Protokoll der Sitzung vom 31.03.2011

Wir müssen jetzt den Rückstand, den wir inzwischen gegenüber den anderen Bundesländern haben, aufholen. Das können wir sehr einfach tun. Es gibt so viel, was in anderen Ländern gut läuft. In der Begründung unseres Antrags auf eine Aktuelle Stunde hatte ich da viele Beispiele genannt. Das müssen wir einfach übernehmen, beispielsweise eine richtige Ökostromausschreibung. Bei der Ökostromausschreibung war der SPD gar nicht richtig

klar, was das ist. Schauen Sie es sich in an. In Bremen wird eine Stromausschreibung vorgenommen, die dazu führt, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Sie haben eine Stromausschreibung vorgenommen, die dazu führt, dass norwegischer Wasserstrom jetzt seinen Namen für Atomstrom und Kohlestrom von Vattenfall hergibt. Das ist einfach nur ein Greenwashing. Damit haben Sie sich zufrieden gegeben. Alle Umweltverbände haben das kritisiert. Sie sollten, so wie es das Umweltbundesamt empfohlen hat, eine richtige Ökostromausschreibung vornehmen.

[Beifall bei den Grünen]

In Berlin wurden in den 90er-Jahren die Berliner Energiesparpartnerschaften entwickelt. Sie sind eine Erfolgsgeschichte, die überall sonst kopiert wurde. Früher gab es in Berlin in den 90er-Jahren energetische Sanierungen über weite Stadtteile. Das wird heute noch überall mit Anerkennung gesehen. Berlin hat die Solarverordnung entwickelt. Diese wurde kopiert und in Barcelona umgesetzt. In Berlin wurde sie jedoch nicht umgesetzt. Unter Rot-Rot gibt es auch kaum neue Energiesparpartnerschaften. Von energetischer Gebäudesanierung sieht man weit und breit nichts. Wir liegen hier unter dem Bundesschnitt. Inzwischen sind wir in der Position, dass wir bei anderen Ländern abkupfern müssen. Wir sollten das tun. Zumindest das können wir von Ihnen erwarten, dass Sie den Rückstand aufholen, damit wir endlich nicht mehr das Land auf dem letzten Platz im Bundesländervergleich erneuerbare Energien sind.

[Beifall bei den Grünen]

Der Wirtschaftssenator redet seit eineinhalb Jahren über ein Stadtwerk. Die Grünen in Hamburg haben gar nicht so viel länger regiert, und sie haben es einfach gemacht. Darum geht es. Es geht um Handeln und nicht darum, Konzepte immer weiter zu entwickeln, bis man nach fünf Jahren etwas vorlegt, was der nächste Senat vermutlich verwerfen wird, weil es immer noch nicht gut geworden ist.

[Henner Schmidt (FDP): Jetzt sind sie ja abgewählt worden!]

Herr Müller hat in der letzten Plenarsitzung richtig gesagt, dass der Beitrag Berlins zu einer schnelleren Energiewende noch ausgebaut werden muss und dort noch etwas zu tun ist. Ich bitte Sie, Herr Buchholz – Sie sind der nächste Redner –, brechen Sie einmal mit Ihrer üblichen Weise hier am Redepult. Arbeiten Sie sich diesmal nicht nur an anderen ab, sondern sagen Sie, was Rot-Rot in den nächsten sechs Monaten hier noch auf die Beine stellen will! Darum geht es. Das erwarten die Leute von Ihnen. Das sollten Sie jetzt auch einmal leisten.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer! – Das Wort hat in der Tat der Kollege Buchholz von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Schäfer! In der Energiepolitik gibt es den Begriff der Halbwertszeit. Wir alle wissen, dass es momentan ein dringender und wichtiger Begriff ist. Wir sollten ihn aber vielleicht auch einmal in der Politik einführen. Vielleicht haben Sie schon vergessen, dass dieses Berliner Abgeordnetenhaus vor genau zwei Wochen – die Fraktion der SPD, die Fraktion der Linken und die Fraktion der Grünen – gemeinsam gesagt haben: „Wir stehen gemeinsam gegen die Verlängerung von Atomlaufzeiten und für den Atomausstieg.“ Verdammt noch einmal, lernen Sie eigentlich gar nicht, dass in diesem Parlament eine breite Mehrheit für eine neue Energiepolitik vorhanden ist, die Sie nicht allein für sich beanspruchen können, nur weil Sie hier nicht mitregieren? Das ist doch Ihr Problem.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Unruhe bei den Grünen]

Das ist Ihr elementares Problem an der Stelle. Sie sagen, wir wären zurückgefallen. Nehmen wir doch einmal ein, zwei objektive Zahlen – Kollegin Kosche, ganz ruhig! Der Kohlendioxidausstoß pro Einwohner und Jahr im Land Berlin beträgt 5,9 Tonnen. Der Bundesdurchschnitt liegt über 9. Bei den Großstädten sind wir damit die klimafreundlichste Stadt in der Bundesrepublik Deutschland.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Damit haben wir aber leider gar nichts zu tun, meint Herr Schäfer.

Ach so, das ist alles Vergangenheit. Ja, Herr Schäfer! Dieses Abgeordnetenhaus hat im Jahr 2003 den verbindlichen Beschluss gefasst, als erstes Landesparlament in öffentlichen Gebäuden keinen Atomstrom mehr einzusetzen. Das haben wir konsequent durchgesetzt und bis heute eingehalten. Es ist einfach so – da können Sie hier gar nichts mehr beschließen, Herr Schäfer –, das tun wir so seit acht Jahren. Welche offenen Türen wollen Sie eigentlich in der Energiepolitik beim Thema Atomstrom einrennen?

Der Regierende Bürgermeister hat – auch das ist erst zwei Wochen her, daher das Stichwort Halbwertszeit und Erinnerungsvermögen bei den Grünen – gemeinsam mit grünen bzw. rot-grün regierten Ländern Anträge im Bundesrat eingebracht: Keine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken! Wir haben als Land Berlin auch gesagt, dass wir den Atomausstieg klar, schnell und unverrückbar im Bundesgesetz verankern wollen. Auch das ist eine Initiative des Bundeslandes Berlin zum Thema Atom. Fällt Ihnen dazu gar nichts ein? Dazu fällt Ihnen gar nichts mehr ein, denn es gibt dazu nichts mehr von der grünen Seite zu sagen. Wenn es ein Bundesland gibt, dass sich sowohl mit der öffentlichen Hand mit dem, wie sie einkauft wie auch mit dem, wie sich der Senat ganz konkret bei Bundesinitiativen verhält, dann ist das eindeutig Berlin und ist unser Punkt und kein grüner Punkt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie können es auch gern immer wieder klein reden, Kollege Schäfer. Wir haben in den Jahren 2009 und 2010 mehr als 400 Millionen Euro – nehmen Sie sich bitte einmal einen Stift und schreiben Sie mit – für die energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden mit den Konjunkturmitteln des Bundes, dem Investitionspakt und dem, was das Land und die Bezirke in Investitionshaushalten bereitstellen, ausgegeben.

[Gelächter bei den Grünen]

Es sind mehr als 400 Millionen Euro. Da sagen Sie, wir tun an der Stelle nichts. Schauen Sie sich doch einmal die renovierten Schulen und Schwimmbäder von unserem Sportsenator an. Schauen Sie sich die Verwaltungsgebäude an, damit Sie ein wenig vor Ort sehen, wie sich Berlin unter dieser rot-roten Regierung verändert und zwar zum Besseren verändert hat.

[Andreas Gram (CDU): Schulen sind vielleicht ein schlechtes Beispiel!]

Ganz originell wird es, wenn der Kollege Schäfer Nachhilfe geben will, wie man mit unseren polnischen Nachbarn zum Thema Atomkraftwerke umgehen soll. Ich weiß gar nicht, ob Sie das letzte Jahr komplett verschlafen haben. Es war eine Initiative der SPD-Fraktion dieses Hauses, Kollege Schäfer, wodurch überhaupt erst einmal öffentlich umfangreich diskutiert wurde, was die polnischen Kollegen vor der Landesgrenze oder oben an der Ostsee planen. Das hat die SPD-Fraktion in die Öffentlichkeit gebracht und problematisiert. Der Regierende Bürgermeister und der Ministerpräsident von Brandenburg haben sich dazu eindeutig geäußert: Wir sagen unseren polnischen Freunden, bitte lasst es sein und baut keine Atomkraftwerke. Darauf können wir heute stolz sein, und Sie sollten es auch sein, Herr Schäfer.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ganz zum Schluss, da meine Redezeit begrenzt ist, obwohl die fünf Minuten an der Stelle auch reichen, möchte ich Ihnen noch sagen, Kollege Schäfer: Wenn Sie die Windräder mit Ihrer verehrten und geschätzten Fraktionsvorsitzenden aus dem Bundestag problematisieren und fragen, wie viel Windräder es im Land Berlin gibt, kann ich Ihnen sagen, dass es eines am Stadtrand von Berlin gibt. Wir wissen, es werden nicht wahnsinnig viel mehr werden können, weil schlichtweg Anwohner immer sagen können, dass die 1000 Meter Abstandsgebot einzuhalten sind.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Kollege Esser, das war ausnahmsweise einmal ein richtiger Zwischenruf: Nicht die Rieselfelder! Nehmen wir doch einmal die Berliner städtischen Flächen in Brandenburg, die Stadtgüter. Wissen Sie eigentlich, wie viele Windräder dort stehen?

[Stefan Zackenfels (SPD): Tausend! – Heiterkeit]

Nein, tausend sind es nicht, Kollege Zackenfels.

Herr Kollege Buchholz!

Es sind nach meiner Kenntnis über 50. Das sind Berliner Windräder an der Stelle.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Schauen Sie doch einmal! Lesen Sie erst einmal nach! Herr Schäfer! Noch eine persönliche Empfehlung, – –

Herr Kollege Buchholz!

Ja, es ist der letzte Satz! – Kollege Schäfer wird gerade von Herrn Schruoffeneger abgelenkt. Herr Schäfer, hallo, wir sind hier im Parlament.

Herr Kollege Buchholz! Ich muss jetzt Schluss machen. Sie sind schon zwanzig Sekunden weiter.

Es ist der letzte Satz. – Frau Künast sollten Sie in Fragen der Energiepolitik, was Berlin betrifft, einfach besser beraten, Herr Schäfer, sonst macht sich Frau Künast auch in diesem Bereich noch viel lächerlicher als in anderen Bereichen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Schruoffeneger.

Herr Präsident! Sehr geehrter Kollege Buchholz! 5,9 Tonnen pro Einwohner ist ein guter Wert. Sie haben nur eines vergessen: Sie haben vergessen zu sagen, dass Berlin die Großstadt mit der wenigsten Industrie ist und deswegen sehr wenig CO2 produziert wird. Ob das ein Erfolg Ihrer Politik ist, mögen Sie bitte selbst bewerten.

[Beifall bei den Grünen]

Zweiter Punkt: Sie setzen sich vehement gegen die AKWs in Polen ein. Das ist o.k. Was hat denn der Regierende Bürgermeister und die ganze – abwesende – Senatsbank getan, um das den polnischen Nachbarn mitzuteilen?

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Ich habe von einem entsprechenden Besuch noch nichts gehört. Wir warten darauf.

[Zuruf von Stefan Zackenfels (SPD)]

Vielleicht hat er einen Brief geschickt, Herr Zackenfels, aber vielleicht lesen sie ja auch die deutschen Zeitungen, dann wissen sie es auch.

Dritter Punkt – Konjunkturprogramm II: Schön, wenn Sie sagen, 400 Millionen Euro energetische Sanierung! Ein bisschen peinlich, dass Sie damit nur die Bundesmittel meinen und nicht die Landesmittel!

[Daniel Buchholz (SPD): Nee, beides!]

Ach, da ist ja der Regierende Bürgermeister! Chefsache diskutieren wir gerade. Das hat man Ihnen vielleicht gesagt. Danke, dass Sie kommen!

[Beifall bei den Grünen]

Wenn man sich aber die Realität und die einzelnen Maßnahmen anguckt – da steht immer eine Prozentzahl dahinter: klimatischer Effekt, energetische Einsparung 0,5 Prozent, 1 Prozent, 2 Prozent.