Protokoll der Sitzung vom 10.01.2013

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Was uns unterscheidet: Wir tragen Verantwortung – Sie machen Wahlkampf!

[Lachen bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Zurufe von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Joachim Esser (GRÜNE): Ihr habt euch mit Steinbrück aus dem Wahlkampf verabschiedet!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe. – Vielen Dank!

Die Opposition scheint sehr nervös zu sein.

[Lachen bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wir werden am Samstag zeigen: In dieser Koalition herrscht kein Misstrauen. In dieser Koalition herrscht Vertrauen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke – der Fraktionsvorsitzende Kollege Wolf! – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt aber wieder ernsthaft, Herr Saleh!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Martina Michels (LINKE): Ja! Bravo!]

Klaus Wowereit hat die Bildung dieser Regierung mit nur einem einzigen Argument begründet: Eine Koalition aus SPD und CDU sei die einzige Möglichkeit, große Infrastrukturprojekte zu realisieren,

[Heiterkeit bei den PIRATEN]

das wichtigste Infrastrukturprojekt, den Flughafen, fertig- und auszubauen und die A 100 zu bauen. Weil das allein als politisches Programm für eine Stadt wie Berlin zu wenig ist und obendrein der Bau der A 100 ökologisch und volkswirtschaftlich Blödsinn ist

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

und noch aus einigen anderen Gründen mehr haben wir diese Regierung nicht mitgewählt.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und weil Ihr Koalitionsvertrag ein Dokument des Stillstands und der Prüfaufträge war, wegen des 12-TageSenators, des falschen Doktortitels und den Tricksereien im Haushalt,

[Torsten Schneider (SPD): Wegen der! Richtige Grammatik!]

wegen des Aufklärungsdesasters beim NSU-Skandal und einer ganzen Reihe unsozialer Entscheidungen haben Sie mit dieser rot-schwarzen Koalition nie unser Vertrauen gehabt. Und wie es sich zeigt, haben Sie es auch nicht verdient.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Nach einem Jahr Rot-Schwarz gibt es keinen einzigen Grund, weshalb wir Ihnen und Ihrer Regierung Vertrauen aussprechen sollten. Gründe für Misstrauen dagegen gibt es haufenweise.

Ich habe es bei zwei Regierungserklärungen zum Flughafen und bei mehren Aktuellen Stunden in dieser Legislaturperiode gesagt: Bei komplexen Großprojekten in großen Verwaltungen kann es immer auch zu schwerwiegenden Problemen und Fehlern und zu Versagen kommen. Das ist nichts Außergewöhnliches. Wer etwas anderes erzählt, macht den Leuten etwas vor. Aber eine gute politische Leitung, eine gute Regierung beweist sich dann, wenn sie aus Fehlern lernt und imstande ist, ein vernünftiges Krisenmanagement zu machen. Eine Verschiebung ist nicht schön, aber verkraftbar. Eine zweite Verschiebung, wenn es die alles entscheidende Chefsache ist – da wird es schon heikel. Und jetzt: nächste Runde

Verschiebung der Flughafeneröffnung, nächste Runde wirtschaftlicher Schaden und Imageschaden für Berlin, nächste Herumdruckserei seitens des Senats, nächste Runde Durchhalteparolen von SPD und CDU! Davon haben alle in Berlin die Nase voll.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber trotzdem, Herr Regierender Bürgermeister, würden wir gern wissen: Wie war das jetzt, was wurde im Dezember im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft besprochen, was beschlossen? War Herr Amman beauftragt, noch etwas nachzuarbeiten, oder ist ihm über Weihnachten einfach so etwas aufgefallen, was er mal den Eigentümern mitteilen wollte? Unser Antrag gestern im Verkehrsausschuss, diese Fragen zu beantworten und Licht in das dunkle Chaos der letzten Tage zu bringen, haben SPD und CDU abgelehnt. Wir hätten gern etwas mehr Aufklärung zu den Details erfahren, bevor wir hier heute reden. Von dem Willen zur Klarheit und Wahrheit, von dem Herr Saleh jetzt getönt hat, von dem die Koalition so gern spricht, hätte ich etwas mehr erwartet.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herr Regierender Bürgermeister! Sie selbst haben den Flughafen zu Ihrer alles entscheidenden Chefsache gemacht. Sie selbst haben sich auf Eröffnungstermine festgelegt und als Aufsichtsratsvorsitzender von der berühmten Erfolgsstory Flughafen gesprochen. Und jetzt geben Sie den Aufsichtsratsvorsitz ab. Das heißt doch im Klartext: Sie glauben selbst nicht mehr daran, dass Sie die Probleme in den Griff bekommen können. Sie kapitulieren bei dem einzigen Thema, das Sie bislang in dieser Legislaturperiode interessiert hat.

Und da sagen Sie, Herr Henkel, Berlin habe eine Flughafen- und keine Regierungskrise. Ich sage Ihnen: Da irren Sie sich gewaltig, Berlin hat selbstverständlich eine Regierungskrise.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das wäre sicher nicht so, wenn Sie und Ihre Koalition im letzten Jahr irgendetwas Vernünftiges für die Stadt hingekriegt hatten! Das haben Sie aber nicht!

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Und weil alles, was CDU und SPD gemeinsam hatten, der Flughafen war,

[Torsten Schneider (SPD): Das hättet ihr gerne!]

und sie dieses einzige Gemeinsame nicht auf die Reihe kriegen, deshalb sitzen wir heute hier und beraten über Misstrauensanträge.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Torsten Schneider (SPD): Sag doch mal was zu den Wasserpreisen!]

Wir können jetzt im Detail durchgehen, was beim Flughafen alles schiefgelaufen ist. Wir können das auch im Verkehrsausschuss machen oder im Untersuchungsausschuss. Aber das wollen die meisten Berlinerinnen und Berliner schon gar nicht mehr hören. Sie finden, dass diese Koalition ihre Arbeit schlecht macht. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Rot-Schwarz ist verspielt, und das nach gerade mal einem Jahr. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! Da nützt es wenig, wenn Herr Saleh und Herr Graf sich gegenseitig versichern, dass sie sich nett finden.

[Heiterkeit bei der LINKEN und den PIRATEN]

Meine Damen und Herren! Wenn Sie – wie leider zu vermuten ist – mit der Koalitionsmehrheit den Misstrauensantrag am Sonnabend wegstimmen werden, sollten Sie sich nicht einreden, Sie hätten das Schlimmste überstanden! Mit der Abstimmung hier im Hause lässt sich die tiefe Vertrauenskrise dieses Senats in der Stadt nicht auflösen. Dafür gibt es viel mehr Gründe als nur den Flughafen. Beim Thema soziale und ökologische Energiewende in Berlin ist diesem Senat nicht zu vertrauen. Ich sage Ihnen auch, warum: Sie haben im ersten Jahr Ihrer Regierung nichts, aber auch gar nichts erarbeitet, weder zu einem Stadtwerk noch zu einer kommunalen Netzgesellschaft. Unter dem Eindruck der erfolgreichen ersten Stufe des Energievolksbegehrens bekommen Sie Panik. Erst versuchen Sie, den Energietisch mit seinem Volksbegehren zu umschmeicheln, dann, unter Druck zu setzen. Als das nicht klappt, beschließen Sie einen völlig vagen und dazu noch inkonsistenten Plan zum Aufbau eines Energieversorgers. Das ist alles schon schlecht genug. Aber zur Zukunft der Stromnetze sagen Sie keinen Piep. Nichts. Sie wollen noch nicht einmal ausschließen, dass es eine Lösung wie in Hamburg gibt,

[Torsten Schneider (SPD): Das tut euch so weh!]

wo das Land kosmetisch einsteigt, aber der Atomkonzern Vattenfall weiter das Sagen hat. Vattenfall, das ist das Unternehmen, das Deutschland vor einem internationalen Schiedsgericht gerade auf Milliardensummen verklagt, weil es seine beiden Atommeiler Brunsbüttel und Krümmel nicht mehr weiterbetreiben darf.

[Torsten Schneider (SPD): Dann solltet ihr einen Misstrauensantrag gegen Vattenfall einbringen!]

Vattenfall will nicht nur beim Atomausstieg noch einmal richtig abkassieren, nein, der Konzern setzt weiter auf Atomenergie.

[Oliver Friederici (CDU): Zum Thema!]

So hält Vattenfall eine Beteiligung an einem polnischen Energieversorger, der den Bau des ersten polnischen AKW plant. Diese vollständig rückwärts gewandte Atompolitik durch Vattenfall darf nicht noch durch den Berliner Senat unterstützt werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber der Senat verweigert klare Aussagen, und deshalb, Herr Schneider, misstrauen wir ihm in Sachen soziale, ökologische Energiewende.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich sagen Ihnen von der SPD oder zumindest denen von der sogenannten SPD-Linken: Sie sollten diesem Senat auch nicht trauen. Sie haben ja inzwischen Erfahrung damit, was der Senat mit den Vorschlägen von SPDParteitagen so macht.

[Torsten Schneider (SPD): Wie ist denn auf Kuba gerade das Wetter?]

Wenn es gut läuft, ignoriert er sie, wenn es schlecht läuft, macht er das Gegenteil. Kaum hat die SPD beschlossen, dass es keine Teilausschreibung der S-Bahn geben soll, beschließt der Senat genau diese Teilausschreibung. Ich sage Ihnen: Das wird das nächste Verkehrsdebakel für Berlin. Die Ausschreibung ist so gemacht, dass die neuen notwendigen S-Bahnzüge auf keinen Fall rechtzeitig da sein werden.