Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

Und über die EU-Förderprogramme rede ich heute Abend mal gar nicht. Rot-Rot hat viel unternommen, um diese Mittel immer wieder vollständig abzurufen. Das liegt jetzt im Argen. Und wie wir heute wissen: Für die Zukunft, für die nächste Förderperiode haben wir mit noch größeren Schwierigkeiten zu rechnen, wenn die EU keinen Haushalt aufstellen kann; also die Förderperiode 2014 bis 2020, die unmittelbar bevorsteht ist offensichtlich noch gar nicht ins Problembewusstsein der Regierungskoalition gelangt. Nein, da herrscht Vogel-StraußPolitik. Nach dem Motto „Wissen ist Macht, nichts wissen macht nichts“ wird hier fleißig rumdilettiert. Insofern, Frau Yzer, wünsche ich Ihnen viel Erfolg mit Ihrer Regierungskoalition. Seien Sie optimistisch und seien Sie vor allen Dingen auch handlungsstark!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Nicole Ludwig (GRÜNE) und Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion jetzt der Kollege Mayer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns natürlich auch gefragt, was der Sinn und Zweck dieser Großen Anfrage ist, außer sich selbst ein bisschen zu beweihräuchern. Ich meine, das gehört dazu, man kann es machen.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Man muss es können!]

Es ist sicherlich auch nicht verkehrt, hier die Aufmerksamkeit auf dieses durchaus wichtige Thema zu richten.

Es sind die Umsetzungsberichte erwähnt worden. Tatsächlich, wenn man sich die beiden Umsetzungsberichte anschaut, den 2011er und den 2012er, stellt man fest,

dass man noch 2011 versucht hat, quantifizierbarer zu bleiben. Der 2012er Bericht sieht einer Imagebroschüre schon viel, viel ähnlicher.

Jetzt vielleicht zum Thema: Industriestadt Berlin – Masterplan 2020. Es war heute mehrfach vom Leitbild die Rede, das in diesem Masterplan zum Ausdruck kommt. Ich habe wirklich versucht, aus dem Masterplan herauszulesen! Was ist denn nun das Leitbild 2020? Wo wollen wir 2020 nach diesem Masterplan eigentlich stehen? Man stellt fest, dass das Leitbild im Wesentlichen heißt: Wachstum, Beschäftigung, Wohlstand. Dagegen kann man nichts sagen, das will sicherlich jeder haben. Aber als Ziel für 2020? Es gibt in diesem ganzen Masterplan wenig Quantifizierbares. Auch wenn ich sagen muss, dieser Masterplan ist sicherlich besser als nichts, und die Leitlinien sind sicher auch konkret, dass da etwas getan werden kann. Aber wenn man sich die Ziele in den einzelnen Handlungsfeldern anschaut, kann man als Erfolg verbuchen, wenn in irgendeinem Bereich überhaupt irgendetwas gemacht wird, denn die Vergleichsbasis scheint in den meisten Fällen null zu sein. Wenn man jetzt wirklich – das war so ein bisschen meine Hoffnung, dass Frau Yzer – eine ehrliche Bestandsaufnahme versuchen würde, wo man steht – aber tatsächlich klüger geworden bin ich nicht. Man weiß faktisch tatsächlich gar nicht, wo wir uns auf dem Weg befinden. Was man aber weiß, ist, dass wir in Berlin immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit haben und eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft. Ohne die Stadt schlechtreden zu wollen, wie es immer wieder gleich heißt, muss man auch sehen, dass Berlin die einzige europäische Hauptstadt ist, deren Wirtschaftskraft nicht signifikant höher ist als im Rest des Landes. Das heißt, wir sind vielleicht in Teilen so weit, dass wir im internationalen Wettbewerb mitmachen können, aber tatsächlich sollten wir uns auch keine Illusionen machen, und versuchen, einfach ehrlich zu bleiben.

Was mich tatsächlich stört, oder was ich mir bei vielen Reden gedacht habe: Mein Gott! Was sollen die Leute denken, die uns hier zuhören?

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Jutta Matuschek (LINKE)]

Es war die Rede von Buzzwords, die eigentlich kein Mensch mehr hören kann. Es ist alles nachhaltig, energieressourceneffizient, clean, green, Hightech.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Bingo! – Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Natürlich ist das zwar alles richtig, aber dadurch, dass man das hier alles aneinander reiht und nicht mit Inhalt füllt – –

[Alexander Spies (PIRATEN): Inhalt?]

Ja, Inhalt. Genau, Inhalt!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Was meinen Sie damit?]

Der Masterplan ist ein großes Bild, das ist der große Rahmen. Es ist im Masterplan ja auch vorgesehen, dass die konkreten Dinge bei den verschiedenen Konferenzen und in den Steuerungsgruppen erarbeitet werden. Das ist sicherlich auch nicht verkehrt. Aber es wurde angesprochen, der große Trend vor zehn bis 15 Jahren war die Dienstleistungshauptstadt. Jetzt hat man erkannt, Dienstleistungshauptstadt war vielleicht nicht so richtig. Jetzt machen wir einen Plan für zehn Jahre, wo wir uns auf bestimmte Branchen fokussieren, es aber nach wir vor unklar bleibt, was für eine Wirtschaft wir 2020 haben wollen.

[Alexander Spies (PIRATEN): Florierend!]

Jetzt möchte ich die letzten dreieinhalb Minuten nutzen, um zu skizzieren, wie man diesen Plan noch etwas konkreter fassen könnte und wovon ich glaube, dass es hilfreicher wäre. Es ist so: In der Wirtschaft gibt es eine einzige Konstante, nämlich dass sich alles ständig ändert. Die Rahmenbedingungen ändern sich ständig, die weltwirtschaftlichen, die technologischen Rahmenbedingungen. Der Fortschritt ist da. Das heißt, der Wandel ist die Konstante. Wenn man jetzt eine Wirtschaft haben möchte, die nicht in fünf, acht oder zehn Jahren in die nächste Krise rennt, will man das, was man transformationsoffene Wirtschaftsstrukturen nennt, die sich dem Wandel vernünftig anpassen können, ohne jedes Mal in die Krise zu fallen und gerettet werden zu müssen. Man weiß heute auch, wie solche transformationsoffenen Wirtschaftsstrukturen aussehen, sie sind nämlich das genaue Gegenteil von den Kartellen der Angst, die ich schon einmal erwähnt habe. Wichtig dafür ist es – das passiert teilweise auch im Masterplan oder es gibt zumindest Ansätze dafür – herauszufinden, was uns in Berlin fehlt. Dort ist von den entsprechenden Wertschöpfungsketten die Rede. Tatsächlich sehe ich auch die Wirtschaft unter ökologischen Gesichtspunkten. Die Wirtschaft ist ein Ökosystem. Das heißt, wenn es nicht wächst und gedeiht, muss man schauen, an welchem Dünger es fehlt oder an welcher Hecke, welche Art von Unternehmen fehlt in welchem Sektor, in welcher Branche, damit das Ganze zustande kommt. Ich bin zuversichtlich, dass das in Teilen passiert. Aber eine Sache, die sich viele nicht zu formulieren trauen, ist: Es fehlen uns in den meisten Bereichen in Berlin einfach noch in diesem Ökosystem große Unternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen sind wichtig, aber auch große. Das Zusammenspiel jeder dieser Unternehmen hat in einer Wertschöpfungskette eine ganz wichtige Aufgabe. Insofern würde ich mich freuen, wenn es uns gemeinsam gelänge, uns in den kommenden Jahren auf klarere und vielleicht auch ambitioniertere und sinnvoll quantifizierbare Ziele verständigen zu können, was den Masterplan angeht, damit wir dann wirklich sagen können: Wir haben es geschafft, oder wir kommen nicht voran, anstatt in den Wolken zu bleiben und auch, um eben nicht vielleicht vorübergehenden Trends hinterherzulaufen, sondern das, was ich mir vorstelle, in Berlin eine gesunde, transformationsoffene Wirtschaft in allen Sektoren zu bekommen, die nicht beim nächsten größeren

(Harald Moritz)

Wandel wieder in die Krise gerät und gerettet werden muss. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.

Die Tagesordnungspunkte 9 und 10 stehen als vertagt auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 11 wird über die Konsensliste als erledigt erklärt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 12:

Schallschutzprogramm exakt und zeitnah umsetzen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 31. Oktober 2012 Drucksache 17/0619

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0188

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Moritz! Sie haben das Wort.

[Unruhe]

Dann hätte ich noch die Bitte, dass dort hinten die Gespräche eingestellt werden. Sie können gerne draußen fortgesetzt werden. – Herr Kollege Kohlmeier! Sie stören!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN) – Christopher Lauer (PIRATEN): Das rahme ich mir ein!]

Herr Moritz! Sie haben das Wort.

Hiermit möchte ich noch mal für unseren Antrag werben. Wir sprechen uns dabei für die exakte Umsetzung des Schallschutzprogramms am BER aus. Strittig ist ja da vor allen Dingen das Schutzziel für den Tagschutzbereich. Nur kurz zur Erinnerung: Das Schallschutzziel im Tagschutzgebiet des BER ist im Planfeststellungsbeschluss mit keiner Überschreitung des Maximalpegels von 55 dB am Tag im Rauminnern festgeschrieben worden. Die Flughafengesellschaft meinte, um Kosten zu sparen, dies mit sechs Überschreitungen am Tag interpretieren zu können, und erstellte auf dieser Grundlage die Kostenerstattungsvereinbarungen für die betroffenen Anlieger.

[Andreas Otto (GRÜNE): Skandal!]

Die Anlieger haben diese falsche Berechnung allerdings bemerkt und spätestens von da an kaum noch Erstattungsvereinbarungen unterschrieben. Den betroffenen Antragstellern wurde ja gern die Schuld an der zögerlichen Umsetzung des Schallschutzprogramms gegeben. Auch vom Regierenden Bürgermeister ist dies hier betont worden. Aber nicht die Betroffenen sind schuld, sondern die Flughafengesellschaft mit ihrem dreisten Vorgehen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

So ertappt reagierte die Flughafengesellschaft, gestützt vom Aufsichtsrat, mit ihrem Klarstellungsantrag. Diesem Treiben machte die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom Juni 2012 zum Glück ein Ende. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte, dass das Schutzziel – keine Überschreitung von 55 dB im Rauminnern – einzuhalten ist und dass den Betroffenen dieser Schutz ab Inbetriebnahme des BER zusteht. Auch auf diesen Punkt zielt ja unser Antrag ab. Leider ist es auch nicht so, dass das Schallschutzprogramm zurzeit zügig umgesetzt werden würde, sondern eher ist das Gegenteil der Fall.

In der Urteilsbegründung heißt es:

Die einstweilige Anordnung dient der zeitnahen Umsetzung des durch den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss angeordneten Schallschutzprogramms. Dieses ist bis zu einer etwaigen Änderung des Planfeststellungsbeschlusses das alleinige maßgebliche geltende Recht.

Im Vollzugshinweis des brandenburgischen Infrastrukturministeriums zur Verpflichtung der Flughafengesellschaft zur Umsetzung des Oberverwaltungsgerichtsurteils wird aber „keine Überschreitung“ schon wieder interpretiert. Diesmal sagt man: 0,49 Überschreitungen am Tag wären keine Überschreitung. Folglich gibt es natürlich keine Rechtssicherheit. Die entsprechenden Klagen sind auch schon eingereicht worden. Die Flughafengesellschaft und ihre Eigentümer wollen damit retten, was zu retten ist, und wieder viel Geld sparen, meinen sie.

Am Terminal wird nicht gespart. Da muss es der teure Fußboden, die Holzvertäfelung sein. Die Kosten für fehlerhafte Planung und Kontrolle, Pfusch am Bau, die Verschiebung, Mindereinnahmen oder kommende Schadenersatzforderungen werden sicher höher sein als die Kosten für den Schallschutz. Vor allen Dingen wären diese Kosten vermeidbar. Die Kosten für den Schallschutz sind hingegen nicht vermeidbar. Sie sind durch die Standortwahl entschieden worden. Es sind auch keine zusätzlichen Kosten. Sie sind nur nie richtig in die Kalkulation eingeflossen. Das Kostenargument zieht also nicht. Beim Schallschutz geht es um den Gesundheitsschutz der vom BER am stärksten betroffenen Menschen. Hier darf nicht rumgetrickst werden. Verlorengegangenes Vertrauen und Verlässlichkeit müssen zurückgewonnen werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Hierzu sollten sich endlich Fachleute des Ministeriums, der Flughafengesellschaft und natürlich der Betroffenen zusammensetzen, um optimale Lösungen für den Schallschutz auf Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses zu erarbeiten. Um die Berliner Vertreter im Aufsichtsrat in diesem Sinne zu beauftragen, stimmen Sie bitte unserem Antrag „Schallschutz exakt und zeitnah umsetzen“ zu! – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Dann der Kollege Kreins für die SPDFraktion!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Hochgeschätzter Herr Kollege Moritz! Als wir Sozialdemokraten uns schon um den Lärmschutz der Menschen gesorgt haben, wollten die Grünen damals noch Lurche und Frösche in Sperenberg schützen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von den GRÜNEN]