Protokoll der Sitzung vom 31.03.2011

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Was helfen denn die vielen gut gemeinten und gut gemachten Einzelangebote, mit denen Sie sich vor einem Jahr herausgeredet haben und auch noch herausreden und mit denen Sie so tun, als wäre Berlin vorbildlich? Auch vorhin fiel wieder das Wort „vorbildlich“. Da klingeln bei mir langsam die Ohren. Was nützt alles, wenn das Gesamtkonzept fehlt? Nichts, aber auch gar nichts! Das sind Feigenblätter für Untätige.

[Beifall bei der FDP]

Es ist traurig, dass die Vorkommnisse der letzten Woche nötig waren, um über die Mediennutzung, die Medienkompetenz zu debattieren und ein Bewusstsein zu schaffen,

[Andreas Gram (CDU): Das ist doch immer so!]

traurig, weil es viele Fälle von Mobbing und von Gewaltanwendung psychischer oder physischer Art gab. Wer hat denn übrigens die ersten Konsequenzen ergriffen? – Die Schüler selbst! Das finde ich klasse.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Frau Dr. Tesch hat in den Medien erklärt: In Berlin läuft alles prima. –

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Die Schüler selbst sahen das offensichtlich anders und sagten: Gut, dann machen wir es selbst. – Selbsthilfe nennt man so etwas. Das gibt es in Berlin, so reagieren die Schüler. Das finde ich klasse.

Aber es gibt auch Beispiele, wie Pädagogen an die Sache herangehen, zum Beispiel eine Ethiklehrerin, die die Pöbeleien gegen sie selbst zum Anlass nahm, sie im Ethikunterricht zu thematisieren. Ich finde, da passt es ausgesprochen gut hin.

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Seien wir ehrlich: Die verantwortliche Nutzung von Medien hat direkt etwas mit dem verantwortlichen Umgang miteinander zu tun.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und das hat mit einem gesellschaftlichen Vertrag und mit Werten zu tun, wie man in einer Gesellschaft oder exemplarisch an einer Schule miteinander umgehen möchte.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Sebastian Czaja (FDP): Das versteht die SPD nicht]

Offensichtlich verstehen sie es nicht. – Es gibt Nachholbedarf, Medienkompetenz nicht nur technisch, sondern vor allem pädagogisch an die Schüler zu vermitteln, wie eigenverantwortliche Mediennutzung aussehen kann.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Nun hat es offensichtlich auch der Senator verstanden. Er hat es erkannt. Das wurde sehr deutlich durch seine, wie ich finde, hektischen Aktivitäten.

Entschuldigung, Frau Senftleben! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zillich?

Ja, machen Sie! Wenn die Uhr angehalten wird, ja!

Die halten wir immer an!

Sehr verehrte Frau Senftleben! Sie haben völlig zu Recht gesagt, dass die Frage von Medienkompetenz und auch des Umgangs miteinander in den neuen Medien auch ein Gegenstand des Ethikunterrichts sein muss. Haben Sie vor diesem Hintergrund inzwischen erkannt, dass es eine gute Idee ist, dass der Ethikunterricht allen Kindern offensteht und nicht nur denjenigen, die nicht in den Religionsunterricht gehen?

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Was ist das für ein blöder Zwischenruf, wenn ich das einmal ganz deutlich sagen darf?

[Beifall bei der FDP]

Wir haben hier ein Fach, das extra für Wertevermittlung eingerichtet wurde.

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Frau Dr. Tesch! Was heißt das, gegen meinen Willen? Zur Klärung: Die FDP-Fraktion hat sich nicht dagegen gewehrt, ein Fach Ethik einzurichten,

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Sie widersprechen sich ja dauernd!]

die FDP-Fraktion hat sich dafür ausgesprochen, ein Wahlpflichtfach Ethik und Religion einzuführen. Das ist ein Riesenunterschied.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Durch den wunderbaren Zwischenruf habe ich Ihre Frage noch nicht beantwortet, Herr Zillich!

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das haben Sie jetzt vergessen!]

Nein, keine Sorge, Herr Brauer, keine Sorge! – Wenn wir ein solches Fach haben, und da geht es um die Vermittlung von Werten, und wir uns einig sind, dass Mobbing, Gewalt, Pöbeleien usw. etwas ist, was die Gesellschaft nicht gerade zusammenbringt, sage ich hier sehr deutlich: Ja, das gehört in dieses Fach. Wenn wir ein solches Fach haben, dann muss es da auch thematisiert werden. Das ist selbstverständlich. Ich weiß gar nicht, was das soll.

[Beifall bei der FDP]

Das hat offensichtlich auch der Senator erkannt. Das wird deutlich durch seine hektischen Aktivitäten: das ausgerufene Jahr der Medienkompetenz, die gestrige Krisensitzung zur Internetpöbelplattform, verbunden mit den gestrigen Ankündigungen von Elternkursen – oder auch, und das ist das Schärfste, durch die gestern verkündete Kooperation mit einer Krankenkasse über die Verteilung von Anti-Mobbing-Koffern. Das lassen wir uns auf der Zunge zergehen. Wenn schon eine Krankenkasse reagiert, dann scheint das Problem wirklich virulent zu sein. Die Krankenkassen gehören nämlich auch nicht immer zu den Schnellsten. Das zeigt, dass der Senat das Thema in den letzten Jahren in all seinen Facetten negiert und wertvolle Zeit vergeudet hat, selbst präventiv tätig zuwerden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Das Wort hat jetzt der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Herr Prof. Dr. Zöllner. – Bitte sehr!

[Christoph Meyer (FDP): Er soll sich erst mal entschuldigen!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Cybermobbing ist ein Problem, wenn es zwischen Schülerinnen und Schülern, aber auch, wenn es gegenüber Eltern ausgeübt wird.

Sehr verehrte Frau Senftleben! Ich habe nie gesagt, und ich werde in diesem Zusammenhang nie sagen, dass der Senat geschweige denn ich dieses Problem gelöst hat. Das

ist kein Widerspruch zu der Tatsache, dass man das, was machbar ist, gemacht hat und dass man auf einem guten Weg ist. Denn dieses Phänomen – insofern fand ich es gut von Ihnen, Herr Steuer, dass sie es in einen Gesamtzusammenhang gesetzt haben – ist Auswirkung eines Prozesses, der uns heute in vielen Bereichen der zwischenmenschlichen Kommunikation betrifft. Es geht von dem Punkt an, dass die Wissensbeschaffung sich in das Problem der Wissensbewertung umgewandelt hat, mit ganz neuen Problemen und Diskussionen, die keiner vor ein, zwei oder drei Jahren vorausgesehen hat, wie etwa über Plagiate oder über die Tatsache – da viele von uns, wenn sie sich mit einem Problem beschäftigen, sich der Suchmaschinen bedienen –,

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

dass die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit, offensichtlich auch in den Parlamenten, im Gleichschritt passiert, weil sie alle nach demselben Algorithmus dieselben Informationen erhalten. Es ist dasselbe Problem, dass wir feststellen, dass Web 2.0 nicht nur dazu dient zu kommunizieren, sondern auch dazu, eigenes Wissen zu generieren, dass wir, wenn wir den Verlauf der Suchbegriffe über Google analysieren, Informationen etwa über bevorstehende Infektionen, Seuchen und Ähnliches früher erhalten als die Meldestatistiken der Ärzte.

So ist es auch mit dem Mobbing. Die Tatsache, dass Menschen offensichtlich dazu neigen, andere zu verunglimpfen, hat durch die Nutzung des Internets eine neue Qualität gefunden, durch die Tatsache, dass es in einer ganz anderen Dimension als früher möglich ist, sich in der Anonymität zu verstecken,

[Mieke Senftleben (FDP): Aber das ist doch nicht neu, Herr Zöllner! – Andreas Gram (CDU): Das war doch erkennbar!]

und die Informationen lawinenartig verbreitet werden.

Jetzt kommen wir zur aktuellen Diskussion. Sie unterstellen, dass der Senator geschlafen hat. Sie unterstellen, dass wir nicht adäquat vorausblickend reagiert haben. Sie werfen uns Aktionismus vor und betreiben, Herr Steuer, mit ihren Forderungen selbst Aktionismus.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Qualität der Diskussion wird durch falsche und – wenn sie bewusst sind – bösartige Unterstellungen nicht besser, wie zum Beispiel, dass über die Schulserver, die wir beeinflussen können, sage ich, „Isharegossip“ noch abgerufen werden kann. Das ist schlicht und einfach falsch und in einer solchen Diskussion, wo es um Werte geht, unverantwortlich.