Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Herberg! – Für den Senat hat jetzt der Finanzsenator Herr Nußbaum das Wort. – Bitte sehr!

[Michael Schäfer (GRÜNE): Wowereit kneift!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir lesen heute einen Nachtragshaushalt. Es geht um die Darstellung der Finanzierung der Zusatzkosten des Flughafens. Es geht auch darum, einen transparenten, nachvollziehbaren und haushaltsrechtlich klaren Abbildungsvorgang zu machen. Ich denke, das ist uns gelungen.

Es ist klar und von vielen Rednern schon gesagt worden: Keiner gibt gern zusätzlich Geld aus, auch ich nicht. Nichtsdestotrotz ist es in den Redebeiträgen genauso klar geworden, dass wir den Flughafen als ein sehr wichtiges Infrastrukturprojekt brauchen und wir vor allen Dingen in einer Finanzierungs- und Baugemeinschaft mit dem Bund und dem Land Brandenburg stehen und insofern gemeinsam die Finanzierung dieses Flughafens decken und darstellen müssen. Mir ist es wichtig, dass wir die Finanzierung nicht – wie man das vielleicht sonst üblicherweise in der Politik macht – auf eine Zeitachse schieben und die kommenden Jahre damit belasten. Es ist gestern zu Recht gesagt worden, dass die Steuerprognosen für 2013 und 2014 unscharf sind. Die Bundesregierung korrigiert gerade schon wieder ihre Wirtschaftswachstumsprognosen. Das hat natürlich unmittelbare Effekte, auch für die Steuereinnahmen Berlins.

Aber wir wissen recht präzise, was wir im Jahr 2012 einnehmen. Das ist schon im November keine Prognose mehr, sondern wir können von Ist-Zahlen ausgehen. Diese Ist-Zahlen sind erfreulich. Sie sind vor allem deshalb erfreulich, weil Berlin seit Jahren nicht nur wirtschaftlich wächst – unser Wirtschaftswachstum liegt ganz vorne –, sondern auch die Steuereinnahmen mitkommen, wobei auch die eigenen, die sogenannten originären Steuereinnahmen dieses Stadtstaats wachsen. Das ist erfreulich und deshalb auch eindeutig eine Absage an den Süden, die Bayern und Baden-Württemberger, die immer sagen, dass dieser Flughafen von ihnen finanziert wird. Das ist Kokolores. Er wird aus der eigenen Kraft Berlins finanziert.

Deshalb ist es auch erfreulich, dass wir dieses Jahr insgesamt ca. 650 Millionen Euro mehr haben werden, und es ist erfreulich, dass wir nicht alles in die Finanzierung des Flughafens stecken, sondern dass wir aus sonstigen Mehreinnahmen, aber auch aus Einsparungen gegenfinanzieren können, sodass wir insgesamt 250 Millionen der Steuermehreinnahmen brauchen, um diesen Flughafen zu finanzieren.

Wir tun das in einer Rücklage. Diese Rücklage belastet 2012; sie belastet nicht die kommenden Haushaltsjahre, und die hier vereinzelt geäußerte Sorge, das Parlament habe jetzt eine Rücklage bewilligt und aus ihr könne das Geld unkontrolliert an den Flughafen hinausfließen, ist nicht richtig. Das wissen Sie auch; wir haben es gestern im Hauptausschuss diskutiert. Es gibt eine Ermächtigung an den Finanzsenator, die Gelder auszuzahlen. Es gibt eine Verpflichtung des Finanzsenators, dem Hauptausschuss zweimal jährlich zu berichten, sodass das Parlament seine Kontrollfunktion wahrnimmt. Wir werden natürlich nur nach Bedarf Mittel auszahlen, und erst einmal müssen der Flughafen und die anderen Gesellschafter zeigen, dass die Mittel und wofür sie gebraucht werden.

Insgesamt ist damit eine transparente, klare und nachhaltige Finanzierung dieser Zusatzausgaben gemacht worden. Es ist genauso klar, dass wir – und da danke ich der Koalition für ihre Unterstützung – die darüber hinausgehenden Mehreinnahmen zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme verwenden können. Deshalb ist es auch ein Stück nicht richtig zu sagen, wir hätten alle anderen möglichen Ausgaben machen können, wenn wir das nicht zu finanzieren gehabt hätten. Nein, das hätten wir nicht, weil wir die Mittel eindeutig auch dann zur Rückführung der Nettokreditaufnahme genommen hätten. Insofern hätte es alle diese Projekte, die Sie angesprochen haben, Herr Esser, nicht gegeben.

Wir finanzieren aber unabhängig davon in einem 22-Milliarden-Haushalt, den wir hier haben, auch diese Projekte in der Stadt aus, die uns wichtig sind. Ich erinnere noch einmal daran: Das sind Bildung und frühkindliche Erziehung, und wir werden auch etwas für das Schulessen tun. Wir haben für die Bezirke 50 Millionen mehr bereitgestellt. Das passiert in einem regulären Haushalt. Das muss nicht jetzt passieren, und wir werden uns ja ohnehin bald, 2013, wieder für Haushaltsverhandlungen für die Jahre 2014 und 2015 treffen.

Deswegen ist es auch eine gute Nachricht, dass wir die Nettokreditaufnahme für 2012 von über 900 Millionen – so war es geplant – auf 500 Millionen zurückfahren können. Das sind nachhaltig ersparte Zinsausgaben, und mit diesen nachhaltig ersparten Zinsaufgaben können wir wieder unsere Zukunft gestalten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Michael Schäfer (GRÜNE): Wowereit kneift!]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden, und wir kommen zu den Abstimmungen. Wir stimmen zuerst über das Nachtragshaushaltsgesetz 2012/2013 auf Drucksache 17/0500 ab. Der Hauptausschuss empfiehlt dazu mit seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/0612-I

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme mit Änderungen.

Wer nun dem Gesetz mit den Änderungen der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen der CDU und der SPD und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann ist das Gesetz so angenommen.

Der Hauptausschuss empfiehlt zu dem dem Gesetz beigefügten Entwurf des Nachtragshaushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 einschließlich seiner Anlagen unter II mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme unter Berücksichtigung der sich aus der Anlage zur Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/0612 ergebenden Änderung bei Ansätzen, Vermerken und Erläuterungen.

Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann ist das so angenommen. Damit sind das Nachtragshaushaltsgesetz 2012/2013 und das entsprechende Zahlenwerk beschlossen.

Der Haushaltsausschuss empfiehlt darüber hinaus unter III einstimmig – bei Enthaltung der Piraten – einen Auflagenbeschluss. Wer diesen im Wortlaut der Beschlussempfehlung beschließen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU, von Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann ist das einstimmig so beschlossen. – Danke schön!

Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Für die laufende Nr. 4.1 ist keine Priorität benannt worden.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 19

a) Unterbringung von Flüchtlingen als gesamtstädtische Aufgabe verstehen und finanzieren

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0587 Neu

b) Abschiebehaft abschaffen – Flucht ist kein Verbrechen!

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0610

c) Arbeitsverbote für Flüchtlinge abschaffen!

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0611

Wird den Dringlichkeiten widersprochen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bayram. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede beginnen, indem ich den Flüchtlingen danke, die in der letzten Woche auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor einen Hungerstreik durchgeführt haben, mit dem sie stellvertretend für alle Flüchtlinge in unserem Land darauf hingewiesen haben, dass bei uns in der Flüchtlingspolitik seit vielen Jahren einiges schiefläuft.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das, was sie bei der Flucht gerettet haben, nämlich ihren Leib und ihr Leben, haben sie auf dem Pariser Platz eingesetzt, um uns, den Entscheiderinnen und Entscheidern, den Politikerinnen und Politikern, Verantwortlichen und der ganzen Gesellschaft deutlich zu zeigen: Es muss sich etwas ändern.

Sie fordern die Abschaffung der Lagerhaltung – also ein menschenwürdiges Wohnen von Flüchtlingen. Eine weitere Forderung ist die Abschaffung der Abschiebehaft und der Abschiebung allgemein. Dann fordern sie, die Residenzpflicht abzuschaffen. Gegen diese Residenzpflicht haben sie auf ihrem Marsch mehrfach verstoßen, weil sie von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht haben, um diese Einschränkung ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit und auch die aller anderen Flüchtlinge abzuschaffen. Ein weiterer Punkt, der den Flüchtlingen sehr zu schaffen macht in unserem Land, ist das Ar

beitsverbot. Die Möglichkeit zu arbeiten ist ein Menschenrecht, und es ihnen zu verbieten, macht sie von Sozialbezug abhängig. Das besonders Grausame daran ist, dass dieser Sozialbezug ihnen dann von vielen Parteien auch noch zum Vorwurf gemacht wird. Das ist unanständig, das sollten wir uns auf jeden Fall nicht mehr leisten!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich heute dieses Themas angenommen, wir haben es zu unserer Priorität gemacht, aber wir haben uns damit nicht begnügt. Vielmehr haben wir heute drei zusätzliche Anträge eingebracht, um diese Forderungen Gesetz werden zu lassen. Wir fordern ein gesamtstädtisches Konzept für die Unterbringung der Flüchtlinge im Land Berlin. Die vom Senat selbstverschuldete Notsituation wird jetzt von vielen Leuten – ich erinnere nur an eine NPD-Demo in diesem Zusammenhang – genutzt, um die, die darunter zu leiden haben, dass der Staat nicht gehandelt hat, zu Buhleuten zu machen. Das ist unanständig, das muss sofort aufhören!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Sie hören es von mir nicht zum ersten Mal, ich habe schon mehrfach gefordert, dass die Abschiebehaft abgeschafft gehört. Sie kennen auch die aktuellen Zahlen: Derzeit werden sieben Menschen in der Grünauer Straße in Köpenick von 180 Beamtinnen und Beamten bewacht. Das kostet jeden Monat fast 1 Million Euro! So ein Unsinn! Wir haben gerade gesehen, hier wird eh gerne Geld aus dem Fenster geschmissen, aber dieses rausgeschmissene Geld schränkt auch noch Menschen ein, die nichts anderes getan haben, als vor menschenunwürdigen Bedingungen zu flüchten. Flucht ist kein Verbrechen! Wir sollten aufhören, die Menschen fürs Flüchten einzusperren!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Frau Senatorin Kolat! Ich will auf jeden Fall Ihre Initiative begrüßen; Sie waren die Einzige im Senat, die sich überhaupt zu den Flüchtlingen hinbewegt hat.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Nach einer Woche!]

Das finde ich schon richtig und wichtig, auch wenn es früher hätte passieren können. Frau Kolat! Sie haben sich damit aber auch verpflichtet. Sie haben sich verpflichtet, dass der gesamte Senat sich dafür einsetzt, das, was von den Flüchtlingen dort gefordert wird, umzusetzen. Daher unser Antrag, sich sowohl auf der Bundesebene als auch in allen zuständigen Konferenzen der Minister dafür einzusetzen, dass den warmen Worten und dem Händedruck auch Taten folgen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Bayram! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Die drei Anträge der Grünen, die uns vorliegen, werden wir in die Ausschüsse überweisen, um ausgiebig mit Ihnen darüber zu debattieren. Ich will aber kurz noch einige inhaltliche Punkte dazu beisteuern.