Protokoll der Sitzung vom 17.02.2011

Herr Kollege Trapp! Sie kennen das Verfahren. Man meldet sich krank, indem man eine Krankmeldung von einem Arzt vorlegt. Das ist ausreichend. Erst, wenn wir Bedenken haben, dass diese Krankmeldung nicht in Ordnung ist – das will ich nämlich keinem Kollegen unterstellen –, können Sie den Amtsarzt einschalten oder etwas Ähnliches. Eine wissenschaftliche Untersuchung über die Häufung der Krankmeldungen im Februar habe ich bisher nicht veranlasst. Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass das eine vorübergehende Epidemie ist, die wieder vorbeigeht.

Danke schön! – Das ist das Ende der Spontanen Fragestunde.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Keine Politik gegen die Bürger – nach dem Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben nicht zur Tagesordnung übergehen

Antrag der SPD, der CDU, der Grünen, der Linksfraktion und der FDP

in Verbindung mit

lfd. Nr. 41:

Antrag

Wasser ist für die Bürger da – Wasserpreise senken und wettbewerbsfähige Strukturen in der Wasserwirtschaft schaffen!

Antrag der FDP Drs 16/3862

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Schluss mit den geheimen Verkaufsverhandlungen – Offenlegung aller Verkaufsangebote und Absprachen

Antrag der Grünen Drs 16/3874

in Verbindung mit

Dringliche Beschlussempfehlungen

Transparente Wasserpolitik – Berlin braucht bezahlbares Wasser!

Beschlussempfehlungen WiTechFrau und Haupt Drs 16/3881 Antrag der FDP Drs 16/3599

Der Dringlichkeit des zuletzt genannten Antrags und der Beschlussempfehlung wird nicht widersprochen.

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden können. Die Redefolge soll sich nach der Fraktionsstärke richten. Das tut sie auch, indem der Fraktionsvorsitzende der SPD, Kollege Müller, als Erster das Wort erhält. – Bitte schön, Herr Müller!

Meine Damen und Herren! Am letzten Sonntag haben 650 000 Menschen abgestimmt. Das notwendige Quorum wurde erreicht. Somit hat in Berlin der erste erfolgreiche Volksentscheid stattgefunden. Natürlich wollen wir uns heute hier mit dem Ergebnis ernsthaft auseinandersetzen und unsere Schlussfolgerungen ziehen. Ich möchte aber

zu Beginn auch noch einmal sagen, dass ich Diskussionen, wie es sie wieder im Umfeld des Volksentscheides gegeben hat, wonach die Quoren zu hoch seien und auch das Verfahren verändert werden müsse, für nicht berechtigt und nicht begründet halte.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Nein, dieser Volksentscheid zeigt – genau wie übrigens auch bei ProReli und bei Tempelhof –, dass das Verfahren und das Quorum gut sind. Wir haben eine Hürde, die nicht sofort jedes Anliegen zum Erfolg werden lässt. Das ist richtig. Aber Themen, die die ganze Stadt und nicht nur einzelne Lobbygruppen bewegen, bekommen auch die nötige Unterstützung. Dazu ist nicht eine riesige Medienmaschinerie und ist nicht viel Geld notwendig, sondern das Engagement der Einzelnen und der Initiativen. Das hat es hier gegeben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall bei den Grünen]

Diese Koalition hat diese Form der Partizipation ermöglicht. Auf Grundlage unserer Verfassungsänderung sind wir nun wiederum Spitze auch in diesem Bereich der Mitbestimmung. Das ist nicht immer einfach für Regierungen und die Regierenden. Das ist so. Es gibt Auseinandersetzungen in Sachfragen. Ich finde es aber richtig, dass wir dieses ergänzende und nicht ersetzende Instrument zur parlamentarischen Demokratie haben. Die wichtige Arbeit der gewählten Volksvertreter und der Parlamente wird für den Kompromiss und den Interessenausgleich gebraucht. Aber auch die Meinungsäußerung zwischen den Wahltagen ist richtig. Wir haben es ermöglicht. Es ist der richtige Weg auch für Berlin.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Was hat die Menschen nun konkret bei der Stimmabgabe bewegt? – Es waren im Wesentlichen drei Dinge: Sie wollen eine weitgehende Transparenz bei öffentlichen Verträgen. Mit dem neuen Informationsfreiheitsgesetz, das seit Mitte letzten Jahrs verabschiedet ist, ist klar und deutlich geworden, dass wir uns für eine stärkere Transparenz im Umgang mit öffentlichen Verträgen einsetzen und dass wir diese stärkere Transparenz haben wollen.

Mit diesem Gesetz führen wir wiederum auch bundesweit und haben, wie uns der Bundesdatenschutzbeauftragte bescheinigt, hier eine Vorbildfunktion für andere Länder. Ich finde es sehr schade, dass es nicht gelungen ist, gemeinsam auch mit CDU und FDP diese wichtige Initiative zu unterstützen, dass Sie sich diesem Bürgerwunsch nach mehr Transparenz verweigert haben, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Der Beschluss ist aber richtig, damit künftig bei allen Verträgen im Bereich der Daseinsvorsorge eine vollständige Transparenz gewährleistet ist. Übrigens ist diese Offenlegung auch rückwirkend möglich, dort, wo das öffentliche Interesse überwiegt, wie es hier im Bereich des Wassers der Fall ist. Im konkreten Fall ist es auch gelungen, auf Grundlage des IFG mit den Privaten eine Veröffentlichung zu verabreden. Seit November letzten Jahres steht der komplette Privatisierungsvertrag im Internet.

Wir werden daran anknüpfen und sehen, ob weitere Dokumente jenseits des Vertrags und der Gesetzeslage, die wir seit Sonntag haben, weitere Dokumente, die noch für größere Transparenz sorgen, nicht auch veröffentlicht und ins Internet gestellt werden können. Der Senat hat eine entsprechende Prüfung bereits angekündigt. Es ist richtig, auch diese nächsten Schritte zu gehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Diese Haltung der Koalition und des Senats, weitgehende Transparenz sicherzustellen und zu gewährleisten, wird im Übrigen auch beim Thema BIH und Abbruch dieses möglichen Verkaufs der BIH deutlich. Wenn Investoren bei solchen Geschäften mit dem Land, bei denen es um Geschäfte mit Milliardenbeträgen geht, bei denen es um Wohnungen geht, nicht alles offen legen, dann geht es eben nicht. Das war und ist für uns in diesen Verhandlungen sowie in allen weiteren Verhandlungen bei diesem Thema eine Grundvoraussetzung. Die Risiken müssen weg vom Land Berlin. Es muss eine Haftungskette nicht nur verhandelt, sondern diese muss auch lückenlos transparent darstellbar sein. Wer dazu nicht bereit ist, kann eben nicht Geschäftspartner mit dem Land Berlin sein. Wir nicht um jeden Preis verkaufen. Mit uns gibt es keine Geheimklauseln.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Wir haben es abgebrochen. Aber wie war denn Ihre Reaktion? – Sie war wie jetzt: Fehlentscheidung, Schaden für das Land Berlin, Niederlage. – Offensichtlich war Ihnen beim Thema BIH die Transparenz nicht annähernd so wichtig wie Sie seit Sonntag tun. Sagen Sie doch den Berlinerinnen und Berlinern, für wie viel Geld Sie sich die Transparenz hätten abkaufen lassen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Mit uns ist das kein gangbarer Weg.

Herr Kollege Müller! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schruoffeneger?

Nein, keine Zwischenfrage! – Aber den Berlinerinnen und Berliner war zum Zweiten auch die Frage der Wasserpreise wichtig. Die Menschen sehen, wie die Preise für Energie, Mieten und die Lebenshaltungskosten steigen. Natürlich sind auch die steigenden Wasserpreise eine Belastung. Natürlich wollen auch wir die Preise senken.

[Christoph Meyer (FDP): Seit wann denn das? – Björn Jotzo (FDP): Seit Sonntag!]

Aber dafür müssen die Verträge verändert werden. Das ist der entscheidende Punkt. Wir verhandeln parallel eine Rekommunalisierung. Das tun wir, damit wir selbstverständlich auch wieder die unternehmerische Führung in diesem Unternehmen zurückerlangen, um stärkeren Einfluss auf die Preisgestaltung, die Arbeits- und Ausbil

dungsplätze sowie Investitionen haben, damit dieser Teil der Daseinsvorsorge nicht privaten Renditeinteressen unterworfen ist. Dafür führt der Senat diese Gespräche. Wir haben in den letzten Wochen viel erreicht. Ich erinnere mich, wie Sie im letzten November gesagt haben, es seien alles Hirngespinste, Private ließen sich nie darauf ein. Wir sind jetzt in konkreten Verhandlungen. Das ist der richtige Weg.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber solange Private noch Anteile haben, ist der Vertrag das Entscheidende, in dem es leider die garantierten Verzinsungen für Private gibt. Das muss verändert werden. Es ist kein Weg, einseitig auf Gewinne zu verzichten. Das wäre eine Privatisierung à la CDU. Die Preise werden gesenkt, das Land verzichtet auf Einnahmen, aufgrund der Verträge zahlt das Land aus Steuermitteln zu, Hauptsache, die Privaten haben ihre Gewinne, und die Berlinerinnen und Berliner zahlen nicht mehr über ihre Wasserrechnung, sondern über Verzicht an anderen Stellen. Das ist mit uns nicht machbar.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Michael Schäfer (Grüne): Den Vertrag habt ihr doch gemacht!]

Deshalb machen wir hier an der Stelle keine unseriösen Versprechen, ob Wahlkampfzeit ist oder nicht. Ich stelle mich hier nicht hin und erzähle, dass irgendetwas klappen wird. Preissenkungen, die wir wollen, sind kein Selbstläufer. Ich nenne auch kein Datum, bis wann das erreicht werden kann. Es geht hier um einen neuen Vertrag oder einen Rückkauf von Anteilen an den Wasserbetrieben, für den auch enge Spielräume gesetzt sind, weil auch ein Kauf finanziert werden muss. Es ist aber richtig, diesen Weg zu gehen. Es ist richtig, die nächsten Schritte zu gehen, den Druck auf die Privaten zu erhöhen, Anteile zu übernehmen, den Vertrag neu zu formulieren, um die Chance für eine Preissenkung zu erhalten. Wenn wir die Möglichkeit haben, werden wir es auch tun.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Zum Dritten haben die Berlinerinnen und Berliner deutlich gemacht, dass ihnen der Bereich der Daseinsvorsorge von besonderer Bedeutung ist. Wir haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Wasser wieder in die öffentliche Hand kommen soll. Nicht alles muss der Staat machen. Nicht alles kann er besser, Private können es aber auch nicht. Deshalb haben wir schon im Vorfeld deutlich unterschieden, dass die Bereiche der Daseinsvorsorge in die öffentliche Verantwortung gehören, weil Bürger auf die Dienstleistung angewiesen sind. Deshalb gibt es seit Jahren die Beschlusslage – das ist in der SPD und in unserem Koalitionsvertrag nachzulesen –, dass BSR, BVG, Vivantes, die Charité und unser jetziger Wohnungsbestand nicht privatisiert werden. Auch wenn mancher zusammenzuckt, sage ich es noch einmal: Es schadet nichts, wenn man dazu lernt. Bei Wasser war es ein Fehler. Dieser Fehler muss korrigiert werden. Niemand würde heute wieder einen solchen Vertrag schließen. Niemand würde heute noch die Wasserbetriebe teilprivatisieren.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Signal von Sonntag ist doch ganz klar: Wasser ist ein besonderes Gut. Die Daseinsvorsorge ist Voraussetzung für sichere Existenz jedes Einzelnen und für das funktionierende Zusammenleben einer solidarischen Stadt. Das, Herr Kollege Henkel, ist kein Luxusproblem. Wenn Sie als Spitzenkandidat der CDU bei Ihrem Parteitag von Luxusprojekten sprechen, die in Berlin nicht zu leisten sind, gehen Sie schnoddrig über die Problemlage der Berlinerinnen und Berliner hinweg, die wollen, dass sich das Land Berlin an dieser Stelle engagiert. Das ist kein Luxusproblem, sondern ein Interesse der Berlinerinnen und Berliner.