Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Altug! Wir haben angesichts der Tatsache, dass wir 39 Betriebe in Berlin haben – vergleichsweise relativ wenig –, die Auswertung dieser Studie noch nicht abgeschlossen. Deswegen kann ich Ihnen zu den Konsequenzen auch noch nichts sagen.

Eine Nachfrage? – Bitte sehr!

Es geht mir nicht um die Anzahl von landwirtschaftlichen Betrieben in Berlin, es geht um Verbraucherschutz, weil diese Keime die Menschen krank machen. Meine Nachfrage: Wird Berlin im Bundesrat Initiativen unterstützen, die das Ziel haben, aus dem System Massentierhaltung auszusteigen?

Herr Dr. Heilmann, bitte sehr!

Vielen Dank für den Doktortitel, den habe ich aber nicht!

Verzeihung, der gehörte dem Abgeordneten Altug!

Herr Altug!

[Zurufe von den GRÜNEN]

Ich bin nicht ganz sicher, ob ich akustisch alles verstanden habe, deshalb kommentiere ich das jetzt nicht. – Zu

Ihrer Rückfrage: Ich bin, was Bundesratsinitiativen anbetrifft, sehr skeptisch, weil sie in der Regel nichts bewirken und insofern reine Schaufensterpolitik sind, aber an der Debatte darüber, wie wir eine modernere, auch ökologische Landschaft in Deutschland betreiben können, beteilige ich mich sehr gerne, das habe ich in der Vergangenheit – ich bin noch nicht so lange im Amt – und werde ich in der Zukunft auch tun.

Vielen Dank!

Jetzt hat der Abgeordnete Behrendt zu einer spontanen Frage Gelegenheit. – Bitte sehr!

Ich frage Senator Heilmann: Sie haben uns eben mitgeteilt, dass Sie Bundesratsinitiativen für reine Schaufensterpolitik halten. Empfinden Sie die Berliner Bundesratsinitiative zur Rehabilitierung der Opfer von § 175, die in der letzten Plenarsitzung hier breit Gegenstand war und insbesondere ein Thema ist, das sich der Regierende Bürgermeister auf die Fahne geschrieben hat, auch als reine Schaufensterpolitik?

Herr Senator, bitte sehr!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Dr. Behrendt! Wenn Sie genau zugehört hätten, habe ich „in der Regel“ gesagt: Wenn eine Bundesratsinitiative Aussicht auf Erfolg hat, weil sie so begleitet wird, dass daraus ein Gesetzestext wird, dann kann eine Bundesratsinitiative allerdings sehr sinnvoll sein. Die absolut überwiegende Zahl von Bundesratsinitiativen staubt in irgendwelchen Aktenordnern, ohne dass sie die gesetzliche Lage in irgendeiner Weise verändert. Deswegen plädiere ich in der Tat dafür, davon sehr wenige zu machen und dann nur, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Bitte sehr!

Aus dem vorher Gesagten ergibt sich, dass ich die von Ihnen zitierte Bundesratsinitiative selbstverständlich für sinnvoll halte.

Vielen Dank! – Die Fragestunde ist damit für heute beendet.

[Zurufe: Oh!]

Wir kommen zu

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik

(auf Antrag der Fraktion der SPD)

Für die Besprechung bzw. Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. – Es beginnt die Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Haußdörfer hat das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im letzten Jahr haben wir zehn Jahre Liegenschaftsfonds gefeiert, und aus seiner Entstehungsgeschichte heraus war er ein Instrument der Vermögensaktivierung. Die Erfolge für die Stadt sind unbestreitbar, jedoch war es nach der überaus erfolgreichen Zeit des Verkaufs und der einhergehenden Abführung der Erlöse an den Landeshaushalt auch Zeit, die Liegenschaftspolitik neu auszurichten. Darum haben wir 2010 – größtenteils parteiübergreifend – beschlossen, eine Neuorientierung einzuleiten. Ich gebe zu, dass mir das als Stadtentwicklungspolitikerin viel zu lange gedauert hat, doch lieber langsam und überlegt als gar nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir wissen, dass Berlin eine sich rasch wandelnde Stadt ist. Früher galten Entwicklungszeiträume von zehn bis fünfzehn Jahren, heute ändern sich Bereichsplanungen und Prognosen für manche Bezirke und Kieze schon im Zweijahresrhythmus. Raschere Entwicklungen erfordern ein Höchstmaß an Flexibilität. Vor fünf Jahren gab es noch nicht einmal vernetzte Akteure wie die Denkfabrik „Think Berl!n“ oder die Initiative „Stadt Neudenken“, um sich kritisch und konstruktiv auseinanderzusetzen. Früher wurde Liegenschaftspolitik auch nur an einzelnen Projekten oder Problemfällen diskutiert, hier und heute geht es uns hingegen um die große Linie, um das große Ganze. Die bisherige Praxis der Einzelfallentscheidungen muss überwunden werden, da diese oft von aktuellen Fragen und Ressourcen beeinflusst werden. Es gibt schleppende Entscheidungen, langwierige Verhandlungen um Umsetzungen, aber auch um Nutzungsbindungen oder teilweise nicht vorhandenes Planungsrecht. Das sind Beispiele, die es zu vermeiden gilt.

Die gestaltende Neuausrichtung und Weiterentwicklung der Liegenschaftspolitik sieht künftig einen langfristig strategischen Umgang mit dem Liegenschaftsvermögen vor. Neben den fiskalischen Potenzialen und dem Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, der trotz der positiven Veränderung seit 2001 notwendig ist, ist die gleichrangige Behandlung von stadtentwicklungs-, wohnungs-, sozial-, kultur- und wirtschaftspolitischen Zielen ausdrücklich und eminent wichtig. Deshalb bedarf es für eine aktive und gestaltende Liegenschaftspolitik einer engen Zusammenarbeit mit den Fachverwaltungen, besonders Finanzen, Stadtentwicklung und Wirtschaft, aber auch den gleichberechtigten Austausch mit den Bezirken. Sie müssen gemeinsam räumliche und inhaltliche Ziele vereinbaren, die durch eine aktive Vergabe und gestaltendes Handeln Stadtpolitik unterstützen und möglich machen. Dazu gehört auch das rechtzeitige Schaffen von Planungsrecht, um Investoren Sicherheit zu geben und Vorgaben für Ausschreibungen transparent und gemeinsam zu verfassen und zu kommunizieren.

Das Vorhalten von kleinen, mittelgroßen und großen Flächen für Industrie und Wirtschaft, für die Sicherung sozialer Infrastrukturen, die Stärkung der Innenstadt, die Förderung klimaverbessernder Maßnahmen sowie gemeinschaftlicher, genossenschaftlicher, familien- und demografiegerechter Wohnformen wird für Berlin immer wichtiger. Dementsprechend muss Vorsorge getroffen werden, Flächen für zukünftige Nutzungen im Rahmen der Daseinsvorsorge auszuweisen.

Ein wichtiger Bestandteil der Liegenschaftspolitik ist auch das Schaffen von Wohnraum. Es hat eine Einigung für die sechs Berliner Wohnungsbaugesellschaften gegeben, 14 Grundstücke für den Wohnungsneubau kostenfrei zu nutzen. Diese Grundstücke werden sich im Portfolio und Lage der Stadt widerspiegeln. Es gehört auch dazu, dass der Bodenpreis natürlich auch ein Bestandteil der teils noch hohen Baukosten ist, der sich in den Mieten von acht bis neun Euro niederschlägt, wie wir auf diversen Fachkonferenzen erfahren haben. Bei den städtischen Gesellschaften ist es sicherlich einfacher, da wir hier auf den Bauprozess, aber auch die Nutzung Einfluss haben.

Zu einer angemessenen Wohnungspolitik gehört es auch, neue und innovative Wohn-, Bau- und Gemeinschaftsformen zu finden und zu fördern. Dazu zählen die Genossenschaften, da sie auch Wohnraum neu schaffen, insbesondere bedarfsorientiert kleinen und barrierefreien Wohnraum.

Die Neuausrichtung bedarf aber auch einer grundsätzlichen Analyse der Grundstücke, deren Fachnutzung aufgegeben werden kann. Dabei nehmen wir die Bezirke in die Verantwortung, aber auch gerade uns, was die Finanzierung angeht. Hier sind geeignete Kriterien zu entwickeln, da diese für alle anwendbar sein sollen, aber doch

speziell für den Sozialraum modifiziert werden müssen – dazu gehören die Bezirke.

Kriterien müssen offen, breit und transparent kommuniziert werden. Seit Montag habe ich aber auch Zweifel, dass man einen umfassenden Kompromiss erzielt, da das Spektrum von „alles verkaufen und wenn, dann zum Höchstpreis“ bis hin zu „gar nichts verkaufen und alles liegenlassen“ reicht. Es wird aber einen Kompromiss geben, der den verschiedenen Interessen gerecht wird und dabei hilft, die Herausforderungen zu meistern.

Mit der grundlegenden Analyse des Portfolios muss es aber auch eine grundlegende Strukturierung der Instrumente geben. So sehen wir selbst, in welcher Spirale nach oben sich die Grundstückspreise entwickeln, die Konzeptionen nach einigen Jahren über den Haufen geworfen werden. Deshalb muss ein Leitfaden entworfen werden, wie dies in den juristischen und fachpolitischen Rahmenbedingungen trendfest bewertet und verankert werden kann. Es ist richtig, dass wir einen Teil der Grundstücke veräußern, einen Teil für die strategische Stadtentwicklung beanspruchen und an konzept- und zielgebundene Akteure vergeben und einen weiteren Teil behalten, da sich Veränderungen schnell einstellen und man ggfs. neue Flächen benötigt. Ich möchte auch nicht – wie in den Diskussionen geschehen, die wir z. B. am 5. Mai geführt haben – zwischen Innen- und Außenbezirken unterscheiden, da sich die grundsätzlichen Probleme in allen Bezirken wiederfinden und doch jeweils ihre eigene Dynamik haben. Ich würde aber schon diskutieren, ob man nicht einem kleinen Einzelhändler in Marzahn das Grundstück verkaufen darf oder eine Fläche für eine Einfamilienhaussiedlung in Neukölln. Ebenso muss auch eine Entwicklung in der Innenstadt möglich sein, was stadtentwicklungspolitisch durchaus sinnvoll wäre. Zugleich muss man die Draufsicht auf die kiez- und bezirksbezogenen Entwicklungen im Auge behalten und auch die Flächen für eine Umsteuerung vorhalten.

Mittlerweile gibt es ein grundlegendes Imageproblem in der Stadt bezüglich des Bauens. So wird Neubau erst einmal per se abgelehnt, auch wenn es im Sinne der Berlinerinnen und Berliner ist. Das ist eine Haltung, die sich nicht beibehalten lassen wird.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich erkenne die Liegenschaftspolitik als eine fundamentale Grundlage, um auf die wohnungs- und mietenpolitischen, sozialen und wirtschaftspolitischen Anforderungen sowie die Herausforderungen durch Klimawandel und demografische Entwicklung zu reagieren. Deshalb ist das das grundlegende Thema, auf das wir uns heute verständigen sollten.

In der Debatte, die wir nicht nur im Ausschuss, sondern auch auf Fachkonferenzen führen, fehlen mir einige wichtige Flächen. So diskutieren wir in aller Regel über die landeseigenen Flächen und die Flächen der Beteili

gungen. In eine übergreifende Flächenstrategie gehören für mich aber auch die bundeseigenen Flächen und die der nachgelagerten Institutionen wie Bahn und Post. Hier gibt es kaum eine Entwicklung. Denn es ist zumeist Stagnation. Diese Flächen sind aber erst recht im Fokus von Stadtentwicklung und interessierter Öffentlichkeit, genauso wie die landeseigenen Flächen.

Zum Abschluss sei mir noch ein persönliches Fazit erlaubt: Als ich 2006 frisch gewählt wurde, hatte ich als junge Abgeordnete den Wunsch, Spuren in dieser Stadt hinterlassen zu wollen.

[Heiterkeit]

Ja, das kann man sich immer mal überlegen, wie man das anstellt. Ich habe mir überlegt, dass ich gerne einen Tunnel nach mir benennen lassen würde. Es gibt einen Ingeborg-Tunnel, einen Heidrun-Tunnel, da dachte ich, ein Ellen-Tunnel wäre gar nicht so schlecht, darum habe ich den Wunsch jetzt öffentlich geäußert.

[Heiterkeit]

Die Tunnelbenennung habe ich noch nicht geschafft, aber immerhin wird mit der SPD und auch mit meinem Namen die Neuorientierung der Berliner Liegenschaftspolitik verbunden, und darauf sind wir sehr stolz.

Auch wenn es manchem und mancher nicht weit genug geht: Die Neuorientierung der Berliner Liegenschaftspolitik hat einen Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung, Bewertung und Diskussion über Grund und Boden in der Stadt eingeleitet. Ich hoffe, dass Sie uns parteiübergreifend dabei unterstützen, diesen Paradigmenwechsel und Diskurs kritisch zu begleiten, zunächst im Bauausschuss am 6. Juni, vorrangig aber in den nächsten Jahren. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]