Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

[Zurufe von den Grünen]

Aber das finden wir nicht in Ihrem Wahlprogramm, und es ist ganz klar, warum: Sie wissen ganz genau, dass Sie die Eltern gegen sich aufbrächten – so, wie Sie das auch in Hamburg gemacht haben, wo Sie die Kitabeiträge erhöht haben.

[Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu (Grüne): Zur Sache!]

Das Thema ist ein Teil des Familienberichts.

Ich komme zum nächsten Thema in diesem Feld. Das ist die flexible Kinderbetreuung, die im Familienbericht angesprochen wird. Die flexible Kinderbetreuung müssen wir uns noch näher vornehmen, weil sich etwa die Arbeitszeiten verändert haben, mehr Flexibilität von den Familien gefordert wird und Eltern arbeiten gehen, wenn die Kitas teilweise noch nicht auf- oder schon zuhaben.

[Michael Schäfer (Grüne): Eine ganz neue Entwicklung!]

Hier brauchen wir kreative Ideen, etwa die, die ergänzende Tagespflege an die Kita anzudocken und dies familiennah zu organisieren.

Aber ich bin auch der Auffassung, dass dies nicht nur die Aufgabe des Staates ist. Vielmehr müssen sich auch die Unternehmen darum kümmern, Rahmenbedingungen für Familien zu schaffen und flexible Arbeitszeiten einzuführen. Viele Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht – das haben wir auch im Bericht gelesen –, aber in diesem Bereich ist noch viel zu tun. Dabei gäbe es nämlich auch die Möglichkeit, durch solche Ansätze qualifizierte Fachkräfte in die Unternehmen zu bekommen. Wir müssen weiter in den Dialog einsteigen und für dieses Konzept werben.

Das Thema Kinderarmut wird im Bericht auch angesprochen. Das finde ich wichtig, weil es ein Thema in Berlin ist. Unsere Politik ist darauf ausgerichtet, dass wir Kinder aus armen Familien unterstützen und ihnen Bildungschancen ermöglichen. Zur Kita habe ich dabei schon

etwas gesagt. Aber die Sekundarschule zum Beispiel, die wir eingeführt haben, ist genau der richtige Weg, denn damit ist ganz klar, dass kein Kind mehr stigmatisiert wird, weil es auf eine bestimmte Schule geschickt wird.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Marion Seelig (Linksfraktion)]

Alle Kinder haben nun die Möglichkeit, ihr Abi zu machen.

[Zurufe von den Grünen]

Herr Mutlu, in NRW sind Sie da sehr zurückhaltend, was das angeht.

[Özcan Mutlu (Grüne): Wer hat Sie denn dazu getrieben, die Hauptschule abzuschaffen?]

Wir haben den Härtefonds an Schulen. Wir haben den Familienpass. Wir haben Beratungsstellen und Hilfsangebote. Wir haben gute Bedingungen für Familien. Aber was eben auch wichtig ist, ist, dass die Familien auch erfahren, dass es all diese Angebote gibt. Aus diesem Grund finde ich die Anregung der Internetplattform, die beschrieben wird, sehr gut. Auch finde ich sehr gut, dass wir in diesem Bericht sagen, dass es zentrale Anlaufstellen in den Bezirken geben muss, damit die Familien nicht durch die Ämter durchgereicht werden. Der Familienbericht spricht die Familienzentren an und sagt, dass sie wichtige Orte der Unterstützung und Beratung seien. Er ermutigt uns auch, diese flächendeckend auszubauen, und wir haben das, wie Sie wissen, auch vor.

Der Familienbericht mahnt aber auch an, dass es ein strategisches Gesamtkonzept geben muss, um ressortübergreifend zielgenauer zu schauen, wie man Angebote gestalten und einsetzen kann, um noch effektiver etwas für Familien zu tun, die sich in schwierigen Situationen befinden und ein Armutsrisiko haben.

Insgesamt fühlen wir uns in unserer Politik bestätigt. Aber wir nehmen als Fraktion auch die Anregungen und Hinweise in diesem Bericht ernst. Wenn Sie in unser Wahlprogramm schauen, werden Sie sehen, dass wir viele Punkte des Berichts aufgegriffen haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Scheeres! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Demirbüken-Wegner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das hat wirklich große Klasse, liebe Frau Scheeres,

[Beifall bei der SPD]

wie sich die Koalition am Ende der Legislaturperiode eines Themas bemächtigt, das ihr in der parlamentarischen Arbeit eher lästig war.

[Özcan Mutlu (Grüne): Zehn Jahre lästig war!]

Wer sich dafür interessiert, kann das sehr gut an der Parlamentsdokumentation nachvollziehen: Nur in 18 von 74 Sitzungen kamen Themen auf die Tagesordnung, in denen der Begriff Familie überhaupt ein wenig auftauchte. Die wenigsten dieser Initiativen waren, liebe Kollegin – und ich möchte Sie nur daran erinnern –, Ihnen hier zu verdanken. Koalitionsanträge zur Verbesserung der Familienpolitik wird man vergeblich suchen, dafür aber feststellen, dass die Anträge der Opposition systematisch verschleppt wurden und zwischen Einbringung und Beschluss in der Regel ein bis anderthalb Jahre vergingen. – So viel zum wirklichen Interesse von SPD und Linksfraktion an der Familienpolitik.

[Beifall bei der CDU]

Darum ist das heute hier eine reine Showveranstaltung, bei der Rot-Rot auch aus den Lorbeeren des Familienbeirats Nutzen ziehen will, und Sie, Frau Scheeres – es tut mir leid – sind als Familiensprecherin das eine Opfer in Ihrer Fraktion. Die SPD hat es bereits im Vorfeld ihrer Klausur im Januar versucht, um schnell einmal an die Öffentlichkeit zu gehen und ihr vorzugaukeln, wie wichtig ihr die Berliner Familien wären. Diese Vereinnahmung fand ich damals schon unwürdig, unverschämt und dreist.

[Beifall bei der CDU]

Sie haben sich nicht an das Wort im Familienbeirat gehalten, liebe Kollegin – nicht nur Sie alleine, auch Ihre Fraktion.

Entschuldigung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zillich?

Also, wissen Sie: 35 Beirats- oder Ausschusssitzungen zu diesen Themen – jetzt komme ich mir wieder ein bisschen verschaukelt vor.

[Beifall bei der CDU]

Diese Vereinnahmung finde ich unwürdig, unverschämt und dreist. Ich darf das sagen, weil ich als Mitglied des Familienbeirats und familienpolitische Sprecherin meiner Fraktion hautnah das Ringen um den aktuellen Familienbericht miterleben durfte und ihn mitgestaltet habe.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Hier darf jeder alles sagen!]

Sie sind ruhig und hören mir jetzt zu! Ich habe die 35 Sitzungen mitgemacht und nicht Sie!

[Zuruf]

Das ist nicht mein Problem. Wir haben konkrete Maßnahmen erarbeitet. Ihr Problem ist, dass Sie zu den Problemen keine Antworten haben!

[Beifall bei der CDU]

Zwar gelang es nicht immer, dass sich alle Mitglieder auf gemeinsame Vorstellungen einigen konnten oder Probleme bis ins Detail ausformuliert wurden. Doch die Diskussionen um die realen Probleme von Familien in dieser Stadt waren weitaus fruchtbarer als hier im Abgeordnetenhaus und im zuständigen Ausschuss, wo viele Debatten erst gar nicht geführt werden konnten, weil sie an der abwehrenden Haltung von SPD und Linksfraktion scheiterten.

[Zuruf von der SPD]

Sie waren ja auch nicht dabei! Weil Sie die Inhalte nicht kennen, können Sie ruhig etwas sagen. Die Einzige, die hier nicht antwortet, ist Ihre familienpolitische Sprecherin, weil sie genau weiß, was sie in den 35 Sitzungen erlebt hat.

[Zurufe von der SPD]

Warum regen Sie sich auf? Sind Sie betroffen? – Deshalb kann man nicht genug anerkennen, dass nun ein Bericht vorliegt, der deutlich die Stärken und Schwächen der Familienpolitik im Land Berlin aufzeigt und deshalb die Handlungsstrategie für die Berliner Politik geben kann und muss. Denn: Was war der Auftrag, den der Familienbeirat bei seiner Berufung erhalten hat? – Den Senat umfassend zu beraten. Doch nach der letzten Ausschusssitzung sind meine Erwartungen an eine aktive Umsetzung immer mehr gesunken. Allein die Diskussion und die enttäuschende, ignorante, beratungsresistente und wenig innovative Stellungnahme des Senats zum Familienbericht lassen daran zweifeln. Deshalb finde ich die Euphorie, die die Koalition heute hier verbreiten will, unangemessen und geradezu verlogen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Anmaßend!]

Denn auf keine der dargestellten Fragen und Probleme geht der Senat in seiner Stellungnahme ausführlich ein, und von einer Auseinandersetzung kann überhaupt nicht die Rede sein.

Frau Demirbüken-Wegner!

Gar keine Frage nehme ich an! Die müssen mir hier alle zuhören!

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Feigling!]

Er blendet sogar ganze Bereiche aus wie z. B. die konkrete Bekämpfung von Familienarmut. Wenn hier die Sekundarschule als alleiniges Merkmal für die konkrete Bekämpfung von Familienarmut genannt wird, dann ist das wirklich ein Armutszeugnis.

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Hat sie doch gar nicht!]

Vielmehr hat man beim Lesen den Eindruck, dass er den Bericht nur als Anlass nutzt – was auch heute geschehen