Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 23. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Pressevertreter sehr herzlich. Allen, denen ich es noch nicht persönlich sagen konnte, wünsche ich ein gutes neues Jahr, vor allen Dingen Gesundheit.
Ich weiß nicht, ob das der Grund ist, dass er noch nicht da ist – das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.
Dann möchte ich dem Abgeordneten und Senator Mario Czaja zur Eheschließung am 14. Dezember 2012 gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch!
Die Kollegin Susanne Graf von der Piratenfraktion ist Mutter geworden. Wir gratulieren nachträglich zur Geburt des Sohnes Timotheus Verlyn. – Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Familie!
Frau Felicitas Kubala von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist bekanntermaßen zum Jahreswechsel aus dem Abgeordnetenhaus ausgeschieden. Nachgerückt ist Frau Silke Gebel, die allerdings erst in der nächsten Sitzung begrüßt werden kann, aber sie hat das Mandat angenommen.
Darüber hinaus kann ich Ihnen mitteilen, dass ich am 2. Januar 2013 die Ihnen bekannte Frau Smoltczyk als Nachfolgerin von Herrn Christen als Abteilungsleiterin der Abteilung III, Plenar- und Ausschussdienst, ernannt habe. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!
Mit Schreiben vom 7. Januar 2013 haben 35 Abgeordnete eine Sondersitzung beantragt, sodass ich gemäß Artikel 42 Abs. 2 der Verfassung von Berlin und nach § 56 Abs. 1 Satz 2 unserer Geschäftsordnung die heutige Sitzung einberufen habe.
Im Ältestenrat hat man sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 1 und die von den Oppositionsfraktionsfraktionen beantragte Aktuelle Stunde mit dem Tagesordnungspunkt 2, dem dringlichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion über Entzug des Vertrauens betreffend den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit – Drucksache 17/745 – verbunden zu behandeln. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.
Entschuldigung eines Senatsmitglieds für die heutige Sitzung: Bürgermeister und Senator Müller wird ab 9.30 Uhr abwesend sein. Er vertritt den Senat beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten.
Für die Besprechung bzw. Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 15 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kollegin Pop, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute nicht nur über die erneute Verschiebung des Eröffnungstermins des Flughafens in Schönefeld, sondern wir beraten heute vor allem darüber, ob der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit noch das Vertrauen des Abgeordnetenhauses für seine Politik in Anspruch nehmen kann. Unsere Berliner Verfassung sagt in Artikel 57:
Vertrauen wird erschüttert, Herr Wowereit, wenn man Probleme nicht ernst nimmt, durch Aussitzen, durch offensichtliche Fehlentscheidungen und durch das Abschieben von Verantwortung.
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Wir haben uns die Entscheidung, diesen Misstrauensantrag einzubringen, wahrlich nicht leicht gemacht.
Nicht jede politische Panne oder Fehlentscheidung rechtfertigt einen solchen Schritt. In den elf Jahren, die Sie nun Berlin regieren, Herr Wowereit, gab es viele Situationen, in denen wir Ihre Regierungspolitik kritisiert haben und anderer Meinung waren. – Man erinnere sich an die Parole „Arm, aber sexy“, die wir bis heute für leichtfertig halten, weil diese Stadt wirtschaftliche Dynamik und gute Arbeitsplätze dringend braucht.
Wir kritisieren, dass Sie den steigenden Mieten und der drohenden Wohnungsnot zu wenig entgegengesetzt haben, und Ihre flapsigen Sprüche, man solle eben „Holiday on Ice“ betreiben, wenn die Straßen spiegelglatt sind und die Leute sich die Beine brechen, haben wahrlich auch nicht für Begeisterung gesorgt. Anderer Meinung zu sein und andere Akzente setzen zu wollen, das gehört zur normalen politischen Auseinandersetzung. Doch wir befinden uns nun in einer Ausnahmesituation, die es in den elf Jahren so noch nicht gegeben hat. Herr Regierender Bürgermeister! Ihre fehlende Einsicht lässt uns keine andere Wahl, als diesen Misstrauensantrag einzubringen.
Dass Fehler gemacht werden, ist menschlich. Fehler machen wir alle – privat und beruflich, wir in der Opposition und Sie beim Regieren. So ist das Leben. Was wir Ihnen aber vorwerfen, das ist der verantwortungslose Umgang damit. Was wir Ihnen vorwerfen, das ist, dass Sie sich weigern, die politische Verantwortung für Ihre Fehler zu übernehmen, Herr Wowereit.
Wir erleben nunmehr die vierte Verschiebung der Flughafeneröffnung – diesmal eine Terminverschiebung ohne neuen Termin –, eine Verschiebung auf den Sankt Nimmerleinstag. Wir erfahren von Herrn Amann, dass sich diese Absage bereits vor Weihnachten abzeichnete, wovon Sie natürlich wieder nichts gewusst haben wollen, Herr Wowereit. Wir glauben Ihnen nicht!
Wir lesen von „grauenhaften“ Zuständen auf der Baustelle und befürchten neue, horrende Mehrkosten, die die Milliardengrenze sprengen werden. Wir erleben, wie die ganze Republik, gar die ganze Welt sich über unsere Stadt lustig macht. Das tut weh! Und dafür übernimmt der Regierende Bürgermeister keine Verantwortung? Wo gibt es denn so etwas?
Wie können Sie eigentlich den Gewerbetreibenden noch in die Augen sehen oder den Arbeitnehmern, die ihre Jobs am Flughafen verlieren? Sehr geehrter Herr Wowereit! Sie weisen jede Verantwortung von sich und verweigern erst recht, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Glauben Sie wirklich, alles richtig gemacht zu haben? Was heißt für Sie politische Verantwortung, Herr Wowe
reit? Bedeutet politische Verantwortung für Sie, dass man nur die glanzvollen Dinge mitnimmt, aber wenn die Dinge schieflaufen, man jede Verantwortung von sich weist? Sie haben vor einigen Jahren, als am BER alles noch in Ordnung schien, gesagt – ich zitiere Sie –:
Nun soll man sich persönlich nicht überschätzen, aber ich sage einmal, auch mit Stolz: Ohne meine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender wären wir nicht an dem Punkt, an den wir heute gekommen sind.
Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass das voll und ganz stimmt, Herr Wowereit. Ist es nicht so, dass Sie, wenn alles gut gelaufen wäre, als strahlender Regierender Bürgermeister am 3. Juni ein schönes rotes Band zur Flughafeneröffnung durchgeschnitten hätten? Ich sehe es förmlich vor mir, Klaus Wowereit in der „Tagesschau“: „Es ist uns gelungen, diesen Flughafen zu einem Erfolgsprojekt zu machen. Wir haben das größte Infrastrukturprojekt im Osten Deutschlands vollendet und Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen. Es erfüllt mich mit Stolz, dass er den Namen des unvergessenen Willy Brandt trägt.“ So ungefähr hätte es doch geklungen, oder, Klaus Wowereit?
Doch nun läuft es in Schönefeld schlecht. Um es genau zu sagen, es läuft in Schönefeld gar nicht mehr. Nun tun Sie plötzlich so, als ob der Aufsichtsratschef ein Schirmherr sei. Haben nicht Sie, Herr Wowereit, eigentlich das Image des Aktenfressers, dem keine Schwachstelle in einer Vorlage entgeht?
Ist es nicht in Wirklichkeit so, dass selbstverständlich der Aufsichtsrat die Grundlinien der Geschäftspolitik des Flughafens bestimmt hat? Haben nicht Sie als Aufsichtsrat entschieden, dass kein Generalunternehmer bauen soll, sondern die öffentliche Hand der Bauherr sein soll? Sie sind der Bauherr, Herr Wowereit. Deshalb können Sie jetzt leider keinen anderen mehr zur Rechenschaft ziehen.