Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

darüber, wie zwei Provider ihre Netze verschalten. Das Pico-Peering-Agreement ist quasi ein Peering-Agreement für kleine Leute, sprich für Einzelpersonen, Vereine, für kleinere Unternehmen etc., also alle, die nicht als große Provider agieren. Das Pico-Peering-Agreement besagt im Wesentlichen, dass alle ihre Netze zusammenschalten, dokumentieren, wie man das macht, gegenseitig ihre Daten durchleiten, damit ein großes Netz entstehen kann. Das ist unter anderem auch die Grundidee oder die Grundstruktur, die dem Freifunk zugrunde liegt. Wenn alle mitmachen und alle ihre Daten durchleiten, dann haben wir alle ein großes Netz, und haben alle ganz viel.

Das wiederum ist im Wesentlichen auch als ein Teil der digitalen Allmende bekannt. Die Allmende war die Dorfwiese, auf die alle ihre Kühe und Schafe treiben können. Aber wenn das zu viele Leute machen, dann wird das Ding überweidet. Darüber gibt es ein paar sehr gute Bücher. Einer der interessanten Punkte daran ist: Diese Allmende, also dieses Gemeineigentum, funktioniert nur, wenn es eine regelnde Instanz gibt. Das wäre in dem Fall der Dorfälteste und ist in diesem Fall die Stadt Berlin. Das heißt, wenn wir die Dächer des Landes Berlin zur Verfügung stellen wollen, um dort Netzwerkinfrastruktur aufzubauen, dann kann man das nicht einfach nach dem Motto machen: Wer als Erster kommt, bekommt ganz viel Dach, und die anderen bleiben zurück – es sind ja Dächer der Stadt –, sondern wir machen es so, dass wir sagen: Wenn ihr Technik auf die Dächer baut, dann so, dass ihr mit anderen Leuten, die auch Technik auf Dächer bauen, zusammenarbeitet. Dann haben wir alle etwas davon. „Alle“ heißt eben nicht nur Freifunk oder Provider in Berlin, sondern da können auch Unternehmen – große und kleine – mitspielen, davon kann auch der Senat profitieren. Wenn der Senat Daten von A nach B übermitteln will, und in der Mitte ist ein Dach, dann kann man darüber Daten routen, ohne dass der Senat dafür große Mengen an Investitionen tätigen muss.

Das Ganze wird dann interessant, wenn wir ein WLAN in Berlin wollen. Wenn wir ein WLAN wollen, brauchen wir nicht nur Hotspots, sondern auch Infrastruktur. Damit können wir tatsächlich eine ganze Menge einsparen. Wir haben die Freifunker, aber wir haben auch die von der MABB gesponsorten Projekte, wir haben das Verfahren vom Senat, das gestartet wird, das auch mehrere Anbieter haben soll. Auf diese Art und Weise würden wir eine Regelung schaffen, wie die Dächer der Stadt Berlin zu nutzen sind, wenn dort Leute Technik installieren wollen. Wie gesagt, das Ding ist im Wesentlichen eine Regelung für die Dächer, es steht nicht im Widerspruch zur Initiative von Herrn Böhning, den ich sehr schätze, es steht nicht im Widerspruch zur Initiative der MABB, sondern es kann das Ganze sogar fördern.

Jetzt habe ich noch eine letzte Bitte: Wenn irgendetwas in diesem Antrag unklar ist oder missverständlich, dann prügeln Sie bitte nicht auf dem Antrag oder mir herum,

sondern reden Sie mit uns, fragen Sie uns. Manchmal ist die Kommunikation zwischen Technikern und Politikern etwas schwierig. Aber ich denke, wir können es gemeinsam hinbekommen. Wie gesagt, es geht nicht um Bashing, sondern um Sachpolitik. Wir haben die Dächer, und wenn wir sie nutzen, dann können wir alle davon profitieren. – Ich danke!

[Beifall bei den PIRATEN]

Ich danke auch, Kollege Morlang! – Kollege Kohlmeier hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. – Bitte schön!

Ich danke Ihnen ganz herzlich, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Die große Koalition wird heute einen wichtigen Schritt für freies WLAN in Berlin gehen. Wir werden eine Initiative im Bundesrat starten, um Haftungsrisiken für die Betreiber von freiem WLAN zu begrenzen. Das juristische Stichwort dafür lautet Störerhaftung.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Zum Thema!]

Damit zeigt Berlin, dass wir in der Netzpolitik die Zeichen der Zeit erkannt haben.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

141 Tage, nachdem die große Koalition den Antrag zur Störerhaftung vorgelegt hat, haben die Piraten ihren Antrag zu freiem WLAN auf landeseigenen Immobilien vorgelegt. Liebe Kollegin, liebe Kollegen von den Piraten! Für den Bürger ist es nicht wichtig, wer eine gute Idee zuerst vorlegt, aber die Arroganz, dass nur Sie etwas von Netzpolitik verstünden, wird heute widerlegt.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Was soll denn das jetzt?]

Sie fordern, dass wir landeseigene Dächer für die Betreiber von freiem WLAN öffnen. Das Anliegen finde ich gut, über die Ausführung werden wir reden müssen. Vielleicht wäre es richtig, einmal einen Blick in die Bauordnung zu werfen. Auch das Abrechnungsverfahren, das Sie vorschlagen, sollten wir prüfen. Mir ist nicht bekannt, dass Freifunkinitiativen bisher an der Verwaltung mit ihrem Anliegen gescheitert wären. Wenn es doch so wäre, müssen wir schauen, weshalb, und wie die Hindernisse ausgeräumt werden können. Das Problem Ihres Antrags ist, dass er ein Ziel benennt, aber nicht den Weg dorthin beschreibt. Deshalb werden wir uns das im Ausschuss noch einmal genauer anschauen.

Im Anschluss an die jetzige Debatte werden wir über das wichtigere Thema reden, den Antrag der großen Koalition zur Störerhaftung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Gelbhaar. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema WLAN steht – wie bereits erwähnt – heute gleich zweimal auf der Tagesordnung. Um es vorwegzunehmen: Wir stehen dem Antrag der Piraten sehr offen gegenüber. Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

In mehreren Bezirken gibt es bereits ähnliche Anträge über Parteigrenzen hinweg – oder sogar bereits erste Schritte, um diese Anliegen auf den Weg zu bringen. So sind die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, aber auch Mitte erwähnenswert. Wir sollten deshalb die Ausschussberatungen nutzen, um konkrete Handlungen zu definieren. Die Senatsverwaltung würde ich gern auffordern, für die Ausschussberatungen eine Liste mit geeigneten Gebäuden vorzulegen, damit wir uns konkret die Bewertungskriterien anschauen, und damit den Antrag weiter konkretisieren können, um anschließend erste Schritte zu gehen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Frage WLAN in Berlin nicht neu ist, sondern das Parlament seit Jahren bewegt. Den Senat bewegt das Thema jedoch offensichtlich nicht, denn seit Jahren ist nur wenig, eigentlich nichts passiert.

Es sei noch einmal auf die bisherige WLAN-Geschichte Berlins hingewiesen. Bereits im Jahr 2009, also vor drei Jahren, ist der Senat aufgefordert worden, mit der Ausschreibung eines freien WLAN zu beginnen, zumindest mit einer Pilotregion. Jetzt haben wir zwar eine Ausschreibung für WLAN, allerdings sind die Vorstellungen des Senats weiterhin unklar.

[Unruhe]

Ich will gar nicht abtun, dass die Koalition einen Antrag zum Thema vorgelegt hat. Ich will auch nicht bestreiten, dass die Verbesserung der Gesetzeslage in Sachen Störerhaftung ein Schritt hin zu größerer Rechtssicherheit ist. Wenn die Koalition das Problem aber nur bei der Störerhaftung verortet, dann scheint mir das deutlich zu kurz gegriffen zu sein. Im Koalitionsvertrag haben Sie immerhin geschrieben: Wir wollen ein gebührenfreies WLAN für Berlin ermöglichen. – Das WLAN muss aber eben nicht nur rechtlich ermöglicht werden.

[Unruhe]

Ich darf noch einmal ganz kurz unterbrechen, lieber Kollege! – Die hier im Saal geführten Gespräche können bitte auch draußen geführt werden. Ich bitte darum, dem Redner Aufmerksamkeit zu schenken! Das gilt übrigens auch für die Regierungsbank!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Präsident! Sie haben vollkommen recht. Vor allem die Regierung sollte häufiger aufgefordert werden zuzuhören.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Das war aber der Herr Abgeordnete, der hier Gesprächsbedarf hatte!]

Ach, der hat allein mit sich selbst geredet. Herr Wowereit, das glauben Sie doch selbst nicht!

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Doch!]

Zurück zum Thema: Der Senat muss sagen, was er will, welche Schritte er dafür für notwendig erachtet – ein rein öffentliches Netz, eines von Berlin Partner, eines von Drittanbietern oder eben über Freifunk. Das sind sehr unterschiedliche Varianten. Was Ihr Plan ist, das haben Sie uns noch nicht verraten. Da geht der Antrag der Piraten deutlich weiter, weil er konkrete Vorschläge macht, was das Land Berlin tun kann. Des Weiteren möchte ich noch darauf dringen, alle Kräfte an einem Tisch zu versammeln. Wenn die Medienanstalt Berlin Brandenburg vorangeht und sagt: Freies WLAN ist ein Projekt von uns –, warum ruft der Senat nicht zu einem Runden Tisch, an dem die Freifunker, die MABB und andere zusammenkommen und wir gemeinsam schauen können, wie wir zügig und effizient unser gemeinsames Ziel erreichen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Uwe Doering (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Kollege Gelbhaar! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Dregger das Wort – und ich erteile es ihm auch!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Piratenfraktion verfolgt das Ziel der Koalition von CDU und SPD, in Berlin ein allgemein zugängliches und kostenfreies WLAN aufzubauen, und daher begrüße ich Ihre Initiative außerordentlich.

[Beifall bei den PIRATEN – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Sofortabstimmung!]

Wir werden heute im Anschluss noch einen Antrag von SPD und CDU behandeln, mit dem der Senat aufgefordert wird, über eine Bundesratsinitiative auf eine einschränkende Klarstellung zur Störerhaftung der Betreiber von WLAN-Netzen hinzuwirken. Auch dieser Beschluss verfolgt das Ziel, über die Einbeziehung privater WLANBetreiber den Aufbau eines allgemein zugänglichen WLAN-Netzes zu erreichen. Das ist ein Qualitätsfaktor für das Leben in unserer Stadt, und es ist ein Standortfaktor für unsere Wirtschaft, besonders die Tourismusindustrie, denn ein frei zugängliches WLAN ist auch für die Besucher unserer Stadt attraktiv.

Der jetzt vorliegende Piraten-Antrag enthält die Aufforderung an den Senat, die Dächer von landeseigenen Gebäuden für die Installation der notwendigen technischen Anlagen zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich wohl um Router und Richtfunkgeräte. Richtig daran ist, dass wir zum Aufbau eines flächendeckenden WLANNetzes eine geeignete Infrastruktur in der Fläche der Stadt benötigen. Die Versuche des früheren Senats, dieses unter Verwendung der Laternenmasten und Ampeln aufzubauen, sind leider gescheitert. Ob und inwieweit nun Liegenschaften des Landes geeignet sind, bedarf der genauen Prüfung, denn wir wollen nicht dasselbe Desaster erleben, das sich damals abgespielt hat.

Wir werden daher im Rahmen der Behandlung des Antrags im Ausschuss einige wichtige Fragen sorgfältig erörtern müssen: Ist das, was Sie vorschlagen, technisch, aber auch konzeptionell geeignet, um ein flächendeckendes WLAN aufzubauen und möglicherweise andere private Initiativen wie beispielsweise die Wall AG einzubinden, die jetzt einen Projektversuch mit sehr nennenswerter Resonanz durchgeführt hat? Welche Kosten werden anfallen für die Installation, Wartung, Instandsetzung und den Rückbau etwaiger Anlagen? Darüber müssen wir reden. Wer ist der Betreiber der Router und des Netzes, und wer haftet als Betreiber? Was ist die Rolle des Landes? Welche Haftungsrisiken bestehen, und welche Kosten entstehen? Welche Rechtsform ist geeignet, um die Zusammenarbeit des Landes mit den WLAN-Betreibern zu organisieren? Welches sind die technischen Kompatibilitätsstandards, und wer definiert sie? Wer erhält Zugang zu den Routern auf den Dächern der Gebäude, und wer trägt die Verkehrssicherungspflichten dort? Und schließlich: Welche Implikationen bestehen für den Datenschutz?

Ich freue mich auf jeden Fall auf eine konstruktive Diskussion zu diesen Fragen und zu Ihrem Antrag in den zuständigen Ausschüssen und bedanke mich herzlich.

[Beifall bei der CDU, der SPD und den PIRATEN]

Kollege Doering hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. – Bitte schön, Herr Kollege Doering!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke betrachtet den Zugang zum Internet als einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, der auch für sozial Benachteiligte ein Grundrecht ihrer persönlichen Entfaltung und Teilhabe darstellt. In diesem Zusammenhang hat die „taz“ festgestellt und beschrieben – Zitat –:

Gerade für Kinder und Jugendliche, die zwischen digitalem und analogem Leben überhaupt nicht mehr unterscheiden, bedeutet ein Internetzugang soziale Teilhabe – und kein Zugang bedeutet eben Ausgrenzung.

Der Regierende Bürgermeister hat in seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen, dass die Politik eine soziale Verantwortung hat, die digitale Spaltung zu verhindern. Wie das geschehen soll, in welchem Umfang, in welchem Zeitraum, das blieb offen. Das, was jetzt auf Senatsebene zur Diskussion steht, ist der Aufbau eines WLAN-Netzes innerhalb des S-Bahnrings. Das kann aber nur einer von mehreren notwendigen Bausteinen sein. Die Konzentration bzw. Begrenzung des WLANNetzausbaus auf zentrale Orte innerhalb des S-Bahnrings quasi als Angebot – wir haben es eben wieder gehört – für Touristen und Geschäftsleute ist aus unserer Sicht nicht ausreichend. Wer eine digitale Spaltung und somit eine soziale Ausgrenzung vermeiden will, der muss sich für ein flächendeckendes WLAN-Netz über die gesamte Stadt einsetzen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Hier scheint der Ansatz der Piraten mit ihrem Antrag „Berlins Dächer frei für WLAN“ den richtigen Weg aufzuzeigen, zumal durch einen freien Zugang zum WLANNetz gleichzeitig bürgerschaftliches Engagement für Informationsfreiheit unterstützt und gestärkt wird. Da ist es schon im Sinne des Antrags der Piraten eine Überlegung wert, ob die Dächer der öffentlichen Gebäude neben den kommerziellen Anbietern einer nichtkommerziellen Initiative für Freifunk zur Verfügung gestellt werden können, einer Initiative, die sich u. a. zum Ziel setzt, der digitalen Spaltung entgegenzuwirken.

Der Senat verfolgt zurzeit ein anderes, zu begrenztes Konzept. Dieses Konzept setzt darauf, dass Bedingungen und Voraussetzungen für Privatinvestoren geschaffen werden, die sich in der Logik wirtschaftlich tragen müssen. Genau daran ist bisher die Umsetzung eines flächendeckenden WLAN-Netzes gescheitert. Letztendlich können solche Modelle darauf hinauslaufen, dass der Zugang zu flächendeckenden WLAN-Netzen doch nur über Entgeltzahlung möglich ist. Seit Jahren versucht der Senat,

mit privaten Investoren ein flächendeckendes WLANNetz zu installieren und steckt dabei doch noch immer in den Anfängen. Viele Bürgerinnen und Bürger, die Freifunker, sind da schon weiter. Im Rahmen eines Freifunks vernetzen sie sich selbst mit anderen – und das unabhängig von wirtschaftlichen Interessen.

Im Ausschuss für digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit hat der Senat berichtet, dass er mit der Firma Wall AG im Gespräch über ein offenes und freies WLAN ist. Dabei wurde schon deutlich, dass die Firma Wall AG für solch ein Netz vom Senat eine Gegenleistung erwartet – Stichwort: Modernisierung von Wartehallen, Werberechtsverträge.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Datenschutzbeauftragte zu Wort gemeldet und darauf verwiesen hat, dass er eine Prüfung des Angebots der Wall AG eingeleitet hat. Um den Zugang zum WLANNetz zu erhalten, müssen die Nutzer eine App herunterladen und sich mit dieser für die Nutzung anmelden. Dabei besteht die Möglichkeit, dass Nutzerdaten erhoben und gespeichert werden.