Protokoll der Sitzung vom 03.03.2011

Vorlage – zur Beschlussfassung –

Abschluss der Vereinbarung des Landes Berlin mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin gemäß § 3 des Berliner Universitätsmedizingesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3891

Das ist die Priorität der Fraktion der SPD, Tagesordnungspunkt 27.

Für die Beratung stehen jeweils wieder fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Oberg.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nach dem etwas wilden und wirren Wahlkampfritt des Herrn Schäfer verspreche ich Ihnen, dass wir wieder zur Sachpolitik zurückkommen

[Ha, ha! von den Grünen]

und zu den wichtigen Themen für die Stadt.

[Sebastian Czaja (FDP): Dann dürften Sie aber nicht reden!]

Erstmals hat der Senat mir der Charité einen Hochschulvertrag verabredet. Erstmals diskutiert heute dieses Haus über einen eigenen Hochschulvertrag der Charité. Das ist eine kleine Zäsur, eine Zäsur hin zu einer neuen Normalität nach den vielen Jahren der Einsparungen

[Mirco Dragowski (FDP): Normalität der Unterfinanzierung!]

und der Umorganisation der Hochschulmedizin in Berlin. Das erprobte Instrument der Hochschulverträge wird künftig dafür genutzt, die Forschung und Lehre an der Charité verlässlich zu finanzieren. Wir freuen uns über diese neue Normalität.

[Beifall bei der SPD]

Mit dem vorliegenden Hochschulvertrag gelingt – das begrüßen wir sehr – eine Trendumkehr. Nach bald einem Jahrzehnt mit harten Einschnitten und Kürzungen bekommt die Charité in den nächsten drei Jahren erstmals wieder mehr Geld für Forschung und Lehre.

[Sebastian Czaja (FDP): Sie haben es ja lange genug reduziert!]

Die Charité hat einen schmerzhaften, aber sehr wichtigen Beitrag für die Konsolidierung des Landes seit 2002 geleistet. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei allen Studierenden der Charité dafür bedanken, dass sie diesen harten, aber notwendigen Weg mit uns gegangen sind.

[Beifall bei der SPD]

In den Jahren 2011, 2012 und 2013 – jetzt hören Sie zu, Herr Dragowski, dann brauchen Sie nachher nichts falsches zu erzählen – wird die Charité, so sieht es der Hochschulvertrag vor, insgesamt rund 40 Millionen Euro mehr für Forschung und Lehre erhalten. Damit reifen sicher nicht alle Blütenträume, aber es ist ein Einstieg und der weist in die richtige Richtung. Es wäre falsch, so zu tun, als wären damit alle Probleme der Charité gelöst. Es wäre aber ebenso falsch, diesen Aufwuchs kleinzureden und ihn per se als zu gering zu verdammen. Denn mehr Geld kann man immer fordern. Wer sich aber an dieses Pult oder draußen vor die Kameras stellt und das tut, der soll dann bitte auch sagen, woher dieses Geld kommt.

[Mirco Dragowski (FDP): Machen wir im Oktober!]

Auch das Land Berlin kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Deshalb: Wer jetzt sagt, wir brauchen mehr Geld für die Charité, mehr als die 40 Millionen Euro, die in diesem Hochschulvertrag zusätzlich stehen, der soll dann auch sagen, wo er es hernimmt oder konkreter, wem er es wegnimmt.

Im Doppelhaushalt hatten wir 7 Millionen Euro jährlich mehr für die Charité eingeplant. Dass das nun in dem Hochschulvertrag steht, ist keine große Überraschung. Eine positive Überraschung ist es hingegen, dass es Senator Zöllner gelungen ist, 20 Millionen Euro zusätzlich aus dem Hochschulpakt für die Charité zu mobilisieren.

Lassen Sie mich auf zwei weitere Punkte eingehen. Den Einstieg in eine leistungsbasierte Mittelzuweisung begrüßen wir grundsätzlich. Wie genau das für die Charité gängig gemacht werden kann, wird noch zu beraten sein.

Zweitens: Die Investitionsmittel bleiben ein Thema für die Zukunft. Ja, da haben wir noch eine große Herausforderung vor uns.

[Mirco Dragowski (FDP): Die entscheidende Herausforderung!]

Die etwas über 30 Millionen Euro für Investitionen in diesem Jahr, die im Hochschulvertrag vorgesehen sind, reichen selbstverständlich nicht aus, um den Investitionsstau abzubauen. Das sollen sie auch gar nicht, denn dafür gibt es den Masterplan, der mit 330 Millionen Euro deutlich besser ausgestattet ist.

[Mirco Dragowski (FDP): Aber auch nicht ausreicht!]

Viel wichtiger ist mir aber, dass dieser Betrag von 30 Millionen Euro, was doch sehr viel Geld ist, nicht dafür ausreicht, um zu verhindern, dass sich erneut ein Investitionsstau auftürmt. Ich glaube, das ist ein Problem. Hier werden wir bei kommenden Haushaltsberatungen einen Weg finden müssen, wie wir die Investitionen der Charité so sichern, dass wir in diese schwierige Situation, die wir heute vorfinden, dass es einen Investitionsstau gibt, nicht wieder hineinkommen.

Wir Sozialdemokraten betonen immer wieder, dass uns die Charité wichtig ist.

[Sebastian Czaja (FDP): Dann handeln Sie auch so!]

Ja, unser Universitätsklinikum liegt uns am Herzen, und nicht nur, weil dort 14 000 Menschen arbeiten. Der vorliegende Hochschulvertrag ist ein Beleg, dass die Charité uns wichtig und auch viel Geld wert ist. – Ja, Herr Czaja, es wird gehandelt. Und das Handeln weist in die richtige Richtung. Die Charité wird gut finanziert. Sie ist nach wie vor enorm leistungsfähig. Ich habe in einem Artikel gelesen, der morgen im „Tagesspiegel“ erscheinen wird, dass die Charité zu Recht darauf hinweist, dass sie ein Exzellenzcluster und ein Graduiertenkolleg erfolgreich in der Exzellenzinitiative für Berlin durchgebracht hat.

[Zuruf von Mirco Dragowski (FDP)]

Das ist richtig. Und Sie können sich immer hinstellen und sagen, das passiert trotz Berlin

[Sebastian Czaja (FDP): Trotz Ihrer Politik!]

oder trotz des Senats. Nein, das passiert auch wegen dieses Senats und der Verlässlichkeit, die wir der Charité geben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Sebastian Czaja (FDP): Das sieht die Charité aber anders!]

Die Charité – und damit komme ich zum letzten Satz – ist uns viel Geld wert, weil wir wissen, dass es in der Charité als hervorragender medizinischer Fakultät mit guter Lehre und exzellenter Forschung sehr gut angelegt ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank auch von hier oben! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Goiny.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als jemand, der gerade in der Charité in Behandlung ist, bin ich, glaube ich, der richtige, der hier heute für unsere Fraktion zu dem Thema reden sollte.

[Heiterkeit]

Es ist richtig, mit der Charité hat Berlin einen wissenschaftlichen und Forschungsleuchtturm, der weit über die Grenzen Deutschlands hinausstrahlt. Wenn ich mir die Worte des Kollegen Oberg jetzt anhöre, hat man den Eindruck, die SPD sei gestern an die Regierungsverantwortung gekommen und habe erst einmal die verfehlte Politik der letzten Jahre in Sachen Charité hier kritisiert – das auch zu Recht, Herr Kollege Oberg. Das, was Sie angedeutet haben, ist in der Tat eine Bilanz, die Sie als rot-rote Landesregierung politisch zu verantworten haben, die die

Charité in den letzten zehn Jahren als Steinbruch missbraucht hat, um hier Lücken im Landeshaushalt zu schließen. Wir haben das für falsch gehalten, weil wir glauben, dass bei aller haushaltspolitischen Konsolidierungsnotwendigkeit in die Stärken dieser Stadt investiert werden soll. Und die Charité und der Wissenschafts- und Forschungsstandort Berlin ist eben eine Stärke dieser Stadt.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit muss sich vorhalten lassen, dass er seine Amtszeit begonnen hat mit der Diskussion um die Schließung eines dieser Standorte der Charité. Und in den Jahren danach sind kumuliert mehrere Hundert Millionen Euro aus der Charité herausgezogen worden. Im letzten Jahr konnte insbesondere die SPD ihren Dissens über den weiteren Umgang mit der Charité auch öffentlich kaum kaschieren. Die unterschiedlichen Auffassungen von Finanzsenator und Wissenschaftssenator sind ja deutlich geworden. Auch Herr Zöllner, der einmal als Supersenator hier nach Berlin gekommen ist, konnte an der Stelle keine Kehrtwende bewirken. Ich glaube, der einzige, der es heute noch super findet, dass Sie Senator sind, sind Sie selbst. Jedenfalls ist Ihre wissenschaftspolitische und forschungspolitische Bilanz an dieser Stelle durchaus mager.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ich gebe dem Kollegen Oberg in zwei Punkten recht. Er sagt, es sei das erste Mal, dass wir einen Hochschulvertrag für die Charité hätten. Das ist in der Tat begrüßenswert. Und dass Sie sich nunmehr dazu durchgerungen haben, der Charité keine weiteren Kürzungen zu verordnen, ist vielleicht auch ein bisschen wahltaktischen Gründen geschuldet als der wirklichen Einsicht in die Bedeutung dieser für die Stadt Berlin wichtigen Einrichtung.

An der Stelle will ich Ihnen deutlich sagen, dass das, was hier an Aufwüchsen im Charité-Vertrag drinsteht, im erheblichen Maß dem Umstand geschuldet ist, dass hier Bundesmittel in die Charité fließen,

[Mirco Dragowski (FDP): So ist es! Richtig!]

und nicht etwa eine Kraftanstrengung der Landesregierung dazu geführt hat, indem man hier Mittel aus dem eigenen Haushalt zur Verfügung gestellt hätte. Das, was ingesamt hier bereitgestellt wird, ist noch nicht einmal ausreichend, Kostensteigerungen beim Energiebereich bzw. der Inflationsrate hinreichend abzudecken.

Dass Sie das Instrument der leistungsbasierten Hochschulfinanzierung jetzt auch bei der Charité einführen, ist eher ein Experiment, denn wir wissen, dass das bei den Hochschulen, wo Sie das in die Hochschulverträge geschrieben haben, noch fraglich ist, ob das in dieser Weise funktioniert. Insofern sind wir der Auffassung, dass der jetzige Charité-Vertrag eine Festschreibung des Statusquo ist, dass er sich einreiht in die Politik des rot-roten Senats, die Hochschulen und jetzt auch die Charité an ein Gängelband zu legen. Man traut eben der Wissenschaft und der Forschung in dieser Stadt immer weniger eigenverantwortliche Entscheidungen zu. Und man möchte

jetzt auch bei der Charité an den entscheidenden Stellschrauben dafür sorgen, dass hier möglichst wenig allein entschieden wird.

Wie der rot-rote Senat in den letzten Jahren hineinregiert hat, das haben wir gerade bei der Charité auch zum Nachteil der Institution gesehen. Sie haben Immobilien aus der Charité herausgezogen, ohne dass die tatsächlichen investiven Maßnahmen in die Charité geflossen sind. Sie haben bei der Vorklinik durch Ihre Standortentscheidung entsprechende Mehrkosten verursacht.