Aber auch im Bereich der berufsvorbereitenden Maßnahmen im Übergang von Schule in den Beruf halten Sie es mit der Vogel-Strauß-Politik. Sie stellen sich den Problemen nicht und verweigern unserem Antrag auf eine dringend notwendige Evaluierung die Zustimmung. Sie stecken den Kopf in den Sand und verschleudern Geld für berufliche Warteschleifen, die in der Regel in die Sackgasse führen. Was wir dringend brauchen, ist eine grundlegende Reform des Übergangssystems Schule – Beruf. Gerade dieser Bereich ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung der Jugenderwerbslosigkeit.
Wir wissen, es gibt keinen Königsweg aus der Erwerbslosigkeit. Nur ein Mix aus unterschiedlichen, individuell auf Personen zugeschnittenen Beratungs-, Betreuungs- und Qualifizierungs- und Wiedereingliederungsangeboten und -maßnahmen kann dazu beitragen, die Erwerbsfähigkeit und Erwerbstätigkeit zu steigern. Hierfür müssen wir in Abstimmung mit allen Akteuren die Mittel aus dem Landeshaushalt zielgerichtet einsetzen. Nur so werden diejenigen, die Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und die Chance auf einen Ausbildungsplatz und auf gute Arbeit bekommen. Diesem Anspruch wird der Arbeitsmarkthaushalt in keiner Weise gerecht. Deshalb werden wir diesem Einzelplan nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeitsmarktpolitik ist ein zentrales Themenfeld unseres Koalitionsvertrags. Hier ist uns, der Koalition, dem Senat im Konzert mit Arbeitsagentur und Kammern der Einstieg in eine inhaltliche Wende gelungen. Wir werden in Berlin Menschen ohne Arbeit nicht mehr schwerpunktmäßig in dauerhaft öffentlich finanzierte Beschäftigung vermitteln, die von den Betroffenen vielfach nicht akzeptiert und die an ihrer hoffnungslosen Situation nichts verändern kann. Der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor linker Prägung war eine Jobillusion. Unser Ansatz heißt: zuerst die Arbeit. Wir vermitteln Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt. Wir wollen echte Arbeit auf dem echten Arbeitsmarkt.
Wir kümmern uns dabei vornehmlich um die Menschen, die schon seit mehreren Jahren keine Arbeit mehr finden konnten,
denn die Arbeitsmarktzahlen sagen uns ganz eindeutig: Wer in Berlin aktuelle Arbeitserfahrungen hat, der findet in aller Regel auch einen Job und wird wieder eingestellt. Aber für mehr als 175 000 Menschen in unserer Stadt gilt dies leider nicht. Daher setzt das Konzept „Berlin-Arbeit“, das sich auch auf die Langzeitarbeitslosen konzentriert, zunächst auf Qualifizierung, Coaching und Arbeitspraxis und soll dann zu einem echten Job auf dem ersten Arbeitsmarkt führen. Bis zu 6 500 Stellen für schwer vermittelbare Arbeitslose sollen so geschaffen werden.
Frau Kollegin Bangert! Es ist Unsinn, wenn Sie behaupten, dies geschehe nicht in Abstimmung mit Programmen der Bundesregierung. Das Gegenteil ist der Fall. Dieser Koalition ist es gelungen, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung das gesamte bundesweit noch offene Kontingent von 1 400 Bürgerarbeitsplätzen zu uns nach Berlin zu holen und im Bereich aller Berliner Jobcenter mit arbeitssuchenden Berlinerinnen und Berlinern zu besetzen. Auch die Berliner Joboffensive war im laufenden Jahr so erfolgreich, dass Jobcenter aus anderen Bundesländern dieses Projekt übernehmen wollen.
Das Ergebnis: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosenquote im vergangenen Monat um 1,3 Prozentpunkte zurückgegangen. Fast 20 000 Menschen sind in diesem Zeitraum wieder in Arbeit gekommen. Das ist ein erster großer Erfolg unserer Koalition im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.
Ich höre aus einigen Berliner Jobcentern, dass dort bereits alle besonders arbeitsmarktnahen Kunden erfolgreich vermittelt werden konnten.
Die Berliner Joboffensive erreicht dort jetzt Kunden, die bisher aufgrund ihrer multiplen Probleme als nicht zu vermitteln galten. Diese Kunden benötigen mehr als irgendjemand sonst Qualifizierung und ein besonderes Coaching, das es mit „Berlin-Arbeit“ geben wird. Mit dem Beschluss des vorliegenden Haushaltsentwurfs kann „Berlin-Arbeit“ zusätzliche Wirkung entfalten. Insgesamt stehen dafür in den nächsten beiden Jahren ca. 80 Millionen Euro zur Verfügung. Unser Ziel ist es, die rote Laterne im bundesweiten Vergleich abzugeben, die wir immer noch dank der unzureichenden und verfehlten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik der vergangenen zehn Jahre tragen, sehr geehrte Kollegen der Linksfraktion!
Es ist nun einmal etwas anderes, Unternehmen dazu zu bewegen, Arbeitnehmer einzustellen, als nur Projektplätze bei freien Trägern zu finanzieren. Wir werden neben den freien Trägern im System des Arbeitsmarktes stärker auf Unternehmen setzen.
Ein wesentliches Merkmal guter Arbeitsmarktpolitik ist die Förderung beruflicher Bildung und Berufsausbildung. Beidem widmet sich unsere Koalition. Mehr als 27 Millionen Euro stehen deshalb im Doppelhaushalt für die berufliche Bildung bereit. Mit fast 10 Millionen Euro fördern wir die Berufsausbildung. Unser gemeinsamer Haushalt zeigt die Handlungsfähigkeit unserer Koalition.
Ich danke allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen und der Senatorin Kolat für die hervorragender Zusammenarbeit und werbe bei Ihnen allen um Ihre Zustimmung zu diesem Einzelplan. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bereich Arbeit und der Einzelplan 09 ist das Buch mit vielen Fragezeichen und, ehrlich gesagt, die Reden der Vertreter und Vertreterinnen der Koalition gehören in den Bereich der Märchenstunde.
Frau Becker! Sie haben jetzt wirklich sehr viel und sehr schön und gut zu dem Bereich der beruflichen Bildung geredet. Dazu muss ich gar nichts mehr sagen, außer dass Ihre Koalition jetzt die angefangenen Projekte von RotRot fortführt. Darüber freuen wir uns. Da haben Sie auch unsere Zustimmung. Im Übrigen, finde ich, stimmt eines nicht, nämlich dass Ihre Vorsorge für den doppelten Abiturjahrgang so groß war, aber das werden wir uns demnächst anschauen.
Dann komme ich zu dem Bereich Arbeit, der tatsächlich der ganz spannende Bereich ist, denn hier wurde eine Wende angekündigt. Begriffe wie „Berlin-Arbeit“, öffentlich geförderte Beschäftigung wurden kreiert – wir haben sie eben wieder gehört. Im Haushalt finden sich dazu auch viele Titel. Zum Beispiel sollen die Mittel für die freie Förderung erhöht werden, doch wofür sie eingesetzt werden sollen, hat noch niemand gesagt – Sie auch nicht, Herr Korte, und Sie wissen es auch nicht. Beschäftigungszuschüsse für öffentliche Betriebe sollen geschaffen werden. Das sind alles bundespolitische Instrumente. Sie und auch Ihre Senatorin können bis zum heutigen Tag nicht sagen, was dort gemacht werden soll und wer Beschäftigungszuschuss bekommen soll.
Nachfragen von unserer Seite zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor sind alle unbeantwortet geblieben – schließlich seien die Förderkriterien noch nicht klar usw. Ich könnte Ihnen hier Stunde um Stunde Beispiele bringen, und Sie setzen sich hier hin und tun so, als hätten Sie ein tolles Konzept. Was wir verhandelt haben und was hier mit dem Einzelplan 09, dem Bereich Arbeit, beschlossen werden soll, sind Seifenblasen. „Berlin-Arbeit“ und ÖGB sind bis zum heutigen Tag nichts anderes als leere Worthülsen.
Herr Korte! Dass ich das nicht vergesse: Am Dienstag, als wir unsere Runde der Sprecherinnen und Sprecher hatten, haben Sie gesagt: In der nächsten Ausschusssitzung sollten wir tatsächlich mal über ÖGB, „Berlin-Arbeit“ reden. Der Senat beschließt ja jetzt die Eckpunkte. – Dazu hat niemand etwas gesagt. Möglicherweise sagt die Senatorin etwas dazu. Ich habe nichts davon gelesen, dass irgendwelche Eckpunkte beschlossen wurden.
Frau Senatorin! Sie wollen viel Geld für arbeitsmarktpolitische Instrumente und Maßnahmen haben, für einen großen, bunten Strauß von Qualifizierungs-, Integrations- und Beratungsmaßnahmen. Aber auch Sie konnten nicht sagen, was Sie im Einzelnen planen, wen Sie überhaupt zu welchen Bedingungen fördern wollen. Ich hatte gestern meinen Antrittsbesuch bei der Regionaldirektion, bei Herrn Wagon. Wenn Sie jetzt alle so tun, als würden Sie ganz eng zusammenstehen und alles gemeinsam geplant haben, dann scheinen Sie offensichtlich in unterschiedlichen Welten zu leben. Herr Wagon weiß davon nichts, und Sie wissen auch nicht, ob Ihre Ideen, die wir alle nicht kennen und die Sie vielleicht auch gar nicht haben – das vermute ich nämlich –, von der Regionaldirektion getragen werden und ob sie das mitspielt.
Alles, was Sie bisher gemacht haben, alles, was Ihre Wende in der Beschäftigungspolitik war, das war die Abschaffung des ÖBS, und das heißt die Abschaffung des Mindestlohns. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Ich möchte Sie auch noch mal an Ihre Parteitagsbeschlüsse vom Wochenende erinnern: Der Begleitservice – ein ÖBS-Projekt – soll erhalten werden und 8,50 Euro erhalten. Im Bundestagsprogramm soll festgeschrieben werden, dass Stellenangebote der Jobcenter nur dann zumutbar sind, wenn ein Stundenlohn von 8,50 Euro bezahlt wird, und die SPD-Fraktion soll sich dafür einsetzen, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro auch bei „Berlin-Arbeit“ und ÖGB bezahlt wird.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, können Sie haben. Sie können hier und heute Ihre ersten Parteitagsbeschlüsse umsetzen. Stimmen Sie unserem Antrag zu, dass der ÖBS wieder eingeführt wird und dass es in Berlin weiterhin Mindestlohnbedingungen gibt, auch im öffentlichen Bereich! – Vielen Dank!
Jetzt haben wir bereits einiges zum Bereich Arbeit gehört. Ich fange mit dem Bereich Integration an, dann haben Sie etwas Abwechslung, Frau Kolat!
Es ist klar, dass es relativ schwer ist, sich in ein neues Ressort einzuarbeiten. Dann gibt es auch immer noch die Abstimmungsprobleme zwischen den Koalitionsfraktionen. Die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen in unserem Ausschuss kamen immer als Letztes – also da scheint noch einiger Abstimmungsbedarf zu bestehen.
Das ist verständlich. Aber was wir als neue Fraktion, die in den Ausschuss kommt und sich in die Themen einarbeitet, erwartet hätten, wäre erst einmal das Vorlegen eines umfassenden Berichts. Dies trifft sich eigentlich ganz gut, weil der Bericht des Partizipationsbeauftragten – bzw. noch heißt er Integrationsbeauftragter – eigentlich auch bis Dezember hätte vorliegen sollen. Nun dachten wir, dass er vielleicht wenigstens bis zum Sommer kommt. Er ist jetzt noch mal verschoben worden. Wir warten weiterhin, und vielleicht kommt er dann irgendwann nach dem Sommer.
Der zweite Punkt wäre gewesen, dass man ein vernünftiges Gesamtkonzept angeboten bekommt. Was soll eigentlich passieren in dem Bereich? Eben wurde schon gesagt: Im Großen und Ganzen ist es das rot-rote Konzept, das weitergetragen wurde. Ganz so schlecht ist es wohl nicht, aber trotzdem wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, das noch einmal insgesamt zu evaluieren und zu erklären, was man konkret ändern möchte, an welchen Punkten man noch Verbesserungsbedarf sieht und wo nicht, damit man sich darüber vernünftig unterhalten kann. Jetzt haben wir weder den Bericht noch das Konzept.
Ich komme zu den Bereichen, wo auf jeden Fall noch Verbesserungsbedarf besteht, nämlich die Partizipation von Migrantinnen und Migranten in unserer Gesellschaft. Das Erste, was wir erlebt haben, waren die Pannen bei den Wahlen zum Integrationsbeirat. Auf Nachfrage, ob dieser arbeitsfähig ist, haben Sie uns erst einmal erklärt, das wüssten sie nicht, da müssten sie erst einmal nachfragen. Dann wussten Sie es: Er ist nicht arbeitsfähig. Dann kam erst einmal fast ein halbes Jahr Untätigkeit des Integrationsbeirats, was schade ist, weil er von allen Fraktionen immer als sehr wichtiges Gremium betont wird.
Dann kommen wir zum Integrationsbeauftragten. Der wurde als erste Amtshandlung erst einmal vom direkt bei der Senatorin angesiedelten Integrationsbeauftragten zum Abteilungsleiter unterhalb des Staatssekretärs entmachtet. Ein paar Wochen, nachdem das passiert ist, hat er dann gesagt, er habe jetzt keine Lust mehr auf die rot-schwarze Integrationspolitik und werde sich verabschieden, ich glaube, nach Afrika oder so.
Nach Japan! Okay, er hat sich nach Japan verabschiedet. Ich wünsche Herrn Piening alles Gute in seinem neuen Job und hoffe, dass wir bald einen oder eine sehr fähige neue Integrationsbeauftragte in Berlin begrüßen können.
Dann kommen wir zum Bereich Wahlrecht. Da wurden einige sinnvolle Vorschläge gemacht. Das muss man nicht gut finden. Sie wurden allesamt abgebügelt.
Dann kommen wir zum Bereich interkulturelle Öffnung. Der Beamtenapparat Berlins sollte sich weiter öffnen. Die Zugangsbarrieren sollten heruntergeschraubt und die Motivation und die Anreize erhöht werden. Was kam dann? – Ein unverbindlicher Empfehlungskatalog von Ihnen und Ihrem Kollegen Henkel! Da hätte man auch etwas mehr erwarten können.
Die Ausschussarbeit aber war das Großartigste. Ich habe nicht nur einen Ausschuss, sondern mehrere zum Vergleich. Da muss ich wirklich sagen, liebe Kollegen von CDU und SPD: Mir ist das immer noch nicht ganz klar, ich unterstelle keine Bösartigkeit, aber ein Ausschuss, in dem so wenig behandelt, so wenig beschlossen und so wenig beredet wird, ist in diesem Hause einmalig, wenn man mal von dem Wasserausschuss absieht, der explizit dazu gedacht ist, bloß nichts zu beschließen. Wir haben uns zu Beginn der Legislaturperiode darauf geeinigt, dass der Ausschuss maximal zwei Stunden tagen soll, obwohl ganz klar von den Oppositionsfraktionen geäußert wurde, dass das nicht ausreichen werde. Wir haben in den letzten sechs Monaten gesehen, dass diese Prognose richtig war. Die Bereitschaft der Koalitionsfraktionen, über Versäumnisse, den aktuellen Zustand und mögliche Verbesserungen in der Integrationslandschaft zu sprechen, ist minimal. Stattdessen bekommen wir Anhörungen zum „Gruselislam, der ja ach so schlimm ist“, die dann verhindern, dass wir wirklich Anträge im Ausschuss behandeln. Unsere Ausschusssitzung zum Thema Integration wurde viermal nach der Hälfte abgebrochen und vertagt. Unser eigener Antrag zum Integrationsbeauftragten, den man relativ schnell hätte durchsprechen können, wurde viermal vertagt und wird erst nach der Sommerpause besprochen. Die Unerledigtenliste reicht bis anno dazumal.
Vielleicht hören wir nach dem Sommer etwas von den versprochenen Konzepten und schaffen es dann auch im Ausschuss, ein bisschen auf die Tube zu drücken und effektiv an den Anträgen zu arbeiten und auch an den Themen, die uns wichtig sind.