Protokoll der Sitzung vom 31.03.2011

Meine Damen und Herren von der FDP! Ihre Partei hat nun im Bund zusammen mit der CDU die Mittel für den ÖBS und gleichzeitig aber auch Mittel für den gesamten Eingliederungstitel gekürzt und Berlin somit die Grundlage für den öffentlichen Beschäftigungssektor entzogen.

[Beifall bei der FDP]

Ich finde es erstaunlich, dass Sie noch stolz darauf sind und von „Streichung der Kohlesubvention“ in Zusammenhang mit Hartz IV-Empfängerinnen und Empfängern sprechen! Das zeigt wirklich, wie Sie ticken!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Entschuldigung, Frau Grosse! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Meyer?

[Gelächter bei der FDP]

Mit Ihrem Antrag suchen Sie nur eine Rechtfertigung, indem Sie den Senat auffordern, den ÖBS einer „tiefgrei

fend wissenschaftlichen Evaluation“ unterziehen zu lassen und bei fehlendem „Nachweis positiver Effekte“ abzuschaffen.

[Beifall bei der FDP]

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP! Was Sie unter positiven Effekten verstehen, das hatte der ÖBS nie zum Ziel!

[Aha! von der FDP]

Der ÖBS ist ein Instrument, um langzeitarbeitslosen Menschen in einem zweiten Arbeitsmarkt zu einem Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro eine längerfristige Beschäftigung zu ermöglichen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ÖBS sind Teilnehmer mit diversen Vermittlungshemmnissen, die natürlich nicht sofort im Anschluss an diese Maßnahme in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können.

[Christoph Meyer (FDP): Deswegen wollen wir das ja evaluieren! Aber ihre Chancen steigen selbstverständlich. Das werden Sie nicht leugnen können! [Natürlich! von der FDP]

Das, meine Damen und Herren von der FDP, kann man nicht messen, und das kann man auch nicht nachweisen. Der ÖBS mit einem Bruttolohn in Höhe von 1 300 Euro ermöglicht den Menschen, ohne ergänzende Leistungen auszukommen und für diese Zeit nicht in die Jobcenter gehen und dort als Bittsteller oder Bittstellerin auftreten zu müssen. Wir wären alle froh, wenn wir diese Maßnahmen nicht benötigten und alle Berlinerinnen und Berliner einen auskömmlichen Arbeitsplatz hätten! Die Realität ist aber anders, das wissen Sie auch ganz genau!

[Christoph Meyer (FDP): Dank Ihrer Politik!]

Deshalb müssen wir neben den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, von denen Sie auch gesprochen haben, Fort- und Weiterbildung, Eingliederungszuschuss, Lohnkostenzuschuss, die gleich in den ersten Arbeitsmarkt führen, haben. Aber wie sieht denn die Realität aus? – Wenn der Lohnkostenzuschuss wegfällt, gehen sie wieder zum Jobcenter, und man holt mit dem Lohnkostenzuschuss den neuen Teilnehmer, die neue Teilnehmerin. Haben Sie das schon einmal evaluiert? Das wäre auch hochinteressant! Lassen Sie uns darüber im Ausschuss debattieren! Ich bin gespannt, was Sie diesen Menschen anbieten wollen. Das steht nicht in Ihrem Antrag.

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Zum Dringlichkeitsantrag der Grünen kann ich für meine Fraktion sagen: Diesen Antrag lehnen wir ab. Das ist das gleiche Spiel, das Sie mit dem ÖBS gespielt haben und immer wieder gefragt haben: Wann sind die Stellen denn nun endlich eingerichtet?

Entschuldigung noch einmal, Frau Grosse! Erneut die Bitte von Herrn Meyer um eine Zwischenfrage.

Herr Meyer! Ich habe nur noch 60 Sekunden, nun hören Sie doch mal bitte auf!

Das wird Ihnen nicht auf Ihre Redezeit angerechnet, Frau Grosse!

Ich rede erst einmal zu Ende, dann können Sie noch mal fragen! Damit Sie erst den gesamten Redetext hören, vielleicht hat es sich dann erledigt.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Wahrscheinlich nicht!]

Eines lassen Sie mich noch sagen: Die Förderung der arbeitslosen Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, haben wir vor fünf Jahren begonnen und nicht, wie Sie in Ihrem letzten Satz der Begründung schreiben, wir sollen jetzt damit beginnen. Die Förderung werden wir fortsetzen, aber nicht mit der reinen Bürgerarbeit der schwarz-gelben Bundesregierung. Wir haben ein sozialeres Programm. Ich muss mich schon wundern, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass Sie ein schwarz-gelbes Programm ohne Wenn und Aber unterstützen wollen. Wir nicht!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Och! von der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Grosse! – Für die Fraktion der CDU hat nun Frau Abgeordnete Kroll das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kurz vor Feierabend möchte ich es relativ kurz machen, denn die CDU-Fraktion hat bekanntermaßen zu dem Berliner öffentlichen Beschäftigungssektor schon sehr häufig kritisch Stellung bezogen. Nicht, Frau Grosse, weil wir gegen soziale Arbeit oder gegen Beschäftigungszuschüsse oder gar gegen Programme sind, die Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung bringen, nein, das sind nicht unsere Argumente! Wir haben stets betont, dass der ÖBS insbesondere in Zeiten knapper Kassen keine Dauereinrichtung sein kann.

[Beifall bei der CDU]

Das aus folgenden Gründen: Er ist zu teuer, Herr Nußbaum stimmt dem ja wohl auch zu; er erfasst zu wenige Langzeitarbeitslose im Vergleich zu den aufgewendeten Finanzvolumina, und er bietet den langzeitarbeitslosen Menschen keine langfristige Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt, weil die Maßnahmen zeitlich begrenzt sind.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

All diese Kriterien zeigen, dass der Berliner ÖBS nur kurzzeitige, kosmetische Wirkungen erzielt und damit nicht nachhaltig sein kann, Frau Grosse! Vor allem stehen viele der langzeitarbeitslosen Menschen nach Beendigung der Maßnahme oft vor dem gleichen Dilemma wie vorher, weil die im Auftrag des Senats angebotenen Tätigkeiten keine Brücke zur Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt sind.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Auch das Argument, der ÖBS koste das Land pro Monat und Beschäftigung per Saldo nur 279 Euro mehr als die notwendigen Transferleistungen bei Arbeitslosigkeit, ist nicht durchzuhalten. Hier hat sich die Senatorin die Zahlen schön gerechnet, weil diese Berechnung auf einer Grundlage einer Einzelperson, also alleinstehend, ohne Kinder, vorgenommen worden ist. Das bildet jedoch nicht die Realität ab. Denn eine große Anzahl von Menschen in diesem Programm lebt in Bedarfsgemeinschaften. Allein aus dieser Perspektive entstehen dem Land Berlin deutlich höhere Kosten als der berechnete, untypische Idealfall. Deshalb unterstützen wir den Antrag der FDP, den ÖBS auf seine Wirkung hin zu evaluieren.

Eigentlich müsste die SPD diesem Argument auch zustimmen, weil sie nur auf einer solchen Grundlage zu einer wirklich glaubwürdigen Entscheidung hinsichtlich des ÖBS in ihrem sogenannten Koalitionsstreit mit den Linken kommen kann. Stimmt sie dagegen, wird nur allzu deutlich, dass das derzeitige Wenn und Aber nichts als durchsichtiges Wahlkampfmanöver zur beiderseitigen Profilierung von Rot-Rot ist.

[Beifall bei der CDU]

Nun zu dem Antrag der Grünen. Frau Popp, wir freuen uns über Ihren Antrag, weil Sie ganz offensichtlich jetzt letztendlich erkannt haben, dass der ÖBS nicht der richtige Weg ist. Die CDU-Fraktion stimmt Ihrem Antrag zu, das Programm Bürgerarbeit der CDU-Ministerin Frau von der Leyen ist gut und ist richtig.

[Beifall bei der CDU]

Es ist für die betroffenen Langzeitarbeitslosen in Berlin nicht nachvollziehbar, dass diese Chance wegen eines Streits in der Koalition im ÖBS nicht umgesetzt wird und die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel nicht eingesetzt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kroll! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Breitenbach das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum ÖBS liegen in der Zwischenzeit drei Untersuchungen vor. Ich gehe davon aus, dass der eine oder die andere diese Un

tersuchungen kennt und sie gelesen hat. Ich denke, man sollte sich mit deren Ergebnissen auseinandersetzen. RotRot hat mit dem ÖBS gezeigt, dass es Alternativen zum Niedriglohnsektor gibt.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Werte Frau Grosse! Werte Frau Pop! Die Bürgerarbeit einer Frau von der Leyen ist Niedriglohnsektor. Es handelt sich um 900 Euro im Monat, von denen die Menschen leben können. Das wollen wir nicht.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir wollen diese Bürgerarbeit anders einsetzen. Deshalb, werte Frau Pop, werden wir Ihren dringlichen Antrag nicht zustimmen, in dem Sie fordern, dass weiterhin der Niedriglohn ausgebaut wird. Damit sind auch Sie wieder die alte Hartz-Partei.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir möchten die Bürgerarbeit unter ÖBS-Bedingungen einsetzen. Das sind 1 300 Euro im Monat. Und das können wir theoretisch auch.

[Marion Kroll (CDU): Theoretisch!]