halten. Herr Staatssekretär Freise hat diesen Polizeieinsatz als gravierenden Fehler bezeichnet. Vielleicht musste er auch deshalb am Montag zur Strafe in den Innenausschuss, ich weiß es nicht genau, aber was ich weiß, ist, dass die ganze Fokussierung auf die rechte Szene offenbar auch nicht viel geholfen hat. Man hat sich hier im wahrsten Sinne des Wortes überrennen lassen. Sicherlich kann auch mal bei einem Polizeieinsatz etwas daneben gehen. Der Schluss, den man aber daraus ziehen muss, ist, dass dieser Senat auch das Thema Rechtsextremismus nicht im Griff hat.
Doch das sind alles keine überraschenden Neuigkeiten. Seit Jahren gibt es diese schleichende Erosion der Sicherheit in Berlin. Frank Henkel hat das vorhin deutlich gemacht. In den letzten zehn Jahren hat man das alles laufen lassen. Der Protest der CDU gegen dieses Sparen am falschen Ende wurde mit statistischen Turnübungen und dem Vorwurf der Panikmache abgeschmettert. Dabei werden auch gerne Täter und Opfer verwechselt. Die Vorwürfe an die Bahn und ihre Sicherheitsvorkehrungen, die nun aus der SPD zu hören waren, erinnern fatal an die dümmlichen Vorhaltungen, teure Autos nun mal nicht in Kreuzberg zu parken.
Jetzt, kurz vor den Wahlen, beschleicht Herrn Wowereit doch die Erkenntnis, dass man es überzogen hat mit dem Einsparen an Sicherheit, dass die Lücken nun doch allzu sichtbar werden. Plötzlich sind Dinge möglich, die vorher als Zumutung und Weg in den Überwachungsstaat galten. Nachdem zehn Jahre lang Polizeistellen abgebaut und Abschnitte geschlossen wurden, verkündet man nun plötzlich Neueinstellungen. Ich wiederhole mich an dieser Stelle gerne und frage: Warum hat man sich nicht zunächst und schon in der Vergangenheit bemüht, die unbesetzten 300 bis 400 Stellen bei der Polizei endlich zu besetzen,
bevor man nun öffentlichkeitswirksam dahergeht und – aber ohne direkte Wirkung – die Zahl der Stellen erhöht? Sie können viel in Ihr Konzept schreiben. Sie schaffen damit in den nächsten Monaten, ja sogar Jahren keinen einzigen Polizeibeamten mehr. Das ist alles Augenwischerei. Gott sei Dank haben das die Leute auch erkannt.
Was bleibt nun übrig von Ihrem sogenannten Sicherheitspaket, Herr Wowereit? – In der Frage der Videoüberwachung folgen Sie jetzt endlich einem Vorschlag, den die CDU schon vor Jahren hier beantragt hat. Die Einsatzreserve, die nun als Allheilmittel herhalten muss, hat dringend anderes zu tun. Die Autobrände sind wieder so zahlreich wie zuletzt vor zwei Jahren. Anschläge legen, nun schon zum zweiten Mal, das Schienennetz lahm, und die Antwort auf die Mündliche Anfrage von Herrn Trapp zeigt deutlich, was von den vollmundigen Aussagen über die Einsatzreserve zu halten ist. Setzt man nämlich einmal Ihre Zahlen in den Zusammenhang, dann stellt man fest, dass etwa je Einsatz 67 Einsatzstunden zur Verfügung
stehen. Wenn ich das durch die Anzahl der Leute teile – Sie haben es vorhin ja vorgelesen, es waren etwa an die 60 Leute –, dann ist das eine Stunde pro Beamter.
Das heißt also: Die Erwartungshaltung, die Sie hier erwecken, ist, dass Heerscharen von Polizeibeamten durch die U-Bahnhöfe und die Züge laufen. In Wirklichkeit ist es je Einsatz eine Stunde. Das ist genau das Gegenteil von dem, was in der Öffentlichkeit an Eindruck erweckt werden soll, und der normale Fahrgast wird wahrscheinlich eher fünf „Motz“-Verkäufern als einem Ihrer Zufallsbeamten begegnen, Herr Körting.
Dabei braucht die Berliner Polizei jede Unterstützung durch fähige Beamte, und um diese Lücken schleunigst zu füllen, regen wir in einem Antrag an, Polizeibeamten, die in Berlin ausgebildet wurden und diese Stadt verlassen mussten, weil Rot-Rot sie weggeschickt hat, wieder eine Perspektive in ihrer Heimatstadt zu bieten.
Doch vor allem, Herr Wowereit: Schaffen Sie endlich eine Perspektive für diejenigen, die schon heute bei der Berliner Polizei sind! Für den schweren Dienst in der Hauptstadt gibt es so wenig Geld wie sonst nirgendwo in Deutschland. Die Gewerkschaft der Polizei wird daher nicht müde, Ihre öffentlichen Auftritte zu begleiten und dagegen zu protestieren. Verschließen Sie dabei nicht die Augen und die Ohren! Schaffen Sie eine Perspektive für die Angleichung von Tariflöhnen und Beamtenbesoldung und verhöhnen Sie die Leute nicht, wie es auf dem Festbankett der Polizei vor ein paar Jahren geschehen ist!
Ich sage es einmal, natürlich parlamentstauglich, aber auf gut Berlinerisch: Herr Wowereit! Wenn man den öffentlichen Dienst in Berlin zehn Jahre lang nur mit dem Allerwertesten ansieht, dann braucht man sich nicht wundern, wenn man dort plötzlich nicht mehr liebgehabt wird.
Dazu die Hängepartei mit dem Polizeipräsidenten! Wir haben den Antrag gestellt, mit der Besetzung zu warten, damit nach den Wahlen ein neuer Senat darüber entscheiden kann. Sie haben gesagt, diese Position sei so wichtig, dass man den Ersten Mai nicht ohne einen neuen bestreiten könne.
Das waren Ihre Worte! – Nun ist das alles vorüber. Herr Glietsch wird morgen verabschiedet, aber wir haben immer noch keine neue Besetzung. Jetzt soll die Vizepräsidentin kommissarisch leiten. Genau das haben wir vor einigen Monaten schon vorgeschlagen, und jetzt muss die Klage von Herrn Keese dafür herhalten, damit Sie einen Grund haben, Ihre Unfähigkeit zur Besetzung zu verschleiern.
Ein letztes Beispiel: das Alkoholverbot im ÖPNV. Man kann hier aus verschiedenen Gründen dafür oder dagegen sein. Ich habe hier vor zwei Wochen erklärt, dass die CDU für ein solches Verbot eintritt. Aber was meinen Sie? – Das bräuchten wir nicht, eigentlich gäbe es das schon, aber so richtig durchsetzen könne man es nicht. – Das ist weder Fisch noch Fleisch. Was wollen Sie denn nun eigentlich, Herr Wowereit? Ich glaube, Sie wollen vor allem eins, nämlich davon ablenken, dass Sie bei der inneren Sicherheit zur Zeit wie ein angeschlagener Boxer zwischen den Seilen hin- und hertaumeln und sich am liebsten wünschen, dass jemand das Licht in der Halle ausmacht, damit Sie niemand dabei sehen kann.
Diesen Gefallen werden wir Ihnen leider nicht tun. Es wird vielmehr Zeit, dass der Ringrichter eingreift und Sie von dieser Taumelnummer erlöst. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Beginn unserer Sitzung heute sprach mich eine Journalistin an und fragte, ob sie mich zu diesem Thema interviewen könne. Oder gebe es dabei sowieso nur altbekannte Sachen? Ich habe gesagt: Ich fürchte, so wie die CDU ihren Besprechungspunkt formuliert hat, werden wir das hören, was wir seit zehn Jahren hören. – Gerade bin ich darin bestätigt worden.
Nach wie vor die Kernaussage: Polizei kaputtgespart. Aber es ist doch richtig, dass wir 2001 die rot-schwarze Koalition beendet haben, weil die CDU, offensichtlich bis heute, keine Einsicht in die Haushaltslage des Landes Berlin hat.
Natürlich waren da viele schwierige Entscheidungen zu treffen. Aber Rot-Rot hat sich nicht darum herumgedrückt.
Nein! Die Realitäten wurden anerkannt, und dann sind wir in allen Politikbereichen in schwierige Diskussionen gegangen. Man kann trefflich darüber streiten, ob nun jede einzelne Maßnahme der Weisheit letzter Schluss war. Aber die Probleme dieser Stadt sind angegangen worden, und zu den Finanzen gehört eben auch ein großer Personalkörper, wie es die Berliner Polizei nach wie vor ist.
Dass die Sicherheitspolitik hier kaputtgespart worden wäre, kann ich nicht feststellen – ganz im Gegenteil. Die rot-rote Sicherheitspolitik ist eine Erfolgsgeschichte. Ich will nur auf den letzten Ersten Mai verweisen. Das ist die Handschrift des Regierenden Bürgermeisters, die des Innensenators und die des Polizeipräsidenten in den letzten neun Jahren.
Dagegen habe ich heute in zwei Redebeiträgen von der CDU nichts Konkretes gehört. Da wird jedes Mal aufs Neue der Eindruck erweckt: Wenn man etwas mehr Personal hätte, könnte man die absolute Sicherheit garantieren. Das ist nicht richtig. Als Sicherheitspolitiker hätte ich nichts dagegen, wenn wir einiges mehr an Polizisten hätten. Aber den Eindruck zu erwecken, dann gäbe es keine Gewalttaten im öffentlichen Nahverkehr mehr, ist schlicht und einfach unredlich. Das haben wir auch nie gemacht.
Bei der CDU ist das relativ einfach: Man schreit: kaputtsparen!, oder wenn irgendetwas passiert, was Aufsehen erregt, heißt es: härtere Strafen! – Zu welchen abstrusen Geschichten dieser Mechanismus führt, mussten wir leider erleben, als auf einem Berliner U-Bahnhof fast ein Mensch zu Tode geschlagen wurde. Die Forderung der CDU anschließend war Warnschussarrest. Die Softies der CDU vermag ich nicht zu verstehen. Ich erwarte, dass so ein Täter eine ordentliche Strafe bekommt und nicht nur einen Warnschussarrest.
Wenn Sie die Presse in den Tagen danach verfolgt haben, dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass von der Bundesebene der CDU bis auf die Landesebene das als das Mittel hervorgehoben wurde. Offensichtlich musste man wieder Forderungen nach dem Motto „härtere Strafen, Gesetze ändern, wir tun was!“ präsentieren. Ob das im konkreten Fall etwas bringt, ist völlig dahingestellt.
Ja, wir haben ein Problem mit Gewalt im öffentlichen Nahverkehr. Wir haben auch ein Problem mit der Diskussionskultur darüber. Ich habe die Videoüberwachung, die wir haben, immer befürwortet. Ich habe schon gesehen, dass man dadurch nicht Straftaten verhindert. Aber ich habe es als einen Wert angesehen, dass man Straftaten aufklären kann. Das ist positiv gewesen.
Aber die Videos, die dann im Internet für jeden abzurufen sind, erzeugen auch eine neue Diskussionskultur. Wir sehen grauenvolle Taten, die wir früher nicht gesehen haben. Ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass es früher wenig grauenvoll war oder dass man das nicht zeigen soll. Aber wir kriegen eine hochemotionale Debatte, und wenn wir eine verantwortliche Sicherheitspolitik machen wollen, dann dürfen nicht den momentanen Emotionen,
die beim Anblick solcher Bilder entstehen, einfach nachgeben, sondern müssen nach wie vor ruhig und sachlich überlegen, welche Maßnahmen geeignet sind und welche Maßnahmen wir ergreifen können. Genau das hat der rotrote Senat in diesem Fall auch getan.
Zu Recht ist auch darauf hingewiesen worden, dass wir ein Problem mit einem gewalttätigen Extremismus haben. Wir mussten vor über einer Woche alle mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, was auf der rechten Seite an Gewaltpotenzial freigeworden ist. Auch aus dem linken Bereich – im weitesten Sinne nach diesem Bekennerschreiben – gab es Gewalt bei dem Anschlag auf die Bahnanlagen. Ich sage „im weitesten Sinne“, weil das Bekennerschreiben so wirr ist, dass ich ein Problem habe, darin eine politische Motivation zu erkennen.
Darin werden alle Themen, die es so gibt, herangezogen. Mein Eindruck ist eher, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die totalitäre Gewaltfantasien haben und politische Argumente quasi als Alibi missbrauchen, um ihre Gewaltaktionen zu rechtfertigen. Deswegen tue ich mich schwer, das unter Politik abzuhaken. Ich glaube wir sind uns darin einig, dass es ganz gefährliche Täter sind, deren Taten gefährlich sind.