Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beginnt. – Bitte, Frau Kollegin Herrmann!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu später Stunde noch das Thema Extremismusklausel. Meine Fraktion beantragt die sofortige Abstimmung. Damit sollte begründet sein, weshalb wir noch so spät über dieses Thema sprechen.
Die sogenannte Extremismusklausel behindert die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und ist eine Beleidigung für viele langjährig engagierte Demokratinnen und Demokraten.
Sie stellt Bündnisse und Initiativen unter Generalverdacht und ruft zur gegenseitigen Bespitzelung auf. Damit erzeugt sie ein Klima des Misstrauens. Für uns war und ist immer klar: Mit antidemokratischen Methoden lässt sich keine erfolgreiche Demokratiearbeit machen.
Daher haben wir uns auf allen Ebenen für die Streichung der umstrittenen Extremismusklausel eingesetzt. Auch die SPD spricht sich auf Bundesebene gegen die Klausel aus. Es gab verschiedene juristische Gutachten und einen breiten Protest in Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Jetzt ist klar, die Klausel ist nicht nur abwegig und schikanös, sondern auch rechtswidrig. Das hat das Dresdener Verwaltungsgericht im April dieses Jahres erklärt. Jetzt gibt es eine Bundesratsinitiative der Länder NRW und Rheinland-Pfalz für die Streichung der Klausel. Wir fordern Sie auf, diese Initiative im Bundesrat zu unterstützen, damit Frau Schröders rechtswidriges Instrument endlich abgeschafft wird.
Es ist nicht haltbar, dass die Fördervoraussetzung der Bundesprogramme das Unterzeichnen einer rechtswidrigen Klausel ist. Beenden Sie endlich diese Farce!
Explizit an die Adresse der CDU: Stoppen Sie Ihre Ministerin! Ihr fehlt es nicht nur an Herzensbildung, sondern auch an Respekt gegenüber denjenigen, die sich seit langer Zeit und oft unter sehr schwierigen Umständen gegen Rechtsextremismus engagieren.
Sie schauen nicht nur zu, sondern machen mit, wenn Berlin im Bundesrat nicht für die Abschaffung der Klausel stimmt, sondern dagegen oder sich enthält. Dann handeln Sie fahrlässig und verfassungsfeindlich und gefährden jahrelange Aufbauarbeit zivilgesellschaftlicher Strukturen.
Die Berliner SPD hat auch ihre Geschichte. Im Bezirk Mitte haben Sie sich breit für eine solche Klausel ausgesprochen. Hier im Land sagen Sie – das hat auch Ihre Senatorin getan –, Sie würden sich dagegen einsetzen. Nun haben Sie die Möglichkeit, das zu tun. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Beweisen Sie im Bundesrat, dass Sie dagegen sind und die Zivilgesellschaft stärken und nicht unter Generalverdacht stellen wollen!
Wenn wir uns als Parlament ernst nehmen und dem Senat unser Votum mitgeben wollen, dann müssen wir das heute, jetzt und hier tun. Der Bundesratsantrag wird am 30. Mai 2012 in den Ausschüssen verhandelt. Dort muss sich Berlin verhalten. Am 14. Juni 2012 – auch vor der Sommerpause – findet eine Endabstimmung im Plenum des Bundesrats statt.
Wenn Sie das heute in unsere Ausschüsse überweisen, können wir das nicht mehr vor unserer Sommerpause klären. Damit schieben Sie das auf die lange Bank und verfolgen Ihre übliche Praxis, unbequeme und unbeliebte Anträge zu versenken. Dann ist die Bundesratsabstimmung vorbei, und niemand interessiert sich mehr für Ihr Abstimmungsverhalten. Das ist feige!
Beziehen Sie Stellung, und geben Sie dem Senat ein parlamentarisches Votum für die Bundesratsabstimmung mit! Wie wir gehört haben, hat sich der Senat noch keine Meinung gebildet. Wir fordern Sie auf: Stimmen Sie heute sofort ab! Beziehen Sie Stellung, und stehen Sie zu ihrer Position! Wenn Sie sich nicht einig sind und sich im Bundesrat enthalten wollen, dann haben Sie wenigstens den Mumm, hier und heute unseren Antrag abzulehnen! Damit würden Sie offensiv Position für eine rechtswidrige Klausel vertreten. Aber stehen Sie zu Ihrem Verhalten! Die Drückebergerei, die Sie vollziehen, ist das Gegenteil von verantwortlicher Politik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Hören Sie auf Ihre Kollegin, Frau Dr. Kitschun! Erst vor vier Wochen hat sie gesagt:
In diesem Zusammenhang ist es gut, dass die umstrittene Extremismusklausel vom Dresdener Verwaltungsgericht gekippt wurde.
Sich darüber freuen ist gut, politisch handeln ist besser. Sagen Sie deshalb heute ja zu unserem Antrag!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Herrmann! Erst einmal vorab: Der Bundesrat tagt nach unserer nächsten Plenarsitzung. Insofern ist Ihre Aussage nicht ganz richtig. Es ist auch nicht so, dass die SPD in dieser Frage total schwankt und wackelt. Es ist vielmehr so – das hat Frau Senatorin Kolat heute Mittag schon einmal deutlich gemacht –, dass wir Berliner Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns freuen, dass die umstrittene Klausel vom Dresdener Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt worden ist.
Es ist aber auch so, dass die Arbeit gegen Rechtsextremismus und für Demokratie noch weitaus wichtigere und größere Bereiche umfasst. Es ist auch so, dass die Abschaffung der Extremismusklausel ein Thema ist, das mir persönlich am Herzen liegt, aber es ist keines, das diese Koalition in ihren Grundfesten erschüttert – auch wenn Sie sich das vielleicht so wünschen.
Für die Stärkung unserer Demokratie – das sehen wir auch so – ist Vertrauen in das demokratische Engagement von Aktiven und Initiativen unverzichtbar. Generelles Misstrauen in Form von Gesinnungsüberprüfungen der Projekte und ihrer Kooperationspartner ist der falsche Weg. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit gehandelt, und da war die SPD auch mit dabei. Wir haben uns bereits im Mai letzten Jahres mit einer Bundesratsinitiative für eine grundlegende Überarbeitung und die Streichung der Sätze 2 und 3 der Extremismusklausel eingesetzt. Auch in diesem Frühjahr haben Berlin und die anderen A-Länder – Frau Senatorin Kolat hat es heute schon gesagt – am Rande der Integrationsministerkonferenz die Streichung eben dieser Sätze 2 und 3 der Extremismusklausel gefordert.
Natürlich haben wir als SPD-Fraktion große Sympathie für die Bundesratsinitiative aus NRW. Das betrifft die geforderte Streichung der Demokratieerklärung; das betrifft auch den zweiten Punkt, die geforderte Flexibilisierung des Testierungsverfahrens im Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“. Die Integrationsministerkonferenz hat im März einstimmig den Bund aufgefordert, das Testierungsverfahren flexibler zu gestalten, und zwar so, dass es den unterschiedlichen Beratungsstrukturen in den Ländern gerecht wird. Hierüber herrscht Einigkeit mit dem Koalitionspartner.
Wie Berlin im Bundesrat abstimmen wird, muss in der Koalition jetzt noch abgestimmt werden. Eine wesentliche Rolle spielt dabei sicherlich auch die noch ausstehende Begründung des Dresdner Verwaltungsgerichts, und das wollen wir in den Ausschüssen diskutieren. Deshalb beantragen wir die Überweisung der Anträge. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Liebe Frau Kitschun! Sie wissen wahrscheinlich noch nicht, was in der nächsten Plenarsitzung tatsächlich behandelt werden soll.
Aber ich hoffe, wir sind uns in einem einig: Gefahr für unser demokratisches Gemeinwesen droht von rechts. Sicherlich existieren auch andere Gruppierungen, die demokratiefeindlich eingestellt sind und ggf. auch Gewalt anwenden, aber rechtsextreme Mörderbanden sind vor den Augen der Sicherheitsbehörden zehn Jahre lang mordend durch unser Land gezogen, und Menschen mit Zivilcourage haben sich zusammengeschlossen, diese und ähnliche Umtriebe zu bekämpfen. Es sind Menschen aus allen Altersgruppen, allen sozialen Schichten, die sich in organisierten oder auch spontanen Strukturen gegen Rassismus und Rechtsextremismus aufbäumen. Diese Menschen wissen, dass sie damit auch sich selbst gefährden. Sie machen trotzdem weiter. Eine Bundesministerin, die bis heute eher durch fragwürdige Statements über den Islam, über Menschen mit Migrationsfeindlichkeit und Gendergerechtigkeit, denn durch Fachkompetenz aufgefallen ist, stellt alle diese Menschen unter Generalverdacht.
Sie sollen sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen. Meinen Sie wirklich, dass Menschen, die nicht an Demokratie und Menschenrechte glauben, ihr Leben im Kampf gegen Rechtsextremismus riskieren würden?
Damit nicht genug: Zudem müssen sie sich verpflichten, dafür Sorge zu tragen, dass sich auch Projektpartner wie z. B. andere Organisationen oder Referenten den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Wäre die Sache nicht so ernst, wären ihr nicht Menschen zum Opfer gefallen, könnte man zynischerweise folgende Frage stellen: Da die Sicherheitsbehörden offensichtlich nicht in der Lage waren, rechtsextremistische Gruppen zu identifizieren, sollen es jetzt die zivilgesellschaftlichen Organisationen tun?
Ich will die Begründung unseres Antrags nicht wiederholen, sondern nur darauf hinweisen, dass das Verwaltungsgericht Dresden die sogenannte Extremismusklausel für rechtswidrig erklärt hat und dass das Rechtsgutachten des Verfassungsrechtlers Prof. Ulrich Battis und ein Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags grundgesetzwidrige Formulierungen in der sogenannten Demokratieerklärung festgestellt haben.
Die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Carola Bluhm hatte 2011 Widerspruch gegen die sogenannte Demokratieerklärung eingelegt, der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend leider zurückgewiesen wurde. Der rot-rote Berliner Senat ist in der vergangenen Legislaturperiode mit seinem Vorstoß, welcher die Streichung der Sätze 2 und 3 der sogenannten Demokratieerklärung vorsah, leider im Bundesrat gescheitert. Nunmehr liegt die Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen zur Streichung der Demokratieerklärung – Bundesratsdrucksache 260/12 – vor.
Wir fordern den Berliner Senat auf, dieser Initiative beizutreten. Eigentlich gehen wir davon aus, dass das, was letzte Legislaturperiode galt, auch weiterhin gilt und der Senat hoffentlich problemlos unserem Antrag sowie dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen folgen wird. Sie haben heute hierzu Ihre Frau Senatorin Kolat gehört. Deswegen verlangen wir insbesondere von der SPD Unterstützung. Sie hat sich mittlerweile ja auch deutlich gegen die Extremismusklausel ausgesprochen. In diesem Fall sollten Sie sich gegen Ihren Koalitionspartner durchsetzen und nicht mit Kristina Schröder gemeinsame Sache machen.
Nach dem Versagen der Sicherheitsbehörden bei den zehn rassistischen sogenannten NSU-Morden sind wir dringender denn je auf gesellschaftliches Engagement angewiesen. Deshalb müssen Initiativen vor Ort weiter gestärkt werden, und das geht nicht, wenn durch solche unsinnigen, rechtswidrigen Klauseln die Menschen unter Generalverdacht gestellt werden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zur Sofortabstimmung vorgelegten Anträge der Grünen und der Linken fordern uns auf, die Bundesratsinitiative der Länder Nordrhein-Westfalen und RheinlandPfalz zur Streichung der Demokratieerklärung und zur Flexibilisierung des Testierungsverfahrens im Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ zu unterstützen. Es wird Sie nicht überraschen, dass die Fraktion der CDU dem nicht zustimmen kann.
Dabei enthält die Initiative ja durchaus Aspekte, über die man nachdenken kann und muss, über die man auch re
den kann. Insbesondere nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden muss man über die Bestimmtheit der Sätze 2 und 3 der Erklärung nachdenken und debattieren. Auch dafür brauchen wir eine ordentliche Beratung in den Fachausschüssen. Reden kann man auch über eine geeignete Qualitätstestierung für geförderte Beratungsorganisationen. Das bewährte Instrument „Kundenorientierte Qualitätstestierung für Beratungsorganisationen – KQB“ sollte auch nach unserer Auffassung eine bedeutende Rolle spielen.
Nicht verhandelbar ist allerdings aus Sicht der Fraktion der CDU der Bestand der Demokratieerklärung an sich.