Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Datenschutzbeauftragte zu Wort gemeldet und darauf verwiesen hat, dass er eine Prüfung des Angebots der Wall AG eingeleitet hat. Um den Zugang zum WLANNetz zu erhalten, müssen die Nutzer eine App herunterladen und sich mit dieser für die Nutzung anmelden. Dabei besteht die Möglichkeit, dass Nutzerdaten erhoben und gespeichert werden.

Der Senat hat angekündigt, dass er über ein Interessenbekundungsverfahren möglichst wenige Anbieter mit einer gemeinsamen Plattform, wo nur eine Anmeldung erforderlich ist, anstrebt. Herr Böhning hat eingeräumt, dass da auch Platz für die Freifunker sein soll. Bis zum Herbst sollen entsprechende Angebote vorliegen. Das Problem aber ist: Diese Ausschreibung bezieht sich auf zentrale Punkte der Stadt. Was aber ist mit den Außenbezirken der Stadt, dort, wo viele Haushalte mit geringem Einkommen sind, die sich einen eigenen Internetanschluss nicht leisten können? Ich wiederhole: Wer die digitale Spaltung und damit auch einen Teil der sozialen Ausgrenzung verhindern will, der muss gerade dort ein kostenloses WLAN-Netz anbieten. Der Antrag der Piraten zeigt einen Weg auf, wie ein flächendeckendes freies WLAN-Netz mit freiem Zugang in Berlin möglich ist. Darüber sollten wir im Ausschuss ernsthaft beraten.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit und mitberatend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, aber auch an den Hauptausschuss empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

(Vizepräsident Andreas Gram)

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 19

Änderung der Störerhaftung für WLAN-Betreiber – freies WLAN in Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit vom 11. Juni 2012 Drucksache 17/0424

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/0255

Auch hier steht den Fraktionen wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten für die Beratung zur Verfügung. Es beginnt – unschwer zu erkennen am Kollegen Kohlmeier – die Fraktion der SPD, und ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr!

Ich danke Ihnen ganz herzlich, Herr Präsident, für die Erteilung des Wortes! – Sehr geehrte Damen und Herren! Heute legen wir mit der Beschlussfassung über den vorliegenden Antrag der Koalition einen Grundstein für ein kostenfreies und flächendeckendes WLAN in Berlin. Es war gerade eben schon einmal Thema. Der Tag, an dem die Berlinerinnen und Berliner sowie unsere Gäste durch die Stadt spazieren können und allerorts Zugriff auf das Netz haben, rückt näher. Eine gute Idee für unsere Stadt nimmt zunehmend Gestalt an, eine Tatsache, auf die wir stolz sein können.

Ein wesentlicher Bestandteil auf dem Weg zu freiem WLAN in Berlin ist die Änderung der Störerhaftung. Wir reden heute darüber, wie die Berliner Lösung aussieht, und geben dem Regierenden Bürgermeister den Auftrag, auf der Bundesebene die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zur Änderung der Störerhaftung einzuleiten. Ich freue mich, dass wir fraktionsübergreifend zu dieser wichtigen Beschlussfassung gekommen sind. Das beinhaltet auch einen Dank an die Kollegen aus dem Ausschuss für digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit für die konstruktiv-sachliche und vor allem inhaltlich orientierte Diskussion. Das unterstreicht die Wichtigkeit des Vorhabens.

Die Koalition macht sich auf den Weg, eines ihrer zentralen netzpolitischen Ziele umzusetzen, und ist jetzt schon wesentlich weiter als in der letzten Legislaturperiode. Das zeigt: Wir stehen zu unserem Wort, wir steigern die Attraktivität und Lebensqualität Berlins, und wir schaffen soziale Gerechtigkeit durch freien Zugang zum Netz für alle Menschen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Berlin hat viele Cafés, Hotels oder Freifunkinitiativen, die bereits heute kostenlos WLAN anbieten. Ich habe bereits in der Plenarsitzung im April, als wir erstmals über unseren Antrag diskutiert haben, an einem Beispiel erklärt, wo das Problem bei der Bereitstellung von freiem WLAN liegt. Wenn Cafébetreiber abgemahnt werden, weil jemand illegal ein Hörbuch herunterlädt und hohe Schadensersatzforderungen aufgemacht werden, dann bedroht das auch die Existenz der Idee von freiem WLAN in unserer Stadt. Es kann nicht in unserem Interesse liegen, dass sich in Deutschland eine wahre Abmahnwelle in Gang gesetzt hat. Im Jahr 2010 wurden 450 Millionen Euro über Abmahnungen eingetrieben. Damit muss Schluss sein. Wir wollen Rechtssicherheit für die Betreiber von freien WLAN-Netzen herstellen. – Sie können auch applaudieren, Herr Buchholz!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Burkard Dregger (CDU)]

Selbstverständlich auch die gesamte Fraktion und eigentlich auch das gesamte Haus!

Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen, warum ein kostenfreies WLAN wichtig und sinnvoll ist. Zur Teilnahme an unserer Informationsgesellschaft ist der Zugang zum Internet Grundvoraussetzung. In der Arbeits- und Geschäftswelt ist das Internet nicht mehr wegzudenken. Viele Aufgaben könnten ohne das Internet nicht mehr erledigt werden. In den vergangenen Jahren hat sich die Art und Weise der Internetnutzung verändert. Man nutzt Internet nicht mehr nur stationär, sondern wir nutzen es auch immer mobil und unterwegs. Dafür ist ein Zugang zum Internet auch mobil und unterwegs möglich – mit einem WLAN.

Und einen weiteren Punkt möchte ich nicht vergessen: Viele Touristen und Gäste in unserer Stadt wollen ebenfalls einen Zugang zum Internet haben, um Fotos von unserer Stadt um die Welt zu schicken – vom Brandenburger Tor, aus der Simon-Dach-Straße oder aus einem Park in Berlin. Das ist kostenlose Werbung für unsere Stadt, und deshalb wollen wir den freien Zugang über WLAN schaffen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir wollen mit diesem Antrag zumutbare und einhaltbare Kriterien geregelt haben, unter denen ein WLANAnbieter haftet bzw. nicht haftet. Wir haben im Antragstext bewusst eine offene Formulierung gewählt, um dem Regierenden Bürgermeister in den Beratungen mit den anderen Bundesländern einen Verhandlungsspielraum zu lassen, um dieses Ziel zu erreichen. Ich bin überzeugt, dass wir bei der Änderung der Störerhaftung erfolgreich sein werden. Flankiert von Initiativen aus Hamburg und Bremen werden sich andere Bundesländer anschließen. Ich freue mich auf den Tag, an dem Berliner und Touristen durch Berlin gehen und überall die Vorzüge der Informationsgesellschaft nutzen können.

[Beifall von Franziska Becker (SPD)]

Diese Vorstellung wird nicht länger ein unerreichbares Ziel, sondern Normalität in unserer Stadt sein. Daher freue ich mich auf eine breite Unterstützung unserer Initiative. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Nun hat Kollege Gelbhaar für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kohlmeier! Zu Ihrem Antrag: Im ersten Satz fordern Sie, dass in Zukunft ein freier WLANZugang ohne Haftungsrisiko angeboten werden kann, und im zweiten Satz wird hingegen gefordert, dass die Haftung für WLAN-Betreiber nur beschränkt werden soll. Es ist aber ein Unterschied zwischen keinem Haftungsrisiko und einem beschränkten Haftungsrisiko.

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Lesen Sie es nach!

In der Begründung des Antrags wird dann nach zumutbaren und üblicherweise einhaltbaren gesetzlichen Kriterien gerufen, unter denen ein WLAN-Anbieter haften soll. Na, was denn nun? Ich finde es richtig – um das klar festzuhalten –, dass die Störerhaftung in Zukunft anders und besser geregelt wird. Das Ziel oder die Stoßrichtung des Antrags teilen wir also.

[Sven Kohlmeier (SPD): Dann machen Sie doch mit!]

Dazu liegt ein völlig klarer, einfacher und machbarer Vorschlag z. B. der Digitalen Gesellschaft vor. Dieser beschreibt, wie man z. B. in § 8 Telemediengesetz einfach klarstellen kann, dass ein WLAN-Betreiber wie ein Access-Provider behandelt werden soll und kann. Der Grünen-Änderungsantrag, den wir im Ausschuss vorgelegt haben, sah genau eine solche Änderung in dieser Richtung vor. Dieser Änderung wollten Sie allerdings nicht zustimmen. Damit bleibt der Antrag, wie bereits vorher von mir beschrieben, weiter unklar. Sie fabulieren sogar in der Begründung zu Ihrem Antrag noch weiter von „unbefugter Drittnutzung“ und können nicht erklären, was Sie damit eigentlich meinen. Im Fall eines offenen WLAN ist eine unbefugter Drittnutzung schwer vorstellbar. Vielleicht erklären Sie uns das noch.

Die Hamburger Grünen haben die Initiative grundsätzlich geteilt und mit auf den Weg gebracht, aber schon damals Kritik formuliert, und zwar dahin gehend, dass das, was aufgeschrieben wurde, in sich nicht konsistent ist. Wir hatten seit der Hamburger Initiative einige Zeit, um etwas Konsistentes zu produzieren. Änderungsanträge und

Vorschläge lagen dazu im Ausschuss vor. Da ist aber nichts erfolgt, und so bleibt das Ganze ein Schaufensterantrag ohne konkretes Ziel, aber mit erheblichen Fehlern.

[Ülker Radziwill (SPD): Oh!]

Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung zu diesem Antrag enthalten. Ich erinnere an den Justizsenator Heilmann, der in der letzten Sitzung erklärt hat, wann eine Bundesratsinitiative Erfolg hat, nämlich dann, wenn sie nicht unbestimmt, sondern sehr konkret sagt, was sie will. Deswegen ist meines Erachtens die Enthaltung hier das richtige Mittel der Wahl. Es gibt einfach bessere Vorschläge. Wir haben uns schon umfangreich zu dem Thema geäußert. Deshalb will ich es dabei bewenden lassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Uwe Doering (LINKE)]

Kollege Dregger hat nun das Wort für die CDU. – Bitte schön!

[Andreas Otto (GRÜNE): Immer dieselben!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU und SPD möchten ein leicht zugängliches und gebührenfreies WLAN in unserer Stadt initiieren. Das hatten wir im Zusammenhang mit dem zuvor behandelten Antrag der Piraten schon erwähnt. Warum ist das wichtig? – Das Internet ist aus dem Leben unserer modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Es stellt eine unerschöpfliche Menge von Informationen zur Verfügung – weltweit, schnell und jederzeit abrufbar. Es wird von Bürgern wie Unternehmen genutzt. Für Berlin bedeutet das: Ein leicht zugängliches und gebührenfreies Internet und WLAN ist ein Qualitätsfaktor in unserer Stadt.

Noch gibt es in keiner Metropole der Welt ein flächendeckend weitgehend freies WLAN. Feldversuche fanden in diesem Sommer in London anlässlich der Olympischen Spiele statt. Das sollte uns Ansporn sein. Die Koalition beabsichtigt, beim Aufbau des freien WLAN in Berlin die Zusammenarbeit mit privaten Anbietern einzugehen und auch Anbieter wie die Wall AG, die bereits erwähnt wurde, einzubinden. Schon in der Vergangenheit hat es in Berlin viele private Nachbarschaftsinitiativen, Cafés und Ähnliches gegeben, die ihr WLAN der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt und so im besten Sinne bürgerschaftlich in Eigeninitiative eine Reihe von Punkten in unserer Stadt geschaffen haben, an denen freies WLAN zur Verfügung stand. Dann sahen sich aber einige von ihnen immer wieder urheberrechtlichen Abmahnungen ausgesetzt. Darin wurden sie wegen Urheberrechtsverletzungen durch die Nutzer ihres WLAN-Anschlusses auf Unter

lassung in Anspruch genommen, verbunden mit der Aufforderung, anwaltliche Kosten zu tragen – ein kostspieliges Unterfangen.

Wenn also ein Cafébesucher das kostenfreie WLAN des Cafés dafür missbrauchte, um ein Musikvideo illegal auf seinen Rechner herunterzuladen, sah sich der Cafébesitzer bisher mit höherer Wahrscheinlichkeit einer juristischen Inanspruchnahme ausgesetzt, und zwar für die Rechtsverletzung eines Dritten, an der er nicht mitgewirkt hat. Das hat natürlich dazu geführt, dass viele Gewerbetreibende ihr kostenfreies WLAN nicht mehr zur Verfügung gestellt haben, denn sie können sich diese juristischen Auseinandersetzungen gar nicht leisten.

Höchstrichterlich ist übrigens noch gar nicht geklärt, ob es überhaupt Unterlassungsansprüche gibt. Aber wir als Koalition wollen diese gerichtliche Klärung nicht abwarten. Es wäre auch völlig unangemessen angesichts der Tatsache, dass die WLAN-Betreiber in den Cafés im Interesse der Allgemeinheit ihre WLAN-Anschlüsse kostenfrei zur Verfügung stellen. Deswegen bitten wir um Unterstützung dieses Antrags, der zum Ziel hat, über eine Bundesratsinitiative eine klärende Einschränkung der Betreiberhaftung für WLAN-Anschlüsse herbeizuführen. Ich halte es für richtig – genau so, wie Kollege Kohlmeier das gesagt hat –, das so weitläufig zu formulieren, damit der Senat sowohl bei seiner Initiative als auch bei den darauf folgenden Verhandlungen einen Spielraum hat, um zu Lösungen zu kommen.

Ich möchte mich für die Unterstützung im Ausschuss seitens der Piraten und auch der Linksfraktion bedanken. Lieber Herr Gelbhaar! Man kann immer noch drei Kommas anders setzen, aber man kann vielleicht auch mal sagen, dass es ein wichtiges Zeichen ist, in dieser Stadt ein solches Projekt zu unterstützen. Vielleicht überlegen Sie sich das bei der anschließenden Abstimmung noch einmal. Das wäre schön.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Wir wollen jedenfalls Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und bitten um Unterstützung unseres Antrags. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Einen kleinen Moment bitte noch! Kollege Gelbhaar hatte noch eine Zwischenfrage. Wollen Sie sie noch zulassen, lieber Kollege?