Protokoll der Sitzung vom 14.06.2012

Zur Einnahmeseite: Das Diktat der Ausgabelinie führt dazu, dass die Einnahmen wenig interessieren, weil sie ja auch keinen Beitrag dazu leisten, die Ausgabelinie einzuhalten. So werden die Einnahmen noch nicht einmal vollständig in den Haushalt geschrieben, sondern gebunkert. Die Nummer mit der Grundsicherung ist heute bereits des Öfteren genannt worden. Hier musste sich die Koalition korrigieren. Sie tat es aber nur halbherzig. Die Mehreinnahmen bei den Kosten der Unterkunft – immerhin 185 Millionen Euro im Jahr – sind noch immer nicht veranschlagt. Man ahnt, weshalb. Der Senat baut sich ein Polster von rund 100 Millionen Euro pro Jahr in den Haushalt, das wahlweise für die Befriedigung plötzlich und unerwartet vom Himmel fallender oder in den Himmel steigender finanzieller Bedürfnisse oder zum Abfeiern der Jahresabschlüsse verwendet werden kann.

[Unruhe]

Aber ein Polster scheint Ihnen nicht genug. Die Koalition hat sich standhaft geweigert, die Erstattungen der EU im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und des Europäischen Sozialfonds haushaltsmäßig korrekt darzustellen. Ein weiterer Verstoß gegen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit!

[Unruhe]

Am Ende sind es auch hier nicht etatisierte Mehreinnahmen von noch einmal rund 100 Millionen Euro im Jahr. Was ist das anderes als einen Bunker anlegen? Klar, diese Mehreinnahmen helfen nicht bei der Einhaltung der Ausgabelinie.

[Zurufe von der LINKEN]

Sie könnten die Abgeordneten ja verführen. Man hätte sie natürlich auch verwenden können, um die tatsächlichen Einnahmeprobleme auszugleichen, beispielsweise aufgrund der Auswirkungen der Verfügung des Bundeskartellamts bezüglich der Wasserpreise.

[Unruhe – Zurufe von der LINKEN]

Fazit: Die Vorgaben waren Gift für eine ordentliche Haushaltsdebatte. Das gilt nicht nur für die Inhalte, sondern auch für den Ton. – Es ist übrigens im Moment gerade wieder sehr laut, Herr Präsident. Ich spreche hier gegen eine Wand. – Auch wenn es vielleicht nicht interessiert, aber es spricht für die Atmosphäre während der Haushaltsberatungen. Diese Atmosphäre, aber auch die Vorgaben waren Gift für die ordentliche Haushaltsdebatte.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das gilt nicht nur für die Inhalte, sondern auch und vor allem für den Ton: Gutsherrenmanier und Basta-Gestik einer binnenfixierten Koalition, der Machtarithmetik und Koalitionsdisziplinierung über die Interessen der Stadt gehen.

Was ist jetzt eigentlich von der Ausgabelinie übrig geblieben? – Nichts. Das jedoch scheint noch nicht einmal dem Regierenden Bürgermeister übermittelt worden zu sein. In der Summe werden die Ausgaben 2012 im Vergleich zu 2011 und 2013 im Vergleich zu 2012 um jeweils mehr als 1 Prozent steigen. Der tatsächliche Aufwuchs wird dreimal so hoch sein wie die Linie. Dazu waren Sie bei Strafe der Verfassungswidrigkeit des Haushalts gezwungen. Das Ergebnis lautet demnach: Ihre Linie war nicht zu halten. Sämtliche negativen Nebenwirkungen wurden trotzdem mitgenommen. Haushaltspolitisch sind Senat und Koalition ihre Prämissen abhanden gekommen. Das ist schlecht für Sie. An den Folgen wird jedoch vor allem die Stadt noch lange zu schlucken haben.

Auch das will ich noch einmal deutlich sagen – Herr Goiny! Sie haben es gerade noch einmal angesprochen: Mit dem rot-roten Entwurf aus dem Sommer 2011 hat dieses Haushaltsgesetz nicht mehr viel gemeinsam. Nehmen Sie uns nicht für neun Monate schlechte rotschwarze Regierungspolitik in die Haftung!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Dr. Schmidt! – Für die Fraktion der Piraten hat jetzt der Kollege Claus-Brunner das Wort.

[Zurufe von der SPD: Super!]

Wir haben ja Zeit!

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Fang endlich an!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Senatorinnen beliebigen Geschlechts! Sehr geehrte Kolleginnen beliebigen Geschlechts! Zu dieser späten Stunde scheint es nicht mehr alle zu interessieren, was hier passiert. Dann bringe ich einmal ein paar interessante Dinge. Italien gegen Kroatien haben 1:1 gespielt. Beim Spiel Spanien gegen Irland ist gerade in der 70. Minute das 3:0 gefallen.

Ich höre hier von Leuchttürmen, Weichenstellungen und Fußball. Da frage ich mich, bin ich jetzt in einem Seehafen, auf einem Rangierbahnhof oder auf einem Fußballplatz.

[Beifall bei den PIRATEN]

Irgendwie habe ich relativ wenig vom Abgeordnetenhaus gehört. Leuchttürme – ein guter Ansatz. Wie viele Menschen arbeiten eigentlich auf so einem Leuchtturm? Heutzutage – wenn es hochkommt – ist es noch einer, die meisten sind schon automatisiert.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Mit Mikro reden!]

Um zu Leuchtturmprojekten – – Ist es jetzt besser, kann jeder etwas hören? –

[Zuruf von der SPD: Ja!]

Sie können jetzt die Hörgeräte wieder etwas herunterpegeln. – Wie gesagt: Leuchttürme sind nicht gerade bekannt dafür, dass dort sehr viele Leute arbeiten.

[Beifall bei den PIRATEN]

Ich sollte ja auch noch etwas zum Haushalt sagen. Das mache ich einmal schnell. Wir haben aktuell einen Schuldenstand von 64,8 Milliarden Euro – die paar Milliarden Euro, die irgendwo versteckt sind –, dann zahlen wir Zinsen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro, der Zinssatz ist mit 3,2 bis 3,7 Prozent angesetzt. Wenn wir uns den Spaß machen würden, uns das Geld bei der EZB zu einem Prozent zu leihen, würden wir mit dem ersparten Geld in 50 Jahren schuldenfrei sein. Das wäre vielleicht auch einmal ein Ansatz, um hier weiterzukommen. Um eine andere Vergleichszahl zu bringen: Das, was wir als Zinsen an die Banken bezahlen, macht zwölf Prozent vom Gesamthaushalt dieses Doppelhaushalts aus. Es ist ungefähr genauso hoch wie das, was wir für Bildung und Schulen ausgeben, jedoch ohne die Hochschulen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Damit möchte ich nur einmal eine Größenordnung nennen.

Dann haben wir die Drucksache 17/0400-3. Schauen Sie sich diese einmal an! Dort werden 700 Millionen Euro für Beteiligungserwerb gefordert. Begründet wird es mit dem Rückkauf der Wasserbetriebsanteile RWE. Es gibt aber noch einen anderen Anteilseigner. Eigentlich werden

1,4 Milliarden Euro benötigt, wenn man das einmal hinzurechnet. Es gibt auch noch ein paar andere Sachen. Das ist eine schöne Idee. Man hätte allerdings vorher schauen sollen, ob man die Verträge rückabwickelt, und vielleicht 200 Millionen Euro bis 300 Millionen Euro sparen können. Bei einer Rückabwicklung muss nur der Kaufpreis von 1999 zurückerstattet werden.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wenn wir schon einmal bei Weichenstellungen sind, fällt mir gerade die S-Bahn ein. Das Eisenbahnbundesamt wird die letzten Genehmigungen wegen alter Signaltechnik bei den aktuellen Baureihen 2019 auslaufen lassen. Selbst wenn wir jetzt heute entsprechende Züge bestellten und kauften, erhielten wir erst Ende 2020 die neuen Züge geliefert. Dabei hätten wir jedoch eine kleine Lücke. Was machen wir eigentlich mit dieser? – Das sind so ein paar Kleinigkeiten in der Gesamtheit.

Ich möchte mich noch bei den Leuten aus dem Haus bedanken, die im Hauptausschuss 150 Seiten starke Tischvorlagen druckwarm kurz vor Beginn der Beratung vorgelegt haben. Ich möchte wirklich noch einmal sagen, dass ich das für eine sehr starke Leistung halte. Ich bedanke mich noch einmal ausdrücklich bei den Leuten aus der Verwaltung, die für den Hauptausschuss zuständig sind, namentlich Frau Dreher und anderen.

[Beifall]

Ich möchte auch Herrn Verrycken im Namen meiner Fraktion vollständige Genesung wünschen und hoffe, dass alle Probleme der Vergangenheit angehören. Gute Besserung auch von unserer Seite in diesem Zusammenhang!

[Beifall]

Meine Redezeit ist leider zu Ende. – Dann geht es weiter.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Vielen Dank! – Jetzt hat der Senator Nußbaum die verbleibende Redezeit des Senats. Sie beträgt 8 Minuten und 40 Sekunden. – Herr Nußbaum, bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich relativ kurz fassen. Trotzdem – so viel Zeit muss sein – möchte ich auch von meiner Seite noch einmal meinen recht herzlichen Dank an alle Mitarbeiter hier in der Verwaltung, aber auch im Abgeordnetenhaus, in den Gremien, namentlich an Herrn Feiler und Herrn Rohbeck für die Ausdauer und das Engagement sowie für

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

die Geduld und Sachkunde, mit der alle Anfragen und Dinge abgearbeitet sind, aussprechen.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Sie können gern klatschen. Ich freue mich darüber.

[Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN]

Ich möchte mich auf ein, zwei Dinge konzentrieren. Vieles war heute richtig, aber einiges falsch, insbesondere von der Opposition.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Überraschung!]

Richtig ist, dass wir die zusätzlichen Einnahmen zum Abbau der Nettokreditaufnahme verwenden werden. Das haben die beiden Fraktionsvorsitzenden auch zu Recht gesagt. Den durch die Steuerschätzung zusätzlichen Spielraum haben wir nicht in Mehrausgaben umgesetzt, sondern reduzieren die Nettokreditaufnahmen. Richtig ist auch, dass wir an der Haushaltskonsolidierung festhalten. Richtig ist, dass wir die Neuverschuldung innerhalb von zwei Jahren halbiert haben. Für 2012 liegen wir unter einer Milliarde Euro. Für 2013 liegen wir unter 500 Millionen Euro. Das geschieht immerhin in einem Umfeld, in dem wir in den letzten Jahren durch Steuerrechtsänderungen etwa 3,3 Milliarden Euro verloren haben.

Um zu zeigen, was wirklich in den letzten drei Jahren geschehen ist, rufe ich noch einmal in Erinnerung, dass die Eckwerte des Jahres 2009 eine Nettokreditaufnahme von 5,6 Milliarden Euro für den Haushalt 2010/2011 vorsahen. Wir sind jetzt für 2012/2013 bei 1,5 Milliarden Euro angekommen. Das ist der eigentliche Maßstab, um zu zeigen, wie wir uns bewegt haben.