Protocol of the Session on May 12, 2011

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Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Schruoffeneger!

Herr Senator! Sie haben uns jetzt erklärt, wie unzulässig es ist, wenn ein Handelnder im Auftrag des Landes Berlin gegen das Land Berlin klagt. Wie bewerten Sie es, wenn der Senator Wolf als Vertreter des Landes Berlin im Aufsichtsrat der Wasserbetriebe gegen das Land Berlin und gegen sich selbst klagt? Würden Sie das auch als sehr eigenwillig bewerten?

[Beifall bei den Grünen]

Herr Senator Dr. Körting, bitte!

Herr Kollege Schruoffeneger! Die Wasserbetriebe sind eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Das ist etwas Anderes als die Bezirke, die Teil des Landes Berlin sind. Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist nicht das Land, sondern eine eigene Rechtspersönlichkeit.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit der Frage des Kollegen Dr. Lederer von der Linksfraktion zum Thema

Sicherungsverwahrung: Wird Rot-Rot durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt?

Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Stehen die Eckpunkte für den Vollzug der Sicherungsverwahrung, die die rot-roten Regierungen in Berlin und Brandenburg gemeinsam entwickelt haben, im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011, oder müssen sie grundlegend überarbeitet werden?

2. In welcher Weise beabsichtigt der Senat, sich in die Diskussion über die Neuregelung der Sicherungsverwahrung auf Bundesebene einzubringen, und wird hier ein gemeinsames Vorgehen mit der brandenburgischen Landesregierung angestrebt?

Danke schön, Herr Kollege Lederer! – Die Justizsenatorin Frau von der Aue hat das Wort zur Antwort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Lederer! Ich bin sehr dankbar, dass das Bundesverfassungsgericht auf das durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entstandene Vakuum mit einem sehr deutlichen Votum reagiert hat. Ich kann Ihre Frage mit einem klaren Nein beantworten. Nein, das in Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg entwickelte Eckpunktepapier muss nicht überarbeitet werden. Die dort formulierten Positionen für den zukünftigen Vollzug der Sicherungsverwahrung stehen nicht nur im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai dieses Jahres, ich meine, dass die entwickelten Eckpunkte mit den Vorstellungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ausgestaltung des Abstandsgebots im Wesentlichen deckungsgleich sind. Ich bin rückblickend deswegen auch sehr zufrieden, dass wir nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits vor einem Jahr mit Brandenburg eine aus Mitgliedern unterschiedlicher Berufsgruppen zusammengesetzte Arbeitsgruppe

gebildet haben, die die vielfältigen Aspekte der Gesamtproblematik des Instituts der Sicherungsverwahrung als einheitliche Betrachtung gebündelt haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr sehr deutlich auf die Verschiedenartigkeit der Zielsetzung der Strafhaft und der Sicherungsverwahrung hingewiesen. Es hat angemahnt, das gesamte System der Sicherungsverwahrung so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar in die Praxis der Unterbringung einbezogen wird. Das länderübergreifende Expertenteam hat genau diese Prämisse seiner Arbeit zugrunde gelegt. So wurde bereits die Gruppe der Gefangenen mit einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung in den Fokus der konzeptionellen Überlegung gerückt. Eine der Kernaussagen dieses Konzepts ist es, dass das vorrangige Ziel besteht, durch verstärkte Behandlungs- und Betreuungsangebote die Legal- und Gefährlichkeitsprognose so frühzeitig zu verbessern, dass es gar nicht erst zu einem Antritt der Sicherungsverwahrung kommen muss. Dabei erhält die Eingangsdiagnostik durch ein vollzugserfahrenes, spezialisiertes und multiprofessionelles Team eine besondere Gewichtung. Als weiteres wichtiges Instrument hat die Arbeitsgruppe zu einem vollzugsplanerisch noch zu fixierenden Zeitpunkt die Durchführung eines Behandlungskonsiliums unter Einbeziehung externer Gutachter vorgeschlagen. Dadurch würde gewährleistet werden, dass die Ergebnisse der Behandlung regelhaft überprüft würden und der Behandlungsprozess gegebenenfalls korrigiert werden könnte.

Die weiteren konzeptionellen Überlegungen des Eckpunktepapiers beinhalten die Möglichkeiten der Ausweitung von Betreuungs-, Behandlungs- und Therapieangeboten für spezielle Gruppen der Sicherungsverwahrten und deren besondere Bedürfnisse. Die Arbeitsgruppe hat zudem den sehr wichtigen Aspekt eines Integrationsmanagements beleuchtet und empfohlen, für Sicherungsverwahrte in Kooperation mit der Bewährungshilfe, mit den Kommunen bzw. den Bezirken und den freien Trägern geeignete Formen der Nachbetreuung und soziale Empfangsräume zu etablieren. Diese Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Forderungskatalog für ein zu erarbeitendes Gesamtkonzept zur Sicherungsverwahrung aufgenommen, sie mit dem Ultima-Ratio-Prinzip begründet und als Individualisierungs- und Intensivierungsgebot, Motivierungs- und Trennungsgebot sowie Minimierungsgebot definiert.

Zur Ihrer Frage 2: Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts trifft die Verpflichtung, das verfassungsrechtliche Abstandsgebot zu gewährleisten, zunächst den Gesetzgeber. Dessen Aufgabe ist es, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bundesgesetzgeber gehalten ist, die wesentlichen Leitlinien des zu entwickelnden Gesamtkonzepts vorzugeben. Erst nach Entwicklung und Vorgabe dieser Leitlinien durch den Bundesgesetzgeber werden die Länder ihren Auftrag

erfüllen können, im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit Regelungen für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zu schaffen, die dem geforderten freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug entsprechen.

Da die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung schon bis zum 31. Mai 2013 in Kraft getreten sein muss, ist Eile geboten. Der Bundesgesetzgeber darf sich seiner Verantwortung nicht entziehen. Daher werde ich mich bei der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 18. und 19. Mai nachdrücklich dafür einsetzen, dass das Bundesjustizministerium bereits bis Ende August dieses Jahres Eckpunkte für eine Neukonzeption der Sicherungsverwahrung vorlegt. Die gesetzgeberischen Leitlinien sollten nach meiner Auffassung unter Beteiligung der Länder entwickelt werden. Das Eckpunktepapier von Berlin-Brandenburg wäre dabei, meine ich, eine sehr gute Grundlage.

Der Senat wird die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai zwingend erforderliche Neuregelung der Sicherungsverwahrung nachdrücklich, aber auch kritisch begleiten. Ich denke, aufgrund der guten Erfahrungen bei der erfolgreichen Zusammenarbeit der Landesjustizverwaltungen Brandenburgs und Berlins im Rahmen der Ausarbeitung des Eckpunktepapiers zur Sicherungsverwahrung bietet sich ein gemeinsames weiteres Vorgehen an.

Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage des Kollegen Lederer? – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Senatorin! Wird im Senat angesichts des beträchtlichen Aufwands, der den Ländern bei der Umsetzung vorhergesagt wurde, und angesichts der bis zum Jahresende auflaufenden, wahrscheinlich notwendigen Kosten für die nochmalige Überprüfung der derzeit in Sicherungsverwahrung Befindlichen und schließlich angesichts der Tatsache, dass Rot-Rot wiederholt gezeigt hat, dass wir auf kurzfristige Herausforderungen schnell und unbürokratisch reagieren können, schon darüber diskutiert, wie man solche zusätzlichen Aufwendungen abdecken kann, ohne Kapazitäten aus dem derzeitigen Vollzug, aus dem regulären Vollzug der Strafen, abzuziehen, und ist das schon bezifferbar?

Bitte schön, Frau Senatorin von der Aue!

Herr Abgeordneter Dr. Lederer! Wir haben schon vorsorglich im März des vergangenen Jahres angefangen, diesen Personenkreis zu betreuen und für diesen Personenkreis individuelle Konzepte zu entwickeln, die wir

dann auch im Rahmen der Führungsaufsicht bei einer Entlassung anwenden können. Insoweit sind wir insgesamt recht gut gerüstet. Wir haben auch einige Entscheidungen getroffen. Es hat bereits einige Entlassungen gegeben. Alle anderen zur Entscheidung anstehenden Fälle werden noch nach den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Übergangszeit bis zum 31. Dezember dieses Jahres überprüft werden. Auch in diesen Fällen haben wir bereits die Runden Tische und die entsprechenden Ausarbeitungen, die – auch in Unterstützung der Strafvollstreckungskammern – dann Vorschläge für konkrete Weisungen beinhalten.

Wir werden dieses noch mit dem vorhandenen Personal bewältigen können, wenngleich ich betone, dass wir dadurch, dass wir für diesen Personenkreis jeweils zwei erfahrene Bewährungshelfer zur Verfügung stellen, an den Rand der Kapazität kommen werden. Alle anderen Maßnahmen müssen wir jetzt mit der zuständigen Justizvollzugsanstalt Tegel erörtern. Wir sind zwar durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht verpflichtet, schon vor Ablauf der Frist vom 31. Mai 2013 entsprechende neue Konzeptionen umzusetzen, aber wir haben bereits begonnen zu prüfen, ob bestimmte Maßnahmen auch vor Ablauf dieser Frist umgesetzt werden können. Das werden wenige sein, die wir aufgrund unserer bisherigen Kapazitäten umsetzen können. Wenn mehr gewollt sein sollte, müsste das noch in die Haushaltsverhandlungen einfließen. Das können wir aber zum jetzigen Zeitpunkt, so kurz nach dem Urteil, noch nicht beziffern.

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage des Kollegen Behrendt von Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Herr Behrendt!

Danke schön, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Warme Worte auf Papier sind das eine. Interessieren würde mich: Was hat Sie bisher daran gehindert, die trübe Realität in der Sicherungsverwahrungsabteilung in der JVA Tegel – Stichwort: Die Betreuungssituation ist völlig unzureichend; Stichwort: Die Therapieangebote sind völlig unzureichend; Stichwort: Das Trennungsgebot, das Ihr eigener Staatssekretär einmal zur Diskussion stellte, wird nicht eingehalten – dahin gehend abzuändern, dass wir schon in den letzten Jahren eine Annäherung an die sehr wünschenswerten Zustände erreichen hätten, die Sie in dem gemeinsamen Papier beschrieben haben?

Frau Senatorin von der Aue – bitte schön!

Herr Abgeordneter Behrendt! Wir haben bereits Anfang des Jahres das Eckpunktepapier zur künftigen Aus

gestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung vorgestellt. Wir haben in diesem Rahmen auch die ganz klare Aussage getroffen, dass wir eine Ausweitung von Therapie-, Betreuungs- und Behandlungsangeboten im Rahmen der Sicherungsverwahrung nur dann gewährleisten können, wenn wir – über den Daumen gepeilt; ich will mich da nicht hundertprozentig festlegen – rund ein Drittel mehr Personal, auch Fachpersonal, bekämen. Daran scheitert im Moment eine weitere deutliche Ausweitung des Therapieangebots.

Ich will aber noch mal eines ganz deutlich hervorheben: Unabhängig von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist Berlin in diesem Zusammenhang, jedenfalls was die Betreuung und Behandlung von Sicherungsverwahrten angeht, im Vergleich zur Bundesrepublik nicht auf der untersten Skala.

[Zuruf von Dirk Behrendt (Grüne)]

Danke schön, Frau Senatorin!

Jetzt ist Senator Zöllner da. Wir können die Fragen zur Charité laufen lassen. Es beginnt der Kollege Zimmer von der CDU-Fraktion mit der Frage 2, zum Thema

Endlich eine Zukunftsperspektive für die Charité

Bitte schön, Herr Zimmer!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie beurteilt der Senat, die jüngst bekannt gewordene Überlegung der Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan, zukünftig eine Mitfinanzierung der Charité aus Mitteln des Bundes bereitzustellen?

2. Empfindet der Senat dieses Angebot nicht auch als Armutszeugnis für seine bisherige Politik, die offensichtlich die international renommierte Charité nicht ausreichend und angemessen finanziert und damit gewürdigt hat?

Danke schön, Herr Kollege Zimmer!

Jetzt geht es weiter mit dem Kollegen Czaja von der FDPFraktion zum Thema

Charité als Bundesuniversität

Bitte schön, Herr Czaja!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat den Vorschlag der Bundesbildungsministerin zur Zukunft der Charité als Bundesuniversität, und hat sich der Senat gegenüber dem Bundesbildungsministerium dazu geäußert?

2. Nimmt der Senat den Vorschlag der Ministerin zum Anlass, seine Politik in Sachen Charité zu überdenken und nun zeitnah über die zukünftige Struktur der Charité zu entscheiden?

Danke schön!