Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Radziwill! Sie wissen, dass wir hier in vielen Sachen eine unterschiedliche Meinung haben. Aber dass Sie Vorredner oder Vorrednerinnen als diejenigen hinstellen, die irgendetwas nicht verstehen oder vielleicht nicht clever genug sind, um etwas zu verstehen, das halte ich für einen unerträglichen Stil!
Es ist gut, dass wir 2006 ein Seniorenmitwirkungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Dieses Gesetz soll aktive Beteiligung von Berliner Seniorinnen und Senioren unterstützen, also die Teilnahme am politischen Leben fördern. Das tut es aber nicht. Denn nur einem sehr kleinen Anteil der über Sechzigjährigen in Berlin ist dieses Gesetz überhaupt bekannt. Das haben die Wahlen zu den bezirklichen Seniorenvertretungen 2006 gezeigt. Die Wahlbeteiligung lag erschreckend niedrig, im Promillebereich. Bis heute wissen viele Menschen über 60 Jahre nicht, dass es Seniorenvertretungswahlen auf der Ebene der Bezirke oder des Landes gibt. Diese Vertretungswahlen gab es auch schon vor diesem Gesetz.
Das ist der eigentliche Skandal: In den letzten fünf Jahren hat der Senat es nicht für notwendig erachtet, dieses Gesetz bekanntzumachen. Dass hier eine breite Öffentlichkeitsarbeit dringend notwendig ist, fällt der rot-roten Koalition komischerweise erst im Wahljahr ein. Außerdem, allein die Öffentlichkeitskampagne, die sich hoffentlich auch an die Menschen mit Migrationshintergrund richten wird, wird nicht zwangsläufig zu einer wesentlich höheren Wahlbeteiligung führen. Den älteren Bürgerinnen und Bürgern muss auch das Wählen erleichtert werden. Sie müssen Möglichkeiten haben, ihre Stimme an mehreren Stellen im Bezirk abzugeben. Sie müssen auch die Möglichkeit der Briefwahl haben. Es ist gut, dass Sie das in Ihrem Antrag zum Teil berücksichtigt haben.
Die Novellierung des Gesetzes ist notwendig. Leider greift sie aber nur einen Teil der Empfehlungen aus der Anhörung im Fachausschuss und aus dem Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung auf. Es ist unsere Aufgabe, strukturelle Rahmenbedingungen für eine gute Arbeit der Seniorenvertreterinnen zu schaffen. Diverse Präzisierungen wurden zu Recht in der Anhörung im Fachausschuss 2009 angemahnt. Einige haben Sie jetzt auch in Ihrem Antrag vorgenommen. Das ist okay so.
Einige weitere Probleme aber möchte ich hier ansprechen. Die Senioren- und Seniorinnenvertretungen haben von den meisten Bezirksämtern für ihre Arbeit zwar eine räumliche und organisatorische Unterstützung bekommen, aber die Unterschiede zwischen den Bezirken bei der technischen und auch finanziellen Ausstattung sind doch recht groß und teilweise unbefriedigend. Hier muss noch Abhilfe geschaffen werden.
Ein nach wie vor ungelöstes Problem ist, dass Seniorinnen und Senioren mit einem sehr niedrigen Einkommen ohne den Ersatz ihrer Auslagen Schwierigkeiten haben, sich zu engagieren. In dem vorliegenden Antrag gibt es dazu gar nichts.
Wir müssen auch darüber nachdenken, ob diese Gremien attraktiv und lebendiger wären, wenn es uns gelingen würde, Vertreterinnen und Vertreter von Initiativen aus der Mitte der Zivilgesellschaft für diese Arbeit zu gewinnen. Zurzeit bilden diese Gremien vor allem die politischen Machtverhältnisse ab und erscheinen deshalb für viele unattraktiv und in sich geschlossen.
Meine Damen und Herren von der SPD und der Linken! Es genügt nicht, ein Gesetz zu beschließen und sich dann bundesweit als Vorreiter in Sachen Seniorenmitwirkung zu präsentieren. Das Ziel der demokratischen Legitimierung von Seniorenvertretungen durch Wahlen, also eine echte Beteiligung und Mitwirkung von älteren Menschen, haben Sie bisher damit nicht erreicht. Unser Ziel muss es sein, eine echte Beteiligung und Mitwirkungsmöglichkeiten zu schaffen. Mit der von Ihnen vorgelegten Novellierung und dem heute dazu eingebrachten Antrag wird das nicht gelingen. – Danke!
Vielen Dank, Frau Kollegin Villbrandt! – Jetzt hat Frau von Stieglitz von der FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag zunächst mit einem herzlichen Dankeschön an diejenigen verbinden, über deren Arbeit wir heute sprechen. Danke an die vielen Mitglieder der bezirklichen und der Landesseniorenvertretung sowie des Landesseniorenbeirats!
Sie haben trotz teilweise schlechter Rahmenbedingungen in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet, von der nicht nur die Berliner Senioren, sondern das gesamte Berliner Gemeinwesen profitiert haben.
Meine Fraktion hatte in der letzten Legislaturperiode dem Seniorenmitwirkungsgesetz zugestimmt. Wir brauchen aktive Teilnahme älterer Menschen in unserer Gesellschaft. Mit ihrer Lebenserfahrung leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung der gesellschaftlichen und demographischen Herausforderungen und zur Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements.
Wie jedes Gesetz muss auch dieses Seniorenmitwirkungsgesetz darauf überprüft werden, inwieweit es seinen Zielen gerecht geworden ist und ob Optimierungsbedarf besteht. Es ist ein besonderes Verdienst der Landessenio
renvertretung und des Landesseniorenbeirats, dass sie sich eben auch dazu Gedanken gemacht haben, wie man zu einer besseren und einer breiteren Seniorenmitwirkung kommen kann. Auch die Koalitionsvertreter stellen sich hier heute hin und betonen, wie wichtig die Seniorenmitwirkung ist. Als es um die Behandlung der Vorschläge der Seniorenvertreter ging, war davon nichts mehr zu spüren. Der Senat karrte ein ganzes Aufgebot an Verwaltungsjuristen zur Anhörung im Sozialausschuss an, um klarzumachen, dass es tiefgreifende Veränderungen und Verbesserungen nicht geben wird. Anstatt zu beleuchten, was rechtlich möglich ist, haben sich Senat und Koalition auf das „Was-geht-nicht“ beschränkt. Das war und ist ein klares Anzeichen dafür, wie wenig ernst der Senat und die Koalition die Seniorenvertreter und deren Arbeit nehmen.
Das war bereits bei der Entwicklung des Gesetzes so und hat sich bei dessen Novellierung wiederholt. Sehr geehrte Damen und Herren! So geht man nicht mit Senioren um! Dass die Koalition auch anders kann, haben wir beim Integrationsgesetz gesehen. Während man sich den Wünschen der Seniorenvertreter mit Verweis auf verfassungsrechtliche Bedenken verweigerte, wurden mindestens ebenso berechtigte verfassungsrechtliche Einwände beim Integrationsgesetz einfach beiseitegeschoben und ignoriert. Mit den jetzt vorgelegten Anträgen wollen Sie über Ihre Ignoranz gegenüber den Senioren hinwegtäuschen. Die vorgelegten Änderungen am Gesetz sind in keiner Weise dazu geeignet, dessen Ausführung zu verbessern. Teilweise bekämpfen Sie nur die Symptome von Problemen statt deren Ursachen, so z. B. in Punkt 2. Wenn man sieht, dass es in vielen Vertretungen Probleme damit gibt, die Mindestanzahl an Mitgliedern zu erreichen, dann muss man Sorge dafür tragen, dass weniger Mitglieder die Motivation an der Mitarbeit verlieren und nicht einfach den unerwünschten Zustand legalisieren.
Ob die Wahlbeteiligung maßgeblich erhöht wird, wenn zukünftig drei bis fünf statt einer Wahlveranstaltung pro Bezirk stattfinden, wage ich zu bezweifeln. Wer Probleme mit seiner Mobilität hat, dem wird auch zukünftig von der Koalition die Teilnahme verweigert bzw. nicht ermöglicht. Ihr Antrag zur Änderung des Seniorenmitwirkungsgesetzes ist nicht zustimmungsfähig.
Nun kurz zum zweiten Antrag, der verdeutlicht, in welchem Zustand sich die Koalition befindet: Man kann sich nur noch darauf verständigen, Selbstverständlichkeiten und die eigene Pflichterfüllung zu fordern. Der Senat hat gesehen, dass fast niemand an den Wahlen der Vorschlagslisten teilgenommen hat. Dann gehört es doch zum Einmaleins des Regierungshandelns, nachzusteuern und beim nächsten Mal mehr Öffentlichkeit herzustellen. Eigentlich müsste man den Antrag umformulieren: „Der Senat wird aufgefordert, seine Hausaufgaben zu machen.“ Dort sieht auch meine Fraktion erhebliche Defizite, und deshalb können wir uns dieser Forderung nur voll und
Danke, Herr Präsident! – Frau von Stieglitz! Sie haben gerade gesagt, die Verwaltung hätte in der Anhörung alle möglichen Leute angekarrt. Ich weiß nicht, ob Sie bei dieser Anhörung dabei waren. Ich halte das für eine schwere Diskriminierung derjenigen, die dort angehört worden sind.
Das waren nämlich die Seniorenvertretungen, der Landesseniorenbeirat, das waren z. B. die Vertreter der BVV und ähnlicher Organisationen. Es waren nur Vertreter dort, die von den Fraktionen selber als Anzuhörende eingeladen worden sind. Und wenn Ihre Fraktion vielleicht Verwaltung eingeladen hat, dann war das Ihr Problem. Ich finde einfach, dass Sie die Beratung mit denjenigen, die dieses Gesetz wirklich angeht, nicht so gering schätzen sollten. Darüber hinaus haben die Fraktionen ja selber noch eine Vielzahl von Veranstaltungen gemacht, wo es durchaus nicht um Diskussion mit Verwaltung ging, sondern um die Wünsche derjenigen, auf die das Gesetz zutrifft. Deswegen verwahre ich mich gegen eine solche Äußerung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Dott! Ich verwahre mich gegen Ihren Hinweis oder Ihre Anschuldigung. In der Ausschusssitzung sind Vertreter der Justizverwaltung, der Bezirksverordnetenversammlungen usw.
anwesend gewesen. Wenn ich das Protokoll nachlese: Sie haben auch teilweise die Äußerungen angemahnt und immer wieder verwiesen und zurückgerufen, dass sie zurückrudern sollen. Hier geht es darum, die Wünsche und die Belange der Senioren zu berücksichtigen und ihnen gerecht zu werden. Das werden Sie mit diesem Gesetz nicht. Die Senioren werden nicht genug einbezogen mit ihren Möglichkeiten, auch ihren Wünschen und ihren Vorstellungen, sich einzubringen. Ich verwahre mich dagegen, dass Sie uns als Liberalen jetzt meinen als Koalitionsfraktion vorwerfen zu können, wir würden hier irgendjemand diskriminieren. Das ist nicht der Fall.
Vielen Dank, Frau von Stieglitz! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Das ist die Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 33. Für die Beratung jeweils wieder fünf Minuten! Das Wort hat die Kollegin Senftleben. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! Kolleginnen, Kollegen! Im Rahmen der Föderalismusreform I wurde 2006 das Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert. Mitgewirkt haben – ich will es mal sagen – die glorreichen Drei, nämlich die Herren Stoiber – CSU –, Koch – CDU – und Beck – SPD –. Aus dem Kooperationsverbot folgt: Der Bund darf sich nur noch dort finanziell beteiligen, wo er eine Gesetzgebungskompetenz innehat. Der Bildungsbereich bleibt damit außen vor. Und somit ist jegliche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verboten, jegliche Unterstützung verboten, und das ist einmalig. Denn eigentlich hat es Deutschland begriffen, Bildung hat Priorität, Bildung muss Priorität haben. Die Kanzlerin hat die Bildungsrepublik ausgerufen. Richtig so! Aber wie soll die funktionieren, wenn gerade im Schulbereich jegliche Kooperation verboten ist? Das ist skurril. Gemeinsame Projekte zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich sind seit 2006 unmöglich geworden. Es müssen sogar Umwege gegangen werden, wenn der Bund Projekte anstoßen will, ja sogar anstoßen muss. Hier bin ich bei dem schönen Beispiel Bildungspaket. Natürlich wäre es effektiver, wenn der Bund den Schulen direkt die Mittel zur Verfügung stellen würde.
Vielen Dank, Herr Zillich! – Weniger Bürokratie wäre das eine. Aber noch viel wichtiger: Das Geld käme dort an, wo es gebraucht wird. Es käme dann direkt den Kindern zugute, ohne Umwege. Aufgrund des Kooperationsverbots ist dies nicht möglich, ich sage ausdrücklich leider. Und was mich wirklich ärgert: Die Gelder dürften sogar noch für andere Zwecke verwendet werden. Der Nachweis muss nämlich nicht erbracht werden. Es gibt noch andere Beispiele, zu viele Beispiele. Wir sagen heute, es reicht.
Wer den Anspruch hat, Bildungsrepublik zu sein, Bildungsrepublik zu werden, der darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben, der muss alle Kräfte bündeln. Die FDPFraktion fordert daher eine Bundesratsinitiative zur Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich. Ziel muss es sein, alle staatlichen Ebenen an der Verbesserung des Bildungswesens mitwirken zu lassen.
Schwarz-Gelb hat beschlossen, den Bundeshaushalt für Bildung und Forschung um 12 Milliarden aufzustocken. Das bedeutet 6 Milliarden Euro mehr für Bildung. Der derzeitige Etat liegt damit um 30 Prozent über dem Niveau der letzten Regierungen. Das ist mehr denn je. Was die finanzielle Ausstattung betrifft, wurde im Prinzip der Weg in Richtung Bildungsrepublik bereits eingeschlagen. Aber die vorhandenen Ressourcen müssen endlich effektiv zur Verbesserung unseres Bildungsangebots eingesetzt werden, und zwar über eine echte und vor allen Dingen vernünftige Bildungspartnerschaft zwischen Bund und Ländern bzw. zwischen dem Bund und den Schulen. Projekte müssen möglich sein. Ja, wir wollen die direkte Kooperation mit den Schulen. Das unterstützt die Eigenständigkeit, deren Kreativität und Engagement. Genau das führt zu mehr Qualität. Das führt auch zu mehr Gerechtigkeit. Das ist unser liberales Verständnis von wirklicher, echter Bildungspartnerschaft. Das ist nämlich die direkte Kooperation mit Schulen.