Protokoll der Sitzung vom 31.03.2011

Werter Herr Czaja! Ich komme zunächst zu Ihrer Darstellung, Sie hielten sich an Recht und Gesetz. Man kann sich in der einen oder anderen Weise an Recht und Gesetz halten.

[Gelächter]

Hören Sie doch erst einmal an, was ich zu sagen habe. – Es ist schon die Frage, welche Ausbaustandards Sie haben wollen, wenn Sie es anwenden und sich an das Gesetz halten. Welche Luxusausbaustands wollen Sie den Leuten verordnen? Das ist doch der Punkt. Gehen Sie auf die Minimalstandards, oder gehen Sie auf die hohen Standards? Das ist die entscheidende Frage. Abgesehen davon haben wir auch in den Ausschusssitzungen besprochen, dass man es selbstverständlich auch verweigern kann. Warum hat es denn niemand bei Ihnen verweigert? Hätten Sie doch einmal exemplarisch gesagt, dass Sie das nicht anwenden wollen! Was wären denn passiert? Der Senat hätte es an sich ziehen und sagen müssen, dass Sie das Gesetz nicht durchsetzen, weshalb er die Maßnahme an

sich zöge. Dann hätten Sie sagen können: Seht, liebe Bürger, es ist der böse Senat, der das tut. Wir sind es gar nicht. – Aber das haben Sie nicht getan. Nicht ein einziges Mal sind Sie exemplarisch so verfahren. Im Gegenteil: Je nach dem, mit wem Sie gerade im Bund, gehen Sie vor. In Marzahn sind es CDU und Linke; sie arbeiten ganz wunderbar zusammen. In Neukölln hat Ihre ehemalige Stadträtin Vogelsang hat den Leuten in Alt-Rudow erzählt, es werde sie nichts kosten. Daraufhin haben die Bürger alles mitgemacht. Anschließend haben sie dann die hohen Rechnungen erhalten. Es ist sogar noch die Forderung aufgestellt worden, die CDU solle es aus der Parteikasse zahlen. Wie war das denn dort alles? Das ist schon ein verwegenes Ding, Herr Czaja, worauf Sie sich einlassen.

[Beifall bei der FDP]

Wir sind die Verhinderer des Straßenausbaubeitragsgesetzes und nicht Sie. Das ist die Wahrheit.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Andreas Köhler (SPD)]

Danke schön, Herr Kollege! – Jetzt geht es weiter mit Frau Haußdörfer für die SPD-Fraktion. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Bei dieser Art von Kabbelei und Wettkampf, da blutet einem das Herz, da weiß ich gar nicht so richtig, wie ich vor lauter Lachen anfangen soll. Alle sind hier die Ersten und die Besten, Klasse.

Sehr geehrter Herr von Lüdeke! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Ich glaube, es ist ganz deutlich, dass die kritischen Nachdenkpunkte, die wir auch in den Ausschusssitzungen erwähnt haben, weiterhin gelten. Auch wenn es in diesem Haus noch eine Person gegeben hätte, die es noch nicht gewusst hätte, aber es ist nun wirklich Wahlkampf, und das wird auch hier deutlich. Es ist wirklich göttlich, wie sich CDU und FDP noch nicht einmal in diesem einen Punkt einig sind.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch wenn CDU und FDP es gern abstreiten – das Straßenausbaubeitragsgesetz ist keine originär rot-rote Erfindung. So befindet sich das Land Berlin in guter Gesellschaft mit 14 anderen Bundesländern, die in unterschiedlicher Couleur regiert wurden und werden. Auch wurde das Gesetz in einer Zeit entwickelt, als es um die Klage des Landes Berlin auf Schuldenübernahme ging. Natürlich ist diese Sinngebung auch im Gesetz verankert. Und dass die FDP als sogenannte Rechtsstaatspartei bei den Bezirksämtern mehr oder weniger zum Rechtsbruch aufruft, das ist erstaunlich.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Christoph Meyer (FDP): Wir wollen sie doch abschaffen!]

Ich hoffe es wird noch mal deutlich, Herr Meyer hat gerade erzählt, er will die Bezirksämter abschaffen. Das werden wir nicht tun, genauso wenig, wie wir das Straßenausbaubeitragsgesetz in dieser Legislaturperiode abschaffen werden.

Wir haben im Bauausschuss 2008 wesentliche Anhörungen und bereits Anpassungen als Ergebnis einer praxisnahen Evaluierung durchgeführt. So sind die Beleuchtungsmittel aus dem Leistungskatalog herausgenommen worden. Ich finde es nicht falsch, sich für eine entsprechende Evaluation die Zeit zu nehmen, um die Experten aus Theorie und Praxis anzuhören und deren Meinungen auszuwerten. Im Gegenteil, fundamental-populistische Auffassungen der Abschaffung zu vertreten, die dann nach der Wahl bei Erfolg sowieso nicht umgesetzt werden – Herr von Lüdeke sprach es an, und wir wissen es auch vom Kollegen Brüderle auf Bundesebene –, das hat hier noch keinen Punkt gebracht.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Es gibt in diesem Parlament einige Kollegen, die haben einen Spitznamen. Ich finde es völlig okay, wenn man den Lobbyverband seines Herzens ehrt, aber man muss es transparent halten. Ich gebe freimütig zu, dass ich oft mit „Kleingarten-Elli“ betitelt werde. So würden Sie sicherlich einen guten „VDGN-Mario“ abgeben.

Ich finde es wichtig, dass man mit den Betroffenen, den Verbänden und den Verwaltungen einen kritischen Dialog führt. Das machen wir auch. In der nächsten Legislaturperiode wird es wieder eine entsprechende umfassende Evaluierung geben, das ist doch ganz klar. Hier wird man besonders über die doch teilweise recht uneinheitliche Regelung und den Umgang in den Bezirken nachdenken müssen. Beispiele wie etwa die Müngersdorfer Straße in Altglienicke führen zu großer Verunsicherung und bedürfen einer Erklärung. Vielleicht führt ja eine einheitliche Regelung zu größerer Akzeptanz.

Weiterhin wird man die Abgrenzung von Ausbau und Instandhaltung stärker betonen müssen, da hier die Verunsicherung auch groß ist. Ihre Redebeiträge tragen leider nicht zur Versachlichung der Problematik bei. – Eine Abwägung zwischen Gemeinwohl und der Zumutbarkeit der persönlichen Belastung ist also auch hier entscheidend.

Abschließend möchte ich noch ein Zitat anbringen, das mir – das gebe ich zu – besonders Freude bereitet hat. Es ist unverdächtig, da von Herrn Prof. Driehaus, der Ihnen, Herr Czaja, politisch näher stehen dürfte als meiner Partei. Er sagte damals: Seit vielen Jahren werden in allen alten und neuen Bundesländern außer in Baden-Württemberg Straßenausbaubeiträge erhoben. Die jeweiligen Gesetzgeber haben ihren entsprechenden Gesetzen die Chance gegeben, sich in der Anwendung zu bewähren. Diese Gesetze, die sich inhaltlich im Wesentlichen mit dem decken, was hier, sprich: Berlin, im Straßenausbaubeitragsgesetz steht, haben sich bewährt. Sie haben die Chance, sich zu bewähren, genutzt, und zwar ohne dass,

soweit ersichtlich, der Eindruck einer Abzocke entstanden ist – das, was Sie uns gerne vorwerfen.

Die Anhörungen haben uns das modernste und im Umgang mit der Bürgerbeteiligung aktivste Gesetz bescheinigt. Man muss einmal klarstellen: Die Bezirksverordnetenversammlungen entscheiden, ob gebaut wird oder nicht und in welcher Variante.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber, wie gesagt, die FDP will die Bezirke ja abschaffen. Das nehmen wir zur Kenntnis.

Kein Gesetz ist so gut, dass man es nicht evaluieren muss und gegebenenfalls anpassen sollte. Aber Politik und Politikvermittlungen sind gerade dann erfolgreich, wenn man sich die Zeit nimmt und klug arbeitet. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Haußdörfer! – Für die CDUFraktion hat nun der Kollege Czaja das Wort. – Bitte schön, Herr Czaja!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die bisherigen Erfahrungen mit dem Straßenausbaubeitragsgesetz sind wenig ermutigend. Man sollte sich ernste Gedanken darüber machen, ob man es in der kommenden Legislaturperiode aufhebt – so die Ausführungen von Wirtschaftssenator Wolf gegenüber der Presse in der letzten Woche. Auch wenn Senator Wolf heute nicht da ist – wir haben uns seit der Einführung 2006 und auch davor ernste Gedanken gemacht und kamen immer wieder zu der Schlussfolgerung: Das Gesetz muss abgeschafft werden. Deshalb bringen wir den Antrag zur Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes erneut in dieses Haus ein.

[Beifall bei der CDU]

In der Linkspartei hat sich offensichtlich ein Erkenntnisprozess durchgesetzt. Lassen Sie uns das Gesetz nun gemeinsam abschaffen. Das auf einen angeblichen Tag nach der Wahl zu verschieben, halten wir für verlogen,

[Christoph Meyer (FDP): Also, „verlogen“ muss man sich von Ihnen nicht vorwerfen lassen, Czaja!]

denn die Ergebnisse und die Erfahrungen mit dem Gesetz sind wenig ermutigend.

Die wesentlichen Gründe für die sofortige Aufhebung des Gesetzes liegen auf der Hand. Das Gesetz ist der untaugliche Versuch, die Anwohner an dem sogenannten Mehrwert, den sie durch die Straße haben, zu beteiligen. Als wir in diesem Haus über das Straßenausbaubeitragsgesetz debattierten, ging es auch um die Frage der Grundsteuererhöhung. Damals sagten Sie nein zu dem Vorschlag

einiger Grundstücksbesitzerverbände, die Grundsteuer um 20 Punkte anzuheben, genau den Wert, den man benötigt, um danach die Mittel zu haben, die man für die Straßenunterhaltung braucht. Das wollten Sie nicht machen, das haben Sie für unsozial gehalten. Nachdem Sie das Gesetz beschlossen haben, haben Sie die Grundsteuer nicht um 20 Punkte, sondern um 200 Punkte angehoben. Das zeigt, dass Sie gleich doppelt und dreifach abkassieren wollten.

[Beifall bei der CDU]

Durch dieses Gesetz ist aber auch der Mittelstand gefährdet, Frau Kollegin! Mittelständische Unternehmen mit großen Betriebsflächen sollen Beiträge von mehreren Hunderttausend Euro bezahlen, weil Gewerbeflächen gleich doppelt in die Bemessung des Straßenausbaubeitrags einfließen.

Die Investitionsmittel, so konnten wir in den letzten Jahren feststellen, werden in den Bezirken gar nicht mehr ausgeschöpft, weil die Bereitschaft sinkt, sich mit klagenden Anwohnern auseinanderzusetzen. So ist zum Beispiel in dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf, in dem ich meinen Wahlkreis habe, in Mahlsdorf, Kaulsdorf und Biesdorf keine einzige Straße von Straßenausbaubeiträgen betroffen gewesen,

[Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

weil das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung nicht bereit waren, dieses Gesetz zur Anwendung zu bringen. Das ist im Übrigen ein Erfolg eines direkt gewonnenen CDU-Wahlreises. Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) – Zurufe von der SPD]

Mit dem Gesetz steigen die Bürokratiekosten. Der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Kollegin Seibeld an den Senat konnten wir entnehmen, dass Ihre Aussage, Frau Haußdörfer, dass mit dem Gesetz auch Geld für den Landeshaushalt eingenommen wird, gar nicht stimmt. Ihre Senatorin hat mitgeteilt, dass mit dem Gesetz in dem Bezugsjahr zwar 100 000 Euro eingenommen wurden, aber dass gleichzeitig 1,5 Millionen Euro für mehr Personal, mehr ODV und mehr Verwaltungsaufwand ausgegeben wurden. Das Gesetz ist also nicht nur ungerecht, unsozial und unsinnig, sondern es kostet auch noch Steuergeld – noch ein Grund mehr, es endlich abzuschaffen!

[Beifall bei der CDU]

Die Abschaffung ist auch im Sinne der Tausenden von Anwohnern in den über 100 Straßen, wo gegenwärtig ausgebaut wird. Was wollen Sie den Anwohnern in Ihrem Wahlkreis, die derzeitig Vorbescheide nicht über 2 000 oder 3 000 Euro, sondern über fast 100 000 Euro bekommen, eigentlich sagen, Frau Haußdörfer? Wollen Sie ihnen sagen: Euch kassieren wir noch ab, aber nach der Wahl nehmen wir das Gesetz zurück? Das ist doch verlogen, das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Wenn Sie es abschaffen wollen, machen Sie es jetzt und nicht erst nach der Wahl!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Nein, liebe Kollegen von der Linkspartei, wir trauen Ihnen nicht,

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das verbindet uns, Herr Czaja! Wir trauen Ihnen auch nicht! – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

mit vielen Bürgern gemeinsam. Und dafür gibt es gute Gründe. In Brandenburg haben Sie vor der Wahl versprochen, dass Sie die Altanschließerbeiträge wieder abschaffen. Nach der Wahl kassieren Sie fleißig ab. In Mecklenburg-Vorpommern haben Sie in der Regierung ein Gesetz zur Erhebung von Altanschlussbeiträgen beschlossen. In der Opposition fordern Sie jetzt die Abschaffung. Wir können es Ihnen nicht abnehmen, dass Sie nach der Wahl dieses Gesetz ernsthaft abschaffen wollen. Das ist Wahlkampfspektakel, was Sie da machen. Das hat auch jeder da draußen verstanden.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Sie sollten sich in Robin Hood umbenennen lassen!]

Eine ernstzunehmende Grundstücksbesitzer- und -nutzerzeitung

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ihre Zeitung, sagen Sie es doch!]

hat geschrieben: Der Wolf hat Kreide gefressen, aber er bleibt ein Wolf, was die Wasserpreise angeht, ebenso was die Ausbaubeiträge angeht. – Mit uns wird dieses Gesetz abgeschafft. Sie können jetzt Wort halten und mit uns mitstimmen oder Ihr wahres Gesicht zeigen und dem Wolf die Kreide wegnehmen. – Herzlichen Dank!