Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Stärkung der Mitwirkung der Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen Leben im Land Berlin (Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz – BerlSenG)
Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzantrags und schlage vor, die Einzelberatung der beiden Artikel miteinander zu verbinden, wozu ich keinen Widerspruch höre. Ich rufe also die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 17/3931 auf. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU in Person von Herrn Luchterhand. – Bitte schön, Herr Luchterhand, ergreifen Sie das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute eines nicht brauchen, dann ist es die wiederholte gegenseitige Versicherung, wie wichtig erstens die politische Mitwirkung der Seniorinnen und Senioren in unserer Gesellschaft ist und zweitens, dass das zur Zeit geltende Mitwirkungsgesetz einer Novellierung bedarf. Zu beiden Aussagen steht die CDU uneingeschränkt und begrüßt, dass wieder Bewegung in die Diskussion gekommen ist.
Nun ist Bewegung nicht alles. Man muss auch zulassen, darüber zu streiten, ob die vorgeschlagenen Änderungen wirklich eine qualitative Verbesserung bedeuten. Damit hatte die Koalition in der ersten Lesung wie auch im Ausschuss ihre Schwierigkeiten, weil jegliche sachliche Auseinandersetzung als Herunterreden ihrer Initiative bewertet wurde. Das ist meiner Meinung nach schlechter parlamentarischer Stil und zugleich ein Affront gegenüber jenen Seniorinnen und Senioren, auf deren Änderungswünsche und Vorschläge wir uns alle berufen sollten.
Deshalb möchte ich heute noch einmal den Versuch unternehmen, die Qualität der vorgelegten Änderung unter folgender Fragestellung zu bewerten. Erstens: Gewinnt das Gesetz durch die Änderungsvorschläge der Koalition an Substanz? Zweitens: Klären sie strittige Fragen? Drittens: Bringen sie Verbesserungen im Vollzug? Die ersten beide Fragestellungen beantwortet die CDU mit einem deutlichen und klaren Nein. Denn von den sieben Vorschlägen der Koalition sind drei rein redaktioneller Natur. Bei den anderen kollidiert ein Änderungsvorschlag mit dem Bezirksverwaltungsgesetz und musste durch die Koalition korrigiert werden. Ein anderer degradiert die bezirklichen Seniorenvertretungen zu einer Art halböffentlicher Diskussionszirkel ohne Geschäftsordnung und Berichtspflicht. Der nächste schließt die Seniorenorganisationen aus dem Kreis der Vorschlagsberechtigten für die Kandidaten aus. Das ist für die CDU inakzeptabel.
Einzig und allein die Erweiterung des Mitspracherechts zu allen Themen in BVV-Ausschüssen trifft auf unsere Zustimmung. Damit ist eindeutig geklärt, dass diese Novelle nur eingeschränkt Verbesserungen bringt. Insbesondere kritisieren wir jedoch, dass die Koalition nicht die Kraft gefunden hat, sich zu einer Wahl durchzuringen, die diesen Namen auch verdient. Die vorgeschlagene Lösung ist halbherzig und hat bereits im Vorfeld Proteste von Seniorinnen und Senioren hervorgerufen. Wir tragen auch
Rot-Rot hat nach unserer Ansicht die Chance verpasst, eine mutige politische Entscheidung zu treffen, die die Rahmenbedingungen für die Mitwirkung von Seniorinnen und Senioren auf Bezirks- und Landesebene im Gesetz hätte deutlich qualifizieren können. Diese Erkenntnis wird für die Akteure in den Bezirken zu einer großen Enttäuschung werden. Das wird bereits jetzt in den Wahlprüfsteinen deutlich, die viele bezirkliche Seniorenvertretungen an die Parteien versandt haben. Ich bin ziemlich sicher, dass die Novellierung von SPD und Linksfraktion nicht dazu führen wird, dass sich mehr Frauen und Männer ab 60 in den Seniorenvertretungen engagieren werden.
Deshalb wollen wir etwas dagegen setzen und haben erneut unseren Änderungsantrag eingebracht. Dieser greift die lange diskutierten Vorschläge der Seniorenvertretungen auf, deren wichtigsten Regelungen ich kurz darlege. Erstens: Die Wahlen zu den Seniorenvertretungen erfolgen mit den BVV-Wahlen, bei der auch Briefwahl ermöglicht wird. Damit wird gleichzeitig eine breite Information der Öffentlichkeit erreicht und die Wahlbeteiligung erhöht. Zweitens: Die in den Seniorenvertretungen tätigen Mitarbeiter haben Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen. Drittens: Es wird eine Informations- und Beteiligungspflicht der Verwaltung eingeführt, ohne die echte Mitwirkung nicht gelingen kann. Viertens: Es wird Klarheit über die Aufgabenverteilung zwischen Landesseniorenvertretung und Landesseniorenbeirat geschaffen. Der Zwang, eine gemeinsame Geschäftsstelle zu betreiben, wird aufgehoben. Die CDU-Fraktion möchte mit diesen Änderungen erreichen, dass eine klare Aufwertung der Seniorenarbeit erfolgt und die Rahmenbedingungen dafür entscheidend verbessert werden.
Danke schön, Herr Kollege! – Jetzt hat für die SPDFraktion Frau Radziwill das Wort. – Bitte schön, ergreifen Sie es.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Wir haben hier in der Koalition einen sehr guten Änderungsantrag in der Weiterentwicklung für das Seniorenmitwirkungsgesetz vorgelegt. Wir haben eine lange Debatte hinter aus, wie wir das gemeinsam verbessern können. Hier ist ausführlich gestritten und ausführlich um gemeinsame Möglichkeiten gerungen worden. Es gab einen sehr intensiven Austausch mit den Vertretern der Senioren und Seniorinnen. Ich finde sehr gut, dass wir am 4. Mai eine sehr gute und intensive Debatte im Ausschuss gehabt haben. Dort sind auch viele Punkte, die Herr Luchterhand hier kritisiert hat, ausführlich beraten worden.
Erstens: Herr Luchterhand, diese Änderungen haben Substanz. Sie sind wichtig. Zweitens: Die strittigen Fragen, von denen Sie meinen, sie nicht erörtert zu haben, haben wir ausführlich erörtert. Da haben Sie nicht recht. Drittens: Wenn Sie behaupten, dass in der BVV Debatten geführt werden und deshalb eine BVV zu einem Debatierzirkel mutiert, weiß ich nicht, welche politische Vorstellung Sie von einem politischen Austausch haben. Das ist ein gewisses Armutszeugnis.
Deshalb finden wir es wichtig, dass die Seniorenvertretungen in den Bezirksverordnetenversammlungen die Möglichkeit haben, Rederecht – und zwar nicht nur zur Altenhilfeplanung, wie es bisher war, sehr eingeschränkt – zu einem sehr viel mehr umfassenden Themenfeld zu erhalten und sich inhaltlich einbringen zu können. Das ist dann kein Debatierzirkel mehr. Es wird inhaltlich auch dort gerungen und gemeinsame Politik gemacht, die nach Lösungen sucht. Das ist auch richtig in einer Politik.
Zu dem zweiten Punkt bezüglich der Briefwahl und der Möglichkeit, dies an die Berlinwahl anzudocken, haben wir auch ausführlich diskutiert und uns ausführlich ausgetauscht. Wenn Sie uns heute sagen können, wo Sie die rund 600 000 Euro für die Briefwahlkosten herholen können, würden wir uns das vielleicht noch einmal überlegen. Das würde zwar nicht heute geschehen, aber auch Sie haben in all den zwei Jahren Beratungen dazu noch keinen konstruktiven Vorschlag unterbreitet. Deswegen finde ich es sehr schade, dass Sie dieses so vortragen, als wollten wir es nicht. Inhaltlich hätte man für die Anregung sicher Sympathien, aber es ist auch eine Frage der Möglichkeiten, die das Land Berlin finanzieller Art hier hat. Es ist aber auch – das muss auch festgehalten werden – von Anfang unser Anliegen bei dem Seniorenmitwirkungsgesetz gewesen, die Mitwirkung der Senioren auch hervorzuheben und ihnen außerhalb der Berlinwahlen hier eine Sonderstellung zu ermöglichen. Ansonsten müssten Sie auch noch einmal in sich gehen und überlegen, ob Sie mit dieser Argumentation recht haben.
Zu dem zweiten Punkt, den Auslagen, will ich auch noch einmal kommen. Hier muss nicht in ein Gesetz hineingeschrieben werden, dass man eine Auslage in einer bestimmten Höhe organisieren will. Das ist auch außerhalb des Gesetzes möglich, wenn wir uns hier im Parlament als Haushaltsgesetzgeber einigen, dass wir dort Geld gefunden haben und eine bestimmte Form der Auslagen zurückerstatten wollen. Sie müssten aber diesen Vorschlag auch in Zeiten der Haushaltsplanaufstellung vortragen und jetzt nicht in ein Gesetz eine merkwürdige Formulierung hinsichtlich der Auslagen hineinschreiben.
Was wir sehr wohl im Blick haben, ist, dass die Seniorenvertretungen jetzt die Möglichkeit haben, in der achten Woche nach den Wahlen in einer Woche an drei bis fünf verschiedenen Standorten wählen zu können. Es wird mehr Möglichkeiten für die Seniorinnen und Senioren in den Bezirken geben. Und die Werbekampagne, die wir lostreten werden, die auch wichtig ist, wo auch viele In
formationen weitergegeben werden, wird aus meiner Sicht auch helfen, die Teilnehmerzahl zu erhöhen. Ich glaube, in den fünf Jahren hat die Arbeit der bezirklichen Seniorenvertretungen auch für sich selbst geworben. Und das ist auch Teil der Werbekampagne. Es ist nicht allein Aufgabe des Senats zu werben, sondern ich glaube, dass die bezirklichen Seniorenvertretungen ihre gute Arbeit auch präsentieren können und dass wir auch gemeinsam dafür werben können.
Unsere Änderungsvorschläge halten wir daher für sinnvoll. Wir bitten um Zustimmung, damit wir das Seniorenmitwirkungsgesetz substanziell weiter verbessern können und die Belange der Seniorinnen und Senioren auch wirklich gemeinsam im Blick haben. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Kollegin! – Jetzt hat Frau Villbrandt für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte schön, Frau Villbrandt!
Meine Damen und Herren! Seniorenpolitik hat in Berlin seit Jahrzehnten eine sehr große Bedeutung, und zwar weil die Seniorenvertreter und -vertreterinnen in Berlin schon lange, bevor es überhaupt ein Seniorengesetz gab, sehr aktiv waren. Das betone ich deshalb, weil Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, das Seniorenmitwirkungsgesetz wie eine Trophäe mit sich herumtragen. Aber nicht Sie haben die Lorbeeren verdient, sondern die Senioren und Seniorinnen, die sich jahrelang für ihre Mitwirkungsrechte eingesetzt haben.
Es war insbesondere deren Wunsch, ihre Mitwirkungsrechte zu festigen und eine größere Beteiligung älterer Menschen in Berlin am politisch-gesellschaftlichen Leben zu fördern, und zwar so, dass es in Berlin und vor allem in den Bezirken bestimmte Rahmenbedingungen und auch bestimmte Mindeststandards für die Arbeit von Senioren und Seniorinnen gibt.
Eine Novellierung des Gesetzes befürworten wir, denn nach einer mehrjährigen Laufzeit sind Mängel im Gesetz deutlich geworden. Es ist richtig, das Gesetz wirkungsvoller als bisher zu machen.
Über die notwendigen Veränderungen gibt es zahlreiche Diskussionen. Es gab eine Anhörung im Fachausschuss
Erhöhung der Wahlbeteiligung bei den Seniorenvertretungswahlen, indem die Wahlen zur selben Zeit wie die BVV-Wahlen stattfinden;
Weiterentwicklung der Rede- und Beteiligungsrechte in den Bezirksverordnetenversammlungen genauso wie in den Ausschüssen;
Das Parlament hat ausreichend Zeit gehabt, diese Forderungen in ein Änderungsgesetz zu gießen. Das Ergebnis fällt jedoch sehr mager und enttäuschend aus; nur ein kleiner Teil der Empfehlungen aus dem Ausschuss, aus der Anhörung oder der Evaluierung wurde aufgenommen.
Eine bessere Einbeziehung in die Parlamentsarbeit in den Bezirken, mehr Wahllokale und die öffentliche Tagung der Seniorengremien befürworten wir auch, aber das reicht uns bei Weitem nicht aus. Vor allem ist verheerend, dass die Senioren und Seniorinnen mit einem sehr niedrigen Einkommen weiterhin ausgegrenzt bleiben, weil sie sich ein Engagement ohne den Ersatz ihrer Auslagen gar nicht leisten können.
Die CDU-Fraktion hat viele vernünftige Änderungsvorschläge gemacht. Darauf sind Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, gar nicht eingegangen. Sie hätten schon direkt nach der Verabschiedung dieses Gesetzes eine Kampagne zum Bekanntwerden der Seniorenvertretungen beginnen müssen. Dann gäbe es im Herbst dieses Jahres, wenn Neuwahlen stattfinden, vielleicht eine deutlichere Beteiligung bei den Wahlen, die auch die Arbeit der Seniorenvertreter aufwerten würde. Die Problemlösungen, meine Damen und Herren von RotRot, die Sie sich vornehmen, sind wie Seifenblasen – am Anfang sehr hübsch, aber am Ende bleiben davon nur kleine Flecken übrig.
Dieses Parlament wird sich in der kommenden Wahlperiode noch weiter mit dem Seniorenmitwirkungsgesetz beschäftigen müssen. Mit anderen Mehrheiten kommt vielleicht etwas Besseres zustande. – Danke!
Danke schön, Frau Kollegin Villbrandt! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Dott das Wort. – Bitte schön, Frau Dott!