Das Signal von Sonntag ist doch ganz klar: Wasser ist ein besonderes Gut. Die Daseinsvorsorge ist Voraussetzung für sichere Existenz jedes Einzelnen und für das funktionierende Zusammenleben einer solidarischen Stadt. Das, Herr Kollege Henkel, ist kein Luxusproblem. Wenn Sie als Spitzenkandidat der CDU bei Ihrem Parteitag von Luxusprojekten sprechen, die in Berlin nicht zu leisten sind, gehen Sie schnoddrig über die Problemlage der Berlinerinnen und Berliner hinweg, die wollen, dass sich das Land Berlin an dieser Stelle engagiert. Das ist kein Luxusproblem, sondern ein Interesse der Berlinerinnen und Berliner.
Ich frage an dieser Stelle ohnehin, was die Opposition bei diesem Thema Rekommunalisierung und Daseinsvorsorge will. Das frage ich insbesondere die CDU und die Grünen. Bei der FDP gibt es noch eine Haltung. Ich finde die Haltung falsch, möglichst wenig Staat und möglichst viel Privates zu fordern. Aber es ist zumindest eine Haltung, mit der man sich auseinandersetzen kann. Ich frage, was CDU und Grüne wollen. Einerseits wollen sie den Haushalt konsolidieren, natürlich ohne Ausgabenreduzierung. Damit würde man Leuten weh tun. Aber einseitig auf die Einnahmen verzichten, wollen Sie auch. Einerseits fordern Sie größtmögliche Transparenz, aber den BIHVerkauf abzubrechen war falsch. Einerseits beschließen Sie mit der Koalition das IFG, andererseits schließen Sie sich dem Volksbegehren an, weil das alles nicht reicht.
Herr Ratzmann will eine weitgehende Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Frau Pop und Frau Künast sagen nein. Die Partei der Grünen sagt gar nichts mehr dazu. Sie feiern diesen Volksentscheid als Ihren Erfolg und fühlen sich bestätigt. Aber die Berlinerinnen und Berliner haben gesagt, dass nicht vermeintliche Rekommunalisierungsphantasien, wie Sie es uns hier im November vorgeworfen haben, das Problem sind, sondern weitere Privatisierungsphantasien. Das, was am Sonntag stattgefunden hat, ist eine Absage an Ihre Programmatik, an die Programmatik der Opposition.
[Gelächter bei den Grünen – Zurufe von Michael Schäfer (Grüne), Özcan Mutlu (Grüne) und Volker Ratzmann (Grüne)]
Für uns ist ganz klar, wir werden den Weg weitergehen, größtmögliche Transparenz auf Grundlage des IFG sicherstellen,
zusätzlich Experten einbeziehen, um das Verfahren zu begutachten und Zusatzinformationen da, wo es möglich ist, ins Internet stellen, die Verträge neu verhandeln, um endlich aus dieser Preisspirale herauszukommen und Rekommunalisierung da, wo es Sinn macht und bezahlbar ist, damit die Berlinerinnen und Berliner dauerhaft eine gute Leistung zu bezahlbaren Preisen bekommen. Das muss das Ziel sein, gerade beim Thema Wasserbetriebe.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Kopf in den Sand stecken ist nicht immer eine gute Taktik!]
Danke schön, Herr Kollege Müller! – Für die CDUFraktion hat nunmehr der Kollege Henkel, der Vorsitzende der Fraktion, das Wort. – Bitte schön, Herr Henkel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Müller! Ich weiß nicht, wie nervös Sie die Umfragen von heute gemacht haben, aber doch ziemlich wie es aussieht.
[Beifall bei der CDU – Gelächter bei der Linksfraktion – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]
Bevor wir zur Sache kommen, Kollege Müller, bevor es sich bei Ihnen verfestigt, dass Sie bzw. die Koalition allein dafür verantwortlich sind, dass Volksentscheide dieser Art möglich wurden, muss bei allem, was uns trennt, erwähnt werden: Das war unser aller Verdienst, weil wir es alle hier in diesem Haus wollten. Auch das darf an dieser Stelle noch einmal gesagt werden.
Der vergangene Sonntag hat gezeigt, dass die Menschen nicht bereit sind, sich von dieser Regierung bevormunden zu lassen. Dass eine unabhängige Initiative mit bescheidenen Mitteln über 665 000 Menschen für ihr Anliegen gewinnen konnte, ist nicht nur ein großartiger Erfolg, das ist das, was ich in dem Zusammenhang eine Sensation nenne.
Wie schon bei den Flugroutendemos und bei vielen weiteren Bürgerprotesten in unserer Stadt, sehen wir auch hier, dass die Berlinerinnen und Berliner ihre Anliegen selbst in die Hand nehmen, und zwar überall dort, wo sie sich von diesem Senat hintergangen fühlen und von ihm nichts mehr erwarten, jedenfalls keine Lösungen mehr. Was haben Sie, Herr Wowereit, nicht alles versucht, um den Wasserprotest im Vorfeld zu demobilisieren? Aber dieses Volksbegehren hat den Nerv der Bevölkerung getroffen, obwohl Sie erklärt haben, dass alles offengelegt worden ist, obwohl Sie den Menschen weismachen wollten, dass dieser Volksentscheid überflüssig wäre, sind sie dennoch zu Hunderttausenden an die Abstimmungsurnen gegangen. Die Menschen haben mit den Füßen darüber abgestimmt, was Sie von Ihren Beteuerungen und Ablenkungsmanövern halten, nämlich gar nichts. Da ist es schon dreist, wenn Sie sich anschließend hinstellen und sagen, der Volksentscheid sei eine Bestätigung für Ihre Politik.
Selbst ein Chamäleon könnte von Ihnen noch lernen, wie man in bedrohlichen Situationen schnell die Farbe wechselt.
Aber das alles ist der billige Versuch, einen Erfolg, den sich die Menschen selbst erkämpft haben, für Ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Nein, das ist keine Bestätigung Ihrer Politik, sondern ein krachendes Misstrauensvotum.
Ich kann Ihnen nur raten: Nehmen Sie das Ergebnis ernst! Hören Sie auf, Politik gegen die Bürger zu betreiben, und legen Sie alles auf den Tisch!
Angesichts des überwältigenden Bürgervotums stünde es auch Ihnen gut zu Gesicht, bei der Veröffentlichung von Dokumenten weniger gönnerhaft aufzutreten, sondern ein Stück weit mit Demut aufzutreten, denn Sie tun den Menschen ja keinen Gefallen, wenn Sie mehr Transparenz herstellen, sondern Sie würden ihnen lediglich den Respekt zollen, den Sie nach dieser Initiative verdient haben.
Aber das Ergebnis vom vergangenen Sonntag ist nicht nur Ausdruck eines tiefen Misstrauens: Worum ging es denn wirklich? – Es ist die Erwartung, dass die Wasserpreise endlich spürbar sinken. Es ging darum, dass die Menschen sich nicht damit abfinden wollen, dass Berlin weiter unter den höchsten Wasserpreisen aller deutschen Großstädte leidet.
Hier gilt das, was wir Ihnen seit Jahren gesagt haben: Die Wasserpreise sind natürlich politisch gestaltbar, aber dieser Gestaltungswille ist bei Ihnen einfach nicht vorhanden, meine Damen und Herren von Rot-Rot!
Ja, es ist richtig, Herr Müller, dass der Druck, der durch den Volksentscheid aufgebaut wurde, auch für die Investoren gelten muss.
Beide Seiten müssen sich bewegen, auch die Privaten. Es hat bereits in der Vergangenheit seitens der Investoren Angebote gegeben, die Sie ausgeschlagen haben. Die Investoren haben am Montag neue Reformsignale ausgesandt, die jetzt aufgegriffen werden müssen.
Aber, Herr Wolf, leugnen Sie doch nicht weiter, dass Wasserpreise eben auch eine politische Komponente haben! Mimen Sie nicht länger das Unschuldslamm, das mit all dem nichts zu tun hat!
Ich bin sicher, dass die Menschen Ihr durchsichtiges Signal durchschauen. Ich wiederhole es wirklich gern noch einmal, denn es war immerhin der Wirtschaftssenator, der mit den Investoren steigende Garantieverzinsungen in einer Nebenvereinbarung festgelegt hat, der – wie es am Wochenende in der „taz“ zu lesen war – sogar auf noch höhere Wasserpreise gedrängt haben soll, angeblich 33 Millionen Euro allein im Jahr 2011 mehr für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Dann sagen Sie uns bitte nachher, Herr Wolf, was an diesen Vorwürfen dran ist!
Es war dieser Wirtschaftssenator, der im Aufsichtsrat die Tarifkalkulation genehmigt hat. Es war dieser Wirtschaftssenator, der seine eigenen Vorschläge anschließend genehmigt hat. Und es war dieser Wirtschaftssenator, der sich seine Preispolitik dann praktisch selbst vom Bundeskartellamt genehmigen lassen wollte bzw. diese Preise angezeigt hat.
Herr Wolf! Es ist doch absurd, wie Sie sich angesichts Ihrer politischen Verantwortung noch glaubhaft als Verfechter von günstigen Wasserpreisen darstellen wollen.
Sie verweigern sich einer schnellen Lösung. Stattdessen setzen Sie auf eine Politik mit ungewissem Ausgang. Dazu zählt auch Ihr Allheilmittel die Rekommunalisierung.
Ja! – Ich habe den Eindruck, lieber Herr Müller, Stichwort Privatisierung à la CDU, dass Sie und die SPD hier mit einem schlechten Gedächtnis ausgestattet sind.