamen Obergerichte, über die Kooperation im Bereich Strafvollzug und jetzt auch die gemeinsamen Maßstäbe für den Bereich der Sicherungsverwahrung. Es ist konsequent, auch über ein gemeinsames Richterrecht zu reden. Wie gesagt, eigentlich sind wir auch schon dabei.
Die Gesetzentwürfe, die in den Kabinetten beschlossen wurden, sind nicht völlig deckungsgleich. Sie sind in weiten Teilen kongruent, aber an bestimmten Stellen hat die Berliner Justizverwaltung eigene Vorschläge in den hiesigen Entwurf eingebracht. In Brandenburg ist das genauso gelaufen. Ein paar Differenzpunkte sind hier schon genannt worden: die Zuständigkeit des Richterwahlausschusses bei Richterversetzungen, die Genehmigung bei Planstellenverzicht für Teilzeit, also die Stellensicherungsfrage. Und in mancherlei Hinsicht hat sich der Entwurf mehr dem Brandenburger Zustand angenähert, in manchem eher dem Berliner Status-quo.
Wir müssen jetzt einfach diskutieren, ob es sich dabei jeweils um adäquate Regelungen handelt oder nicht, ob wir den Berliner Besonderheiten in entsprechender Weise gerecht geworden sind. Da finde ich, muss man gar nicht so auf die Pauke hauen. Weder Herr Rissmann noch Herr Behrendt müssten jetzt auf die Pauke hauen und hier von „Stromlinienförmigkeit“ und von „Mauschelei bei Personalentscheidungen“ usw. „rumkamellen“; wir sind überhaupt noch nicht so weit.
Ich persönlich möchte einerseits, dass die Gemeinsamkeiten nicht beseitigt werden, möchte aber andererseits – und das möchte ich selbst aus eigener Überzeugung – wissen, dass die Regelungen im Gesetzentwurf praktikabel sind. Kollege Behrendt! Ich finde es ziemlich bodenlos, dass Sie hier in geradezu denunziativer Art von „Stromlinienförmigkeit“ reden, obwohl Sie genau wissen, dass ich in der Rechtsausschusssitzung in der vergangenen Woche durchaus auch Anmerkungen gemacht habe, die von dem Entwurf differieren, und gesagt habe, dass die noch zu diskutieren sein werden.
Das ist eine Art von Borniertheit, Selbstgerechtigkeit und Selbstverliebtheit – und eine rotzige Art, die ich mir einfach verbitte. Das sage ich an der Stelle einmal ganz deutlich.
Es würde Ihnen auch nicht gefallen, lieber Kollege Behrendt, wenn ich sagen würde – ich habe überhaupt keine Ahnung, unter welchem Senator Sie Richter geworden sind –, dass möglicherweise beim Kollegen Behrendt bei der Qualifikation auch eher das Parteibuch ausschlaggebend gewesen sei. Ich weiß es, wie gesagt, gar nicht. Aber Sie würden das doch sicherlich als eine Denunziation empfinden. Aber genauso rennen Sie durch die Welt und denunzieren andere. Das finde ich einigermaßen daneben und bodenlos.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dirk Behrendt (Grüne): Sehr schön!]
Ich sage jetzt etwas zum Thema Richterwahlausschuss. Ich finde auch in der Tat, sowohl der Kollege Felgentreu als auch die Senatorin, – –
Jetzt bin ich dran, Sie können dann auch eine Kurzintervention machen und Ihre Redezeit hier auch noch ein bisschen verlängern.
Ich habe im letzten Rechtsausschuss gesagt, ich finde die Regelungen zum Richterwahlausschuss auch nicht akzeptabel und ich bin auch nicht bereit, denen zuzustimmen. Ich wiederhole das noch einmal in größerer Deutlichkeit. Ja, ich finde, die Berliner Regelung hat sich bewährt. Ja, ich finde, mit Reinschicken von Abgeordneten und dem Abgeordnetenübergewicht wird die demokratische Legitimation nicht größer.
Entweder ist eine demokratische Legitimation da, oder sie ist nicht da. Dass ein Richterwahlausschuss legitimiert sein soll, daran kann kein Zweifel bestehen. Aber gerade
kleinere Fraktionen haben ein Interesse daran, möglicherweise, weil sie weniger Abgeordnete haben, auch auf anderen Sachverstand zurückzugreifen. Ich sage auch ganz persönlich, ich finde es gar nicht verkehrt, wenn Anwältinnen und Anwälte, wenn Richterinnen und Richter, die das Vertrauen der Fraktionen hier haben, vorgeschlagen und da hineingewählt werden.
Und zur Diskussion um die Selbstverwaltung der Justiz – Frau Senatorin ist ja darauf eingegangen –: Ich will auch nicht, dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten, aber eine seriöse Debatte darüber, wie man Selbstverwaltungselemente an dieser Stelle durchaus beibehalten oder stärken kann, möchte ich im Ausschuss durchaus noch haben und noch führen können. Da wird man am Ende zu einem Ergebnis kommen. Dann wird man sehen, dass dafür hoffentlich eine Mehrheit vorhanden ist. Ich freue mich auf eine seriöse Debatte.
Leider sind meinem Wunsch, dass das heute ein Einstieg in eine seriöse Debatte wird, weder der Kollege Behrendt noch der Kollege Rissmann gerecht geworden. Aber Sie haben ja die Chance, sich vielleicht im Ausschuss, wenn die Kameras und die Presse nicht so sehr dabei sind, wieder auf das zu besinnen, was gute Kultur im Rechtsausschuss ist. – Jetzt muss es noch eine Kurzintervention vom Kollegen Behrendt geben, weil er die 15 Minuten noch nicht voll hat.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Christoph Meyer (FDP): Nein, jetzt kommt Dr. Kluckert!]
Danke schön, Herr Dr. Lederer! – Jetzt hat für die FDPFraktion der Kollege Dr. Kluckert das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Kluckert!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu diesem Gesetzentwurf zunächst drei allgemeine Vorbemerkungen machen. Erste Vorbemerkung: Ja, es ist richtig, dass zwei Bundesländer, die gemeinsame Obergerichte unterhalten, auch ein im Großen und Ganzen gemeinsames Richtergesetz haben.
Zweite Vorbemerkung: Es bleibt aber auch richtig, dass Berlin und Brandenburg zwei verschiedene Bundesländer sind. Daher gibt es weder ein rechtliches noch ein praktisches Bedürfnis dafür, eine bis in das Einzelne gehende
inhaltliche Identität bei beiden Richtergesetzen herzustellen. Wir Berliner haben in der Justiz in einigen Bereichen Traditionen, die sich aus Berliner Sicher bewährt haben. Die Brandenburger mögen auch Traditionen haben, die sich aus ihrer Sicht dort bewährt haben. Eine Angleichung nur um des Angleichens willen wird es mit der FDP nicht geben.
Angesichts des überschaubaren Nutzens einer einheitlichen und gemeinsamen Regelung geben wir einer vernünftigen Regelung für das Land Berlin den Vorrang gegenüber einer unvernünftigen Regelung für Berlin und Brandenburg, einer unvernünftigen Einheitsregelung.
Dritte Vorbemerkung: Viel wichtiger als ein gemeinsames Richtergesetz wäre eine gemeinsame Besoldung für die Berliner und Brandenburger Richter und Staatsanwälte. Berlin ist bundesweites Schlusslicht bei der Besoldung, selbst gegenüber Brandenburg liegt Berlin deutlich zurück. Was nützt ein gemeinsames Richtergesetz, wenn die Beförderung eines Richters an einem Verwaltungsgericht in Brandenburg zum Richter am gemeinsamen Oberverwaltungsgericht in Berlin mit einer Einkommenseinbuße einhergeht, weil in Berlin im Beförderungsamt weniger als im Brandenburg im Eingangsamt gezahlt wird. Die FDP setzt sich daher dafür ein, dass wir die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, unsere Beamten, Richter und Staatsanwälte, anständig bezahlen. Da Berlin aber nicht mehr Geld hat, können wir eine anständige Bezahlung nur durch eine Verkleinerung des öffentlichen Dienstes insgesamt finanzieren.
Dazu muss das Land Berlin endlich die Erledigung unnötiger Aufgaben einstellen und sich auf die staatlichen Kernaufgaben beschränken. Wir wollen einen kleineren, aber dafür motivierten und gut bezahlten öffentlichen Dienst in Berlin.
Ich möchte in dieser Lesung nur auf einige einzelne Punkte zu diesem Gesetzentwurf eingehen. Zunächst möchte ich einen Punkt erwähnen, der mir sehr gut gefällt. Dabei handelt es sich um die Neuregelung, dass in den Richterdienstgesetzen zukünftig anwaltliche Beisitzer mitwirken werden. Diese anwaltlichen Beisitzer können ihren Erfahrungsschatz dort bei vielfältigen Fragen mit einbringen.
Kritisch sehe ich die veränderte Zusammensetzung des Richterwahlausschusses. Dabei geht meine Kritik nicht dahin, dass im Rahmen des Vorschlagsrechts des Abgeordnetenhauses tatsächlich Abgeordnete gewählt werden sollen. Allerdings ist die Reduzierung der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Mitglieder problematisch. Neben acht Abgeordneten würde ich mir weiterhin sieben weitere Mitglieder aus diesem Personenkreis der Richter und Staatsanwälte wünschen.
Ferner ist problematisch, dass Richter und Staatsanwälte auf der höchsten Ebene eine gemeinsame Personalvertretung haben sollen. Ich habe meine Zweifel daran, dass diese Konstellation den aufgrund ihrer Einbindung in eine Behördenstruktur, in eine Behördenorganisation resultierenden besonderen Bedürfnissen der Staatsanwälte Rechnung trägt.
Mein letzter Punkt: Was mich auf das Höchste alarmiert, ist letztendlich eine Gesamtschau der Punkte, die aus dem Brandenburger Richtergesetz übernommen wurden, und die Punkte, die Sie, Frau von der Aue, aus dem Brandenburger Richtergesetz nicht übernommen haben. Einen Richterwahlausschuss mit zwei Dritteln Abgeordneten haben Sie aus Brandenburg übernommen. Stellenausschreibungen für freie Planstellen, wie in Brandenburg üblich, haben Sie nicht übernommen. Entscheidung des Richterwahlausschusses bei Versetzungen, wie in Brandenburg üblich, haben Sie nicht übernommen. Im Ergebnis kann man feststellen, dass dieser Entwurf ein Höchstmaß administrativer Steuerung bei Personalangelegenheiten ermöglicht, und daher, Herr Dr. Felgentreu, werden wir noch sehen, ob es Ihnen wirklich darum geht, hier die Rechtskulturen anzugleichen oder nicht vielmehr eine besondere Kultur zu fördern, nämlich den sozialdemokratischen Filz. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Kluckert! – Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage auf Drucksache 16/3849 an den Ausschuss für Verfassung und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung empfohlen, wozu ich keinen Widerspruch höre. Dann wird so verfahren.