Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE) und Canan Bayram (GRÜNE)]

Eine Vielzahl dieser Dokumente wird aber bereits heute schon vonseiten der Verwaltung freiwillig veröffentlicht.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Wo denn?]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das gilt nicht nur – gucken Sie ins Internet, das kennen Sie doch – für Beschlüsse von Senat und Bezirksämtern und Mitteilungen des Senats an das Abgeordnetenhaus, sondern für eine Vielzahl von Vorgängen unterhalb der Ebene der Verfassungsorgane. Das heißt, auch das von Ihnen nunmehr zum Mantra erhobene Prinzip der eigenständigen Veröffentlichung von Daten und Dokumenten durch die Verwaltung ist längst Realität.

[Canan Bayram (GRÜNE): Dann können Sie doch zustimmen!]

Zugegebenermaßen wollen Sie diese Praxis – und das ist jetzt der Punkt – ausdehnen, und zwar – ich zitiere – auf „Haushalts-, Stellen-, Bewirtschaftungs-, Organisations-, Geschäftsverteilungspläne, Telefonlisten, Verzeichnisse, die geeignet sind, die Aktenordnung und den Aktenbestand sowie den Zweck der geführten Akten erkennen zu lassen, sowie Register, Aktenpläne, Aktenordnungen, Aktenverzeichnisse und Tagebücher“.

Ich möchte nicht missverstanden werden, auch ich glaube, dass die Veröffentlichung bestimmter Verwaltungsvorgänge im öffentlichen Interesse ist und eine gewisse Kontrollwirkung erzeugt, aber wir müssen doch die Kirche im Dorf lassen. Worin besteht bitte das öffentliche Interesse, jedes Telefonverzeichnis, jedes Tagebuch und jeden Aktenplan zu veröffentlichen? Sie sind hier insoweit radikal. Sie betrachten es offenbar als Ihr Privileg als Opposition, schön klingende Vorschläge zu machen, ohne sich darum zu kümmern, welches Bürokratiemonster dadurch entsteht und woher das Geld kommt, mit dem Sie das finanzieren wollen. Ich empfehle daher, dass wir zunächst einmal die Folgen abwägen, bevor wir zu voreiligen Schlüssen kommen.

[Zuruf von Thomas Birk (GRÜNE)]

Daher fordere ich Sie auf, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen: Wer soll all diese, für die Öffentlichkeit z. T. völlig unerheblichen Dokumente überhaupt untersuchen, ob und inwieweit schützenswerte Daten berührt oder schützenswerte Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten sind? Wer soll diese Dokumentenflut informationstechnisch bearbeiten, im Internet veröffentlichen, dort ständig pflegen und aktualisieren? Welche Leistungen des Landes und der Bezirke wollen Sie streichen, um das alles zu finanzieren? Ich frage Sie: Was soll das alles bei simpelsten Verwaltungsvorgängen, die keinen Menschen interessieren? Ist es nicht viel sinnvoller, eine Informationspflicht der Verwaltung auf wesentliche Vorgänge zu begrenzen und im Übrigen die Umsetzung des bereits bestehenden Informationszugangsrechts des Bürgers zu verbessern?

Mein Fazit lautet daher vorläufig: Erstens – wie immer –: Erst denken, dann handeln! Zweitens: Die Verwaltung darf nicht lahmgelegt werden, und die öffentlichen Finanzen dürfen nicht ruiniert werden. Und drittens: Welche Offenlegungspflichten sinnvoll sind, kann nicht pauschal, sondern das müssen wir im Einzelnen prüfen. Dazu freue ich mich auf die Debatte in den Ausschüssen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Dregger! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Lux. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Dregger, für die Fragen, die Sie hier gestellt haben! Ich möchte dazu gerne kurz die Gelegenheit zur Stellungnahme ergreifen.

Die ersten Veröffentlichungspflichten, die Sie genannt haben, Einsenderverzeichnisse, Tagebücher, Aktenpläne, Aktenordnungen, stehen bereits jetzt schon im geltenden Informationsfreiheitsgesetz. Sie sind keineswegs eine grüne Erfindung als Neuigkeit, sondern sind bereits geltendes Gesetz zur Veröffentlichung. Insofern glaube ich, dass ich Sie als Mann, der sich an Recht und Gesetz hält, auch auf meiner Seite habe, dass wir das weiterhin gelten lassen wollen, insbesondere wenn sich das bewährt hat. Insofern hoffe ich, dass ich Ihnen da den grünen Monsterzahn gezogen habe. Das ist bereits geltendes Gesetz. Insofern werden Sie verstehen, dass wir es fortgelten lassen wollen.

Zweitens haben Sie gefragt: Was soll das kosten? Wer soll das bezahlen? Was hat der Berliner davon? – Genau

diese Frage stellen wir uns auch. Die haben wir auch im Einzelfall geprüft. Das ist § 5 unseres Gesetzentwurfs, den Sie teilweise unvollständig zitiert haben. Ich glaube, da ist eine ganze Menge von Informationen drin, die die Berlinerinnen und Berliner interessieren und die vor allen Dingen die Verwaltung bereits zum größten Teil erhebt. Sie haben es selber gesagt: Diese Daten sind vorhanden. Es ist nur der Aktendeckel drauf. Man muss zum Amt hingehen. Man muss sich interessieren und selber sehr genau recherchieren, wann und wo hole ich das.

Aber der Gedanke, den Hamburg gebracht hat, den die Open-Data-Bewegung hat, den Wikimedia, Mehr Demokratie, der Chaoscomputerklub, Linke, Piraten, Grüne, aber auch SPD und CDU in Hamburg hatten, ist eben, diese Daten grundsätzlich zu veröffentlichen, wo es mit wenig Mehraufwand verbunden ist. Darüber haben wir uns Gedanken gemacht. Wir haben eine Übergangsfrist von zwei Jahren vorgesehen, und wir wollen, dass Daten künftig so erhoben werden, dass Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wissen, wie sie zu veröffentlichen sind. Das kann vielleicht ein ganzes Verwaltungsleben dauern, aber ich glaube, wir müssen nur den Mut dazu haben, diesen Schritt zu wagen, Herr Dregger! Ich habe Sie häufig so erlebt, dass auch Sie eigentlich eine Politik wollen, die sich wieder aufmacht und die etwas für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt machen will. Deswegen bin ich Ihnen schon sehr dankbar, dass Sie verhandlungsfähiger sind als Kollege Roland Gewalt von 13 Jahren, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Möchten Sie antworten? – Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit. Bitte!

Lieber Kollege Lux! Sie können davon ausgehen, dass wir Ihre Vorschläge sehr intensiv prüfen werden. Aber Sie können nicht bestreiten, dass es einen erheblichen Verwaltungsaufwand erzeugt, jedes Dokument, das ins Internet gestellt wird, zunächst einmal daraufhin zu untersuchen, ob personenbezogene Daten, schützenswerte Daten betroffen sind. Wenn das der Fall ist, müssen die geschwärzt werden. Dann müssen die Dokumente neu eingescannt, in irgendeiner Weise informationstechnisch bearbeitet und das Ganze aktualisiert werden.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Fragen Sie die Bezirke und Senatsverwaltungen! Sicherlich mag es auch Unwilligkeiten gegenüber technischen Neuerungen geben. Ich bin ganz bei Ihnen zu sagen, dass wir natürlich innovativ sein müssen, aber wir müssen auch verantwortungsbewusst sein. Deswegen sollten wir genau im Detail zu definieren versuchen, wo eine Infor

mationspflicht Sinn macht und wo es zu einer völlig überflüssigen Bürokratie führt, denn wir haben auch eine Finanzierungsverantwortung. Ich bin sicher, auch der wollen Sie gerecht werden. Jedenfalls werde ich Sie dann an gegebener Stelle wieder daran erinnern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Weiß das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Deutschland redet über Transparenzgesetze, die Berliner rot-schwarze Koalition redet über die Opposition.

[Beifall bei den PIRATEN]

Bei der ganzen Diskussion, wo jetzt was zuerst stand oder wer was zuerst gefordert hat, möchte ich vielleicht einfach, wenn ich darf, ein kleines Zitat vorlesen:

Ein Prinzip der generellen Veröffentlichung nicht personenbezogener und sicherheitsunkritischer Daten im öffentlichen Interesse ist im Berliner IFG zu verankern.

Wo steht das jetzt? Steht das jetzt bei den Grünen?

[Zuruf]

Im Koalitionsvertrag steht es auch nicht. – Das steht in der Open-Data-Strategie des Landes Berlin, die im Februar dieses Jahres unter großer presseöffentlicher Begleitung des Senats veröffentlicht wurde und von der uns seitdem eigentlich im Wesentlichen nur gesagt wird, dass es nur eine Frage wäre, wie schnell man jetzt was davon umsetzt. Insofern ist eigentlich die interessante Frage die, warum wir im Moment nicht über eine Senatsvorlage diskutieren.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Aber gut! – Das ist eine Handlungsempfehlung. Das ist eine von 38 Handlungsempfehlungen in dieser Studie, tatsächlich die erste, kurzfristige. Jetzt haben wir von Herrn Kohlmeier gehört – das fand ich schon sehr positiv –: Sie bekennen sich zu einer Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes. Es stellt sich jetzt die Frage, in welche Richtung. Sie haben gesagt, Sie wollen erst einmal gucken, was die Evaluation in Hamburg ergibt. Ich meine, lassen Sie uns doch vielleicht erst einmal das Berliner Informationsfreiheitsgesetz, das es seit 13 Jahren gibt, evaluieren!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wessen Position hierzu wäre interessanter zu erfahren als die des Berliner Beauftragten für Datenschutz und In

formationsfreiheit, der sich in Person von Herrn Dr. Dix auch schon sehr lange mit diesem Thema beschäftigt, auch schon in Brandenburg mit dem damaligen ersten Informationsfreiheitsgesetz. Auch Herr Dr. Dix ist als Informationsfreiheitsbeauftragter der Auffassung, dass eine solche Veröffentlichungspflicht nicht ins Informationsfreiheitsgesetz gehört und das Informationsfreiheitsgesetz in seiner derzeitigen Form an vielen Stellen ins Leere läuft, z. B. bei dem Thema der sogenannten Flucht ins Privatrecht. Das ist ein Aspekt des vorliegenden Entwurfs, auch des Hamburger Entwurfs und unseren Entwurfs, der hier noch nicht angesprochen wurde, obwohl er auch nicht uninteressant ist, nämlich die Erweiterung der auskunftspflichtigen Stellen, nicht nur um rein staatliche Behörden, sondern auch um solche Organisationen wie – um ein Beispiel aus der Luft zu greifen – eine Flughafengesellschaft, die sich in rein staatlichem Eigentum befindet.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Berlin hat eines der fortschrittlichsten, wenn nicht sogar das fortschrittlichste Informationsfreiheitsgesetz – Stand 1999 –, und es wird es sogar noch fünf weitere Wochen lang haben. Das kann man ruhig so festhalten.

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Es wird fünf Wochen so bleiben, weil dann, am 6. Oktober, das Hamburger Gesetz in Kraft tritt. Sie können mir nicht erzählen, dass dieses Gesetz nicht in mehrfacher Sicht deutlich fortschrittlicher ist als das Berliner Informationsfreiheitsgesetz. Wir können uns jetzt darauf ausruhen, dass es ein relativ fortschrittliches Gesetz ist. Viele andere Bundesländer – das ist auch richtig und zu bedauern – haben noch gar kein Informationsfreiheitsgesetz. Aber, wenn wir schon mal die Gelegenheit dazu haben: Warum sollten wir uns als Land Berlin nicht mal bundesweit mit den Besten vergleichen und nicht mit den Schlechtesten?

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Dafür gibt es keinen Grund. Was ich jetzt in Bezug auf dieses Gesetz an Bedenken höre, da ist es noch mal wert, betont zu werden: In der Hamburger Bürgerschaft ist das Gesetz mit den Stimmen aller Fraktionen, die dort vertreten sind, angenommen worden, nicht nur mit den Stimmen, sondern auf Antrag aller Fraktionen.

Dass es so teuer werden würde, so ein Informationsportal, wie es in dem Gesetz nun mal vorgeschrieben ist, einzurichten und zu pflegen, aber gleichzeitig von der Koalition zu hören, dass es so ein Informationsportal schon gebe bzw. dass es in Kürze, 2013, im Regelbetrieb – wie es uns zuletzt im Ausschuss gesagt worden ist – kommen wird: Da muss ich mich doch wundern!

[Beifall bei den PIRATEN – und bei den GRÜNEN]

Unabhängig von der Gesetzesgrundlage: Entweder bekennen wir uns als Land Berlin zu Open Data und zur Veröffentlichung von Informationen, oder wir bekennen uns nicht. Aber zu sagen, es passiert doch schon weitgehend, und gleichzeitig, es ist aber viel zu teuer, das geht nun wirklich nicht.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und bei den GRÜNEN]

Abschließend kann ich nur feststellen: Wir diskutieren das nicht nur hier im Parlament, es wird auch schon außerhalb diskutiert. Und ich kann nur noch mal die Einladung wiederholen, insbesondere an SPD und CDU, an der weiteren Diskussion teilzunehmen und es sich vielleicht doch noch mal zu überlegen, wie sinnvoll so etwas sein kann.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]