Protokoll der Sitzung vom 23.06.2011

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das haben Ihre Stadträte von der CDU zu verantworten und sonst niemand in dieser Stadt. Man muss sich auch im Parlament einmal die Wahrheit anhören. Es hilft nichts. Sie haben diese Debatte hier aufgerufen. Es freut mich, dass es drei Parteien hier so sehen, wenn man die Wahrheit anspricht. Wir wollen doch mal Tacheles reden!

[Zurufe von der CDU]

Wer hat denn in den meisten deutschen Bundesländern Straßenausbaubeitragsgesetze eingeführt oder Kommunalabgabengesetze mit entsprechenden Regelungen? – Meine Damen, meine Herren! Es waren CDU und FDP! Ja, da schau her! Das Bundesland, wo man nicht regiert, da kann man ja einen Antrag stellen: alles ganz böse, alles ganz teuer! – Aber da, wo Sie regieren, da haben Sie es überall eingeführt, und, mit Verlaub, Sie haben deutlich geringere Mitwirkungsrechte für die Anwohnerinnen und Anwohner. Sie haben höhere Umlagen in Ihren Bundesländern. Und Sie lassen es auch zu, dass auf Kleingärtner umgelegt wird und auf jeden und überall. Da kann ich nur sagen: Berlin hat es besser gemacht. Wir haben die stärkste Mitwirkung von allen Bundesländern in diesem Straßenausbaubeitragsgesetz verankert.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Andreas Gram (CDU) – Zuruf von Björn Jotzo (FDP)]

Herr Gram! Erklären Sie mir doch allein mal diesen Widerspruch, bitte! Erklären Sie mir doch allein den Widerspruch, dass Sie überall, wo Sie regieren, die Gesetze einführen, und nur da, wo Sie Opposition sind – es werden immer mehr Länder, wo Sie Opposition sind –, da sind Sie plötzlich dagegen! Das ist doch wirklich Doppelzüngigkeit, die man den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklären kann.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Wir müssen doch eines sehen – das blenden Sie gerne aus, aber es ist Realität: Berlin ist ein Haushaltsnotlageland. Der Schuldenstand heute: 62,5 Milliarden Euro! Wir bekommen von den anderen Bundesländern über den Länderfinanzausgleich und von der Bundesregierung in Form von Bundesergänzungszuweisungen jeweils das meiste. Da wollen Sie uns sagen, wir sollen ein solches Gesetz abschaffen? Wie soll ich das jemandem erklären? Das kann Ihnen auch keiner glauben. Vor allem die FDP! Was macht die FDP für Steuergesetze, wenn sie regiert? Sie regieren im Bund! Womit haben Sie angefangen? – Sie haben 1 Milliarde Euro den Hoteliers hinterhergeschmissen. Aber Sie wollen andererseits nicht Geld bereitstellen, wo es für den Ausbau von Straßen notwendig ist.

[Zuruf von der FDP]

Das geht doch wohl nicht. Sie machen Steuergeschenke immer dann, wenn Sie ihre eigene Klientel befriedigen können und wenn Sie meinen, dass man Hauseigentümer schonen muss. Es ist kein schönes Gesetz, das Straßenausbaubeitragsgesetz, wenn man es unter dem Aspekt sieht, dass jemand zahlen muss. Aber es ist ein notwendi

ges Gesetz. Es ist eines, das Klarheit und Wahrheit schafft.

Mit Verlaub, vielleicht haben Sie es nicht mitbekommen: Wir haben dieses Gesetz in zwei wesentlichen Punkten geändert. Der erste: Die Straßenbeleuchtung wird nicht mehr den Anwohnern in Rechnung gestellt. Das haben wir von der Koalition vorgebracht und geändert. Wir haben mit einer weiteren Gesetzesänderung dafür gesorgt, dass auch Teilabschnitte und nicht mehr nur ganze Straßen abgerechnet werden können.

[Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]

Ja, Herr von Lüdeke, das muss man mal anerkennen!

Ich sage Ihnen für die SPD-Fraktion auch ganz klar: Wir werden uns das Gesetz auch in der nächsten Legislaturperiode anschauen, wo man es verbessern kann, wo man es noch sozialer machen kann, als es bisher schon ist.

[Beifall bei der SPD]

Aber, mit Verlaub, dazu kann man ein Gesetz nicht abschaffen. Man muss dazu stehen, auch wenn es nicht immer bequem ist. Das ist ein notwendiges Gesetz. Sie sollten noch viel lernen, und Sie müssen noch viel lernen, wenn Sie irgendwann einmal, in zwanzig, dreißig Jahren, hier in Berlin wieder regierungsfähig werden wollen, meine Damen, meine Herren von der Opposition! – Vielen Dank!

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Czaja.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege von Lüdeke! Das war eine Rede auf Abschiedstournee hier im Parlament. Noch 80 Tage!

[Beifall bei der CDU]

Nur dann kann man so etwas erzählen, wenn man keine Verantwortung in einem Bezirk hat, keinen Stadtrat stellt, dann kann man hier zur Rechtsbeugung aufrufen. Das können Sie machen, zur Rechtsbeugung aufrufen! Was sollen denn die Stadträte in den Bezirken machen? – Sie müssen Straßenausbaubeiträge umlegen, weil der Landesrechnungshof sie dazu zwingt.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Dass Sie sagen, dass die das machen, weil sie das Gesetz beschlossen haben – es ist absurd, und es ist dieser wichtigen Sache nicht wert, was Sie hier tun!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Herr Kollege Buchholz! Ich grüße diejenigen, die in den beiden Sälen hier im Haus noch sitzen und sich diese Debatte anhören. Ihr Parlamentspräsident hat erklärt, die

Besuchertribüne sei voll, das war die Aussage, die alle am Telefon erhalten haben.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD]

Hunderte haben angerufen, dass sie vorbeikommen wollen, und haben gehört, dass es hier keinen Platz mehr gibt. Das ist die Wahrheit, Herr Kollege Buchholz – aus Spandau auch!

[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Marion Seelig (Linksfraktion)]

Aber hören Sie sich das ruhig an der Haustür an, wenn Sie mit Ihren roten Schirmchen spazieren gehen!

[Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der CDU]

Sie sagen, Herr Kollege Buchholz, in den anderen Ländern gibt es kommunale Gebühren- und Abgabengesetze. Sie sagen, es gibt in anderen Bundesländern Straßenausbaubeitragsgesetze. Sie haben recht. Aber diese kommunalen Gebühren- und Abgabengesetze erlauben den Kommunen, eigene Ortsteilsatzungen festzulegen und Straßenausbaubeiträge dann zu nehmen, wenn sie es für sinnvoll erachten. Sehen Sie mal das Bundesland Hessen! Dort gibt es ein kommunales Gebühren- und Abgabengesetz, wo geregelt ist, dass Kommunen Straßenausbaubeiträge nehmen können. Wissen Sie, was die Stadt Frankfurt am Main macht, unter einer CDU-Bürgermeisterin? – Sie sagt: Wir haben hohe Grundsteuern. Und weil wir hohe Grundsteuern haben, nehmen wir keine Straßenausbaubeiträge. – Das ist die Realität in diesem Land.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Und wissen Sie, wir hoch die Grundsteuer in Frankfurt am Main ist? – Halb so hoch wie in Berlin! Sie haben gesagt, Sie werden die Grundsteuer nicht erhöhen, weil Sie Straßenausbaubeiträge nehmen wollen, und haben danach nicht um 20 Punkte im Hebesatz, nicht um 100 Punkte im Hebesatz, sondern um 220 Punkte im Hebesatz die Grundsteuer erhöht. Die größte Abzocke – Straßenausbaubeiträge und noch die höchste Grundsteuer, das ist Ihre Bilanz!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Ich sage der FDP: Dieses Thema ist in den Bezirken, in den 200 betroffenen Straßen, bei den Tausenden von Schicksalen, die davon betroffen sind, die 10 000-, die 100 000-, in Reinickendorf und auch in Pankow 200 000Euro-Vorbescheide bekommen haben, viel zu wichtig, als dass Sie hier den Eindruck vermitteln, dass diese Abzocke, die Rot-Rot gemacht hat, von der CDU unterstützt worden wäre. Das Gegenteil ist der Fall.

[Beifall bei der CDU]

Als wir in der Koalition mit der SPD waren, wollte die SPD ein Straßenausbaubeitragsgesetz, immer, im Fünfzigpunktepapier zur angeblichen Rettung der Koalition war das mit drin. Wir haben gestanden, anders als die Linkspartei. Wir haben das Straßenausbaubeitragsgesetz nicht beschlossen, als wir regiert haben, wir haben es

nicht beschlossen, als wir in der Opposition waren, und wir werden es wieder abschaffen, wenn wir wieder regieren.

[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wann ist denn das?]

Dieses Straßenausbaubeitragsgesetz, so wurde gesagt, dient dazu, dass der Anwohner, der einen Vorteil von der Straße hat, diesen Vorteil mit bezahlen soll. Kirchhainer Damm, Tempelhof-Schöneberg: Eine Bundesstraße wird ausgebaut, statt zweispurig vierspurig. Den Anwohnern wird der Vorgarten weggenommen. Im Übrigen ist der Ankauf des Vorgartens am Ende wieder umlagefähig auf die Anwohner. Sie wollen dort eine Lärmschutzwand vor ein Seniorenheim bauen und erzählen, dass das Straßenausbaubeitragsgesetz Vorteile bringt. – Das bringt es nicht, deshalb kann dieses Gesetz abgeschafft werden.

[Beifall bei der CDU]

Sie haben gesagt, hier im Parlament, Ihre Senatorin Junge-Reyer: Das kostet im Durchschnitt 500 bis 600 Euro, maximal ein paar Tausend Euro. In der Friedrich-EngelsStraße in Niederschönhausen ist der höchste Ausbaubeitrag, den ein Grundstücksbesitzer zahlen soll, 233 000 Euro. Abzocke ist dieses Gesetz! Abgeschafft gehört es!

[Beifall bei der CDU – Jawohl! von der CDU]

Sie haben gesagt, mit dem Gesetz werden Investitionen befördert. – Mit dem Gesetz werden keine Investitionen befördert. Die Bezirke rufen die Mittel gar nicht mehr vollständig ab. Die Wasserbetriebe haben Sorge, ihre Regenwasserschmutzkanäle ordentlich sanieren zu können, weil die Ausbaupflicht dafür besteht und damit das Mitbestimmungsverfahren notwendig ist. Das Straßenausbaubeitragsgesetz ist investitionsfeindlich und gehört auch deswegen abgeschafft.

[Beifall bei der CDU]

Und nun, zum Abschluss, zu Ihrer Mär, Herr Buchholz, das Gesetz brauche man, weil man Geld einnimmt: Die Senatorin selbst hat auf eine Anfrage von mir geantwortet, dass man in den letzten fünf Jahren mit dem Gesetz fünfzigmal mehr für die Bürokratie und für EDV, für alles drum und dran, ausgegeben hat. Fünfzigmal mehr hat man mit dem Gesetz ausgegeben, als man mit dem Gesetz eingenommen hat!

[Daniel Buchholz (SPD): Totaler Unsinn!]

Herr Kollege! Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Das Gesetz bringt keine Einnahmen für das Land, es kostet das Land auch noch Geld, weil Sie die Grundstücksbesitzer gerne zur Kasse bitte wollen. Das ist die Wahrheit zu diesem Gesetz.

[Beifall bei der CDU]